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  • 19.07.2012 · IWW-Abrufnummer 122209

    Finanzgericht Niedersachsen: Urteil vom 30.04.2012 – 4 K 6/12

    Aufwendungen für den Umzug an den Beschäftigungsort sind Werbungskosten


    Tatbestand
    Streitig ist die berufliche Veranlassung eines Umzugs.

    Die Klägerin war bis 2004 als Lehrerin in Z tätig. Bis 2009 war sie ohne Bezüge vom Dienst beurlaubt und hatte ihren Wohnsitz im Ausland. Seit 2009 ist sie wieder an ihrer früheren Schule tätig.

    In der Einkommensteuererklärung für das Streitjahr 2010 machte sie Umzugskosten (Aufwendungen für die Beförderung des Umzugsguts und für die erste Fahrt zum neuen Hausstand) als Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit geltend. Durch Einkommensteuerbescheid vom 21. April 2011 lehnte der Beklagte (das Finanzamt - FA -) die Berücksichtigung dieser Aufwendungen mit der Begründung ab, dass diese nicht beruflich veranlasst gewesen seien.

    Mit dem am 17. Mai 2011 eingelegten Einspruch machte die Klägerin geltend, dass sie im Jahr 2009 aus privaten Gründen nach Deutschland habe zurückkehren müssen. Da der Mietvertrag über die Wohnung im Gastland erst zum 1. April 2010 habe beendet werden können, sei der Umzug erst in den Osterferien 2010 erfolgt. Der Umzug sei daher beruflich veranlasst gewesen.

    Durch Einspruchsbescheid vom 8. Dezember 2011 wies das FA den Einspruch als unbegründet zurück. Umzugskosten - so führte es aus - seien nur dann als Werbungskosten abziehbar, wenn der Umzug nahezu ausschließlich beruflich veranlasst sei, private Gründe also eine ganz untergeordnete Rolle spielten. So verhalte es sich beispielsweise dann, wenn der Umzug aus Anlass eines Arbeitsplatzwechsels erfolge oder zu einer wesentlichen Verkürzung der Fahrzeit zwischen Wohnung und Arbeitsstätte führe. Derartige Gründe seien im Streitfall nicht ersichtlich. Die Klägerin habe nicht widerlegen können, dass für den Umzug private Gründe im Vordergrund gestanden hätten.

    Mit der am 9. Januar 2012 erhobenen Klage trägt die Klägerin vor:

    Die Beurlaubung vom Schuldienst sei jeweils für die Dauer von zwei Jahren ausgesprochen und auf Antrag verlängert worden, zuletzt bis 2010. In ihrem Gastland sei sie als freie Mitarbeiterin verschiedener Auftraggeber tätig gewesen. Im Einzelnen habe sie am Goethe-Institut Deutsch als Fremdsprache unterrichtet, deutsche Prüfungen der Handelskammer organisiert und betreut und für Firmen deutschsprachige Touristenführungen durchgeführt. Sie habe ursprünglich die Absicht gehabt, die Beurlaubung bis zur Vollendung des 60. Lebensjahres zu verlängern und dann ganz aus dem Schuldienst auszuscheiden. Da der Tourismus auch in ihrem Gastland seit 2008 rückläufig gewesen sei, habe sie diese Absicht jedoch aufgeben müssen. Als sich die Möglichkeit ergeben habe, zum 1. August 2009 die Tätigkeit an ihrer früheren Schule wiederaufzunehmen, habe sie sich entschlossen, ihren Urlaub vorzeitig zu beenden. Die in dem Einspruchsschreiben genannten privaten Gründe hätten sich allein auf den Zeitpunkt der Rückkehr bezogen. Bei einer Wiederaufnahme der Tätigkeit erst im Jahr 2010 hätte sie damit rechnen müssen, an einer anderen Schule oder sogar an einem anderen Ort eingesetzt zu werden.

    Die Klägerin beantragt,

    unter Änderung des Einkommensteuerbescheids 2010 vom 21. April 2011 und des Einspruchsbescheids vom 8. Dezember 2011 die Einkommensteuer auf den Betrag herabzusetzen, der sich ergibt, wenn bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit weitere Werbungskosten in Höhe von x.xxx EUR abgezogen werden.

    Der Beklagte beantragt,

    die Klage abzuweisen.

    Er hält an der seinem Einspruchsbescheid zugrunde liegenden Beurteilung fest und führt aus: Die Wohnsitznahme der Klägerin im Ausland sei aus privaten Gründen erfolgt. Die dort ausgeübten Tätigkeiten hätten schon aus dienstrechtlichen Gründen allenfalls den Umfang einer Nebentätigkeit haben können und seien deshalb nicht geeignet, eine berufliche Veranlassung des Wegzugs zu begründen. Damit sei auch der Rückumzug in ihr eigenes Einfamilienhaus in Z als zwangsläufige Folge des privat veranlassten Wegzugs nicht beruflich veranlasst.

    Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung durch den Berichterstatter und ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt (Schriftsatz des FA vom 20. Januar 2012 - Blatt 13 der Gerichtsakte - und am 13. März 2012 eingegangener Schriftsatz der Klägerin - Blatt 18 der Gerichtsakte -).

    Entscheidungsgründe
    Die Klage ist begründet. Die der Klägerin durch den Umzug von ihrem Gastland nach Z entstandenen Aufwendungen sind als Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit abziehbar.

    Werbungskosten sind nach § 9 Abs. 1 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) Aufwendungen zur Erwerbung, Sicherung und Erhaltung der Einnahmen. Sie sind bei der Einkunftsart abzuziehen, bei der sie erwachsen sind (§ 9 Abs. 1 Satz 2 EStG). Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit sind danach alle Aufwendungen, die durch den Beruf des Steuerpflichtigen veranlasst sind (ständige Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs - BFH -: z.B. Urteile vom 25. Mai 2000 VI R 147/99, BFHE 191, 561, BStBl. II 2000, 476; vom 23. März 2001 VI R 189/97, BFHE 196, 478, BStBl. II 2002, 56). Dazu können auch Umzugskosten gehören, wenn der Umzug (nahezu) ausschließlich beruflich veranlasst ist (BFH-Urteile vom 16. Oktober 1991 VI R 132/88, BFHE 170, 484, BStBl. II 1993, 610; vom 28. April 1988 IV R 42/86, BFHE 153, 357, BStBl. II 1988, 777).

    Eine derartige berufliche Veranlassung liegt insbesondere vor, wenn der Umzug aus Anlass der erstmaligen Aufnahme einer beruflichen Tätigkeit erfolgt oder die Folge eines Arbeitsplatzwechsels ist (Schmidt/Krüger, Einkommensteuergesetz, 31. Auflage 2012, § 19 Randnummer 60 "Umzugskosten", m.w.N.; H 9.9 "Berufliche Veranlassung" Lohnsteuer-Handbuch 2012). Für den hier vorliegenden Fall, dass eine Arbeitnehmerin nach einem mehrjährigen Auslandsaufenthalt in das Inland zurückkehrt, um ihre berufliche Tätigkeit wiederaufzunehmen, kann keine andere Beurteilung gelten. Dies gilt unabhängig davon, ob die Klägerin auch während ihres Auslandsaufenthalts einer Erwerbstätigkeit nachgegangen ist und auf welchen Gründen ihr Entschluss zur Rückkehr ins Inland beruht. Selbst wenn der Begründung und der späteren Wiederaufgabe des ausländischen Wohnsitzes private Motive zugrunde gelegen haben sollten, würde dies nichts daran ändern, dass die Rückverlegung des Wohnsitzes an den inländischen Beschäftigungsort die notwendige Voraussetzung für die Wiederaufnahme der beruflichen Tätigkeit der Klägerin und damit durch diese veranlasst war.

    Aus dem als Urteil wirkenden Gerichtsbescheid des Niedersächsischen Finanzgerichts vom 25. September 2001 1 K 271/00 (DStRE 2002, 411) können keine gegenteiligen Schlussfolgerungen gezogen. Es kann dahingestellt bleiben, ob der darin vertretenen Auffassung zu folgen ist, dass die Aufwendungen, die einem Beamten nach einer aus privaten Gründen beantragten Versetzung für den Umzug an den neuen Beschäftigungsort entstehen, nicht beruflich, sondern privat veranlasst sind (a. A. Schmidt/Krüger, a.a.O., § 19 Randnummer 60 "Umzugskosten"). Denn im Unterschied zu diesem Fall hätte die Klägerin im Streitfall ohne den Rückumzug ins Inland überhaupt keine Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit erzielen können.

    Nach Art und Umfang ist die Abziehbarkeit der von der Klägerin geltend gemachten Aufwendungen zwischen den Beteiligten nicht streitig.

    Die Einkommensteuer ist daher auf den Betrag herabzusetzen, der sich ergibt, wenn bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit weitere Werbungskosten in Höhe von x.xxx EUR abgezogen werden (§ 100 Abs. 2 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO -). Die Berechnung der Steuer kann dem FA übertragen werden (§ 100 Abs. 2 Satz 2 FGO).

    Die Kosten sind dem FA als unterlegenem Beteiligten aufzuerlegen (§ 135 Abs. 1 FGO). Die Anordnungen zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruhen auf § 708 Nr. 10 und § 711 der Zivilprozessordnung i.V.m. § 151 Abs. 1 und 3 FGO.

    Vorschriften§ 9 Abs. 1 S. 1, 2 EStG