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  • 24.09.2013 · IWW-Abrufnummer 133007

    Finanzgericht Niedersachsen: Urteil vom 16.01.2013 – 4 K 214/11

    1. § 160 AO ist auch anwendbar, wenn die Finanzbehörde die Besteuerungsgrundlagen geschätzt hat. In diesem Fall hat sie nach Schätzung der BA zu prüfen, ob und inwieweit die fehlende Benennung der Zahlungsempfänger dem Abzug der Ausgaben entgegensteht.

    2. Der Finanzbehörde kommt dabei ein Ermessen zu, bei dem sie zunächst über die Zumutbarkeit des Benennungsverlangens an sich und danach über die Hinzurechnung bzw. die steuerliche Nichtberücksichtigung dem Grund und der Höhe nach entscheidet.

    3. Ein Benennungsverlangen ist grundsätzlich rechtmäßig, wenn aufgrund der Lebenserfahrung die Vermutung nahe liegt, dass der Empfänger einer Zahlung den Bezug zu Unrecht nicht versteuert hat. Hiervon kann regelmäßig ausgegangen werden, wenn feststeht, dass die Angaben über den Empfänger einer Zahlung in der Buchung unzutreffend oder unvollständig sind.

    4. Im Rahmen der Prüfung der Zumutbarkeit des Benennungsverlangens ist die Verhältnismäßigkeit der Maßnahme im Hinblick auf den jeweiligen Geschäftsvorfall zu beurteilen.

    5. Ein nach Eintritt der Bestandskraft eines Bescheides an den Stpfl. gerichtetes Benennungsverlangen rechtfertigt bei Nichterfüllung nicht dessen Änderung nach § 173 AO.


    Niedersächsisches Finanzgericht

    v. 16.01.2013

    4 K 214 / 11

    Tatbestand

    Streitig sind der Abzug von Betriebsausgaben und die Frage, ob die Voraussetzungen für eine Änderung der Bescheide nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 der Abgabenordnung (AO) erfüllt sind.

    Der Kläger erzielte in den Streitjahren aus dem An- und Verkauf von Schrott und Altmetall Einkünfte aus Gewerbebetrieb, seine zwischenzeitlich verstorbene Ehefrau erzielte keine Einkünfte. Der Beklagte (das Finanzamt [FA]) ermittelte an Amtsstelle auf der Grundlage der vom Kläger in seinen Umsatzsteuerheften aufgezeichneten Einnahmen und Ausgaben die Einkünfte aus Gewerbebetrieb nach § 4 Abs. 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG). Als Betriebseinnahmen setzte es die vorangemeldeten Bruttoumsätze an, die Betriebsausgaben errechnete es aus den in den Umsatzsteuerheften des Klägers als Ausgaben aufgezeichneten Beträgen. Nach dem Inhalt dieser Angaben entfielen etwa 80 Prozent der Wareneinkaufskosten auf Ankäufe mit einem Volumen von jeweils mehr als 10.000 €. Unter Ansatz dieser Einkünfte setzte das FA die Einkommensteuer für die Jahre 2006 bis 2008 sowie den Gewerbesteuermessbetrag für die Jahre 2006 und 2007 endgültig und für das Jahr 2009 unter dem Vorbehalt der Nachprüfung nach § 164 Abs. 1 der Abgabenordnung (AO) fest. Für das Jahr 2008 erließ es keinen Gewerbesteuermessbescheid.

    Anlässlich einer Anfang des Jahres 2011 beim Kläger durchgeführten Außenprüfung stellte der Prüfer u. a. fest, dass der Kläger für die in den Umsatzsteuerheften aufgezeichneten Ausgaben für den Wareneinkauf von Privatpersonen und Firmen keine Belege vorlegen konnte. Trotz mehrfacher Aufforderungen des Prüfers machte der Kläger keine Angaben zu den Zahlungsempfängern und begründete seine Weigerung damit, dass er überwiegend von Firmen Schrott beziehe und nach Mitteilung der Namen von diesen kein Altmetall mehr erwerben könne. Der Prüfer sah in dieser Begründung keine Rechtfertigung für die Weigerung des Klägers. Er schätzte die Kosten des Wareneinkaufs von Privatleuten mit 25 Prozent der gesamten, nicht belegten Wareneingangskosten, ging bei dem verbleibenden Teilbetrag davon aus, dass der Ankauf bei Firmen erfolgt sei und ließ diese Kosten nach § 160 AO nicht zum Betriebsausgabenabzug zu, weil der Kläger die Empfänger nicht benannte. Der Prüfer kürzte die mit diesem Vorgang in Zusammenhang stehenden Betriebsausgaben um 405.072 € (2006), 510.436 € (2007), 580.028 € (2008) und 526.192 € (2009) und erhöhte entsprechend die Einkünfte aus Gewerbebetrieb.

    Das FA folgte den Prüfungsfeststellungen und erließ geänderte Einkommensteuerbescheide, für die Jahre 2006 bis 2008 erfolgte die Änderung nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO und für das Jahr 2009 nach § 164 Abs. 2 AO. Im April 2011 ergingen geänderte Gewerbesteuermessbescheide, die Änderungen erfolgten für die Jahre 2006 und 2007 nach § 35 b Abs. 1 Gewerbesteuergesetz (GewStG) und für das Jahr 2009 nach § 164 Abs. 2 AO. Für das Jahr 2008 erging erstmalig ein Gewerbesteuermessbescheid.

    Gegen sämtliche Bescheide legte der Kläger fristgerecht Einsprüche ein, die er damit begründete, dass wegen der besonderen Art der Gewinnermittlung keine neuen Tatsachen und Beweismittel im Sinne des § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO vorlägen. Dem FA seien sämtliche Tatsachen und Beweismittel bereits im Zeitpunkt der erstmaligen Steuerfestsetzungen bekannt gewesen, weil der Gewinn aus Gewerbebetrieb nach den Aufzeichnungen im Umsatzsteuerheft an Amtsstelle ermittelt worden sei und der zuständigen Veranlagungsstelle bekannt gewesen sei, dass es für den Wareneinkauf keine Belege gebe. Dennoch habe das FA den Wareneinsatz stets gewinnmindernd berücksichtigt und hiermit ein Vertrauensverhältnis aufgebaut, das eine nachträgliche Änderung wegen fehlender Belege, welche bereits bei der Veranlagung nicht hätten vorgelegt werden können, verbiete. Darüber hinaus sei die Anwendung des § 160 AO ausgeschlossen, weil ihm die Benennung der Zahlungsempfänger nicht zumutbar sei. Es sei nicht auszuschließen, dass denunzierte Schrott- und Altmetallanbieter gegen ihn persönlich oder sein Eigentum vorgehen würden.

    Das FA wies die Einsprüche als unbegründet zurück und vertrat die Auffassung, dass die Änderung der Bescheide, auch soweit sie nach § 173 AO erfolgt sei, rechtmäßig gewesen sei. Das FA dürfe regelmäßig von der Richtigkeit der Steuererklärungen ausgehen und weiteren Nachforschungen bedürfe es nur in den Fällen, in denen sich aus der Steuererklärung konkrete, gegen die Richtigkeit der Steuererklärung sprechende Anhaltspunkte ergäben. Solche Anhaltspunkte habe es im Streitfall nicht gegeben. Auch wenn der Bearbeiter des FA die Einkünfte anhand der Angaben in den Umsatzsteuerheften ermittelt habe, sei diesem nicht bekannt gewesen, dass es für die Ausgaben keine Belege gebe. Es habe auch keine konkreten Anhaltspunkte gegeben, die im Rahmen der Veranlagung Anlass zur Nachfrage hätten geben müssen. Im Übrigen ergebe sich aus den Akten auch nicht, dass der Kläger dem Bearbeiter expliziert mitgeteilt habe, dass er für den aufgezeichneten Wareneinkauf keine Belege habe. Soweit sich der Kläger auf Treu und Glauben berufe, sei dem entgegenzuhalten, dass allein die Tatsache, dass die Verwaltung einen bestimmten Sachverhalt über Jahre hinweg gleich behandelt habe, keinen Vertrauenstatbestand schaffe. Die Festsetzungen für 2009 seien gemäß § 164 Abs. 1 und 2 AO unter dem Vorbehalt der Nachprüfung erfolgt und daher jederzeit änderbar.

    Auch die Kürzung der Betriebsausgaben sei rechtmäßig. Die Schätzung sei nach § 162 Abs. 1 Satz 1 AO in Verbindung mit § 164 Abs. 2 Satz 1 AO zu Recht erfolgt, weil der Kläger keine nachprüfbaren Aufzeichnungen über den Wareneinkauf für Schrott und Altmetall geführt habe. Die Kürzung nach § 160 Abs. 1 Satz 1 AO sei zu Recht erfolgt, weil der Kläger die Empfänger der Zahlungen nicht benannt habe und gleichsam als Haftender in Anspruch genommen werde, ohne dass es auf sein Verschulden ankomme. Das Benennungsverlangen sei rechtmäßig, weil die Finanzbehörde ein berechtigtes Interesse an der Bekanntgabe der zutreffenden Namen und Anschriften habe. Es sei auch nicht unverhältnismäßig, weil auch der Umstand, dass er bei Benennung der Zahlungsempfänger von diesen kein Altmetall mehr erwerben könne, nicht dazu führe, dass er hierdurch unverhältnismäßige Nachteile erleiden müsse. Das Benennungsverlangen gelte gleichermaßen für alle Wettbewerber und somit auch für seine Konkurrenten und sei daher von den Finanzbehörden einheitlich zu handhaben. Die behauptete Gefahr für Leib und Leben sei nicht ansatzweise glaubhaft gemacht worden. Weiterhin seien auch nicht nur geringfügige Steuerausfälle zu befürchten. Der Kläger habe ausreichend Zeit gehabt, dem Benennungsverlangen nachzukommen und nachdem er dieses nicht erfüllt habe, sei insoweit der Abzug der geltend gemachten Betriebsausgaben für den Wareneinkauf versagt worden, soweit ein entsprechender Steuerausfall bei den Zahlungsempfängern zu befürchten sei. Der Kläger selbst habe während der Außenprüfung mitgeteilt, dass er über Land fahre und bei Firmen nach Altmetall frage, so dass davon auszugehen sei, dass die Zahlungsempfänger grundsätzlich der Besteuerung im Inland unterlägen. Ebenso sei nach Aktenlage davon auszugehen, dass das zu versteuernde Einkommen dieser Zahlungsempfänger nicht unterhalb des für die Steuerfestsetzung relevanten Betrages liege und es somit bei diesen zu einem Steuerausfall komme. Zu seinen Gunsten sei berücksichtigt worden, dass ein gewisser Anteil der Schrottankäufe ausschließlich von Privatleuten erfolgt sei und dieser Anteil sei über das sich aus den Voranmeldungen ergebende Verhältnis hinaus mit 25 Prozent geschätzt worden. Da er die Kosten des verbliebenen Anteils nicht nachgewiesen habe, sei zu Recht angenommen worden, dass der Ankauf von Firmen 75 Prozent des Wareneinsatzes ausmache und in diesem Umfang der Abzug der Betriebsausgaben zu versagen sei.

    Gegen die Einspruchsbescheide hat der Kläger fristgerecht Klage erhoben. Er wiederholt seine Begründung aus dem Vorverfahren und trägt ergänzend vor, dass die Anwendung des § 160 AO auch deshalb ausgeschlossen sei, weil er die nicht von Privatpersonen getätigten Wareneinkäufe bei Ausländern, insbesondere Russen, Polen, Türken, Bulgaren, Litauern, Italienern und Afrikanern getätigt habe, diese nach seinen Informationen über keine Betriebsstätte im Inland verfügten und damit nicht der inländischen Besteuerung unterlägen. Des Weiteren ergebe sich aus den Umsatzsteuerheften, dass im Prüfungszeitraum alle Wareneinkäufe mit runden Beträgen aufgezeichnet worden seien. Schon wegen der Höhe des Umsatzsteuersatzes hätte dem Veranlagungsbeamten daher klar sein müssen, dass diesen Wareneinkäufen keine ordnungsgemäße Rechnungstellung durch die Zulieferer zu Grunde gelegen haben könne und habe diesem das Fehlen der Belege zumindest bekannt sein müssen. Außerdem sei sein eigenes Unvermögen, die Empfänger zu benennen, eine Tatsache, die erst deutlich nach der Steuerveranlagung entstanden und somit keine neue Tatsache im Sinne des § 173 AO sei. Denn das erstmals im Rahmen der Außenprüfung geäußerte Benennungsverlangen könne rein logisch nur zu einer nachträglich entstandenen Tatsache führen, weil das Verlangen erst nach erfolgter Veranlagung an ihn gerichtet worden sei und die Nichtbenennung der Zahlungsempfänger erst nach dem Verlangen der Benennung habe entstehen können. Im Zeitpunkt der Veranlagung sei er nicht nach den Zahlungsempfängern befragt worden.

    Der Kläger beantragt,

    ….

    Der Beklagte beantragt,

    die Klage abzuweisen.

    Der Beklagte hält unter Bezugnahme auf die Einspruchsentscheidung an seiner im Vorverfahren vertretenen Auffassung fest und trägt ergänzend vor, dass soweit der Kläger nunmehr erstmals behaupte, er habe 80 – 90 Prozent seiner nicht von Privatpersonen stammenden Wareneinkäufe bei ausländischen Firmen getätigt, dieses als bloße Schutzbehauptung zu werten sei.


    Gründe

    I. Die Klage ist in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet und im Übrigen unbegründet.

    1. Das FA war berechtigt, die Betriebsausgaben zu schätzen. Gemäß § 162 Abs. 1 AO hat die Finanzbehörde die Besteuerungsgrundlagen zu schätzen, soweit sie diese nicht ermitteln oder berechnen kann. Zu schätzen ist u. a. insbesondere dann, wenn der Steuerpflichtige über seine Angaben keine ausreichende Aufklärung zu geben vermag, oder wenn er Bücher und Aufzeichnungen, die er nach den Steuergesetzen zu führen hat, nicht vorlegen kann, oder wenn diese der Besteuerung nicht nach § 158 AO zu Grunde gelegt werden können (§ 162 Abs. 2 AO). Hat ein Steuerpflichtiger Veranlassung zur Schätzung gegeben, geht die einer jeden Schätzung anhaftende Unsicherheit zu seinen Lasten. Die Besteuerungsgrundlagen müssen in derartigen Fällen nach dem für den Steuerpflichtigen ungünstigsten, aber noch möglichen Sachverhalt festgestellt werden, um eine Besserstellung gegenüber denjenigen auszuschließen, die ihre steuerlichen Pflichten ordnungsgemäß erfüllen. Der Steuerpflichtige muss dabei in Kauf nehmen, dass er evtl. über das Maß seiner eigentlichen Steuerschuld hinaus bis zur oberen Grenze des Schätzungsrahmens belastet wird (vgl. BFH-Urteil vom 1. Oktober 1992 IV R 34/90, BStBl 1993 II S. 259). Es kommt nicht darauf an, aus welchen Gründen der Steuerpflichtige keine nachprüfbaren Aufzeichnungen vorlegen kann, weil die Rechtsfolge, die sich aus der Nichtvorlage ergibt, nicht von seinem Verschulden abhängig ist und somit auch das unverschuldete Unterlassen der Vorlage von Unterlagen zur Durchführung einer Schätzung berechtigt, weshalb auch fehlende Lese- und Schreibkenntnisse der Steuerpflichtigen kein Grund sind, in diesen Fällen von einer Schätzung abzusehen.

    2. Unter Beachtung der oben dargestellten Grundsätze ist die Schätzung der Betriebsausgaben dem Grunde nach berechtigt und der Höhe nach nicht zu beanstanden.

    a) Der Kläger hat die Veranlassung zur Schätzung gegeben, da er über die mit den Wareneinkäufen in Zusammenhang stehenden Aufwendungen keine Aufzeichnungen vorgelegt hat, obwohl er als gewerblicher Unternehmer nach § 143 AO zur Aufzeichnung des Wareneingangs verpflichtet ist. Seinen Aufzeichnungen über seine Betriebsausgaben liegen keine Belege zugrunde, und da er lediglich den bei Abholung der Ware ausgezahlten Betrag erfasst hat, können weder die konkret erworbene Ware noch der Lieferant und der Empfänger des Geldes ermittelt und überprüft werden. Diese Mängel rechtfertigen Zweifel an der sachlichen Richtigkeit der aufgezeichneten Betriebsausgaben und rechtfertigen deren Schätzung.

    b) Die Schätzung ist in Bezug auf ihre Höhe nicht zu beanstanden. Die Annahme des FA, dass insgesamt 25 Prozent der vom Kläger aufgezeichneten Ausgaben auf den Ankauf des Altmetalls von Privatpersonen entfallen und die von diesen Personen erzielten Einnahmen nicht der inländischen Besteuerung unterliegen, ist möglich und angesichts der im Rahmen der Außenprüfung festgestellten Art des Altmetalls zu eher seinen Gunsten erfolgt. Die Annahme eines darüber hinausgehenden höheren Anteils ist schon wegen der fehlenden Aufzeichnungen zur Art der angekauften Ware, nicht gerechtfertigt. Seine Behauptung, dass die Ankäufe im Übrigen von Ausländern erfolgt seien, ist durch nichts belegt und steht im Widerspruch zu seinen Ausführungen während der Prüfung, ohne dass der Kläger diesen Widerspruch aufgeklärt hat. Er hat auch nicht dargelegt, wie diese Kontakte zustande gekommen sind und wie die Verabredungen zur Warenübergabe getroffen worden sind noch hat er dargelegt, wo die Warenübergaben in den Streitjahren konkret stattgefunden haben. Seine Behauptung ist daher nicht geeignet, den Anteil der nicht steuerbehafteten, abzugsfähigen Wareneinkaufskosten zu erhöhen. Ungewissheiten, die sich daraus ergeben, dass die einzelnen Zahlungsempfänger und deren Einkommensverhältnisse nicht bekannt sind, gehen zu Lasten des Steuerpflichtigen (BFH-Urteile in BFHE 138, 317, BStBl 1983 II S. 654; in BFHE 158, 7, BStBl 1989 II S. 995), in diesem Fall zu Lasten des Klägers.

    3. Die Versagung des Betriebsausgabenabzugs nach § 160 AO in Höhe des danach auf den Ankauf bei Firmen entfallenden Betrages ist rechtmäßig, weil der Kläger die Empfänger nicht benannt hat.

    a) Gemäß § 160 Abs. 1 Satz 1 AO sind Betriebsausgaben regelmäßig nicht zu berücksichtigen, wenn der Steuerpflichtige dem Verlangen der Finanzbehörde nicht nachkommt, die Empfänger zu benennen. Die Regelung des § 160 ist auch anwendbar, wenn die Finanzbehörde die Besteuerungsgrundlagen nach § 162 AO geschätzt hat; in diesem Fall hat sie nach Schätzung der Betriebsausgaben zu prüfen, ob und inwieweit die fehlende Benennung der Zahlungsempfänger dem Anzug der Ausgaben entgegensteht (Cöster in Pahlke/Koenig, AO Kommentar 2. Aufl. (P/K), § 160 Rz 10; BFH-Urteil vom 24. Juni 1997, VIII R 9/96, BStBl 1998 II S. 51). Der Finanzbehörde kommt dabei ein Ermessen zu, von dem sie in doppelter Weise Gebrauch macht, indem sie erstens über die Zumutbarkeit des Benennungsverlangen an sich und zweitens über die Hinzurechnung bzw. die steuerliche Nichtberücksichtigung dem Grund und der Höhe nach entscheidet (Klein/Rüsken, AO Kommentar 11 . Auflage, § 160 Rz. 2; BFH-Urteile vom 30. März 1983 I R 228/78, BFHE 138, 317, BStBl 1983 II S. 654; vom 12. September 1985 VIII R 371/83, BFHE 146, 99, BStBl 1986 II S. 537; vom 15. Mai 1996 X R 99/92, BFH/NV 1996, 891 und vom 24. Juni 1997 VIII R 9/96, BFHE 183, 358, BStBl 1998 II S. 51).

    aa) Die Entscheidung des FA, vom Kläger die Benennung der Zahlungsempfänger zu verlangen, ist angesichts der Tatsache, dass gut 80 Prozent der Betriebsausgaben aus Ankäufen mit einem Warenwert von mehr als 10.000 € resultieren, nicht unverhältnismäßig. Die Grenzen des pflichtgemäßen Ermessens sind hierdurch nicht überschritten. Ein Benennungsverlangen ist grundsätzlich rechtmäßig, wenn aufgrund der Lebenserfahrung die Vermutung nahe liegt, dass der Empfänger einer Zahlung den Bezug zu Unrecht nicht versteuert hat, wobei hiervon regelmäßig ausgegangen werden kann, wenn feststeht, dass die Angaben über den Empfänger einer Zahlung in der Buchung unzutreffend oder unvollständig sind (BFH-Urteil vom 10. März 1999 XI R 10/98, BFHE 1988, 280 , BStBl 1999 II S. 434). Im Streitfall gibt es überhaupt keine Angaben zu den Zahlungsempfängern und die Art des vom Kläger veräußerten Altmetalls begründet die Vermutung, dass die Empfänger dieser Zahlungen diese Bezüge zu Unrecht nicht versteuert haben. Legt bereits die Unvollständigkeit der Angaben zum Empfänger die Vermutung der unzutreffenden steuerlichen Erfassung dieser Einnahmen nahe, ist diese erst recht begründet, wenn wie im Streitfall jegliche Angaben zum Empfänger fehlen.

    bb) Das Benennungsverlangen überschreitet auch nicht die Grenzen des Zumutbaren. Im Rahmen der Prüfung der Zumutbarkeit ist die Verhältnismäßigkeit der Maßnahme im Hinblick auf den jeweiligen Geschäftsvorfall zu beurteilen. Grundsätzlich ist es dem Steuerpflichtigen zuzumuten, dass er den Empfänger benennt (Klein/Rüsken Kommentar AO 11 . Aufl. § 160 Rz. 13a). Identitätsangaben und -prüfungen sind nicht bereits wegen der Vielzahl der zu erfassenden Geschäftsvorfälle unzumutbar, sondern nur dann, wenn wegen kaum zu bewältigender tatsächlicher oder rechtlicher Schwierigkeiten eine Ermittlung dem Steuerpflichtigen billigerweise nicht zugemutet werden kann (BFH-Urteil vom 10. März 1999 XI R 10/98, BFHE 1988, 280, BStBl 1999 II S. 434 m.w.N.). Derartige Schwierigkeiten hat der Kläger nicht dargelegt. Selbst wenn nur die Empfänger der Geschäftsvorfälle mit einem Wert von mehr als 10.000 € aufgezeichnet worden wären, wofür der Kläger in keinem Jahr mehr als 45 Aufzeichnungen hätte vornehmen müssen, wären bereits 80 Prozent seiner Betriebsausgaben ordnungsgemäß aufgezeichnet worden. Wenn er selbst des Schreibens und Lesens nicht mächtig sein sollte, hätte er sich diese Angaben von seinen Geschäftspartnern geben lassen können.

    cc) Soweit der Kläger vorträgt, die Maßnahme sei wegen der Gefahr möglicher Wettbewerbsnachteile und Umsatzeinbußen unverhältnismäßig, begründen diese Einwendungen nach der Rechtsprechung des BFH, der der Senat folgt, keinen Anspruch auf eine von diesem Grundsatz abweichende Ausnahmeregelung (BFH-Urteil vom 10. März 1999 XI R 10/98, BFHE 1988, 280, BStBl 1999 II S. 434 m.w.N.). Da der Kläger nach den gesetzlichen Vorschriften zur Aufzeichnung des Wareneingangs einschließlich des Lieferanten verpflichtet war, hat das FA mit der Aufforderung zur Benennung der Empfänger zunächst nur eine den Kläger ohnehin nach den gesetzlichen Vorschriften treffende Verpflichtung wiederholt. Die Anforderung der Mitteilung der Lieferanten liegt immer im Rahmen der pflichtgemäßen Ermessensausübung, weil es lediglich die gesetzlichen Anforderungen wiedergibt. Wenn er die Ware tatsächlich von im Inland nicht steuerpflichtigen Ausländern erworben haben sollte, besteht erst recht kein Grund, die Angabe der Empfänger zu verweigern, weil diese in diesem Fall keine Maßnahmen der deutschen Finanzbehörden zu befürchten hätten und somit nicht erkennbar ist, aus welchem Grund er dann durch die Angabe der Namen einen Nachteil erleiden sollte. Der Kläger kann sich auch nicht darauf berufen, dass entsprechende Betriebsausgaben in früheren Veranlagungszeiträumen berücksichtigt worden sind. Die Berücksichtigung begründet nach dem Grundsatz der Abschnittsbesteuerung keinen Vertrauensschutz und keinen Anspruch des Steuerpflichtigen auf eine vergleichbare Behandlung in nachfolgenden Besteuerungsjahren. Dies gilt umso mehr, als der BFH im Urteil von 10. März 1999 (XI R 10/98, BFHE 1988, 280, BStBl 1999 II S. 434) die Verpflichtung zur Überprüfung der Identität eines Lieferanten zumindest dann für sachgerecht gehalten hat, wenn die Summe der von dem jeweiligen Lieferanten bezogenen Lieferungen den Betrag von ca. 800 € übersteigt. Für die Annahme, er müsse im Falle der Benennung der Zahlungsempfänger um Leib und Leben und Eigentum fürchten, gibt es ebenfalls keine Anhaltspunkte.

    dd) Da der Kläger dem Benennungsverlangen nicht nachgekommen ist, ist das FA berechtigt gewesen, nach § 160 Abs. 1 Satz 1 AO den Betriebsausgabenabzug zu versagen. Die Höhe der vom FA unter Berücksichtigung des mutmaßlichen Steuerausfalls im Streitjahr vorgenommenen Kürzung begegnet keinen Bedenken, weil nicht ausgeschlossen werden kann, dass die Empfänger der Zahlungen zwar die mit den Lieferungen zusammenhängenden Aufwendungen als Betriebsausgaben abgesetzt, die Einnahmen aber nicht verbucht haben, so dass bei diesen ebenfalls der volle gezahlte Betrag erfasst werden müsste, um zu einer zutreffenden Besteuerung zu gelangen.

    3. Die verfahrensrechtlichen Voraussetzungen für eine Änderung der ursprünglichen Steuer- und Messbescheide lagen für das Jahr 2009 vor, weil diese Bescheide unter dem Vorbehalt der Nachprüfung gestanden haben, damit nach § 164 Abs. 2 AO eine Änderung dieser Bescheide innerhalb der Festsetzungsfrist möglich gewesen und die Festsetzungsfrist für diesen Veranlagungszeitraum bei Erlass der geänderten Bescheide im Jahr 2011 noch nicht abgelaufen gewesen ist. Ebenso konnte auch unabhängig von der Möglichkeit der Änderung des Einkommensteuerbescheides für 2008 erstmalig für das Jahr 2008 ein Gewerbesteuermessbescheid erlassen werden, weil der Einkommensteuerbescheid insoweit kein die Finanzverwaltung oder das Gericht bindender Grundlagenbescheid ist, sondern beide Verfahren nebeneinander laufen (BFH-Urteil vom 9. September 1965, IV 40/65 U, BFHE 83, 466, BStBl 1965 III S. 667; BFH-Beschluss vom 22. April 2008, X B 154/07, BFH/NV 2008, 1361).

    4. Für die nicht unter dem Vorbehalt der Nachprüfung stehenden Einkommensteuerbescheide der Jahre 2006 bis 2008 und der Gewerbesteuermessbescheide der Jahre 2006 und 2007 sind in Bezug auf die Kürzung der Betriebsausgaben wegen Nichtbenennung der Empfänger die verfahrensrechtlichen Voraussetzungen für Änderung nicht erfüllt, so dass die Kürzung des Betriebsausgabenabzugs insoweit zu Unrecht vorgenommen worden ist.

    a) Die Voraussetzungen für Änderung der Bescheide nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO (i.V.m. §§ 184 Abs.1 Satz 3 AO) sind nicht erfüllt.

    aa) Nach § 173 Abs.1 Nr.1 AO ist ein Steuerbescheid oder ein Gewerbesteuermessbescheid zu ändern, soweit Tatsachen oder Beweismittel nachträglich bekanntgeworden sind, die zu einer höheren Steuer oder zu einer höheren Festsetzung von Steuermessbeträgen führen. Unter einer Tatsache im Sinne des § 173 AO ist alles zu verstehen, was Merkmal oder Teilstück eines gesetzlichen Tatbestandes sein kann, also Zustände, Vorgänge, Beziehungen und Eigenschaften materieller oder immaterieller Art (PK/Koenig AO § 173 Rz. 7 m.w.N.). Eine Tatsache kann sowohl in einem positiven Zustand, beispielsweise dem Abfluss von Zahlungsmitteln, als auch im Fehlen einer Eigenschaft oder Nichteintritt eines Vorgangs, wie etwa einer fehlenden Vereinbarung, bestehen (PK/Koenig AO § 173 Rz. 7). Beweismittel sind alle Erkenntnismittel, die geeignet sind, das Vorliegen oder Nichtvorliegen von Tatsachen zu beweisen, wie beispielsweise Urkunden, Auskünfte (PK/Koenig § 173 Rz. 34). Die Tatsachen und Beweismittel müssen außerdem nachträglich bekannt geworden und nicht erst nachträglich entstanden oder erstellt worden sein, weil nachträglich entstandenen Beweismittel keine Änderung nach § 173 AO rechtfertigen (PK/Koenig AO § 173 Rz. 42f m.w.N.). Nachträglich bekannt im Sinne des § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO werden Tatsachen oder Beweismittel, wenn sie nach dem Zeitpunkt, in dem die Willensbildung über die Steuerfestsetzung abgeschlossen ist, bekannt werden (st. Rspr. BFH-Urteil vom 28. April 1998, IX R 49/96, BFHE 185, 370, BStBl 1998 II S. 458).

    bb) Nach Maßgabe dieser Grundsätze ist die Tatsache im Sinne dieser Vorschrift der Umstand, dass der Kläger dem Benennungsverlangen des FA nicht nachgekommen ist. Allerdings hat das FA das Verlangen nach Benennung der Empfänger erst zu einem Zeitpunkt an den Kläger gerichtet, als die Bescheide bereits bestandskräftig gewesen sind. Ob und inwieweit ein nach Eintritt der Bestandskraft eines Bescheides an den Steuerpflichtigen gerichtetes Benennungsverlangen im Fall seiner Nichterfüllung die Änderung des Bescheides nach § 173 AO rechtfertigen kann, ist höchstrichterlich nicht entschieden. Der Senat ist der Auffassung, dass die Verweigerung der Auskunft auf ein nach Eintritt der Bestandskraft eines Bescheides an den Steuerpflichtigen gerichtetes Benennungsverlangen keine neue Tatsache im Sinne des § 173 AO darstellt, weil sie ebenso wie das zugrunde liegende Benennungsverlangen erst nach Erlass des zu ändernden Bescheides eingetreten ist.

    b) Die Änderung dieser Steuer(mess)bescheide wegen Nichterfüllung des Benennungsverlangens kann auch nicht auf § 175 Abs. 1 Nr. 2 AO gestützt werden. Nach dieser Vorschrift ist ein Steuerbescheid zu ändern, soweit ein Ereignis eintritt, das steuerliche Wirkung für die Vergangenheit hat (rückwirkendes Ereignis). Nach der Rechtsprechung des BFH muss ein rückwirkendes Ereignis i.S. des § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO in der Weise in die Vergangenheit wirken, dass nunmehr der veränderte anstelle des zuvor verwirklichten Sachverhalts der Besteuerung zugrunde zu legen ist (BFH-Urteil vom 23. November 2006, V R 28/05, BFH/NV 2007, 872 m.w.N.). Das Benennungsverlangen nach § 160 AO ist eine unselbständige Vorbereitungshandlung zum Erlass eines Steuerbescheides (P/K-Cöster, § 160, Rz. 51) und hat als vorbereitende Maßnahme für die endgültige Entscheidung über die Steuerfestsetzung keine materiellrechtliche Rückwirkung auf den bis dahin der Besteuerung zugrunde gelegten Sachverhalt.

    6. Somit sind die Einkommensteuer der Jahre 2006, 2007 und 2008 und die Gewerbesteuermessbeträge der Jahre 2006 und 2007 auf die Beträge herabzusetzen, die sich ergeben, wenn bei der Ermittlung der Einkünfte des Klägers aus Gewerbebetrieb weitere Betriebsausgaben in Höhe von 405.072 € (2006), 510.436 € (2007), 580.028 € (2008) zum Abzug kommen. Die Berechnung der geänderten Steuerbeträge kann gemäß § 100 Abs. 2 Satz 2 FGO dem FA übertragen werden. Im Übrigen ist die Klage abzuweisen.

    II. Die Entscheidung über die Kosten folgt aus 136 Abs. 1. Die Kläger und der Beklagte haben die Kosten des Verfahrens im Umfang ihres Unterliegens zu tragen. Die Anordnungen über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruhen auf § 708 Nr. 10 und § 711 der Zivilprozessordnung i.V.m. § 151 Abs. 1 und 3 FGO.

    III. Die Revision wird gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 2 zur Klärung der Frage, ob die Verweigerung der Empfängerbenennung aufgrund eines nach Eintritt der Bestandskraft eines Bescheides an den Steuerpflichtigen gerichteten Benennungsverlangens die Änderung des Bescheides nach § 173 AO rechtfertigen kann, zugelassen.

    RechtsgebietAOVorschriftenAO § 160 AO § 162