02.08.2013
Finanzgericht München: Urteil vom 21.03.2013 – 14 K 2862/10
1. Wird eine GmbH von ihrem alleinvertretungsberechtigten Minderheitsgesellschafter beauftragt, ein für das Grundstück dieses
Gesellschafters geplantes Bauprojekt zur Baureife zu bringen, die Finanzierung der Herstellungskosten zu sichern, sowie potentielle
Mieter und Pächter herbeizuführen und ist eine Vergütung erst nach Projektfertigstellung vorgesehen, lässt sich der Vorsteuerabzug
aus den Eingangsrechnungen über Projektierungskosten nicht mit der Begründung versagen, dass ein solcher Anspruch nicht besteht,
wenn juristische Personen – nach in Folge jahrelanger Umsatzlosigkeit unterstellter Aufgabe der Absicht die Eingangsleistungen
für steuerpflichtige Ausgangsleistungen zu verwenden – ausschließlich unentgeltliche Leistungen gegenüber ihrem Gesellschafter
erbringen.
2. Rechnet ein Steuerberater über „durchgeführte Leistungen” ab, scheidet ein Vorsteuerabzug aus der Rechnung wegen unzureichender
Leistungsbeschreibung nach § 14 Abs. 1 Nr. 3 UStG 1999 aus.
IM NAMEN DES VOLKES
Urteil
In der Streitsache
hat der 14. Senat des Finanzgerichts München … ohne mündliche Verhandlung am 21. März 2013 für Recht erkannt:
1. Unter Aufhebung der Umsatzsteuerbescheide 1995 und 1996 jeweils vom 4. Mai 2001, des Umsatzsteuerbescheids 2001 vom 23.
April 2003, des Umsatzsteuerbescheids 2002 vom 25. Oktober 2006 und der Einspruchsentscheidung vom 12. Oktober 2007 wird die
Umsatzsteuer 1995 auf einen Negativbetrag von 1.008,93 EUR, die Umsatzsteuer 1996 auf einen Negativbetrag von 150,04 EUR,
die Umsatzsteuer 2001 auf einen Negativbetrag von 0,61 EUR und die Umsatzsteuer 2002 auf einen Negativbetrag von 116,22 EUR
festgesetzt. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Gründe
I.
Streitig ist die Anerkennung von Vorsteuern im Zusammenhang mit einem Bauträgerprojekt.
Die Klägerin ist eine mit notarieller Urkunde vom 21. Februar 1992 errichtete und am 15. Dezember 1992 ins Handelsregister
eingetragene Gesellschaft mit beschränkter Haftung. Der alleinvertretungsberechtigte Geschäftsführer D, der auch Minderheitsgesellschafter
der Klägerin war, vereinbarte als Eigentümer eines in G gelegenen Grundstücks mit der Klägerin nach Ziffer 2) eines am 21.
Februar 1992 abgeschlossenen Vertrages, dass die Klägerin ein auf diesem Grundstück geplantes Bauobjekt zur Baureife bringen,
die Finanzierung für die Herstellungskosten beschaffen sowie potentielle Betreiber, Pächter und Mieter vermitteln sollte.
Die Klägerin sollte hierfür eine umsatzsteuerpflichtige Leistungsvergütung erhalten. Nach Ziffer 5) des Vertrages war die
Klägerin darüber hinaus berechtigt, „das Grundstück zu erwerben, zu bebauen und nach Fertigstellung an Dritte zu verpachten
bzw. zu vermieten. … Dies hat zur Folge, dass eine Vergütung an die … (Klägerin) für die unter Ziffer 2) dieser Vereinbarung
aufgezählten Leistungen entfällt”.
Mit Bescheid vom 24. August 1992 genehmigte das Landratsamt der Klägerin den Abbruch von noch auf dem Grundstück vorhandenen
Nebengebäuden. Im Jahr 1994 begann die Klägerin mit der Durchführung des Bauvorhabens. Nach dem am 4. Juli 1995 erstellten
und dem Jahresabschluss zum 31. Dezember 1994 beigefügten Lagebericht waren interessierte Käufer für den Wohnbereich sowie
Mieter für die Gewerbeflächen vorhanden. In der Folge kam es jedoch nicht zu einem Erwerb des Grundstücks durch die Klägerin,
zwischenzeitlich wurde ein Zwangsversteigerungsverfahren eingeleitet.
Mit den beim Finanzamt (FA) eingereichten Umsatzsteuererklärungen machte die Klägerin für die Jahre 1993 bis 2004 den Vorsteuerabzug
aus Eingangsrechnungen über Projektierungskosten geltend, steuerpflichtige Umsätze wurden nicht erklärt.
Für die Jahre 1993 bis 2004 stimmte das FA den abgegebenen Umsatzsteuererklärungen zunächst zu. Im Rahmen der Steuerfestsetzung
für das Jahr 1999 stellte das FA im Jahr 2001 weitere Ermittlungen an, in deren Verlauf es zu dem Ergebnis kam, dass der bisher
gewährte Vorsteuerabzug zu versagen sei. Ausschlaggebend war dabei unter anderem, dass die Klägerin mit Schreiben vom 23.
Februar 1999 der H-Bank eine Ladeneinheit für eine Bankfiliale angeboten hatte.
Mit den Bescheiden vom 4. Mai 2001 (für die Jahre 1995 bis 1998), vom 10. Mai 2001 (für das Jahr 1999), vom 5. Mai 2002 (für
das Jahr 2000), vom 23. April 2003 (für das Jahr 2001) vom 25. Oktober 2006 (für die Jahre 2002 bis 2004) sowie vom 13. Dezember
2006 (für das Jahr 2005) änderte das FA deshalb die Steuerfestsetzungen und setzte die Umsatzsteuer jeweils auf 0 DM fest.
Das gegen die Steuerfestsetzung 1993 geführte Einspruchs- und Klageverfahren blieb erfolglos (vgl. das rechtskräftige Urteil
des Finanzgerichts München vom 14. Juni 2007, Az.: 14 K 4127/06).
Mit Entscheidung vom 12. Oktober 2007 wies das FA die Einsprüche gegen die Umsatzsteuerbescheide 1995 bis 2005 als unbegründet
zurück. Auch die Klage vor dem Finanzgericht blieb erfolglos (Az.: 14 K 2862/10). Das Finanzgericht stützte die Klageabweisung
darauf, dass sich aus dem gegenüber der Bank abgegebenen Vermietungsangebot ergebe, dass die Klägerin die von ihr bezogenen
Eingangsleistungen nicht für steuerpflichtige Veräußerungs- oder Vermietungsumsätze verwenden wollte.
Mit Beschluss vom 24. August 2010 hob der Bundesfinanzhof (BFH) auf die Beschwerde der Klägerin wegen Nichtzulassung der Revision
das Urteil des Finanzgerichts Münchens auf und verwies die Sache zurück. Das Finanzgericht habe in dem angefochtenen Urteil
unterstellt, dass die Klägerin das Objekt selbst vermieten wollte, obwohl die Vermietung nach dem Vertrag vom 21. Februar
1992 durch den Eigentümer erfolgen sollte und nur ein Erwerbsrecht der Klägerin bestanden habe.
Die Klägerin weist im jetzigen Verfahren im Wesentlichen darauf hin, dass im Zeitpunkt des Abschlusses der Vergütungsvereinbarung
am 21. Februar 1992 der Gesellschafter D zwar alleiniger Grundstückseigentümer, allerdings lediglich als Minderheitsgesellschafter
mit einem quotalen Geschäftsanteil von 10 % an der Klägerin beteiligt war. Er habe damit die Klägerin nicht beherrschen können.
Die objektiven Anhaltspunkte für die Verwendungsabsicht der Eingangsleistungen ergäben sich aus dem Vertrag vom 21. Februar
1992 und den tatsächlich durchgeführten Aktivitäten der Klägerin. Es sei nicht entscheidungserheblich, ob zu irgendeinem späteren
Zeitpunkt erwogen worden sei, dass die Klägerin das in Frage stehende Grundstück erwerbe, auch insoweit sei die Vergütungsvereinbarung
maßgebend. Für diesen Fall sollte sich der zu bestimmende Kaufpreis zunächst am Verkehrswert orientieren, wobei jene Wertsteigerungen,
die durch die Klägerin verursacht worden seien, vom Verkehrswert in Abzug zu bringen seien. In der Folge wären dann bei der
Klägerin hinsichtlich der weiteren Nutzung (Vermietung, Verpachtung) umsatzsteuerpflichtige Ausgangsumsätze erwirtschaftet
worden.
Soweit das FA nunmehr in Frage stelle, dass zwischen Eingangs- und Ausgangsleistung ein wirtschaftlicher Zusammenhang bestehe,
weil unter Umständen die vereinbarte Ausgangsleistung der Klägerin unmittelbar als eine unentgeltliche Entnahme gegenüber
dem Minderheitsgesellschafter/Grundstückseigentümer angesehen werden könne, sei einzuwenden, dass der Gesellschafter der Klägerin
zinslose Darlehen zur Verfügung gestellt habe. Gegen eine Kapitalerhöhung hätten sich die Mitgesellschafter der Klägerin gesperrt.
All dies sei aus kurzfristigen Erwägungen heraus erfolgt, da laufend Verhandlungen mit Brauereien als Betreiber, Banken als
Fremdkapitalgeber und Ferienwohnungsbetreiber sowie der Gemeindebehörde mit immer neuen Auflagen geführt worden seien. Nachdem
auch noch benachbarte Anwohner gerichtlich gegen die Baugenehmigung vorgegangen seien, habe mit der Durchführung des Projekts
nicht begonnen werden können.
Nach dem Wortlaut der Vergütungsvereinbarung bestehe zwischen Eingangs- und Ausgangsleistungen ein direkter und unmittelbarer
Zusammenhang. Die Eingangsleistungen beträfen ausschließlich Leistungen in Erfüllung dieser Vereinbarung, also dem Vorantreiben
des Bauvorhabens. Maßgebend für den Vorsteuerabzug seien die Verhältnisse im Zeitpunkt der Eingangsleistungen.
Soweit das FA nun beanstande, dass die im finanzgerichtlichen Verfahren vorgelegten Rechnungen insbesondere aus dem Jahr 2002
an die Adresse ihres Geschäftsführers in F gerichtet seien, müsse es sich entgegenhalten lassen, dass es selbst im Jahr 2006
angeregt habe, den Ort der Geschäftsleitung von G nach F zu verlegen, weil sich der Mittelpunkt der geschäftlichen Oberleitung
nach den dem FA vorliegenden Unterlagen geändert habe. Außerdem sei zweifelhaft, ob das FA im Rahmen seiner Amtsermittlungspflicht
nicht doch Kenntnis von allen streitigen Eingangsrechnungen der Streitjahre gehabt habe.
Die Klägerin beantragt,
unter Aufhebung der Umsatzsteuerbescheide 1995 bis 1998 jeweils vom 4. Mai 2001, des Umsatzsteuerbescheides 1999 vom 10. Mai
2001, des Umsatzsteuerbescheids 2000 vom 5. Mai 2002, des Umsatzsteuerbescheids 2001 vom 23. April 2003, der Umsatzsteuerbescheide
2002 bis 2004 jeweils vom 25. Oktober 2006, des Umsatzsteuerbescheides 2005 vom 13. Dezember 2006 und der Einspruchsentscheidung
vom 12. Oktober 2007 die Umsatzsteuer 1995 auf einen Negativbetrag von 2.340,52 EUR (4.577,65 DM), die Umsatzsteuer 1996 auf
einen Negativbetrag von 150,04 EUR (293,45 DM), die Umsatzsteuer 1997 auf einen Negativbetrag von 2.795,59 EUR (5.467,70 DM),
die Umsatzsteuer 1998 auf einen Negativbetrag von 12.520,60 EUR (24.488,17 DM), die Umsatzsteuer 1999 auf einen Negativbetrag
von 4.596,92 EUR (8.990,79 DM), die Umsatzsteuer 2002 auf einen Negativbetrag von 1.329,51 EUR, die Umsatzsteuer 2003 auf
einen Negativbetrag von 3.919,87 EUR, die Umsatzsteuer 2004 auf einen Negativbetrag von 39,44 EUR sowie die Umsatzsteuer 2005
auf einen Negativbetrag von 233,25 EUR festzusetzen.
Das FA beantragt,
die Klage abzulehnen.
Es weist darauf hin, dass dem FA nicht bekannt sei, ob die Klägerin jemals beabsichtigt habe, von ihrem Erwerbsrecht Gebrauch
zu machen. Dieser Umstand sei bislang nicht für entscheidungserheblich erachtet worden. Insbesondere habe allein aufgrund
der eingeräumten Option, das Grundstück eventuell auch selbst zu vermieten oder zu verpachten, im Zeitpunkt des Leistungsbezuges
nicht davon ausgegangen werden können, dass ausschließlich steuerfreie Umsätze angestrebt worden seien. Nach den Bestimmungen
des Anwendungserlasses zum Umsatzsteuergesetz reiche bereits die Ungewissheit hinsichtlich der Ausübung des Erwerbsrechts
aus, um den Vorsteuerabzug zu versagen.
Im Übrigen bestehe auch nach den neuesten Urteilen des BFH das Recht auf Vorsteuerabzug nur dann, wenn der Unternehmer Leistungen
von einem anderen Unternehmer für sein Unternehmen beziehe und für Ausgangsumsätze verwende, die entweder steuerpflichtig
seien oder einer Steuerbefreiung unterlägen, die den Vorsteuerabzug nicht ausschließe. Der BFH habe dabei konkretisiert, dass
der Unternehmer zum Vorsteuerabzug berechtigt sei, soweit er Leistungen für sein Unternehmen und damit für seine wirtschaftlichen
Tätigkeiten zur Erbringung entgeltlicher Leistungen (wirtschaftlicher Tätigkeiten) zu verwenden beabsichtige.
Die Klägerin habe in den Streitjahren jedoch keine wirtschaftliche Tätigkeit im Sinne dieser Rechtsprechung ausgeübt, da sie
ausschließlich im Interesse des Grundstücks ihres Gesellschafters tätig geworden sei, um für diesen die Baureife, die Finanzierung,
sowie potentielle Mieter und Pächter herbeizuführen. Trotz der enormen Projektkosten, die von der Klägerin dafür aufgewendet
worden seien, und trotz der über zehnjährigen Dauer der Planungen hätten der Klägerin keine Abschlagszahlungen auf ihre Kosten
zugestanden. So habe sie allein in den Jahren 1993 bis 2005 Vorsteuern in Höhe von 48.000 EUR aufgewendet, was Leistungsbezügen
in Höhe von 300.000 EUR entspreche, ohne dafür eine Gegenleistung auch nur in Form von Abschlagszahlungen zu erhalten. Mit
zunehmenden Zeitablauf sei es immer unwahrscheinlicher geworden, dass das Projekt in absehbarer Zeit einer sinnvollen Nutzung
zugeführt werden habe können. Daher sei es für die Klägerin immer uninteressanter geworden, ihr Erwerbsrecht auszuüben. Ebenso
sei es immer unwahrscheinlicher geworden, dass die Klägerin jemals eine Vergütung für ihre Tätigkeit erhalten werde, zumal
diese erst nach endgültiger Auftragserfüllung und Veräußerung des Grundstücks fällig werden sollte. Das auf dem Grundstück
befindliche Bauwerk befinde sich auch im Februar 2012 noch immer in einem unverändert baufälligen Zustand.
Unter fremden Dritten sei ein derartiger Geschehensablauf nicht vorstellbar gewesen. Die ursprüngliche Absicht, die Eingangsleistungen
für steuerpflichtige Ausgangsleistungen zu verwenden, sei im Verlauf der Streitjahre offenbar von der Klägerin zwangsläufig
aufgegeben worden.
Im Übrigen entfalle nach der Rechtsprechung des BFH der Vorsteuerabzug dann, wenn eine juristische Person ausschließlich unentgeltliche
Leistungen gegenüber ihrem Gesellschafter erbringe. Entscheidend sei daher, wann die Klägerin ihre ursprüngliche Absicht,
für den Gesellschafter entgeltlich tätig werden zu wollen, aufgegeben und ihre Bemühungen unentgeltlich fortgesetzt habe bzw.
ob von Anfang an entgeltliche Leistungen beabsichtigt gewesen seien. Letzteres erscheine insbesondere deshalb zweifelhaft,
weil das Entgelt dem Grunde nach vom Erfolg abhängig und erst dann fällig gewesen sei, wenn das Grundstück bebaut, durch den
Gesellschafter zunächst vermietet oder verpachtet und anschließend veräußert worden wäre. Ungeachtet der Höhe der durch die
Klägerin aufzubringenden Kosten seien auch keine Abschlagszahlungen vereinbart worden. Für den Fall des optional vereinbarten
Erwerbs des Grundstücks durch die Klägerin sollte schließlich für ihre Bemühungen zur Herbeiführung der Bebauung überhaupt
keine Vergütung gezahlt werden. Die für die Versagung des Vorsteuerabzugs notwendige Ungewissheit bezüglich der Frage, ob
ausschließlich steuerbare Umsätze angestrebt wurden, stehe damit nach Ansicht des FA fest.
Auf die Aufklärungsanordnung des Gerichts vom 7. September 2012 legte die Klägerin Eingangsrechnungen vor, aus denen sie den
Vorsteuerabzug geltend macht.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die FA-Akten sowie auf die Schriftsätze
der Klägerin (26. März 2012, 15. Oktober 2012, 15. November 2012, 14. Dezember 2012, 5. Februar 2013 und 25. März 2013) Bezug
genommen.
Die Beteiligten haben auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet (§ 90 Absatz 2 der Finanzgerichtsordnung
– FGO –).
II.
Die Klage ist nur in geringem Umfang begründet.
Nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Umsatzsteuergesetz (UStG) kann der Unternehmer die gesetzlich geschuldete Steuer für Leistungen,
die von einem anderen Unternehmer für sein Unternehmen ausgeführt worden sind, als Vorsteuer abziehen. Ausgeschlossen ist
der Vorsteuerabzug nach § 15 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 UStG für Leistungen, die der Unternehmer für steuerfreie Umsätze verwendet.
Diese Vorschriften beruhen auf Art. 17 Abs. 2 Buchst. a der Sechsten Richtlinie des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung
der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern 77/388/EWG (Richtlinie 77/388/EWG), wonach der Steuerpflichtige
(Unternehmer), der Gegenstände und Dienstleistungen für Zwecke seiner besteuerten Umsätze verwendet, befugt ist, die im Inland
geschuldete oder entrichtete Mehrwertsteuer für Gegenstände und Dienstleistungen, die ihm von einem anderen Steuerpflichtigen
geliefert oder erbracht werden, von der von ihm geschuldeten Steuer abzuziehen (BFH-Urteil vom 3. März 2011 V R 23/10, BStBl
II 2012, 74).
Die Ausübung des Vorsteuerabzugsrechts setzt darüber hinaus nach Satz 2 der oben genannten Vorschrift voraus, dass der Unternehmer
eine nach §§ 14, 14a UStG ausgestellte Rechnung besitzt. Dies erfordert eine Rechnung, die insbesondere die Pflichtangaben
des § 14 Abs. 1 Nr. 3 und 4 UStG enthält. Dazu gehört im Falle der Erbringung von sonstigen Leistungen eine den Anforderungen
des § 14 Abs. 1 Nr. 3 genügende Leistungsbeschreibung, d. h. eine Konkretisierung der sonstigen Leistung nach „Umfang” und
„Art” sowie des Zeitpunkts der sonstigen Leistung.
Nach der ständigen Rechtsprechung des BFH muss das Abrechnungspapier Angaben tatsächlicher Art enthalten, welche die Identifizierung
der abgerechneten Leistung ermöglichen (zuletzt BFH-Urteil vom 17. Dezember 2008 V R 59/07, BStBl II 2009, 218). Dabei muss
der Aufwand zur Konkretisierung der jeweiligen Leistung dahingehend begrenzt sein, dass die Rechnungsangaben eine eindeutige
und leicht nachprüfbare Feststellung der Leistung ermöglichen, über die abgerechnet wird.
Soweit der Vorsteuerabzug an einer unzureichenden Leistungsbeschreibung in dem Abrechnungspapier scheitert, kann die notwendige
Eindeutigkeit zwar auch dadurch erreicht werden, dass auf andere Geschäftsunterlagen verwiesen wird. Hierfür ist es aber notwendig,
dass in der Rechnung auf diese Unterlagen Bezug genommen wird und die in Bezug genommenen Unterlagen eindeutig bezeichnet
werden (BFH-Beschluss vom 3. Mai 2007 V B 87/05, BFH/NV 2007, 1550).
In tatsächlicher Hinsicht trägt grundsätzlich der den Vorsteuerabzug begehrende Unternehmer die objektive Beweislast (Feststellungslast)
dafür, dass die Voraussetzungen des § 15 Abs. 1 Nr. 1 UStG erfüllt sind (BFH-Beschluss vom 22. September 1993 V B 113/93,
BFH/NV 1994, 281). Es ist vor allem seine Sache und nicht Aufgabe des FA oder des Gerichts, sich um das Vorliegen der Voraussetzungen
des § 15 Abs. 1 Nr. 1 UStG zu kümmern (vgl. BFH-Beschluss vom 3. August 2007 V B 73/07, BFH/NV 2007, 2368 m.w.N). Für die
Geltendmachung von Vorsteuerbeträgen ist die Vorlage der Eingangsrechnungen unabdingbare Voraussetzung.
Im Streitfall sind die Voraussetzungen für einen Vorsteuerabzug nur teilweise erfüllt:
1. Umsatzsteuer 1995
Für das Jahr 1995 kann die geltend gemachte Vorsteuer von insgesamt 2.340,52 EUR nur in Höhe von 1.008,93 EUR zum Abzug zugelassen
werden, da nur in dieser Höhe Rechnungen vorliegen, die den oben genannten Voraussetzungen genügen. Im Einzelnen handelt es
sich dabei um die Rechnung vom 7. November 1995 (Erstellung von Lichtpausen), vom 29. Juni 1995 (Notarkosten im Zusammenhang
mit der Gesellschafterversammlung vom 28. Juni 1995), sowie die Rechnungen vom 17. Januar 1995, 21. Februar 1995 sowie 5.
Juli 1995 (Gebührenrechnungen des Steuerberaters für Jahresabschlüsse 1993 und 1994, Vermögensteuererklärung und Buchführung).
Die abgerechneten Eingangsleistungen stehen im direkten und unmittelbaren Zusammenhang mit der in Ziffer 2 Buchstabe a des
Vertrages vom 21. Februar 1992 vereinbarten Leistung der Klägerin, da sie die Herstellung der Baureife des Grundstücks betreffen.
Die Klägerin hat außerdem anhand objektiver Anhaltspunkte belegt, eine zu besteuerten Umsätzen führende wirtschaftliche Tätigkeit
aufnehmen zu wollen. Dies zeigt sich insbesondere daran, dass sie im März 1992 bei der Gemeinde G einen Antrag auf Baugenehmigung
eingereicht und Verhandlungen mit dem Bayerischen Landesamt für Denkmalpflege geführt hat. Darüber hinaus hat die Klägerin
dem FA mit Schreiben vom 11. Mai 1999 mitgeteilt, dass sie das Grundstück in den nächsten Wochen erwerben wolle, um im Anschluss
daran die Bausubstanz zu erstellen und mehrwertsteuerpflichtig an Dritte zu veräußern. Anhaltspunkte dafür, dass diese Erklärung
nicht im guten Glauben abgegeben worden ist, sind nicht ersichtlich.
Das FA kann auch nicht mit Erfolg einwenden, dass ein Vorsteuerabzug nach der Rechtsprechung des BFH nicht in Betracht kommt,
wenn eine juristische Person ausschließlich unentgeltliche Leistungen gegenüber ihrem Gesellschafter erbringt. Soweit der
BFH beispielsweise entschieden hat, dass eine Personengesellschaft die ihr in Rechnung gestellte Umsatzsteuer für von ihr
bezogene Dienstleistungen, die der Erfüllung einkommensteuerrechtlicher Verpflichtungen ihrer Gesellschafter dienen, nicht
als Vorsteuer abziehen kann (BFH-Urteil vom 8. September 2010 XI R 31/08, BStBl II 2011, 197), hat er festgehalten, dass für
den Vorsteuerabzug nicht die Frage entscheidend sei, ob die Übernahme der Geschäftsbesorgung für die Gesellschafter nicht
hinweggedacht werden kann, ohne dass die Personengesellschaft ihr Unternehmen hätte gründen und in Gang setzen können. Maßgeblich
ist vielmehr, ob die Kosten der bezogenen Leistungen allgemeine Kosten des Unternehmens sind und deshalb grundsätzlich direkt
und unmittelbar mit seiner wirtschaftlichen Tätigkeit zusammenhängen (vgl. BFH-Urteil vom 01.07.2004 V R 32/00, BStBl II 2004,
1022). Dieser Zusammenhang liegt jedoch im Streitfall – wie oben ausgeführt – vor.
Im Übrigen sind Anhaltspunkte für das Vorliegen einer Organschaft zwischen der Klägerin und dem Grundstückseigentümer, mit
der Folge, dass Unternehmer und Steuerschuldner aller Umsätze, die der Organträger oder eine der ihm eingegliederten Organgesellschaften
tätigt, der Organträger ist und die von ihm gegenüber der Organgesellschaft erbrachten Leistungen als nicht steuerbare Innenumsätze
zu behandeln wären (vgl. Klenk in Sölch/Ringleb, Kommentar zum UStG, Rz. 142 zu § 2 UStG, Stand April 2011) nicht ersichtlich.
Die in der Rechnung vom 7. Juli 1995 des Steuerberaters ausgewiesene Vorsteuer kann dagegen nicht berücksichtigt werden, da
sie keine ausreichende Leistungsbeschreibung enthält, sondern sich nur auf nicht näher bezeichnete „durchgeführte Leistungen”
bezieht. Eine Identifizierung der abgerechneten Leistung ist insoweit nicht möglich.
2. Umsatzsteuer 1996
Für das Jahr 1996 kann die geltend gemachte Vorsteuer von 150,04 EUR anhand der vorliegenden Rechnungen vom 4. März, 6. Mai,
6. August und 7. Oktober 1996 über die Erstellung von Lichtpausen in vollem Umfang gewährt werden. Die oben genannten Voraussetzungen
für den Vorsteuerabzug liegen vor.
3. Umsatzsteuer 1997, 1998, 1999, 2000, 2003, 2004 und 2005
Für die Jahre 1997 bis 2000 wurden keine Rechnungen vorgelegt, die den Abzug von Vorsteuer ermöglichen. Die Klägerin kann
auch nicht mit Erfolg einwenden, dass dem FA schon aus Gründen der Amtsermittlungspflicht die nicht mehr auffindbaren Rechnungen
im Zeitpunkt der Umsatzsteuerfestsetzung wohl vorgelegen hätten. Denn in tatsächlicher Hinsicht trägt grundsätzlich der den
Vorsteuerabzug begehrende Unternehmer die objektive Beweislast (Feststellungslast) dafür, dass die Voraussetzungen des § 15
Abs. 1 Nr. 1 UStG erfüllt sind (BFH-Beschluss vom 22. September 1993 V B 113/93, BFH/NV 1994, 281).
Entgegen der Ansicht der Klägerin handelt es sich auch bei dem Schreiben des Architekten L vom 27. Januar 1999, das eine Zusammenstellung
von Rechnungen und Abschlagszahlungen aus den Jahren 1998 und 1999 im Zusammenhang mit dem Bauvorhaben enthält, nicht um ein
geeignetes Abrechnungspapier. Insbesondere richtet sich das Schreiben an den Geschäftsführer der Klägerin, D unter dessen
Adresse in F und nicht an die Klägerin, deren Sitz sich in G befunden hat. Die beschriebenen Leistungen wurden daher nicht
an die Klägerin als Leistungsempfänger erbracht. Ein Vorsteuerabzug kommt aus diesem Grund nicht in Betracht.
4. Umsatzsteuer 2001
Dagegen ist aus der an die Klägerin gerichteten Rechnung der Firma M vom 31. Dezember 2001 über Lichtpausen der Vorsteuerabzug
von 0,61 EUR zu gewähren, da die oben genannten gesetzlichen Voraussetzungen vorliegen.
5. Umsatzsteuer 2002
Für das Jahr 2002 ist ein Vorsteuerabzug von 116,22 EUR aus der Rechnung des Steuerberaters der Klägerin vom 15. Januar 2000
hinsichtlich der Erstellung des Jahresabschlusses 2000 zu berücksichtigen, die Tatbestandsmerkmale der §§ 15, 14 UStG sind
insoweit erfüllt.
Soweit die Klägerin jedoch weitere Rechnungen aus dem Jahr 2002 vorgelegt hat, die an die Firma XYZ Bauträger GmbH unter der
Adresse ihres Geschäftsführers D in F gerichtet sind, kommt ein Vorsteuerabzug nicht in Betracht. Die Klägerin hatte nie einen
Sitz in F, wie das FA unter Hinweis auf den Handelsregisterauszug zu Recht einwendet. Somit steht nicht fest, ob die abgerechneten
Eingangsleistungen an die Klägerin als Leistungsempfänger erbracht worden sind. Die an eine ordnungsgemäße Rechnung gestellten
Voraussetzungen für den Vorsteuerabzug liegen somit nicht vor.
Die Klägerin kann insoweit auch nicht mit Erfolg einwenden, dass das FA im Jahr 2006 selbst angeregt habe, den Ort der Geschäftsleitung
von G nach F zu verlegen, weil sich der Mittelpunkt der geschäftlichen Oberleitung nach den dem FA vorliegenden Unterlagen
geändert habe. Vorliegend ist der geltend gemachte Vorsteuerabzug für den Zeitraum 1995 bis 2005 zu beurteilen. In diesen
Jahren hat sich der Ort der Geschäftsleitung der Klägerin unstreitig in G befunden.
6. Der am 26. März 2013 bei Gericht eingegangene Schriftsatz hat es nicht erfordert, dass das Gericht erneut über die Sache
berät.
7. Die Kostenentscheidung beruht auf § 136 Abs. 1 Satz 3 FGO, da das FA nur zu einem geringen Teil, der weniger als 5 % beträgt,
unterlegen ist (vgl. BFH-Beschluss vom 24. Mai 1993 V B 33/93, BFH/NV 1994, 133).