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  • · Fachbeitrag · Steuergestaltung

    Ausstieg aus einer „Drei-Mann-GbR“: FG Münster gewährt begünstigte Besteuerung

    | Wenn sich ein Gesellschafter aus einer „Drei-Mann-GbR“ zurückzieht und die verbleibenden Gesellschafter die GbR weiterführen wollen, tritt auch die Finanzverwaltung in Aktion. Sieht der Gesellschaftsvertrag für solche Fälle eine Sachwertabfindung vor, verlangt sie bisher, dass der Ausscheidende die stillen Reserven aufdeckt und versteuert, wenn er das Unternehmen weiterführen will. Eine teure Lösung. Gut zu wissen, dass das FG Münster dem gierigen Fiskus entgegengetreten ist und eine steuerneutrale Realteilung zulässt. |

    Der Fall aus der Praxis

    Die Architekten A, B und C betreiben ein überregional tätiges Planungsbüro in der Rechtsform einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR). Jeder ist zu 1/3 an der GbR beteiligt. Die GbR unterhält Büros in Krefeld, Gütersloh und Hamm. Intern verantwortet A die Niederlassung in Krefeld, B die Niederlassung in Gütersloh und C die Niederlassung in Hamm.

     

    Ein Gesellschafter will GbR aus persönlichen Gründen verlassen

    Nachdem es zu persönlichen Schwierigkeiten mit den Mitgesellschaftern gekommen ist, möchte A aus der GbR ausscheiden. Der Gesellschaftsvertrag sieht für solche Fälle eine Sachwertabfindung vor. Die drei einigen sich darauf, dass A zur Abfindung seiner Ansprüche den Kundenstamm sowie sämtliche Aktiva und Passiva des Büros in Krefeld erhält und das Büro als Einzelunternehmen fortführt.

     

    Finanzverwaltung verweigert steuerneutrale Übertragung

    Die Finanzverwaltung ist der Meinung, dass in diesem Fall eine steuerpflichtige Veräußerung eines Mitunternehmeranteils vorliegt. Es ist nicht möglich, den Vorgang als steuerneutrale Übertragung nach § 16 Abs. 3 S. 2 Einkommensteuergesetz (Realteilung) zu behandeln. Vielmehr sind bei diesem Vorgang die stillen Reserven (Differenz Buchwerte zu Verkehrswerte) aufzudecken und zu versteuern, da die Gesellschaft nicht aufgelöst sondern von den Gesellschaftern B und C fortgeführt wird. Etwas anderes würde nur gelten, wenn die GbR nur zwei Gesellschafter gehabt bzw. eine komplette Betriebsaufgabe vorgelegen hätte.

    FG Münster gibt Fiskus kontra

    Das FG Münster sieht das anders. Nach seiner - mittlerweile rechtskräftig gewordenen - Auffassung kann es für die steuerliche Behandlung nicht darauf ankommen, ob ein Mitgesellschafter aus einer zwei- oder mehrgliedrigen Personengesellschaft gegen Abfindung mit einem Teilbetrieb (hier: Niederlassung in Krefeld) ausscheidet, solange das unternehmerische Engagement fortgeführt und die (spätere) Besteuerung der stillen Reserven sichergestellt sei. Für das FG liegt deshalb eine steuerlich begünstigte Realteilung vor (FG Münster, Urteil vom 29.1.2015, Az. 12 K 3033/14 F, Abruf-Nr. 144148).

     

    Das FG liegt auf einer Linie mit dem FG Hamburg, das einen früheren Fall ebenso entschieden hatte (FG Hamburg, Urteil vom 18.4.2012, Az. 3 K 89/11, Abruf-Nr. 145110). Da die Finanzverwaltung anderer Auffassung ist, hat sie gegen das Urteil Revision beim BFH eingelegt (Az. III R 49/13). Dessen Urteil steht noch aus.

    Konsequenz für vergleichbare Fälle

    Betroffene haben zurzeit drei Handlungsoptionen

     

    1. Den sicheren Weg gehen und der Finanzverwaltung folgen

    Alternative Eins besteht darin, sich der Finanzverwaltung zu beugen. Um eine Aufdeckung der stillen Reserven zu verhindern, müsste die GbR komplett aufgelöst und die verschiedenen Niederlassungen in Einzelunternehmen der Gesellschafter überführt werden. Die ehemaligen Gesellschafter (B und C) müssten dann eine neue GbR gründen, wenn sie weiter zusammenarbeiten wollen. Fraglich bleibt aber, ob die Finanzverwaltung darin einen Gestaltungsmissbrauch im Sinne von § 42 Abgabenordnung sieht.

     

    2. Ausscheidungsfall im Gesellschaftsvertrag aus Steuersicht regeln

    Alternative Zwei lautet, von vorneherein im Gesellschaftsvertrag zu vereinbaren, dass ein GbR-Gesellschafter im Fall seines Ausscheidens den Anspruch auf den selbst betreuten Mandanten- oder Auftraggeberstamm hat. Einzelne Wirtschaftsgüter (nicht Teilbetriebe) können nämlich steuerneutral nach § 6 Abs. 5 EStG übertragen werden.

     

    3. Einspruch einlegen und auf positive BFH-Entscheidung hoffen

    Die dritte Option besteht darin, es so zu machen, wie die GbR vor dem FG Münster. Das Finanzamt wird dann zwar trotzdem die Aufdeckung der stillen Reserven fordern und höhere Steuern festsetzen. Gegen diesen Steuerbescheid können Sie aber Einspruch einlegen. Weisen Sie darin darauf hin, dass beim BFH zu dieser Frage unter dem Aktenzeichen III R 49/13 ein Musterprozess anhängig ist und bitten Sie um Ruhen Ihres Verfahrens bis zur BFH-Entscheidung. Entscheidet der BFH „GbR-gesellschafterfreundlich“, würde auch Ihr Steuerbescheid zu Ihren Gunsten geändert.

     

    PRAXISHINWEIS | Einen Mustereinspruch „Einspruch gegen Besteuerung stiller Reserven bei Ausstieg aus einer Drei-Mann-GbR“ finden Sie auf wiso.iww.de unter Downloads → Musterverträge/-schreiben → Einsprüche/Rechtsbehelfe.

     

    Welche Folgen hat die „Aufdeckung der stillen Reserven“?

    Sicherlich fragen Sie sich, welche konkreten Folgen die Aufdeckung der stillen Reserven haben kann. Dazu ist es sinnvoll, sich die Grundsystematik vor Augen zu führen, wie stille Reserven entstehen.

     

    Wenn Sie Wirtschaftsgüter anschaffen, die Sie betrieblich nutzen, dürfen Sie die Anschaffungskosten nicht sofort in voller Höhe gewinnmindernd geltend machen. Sie müssen diese Ausgaben vielmehr als Abschreibung über die voraussichtliche Nutzungsdauer verteilen (Absetzung für Abnutzung - AfA). Die voraussichtliche Nutzungsdauer des jeweiligen Wirtschaftsguts ist vom BMF in AfA-Tabellen geregelt. Für Büromöbel zum Beispiel beträgt sie 13 Jahre.

     

    • Beispiel

    Sie haben neue Büromöbel für 26.000 Euro angeschafft. Folglich können Sie in den folgenden 13 Jahren je 2.000 Euro (= 1/13 von 26.000) als Aufwand geltend machen. Nach fünf Jahren haben die Möbel in der Bilanz (bzw. Anlageverzeichnis eines Einnahmen-Überschussrechners) somit noch einen Wert von 16.000 Euro. Angenommen es handelt sich um hochwertiges Mobiliar, dann beträgt der Verkehrswert nach fünf Jahren vielleicht 19.000 Euro (und nicht 16.000 Euro).

     

    Wird die GbR zu dem Zeitpunkt aufgelöst, sind im Mobiliar stille Reserven von 3.000 Euro enthalten, die Sie bei einer Aufdeckung (wie vom Finanzamt gewollt) mit Ihrem persönlichen Steuersatz versteuern müssten.

     

    Wichtig | Dieser Effekt ist natürlich umso gefährlicher je größer der Wert der stillen Reserven ist. Das zeigt das abgewandelte Beispiel.

     

    • Abwandlung des Beispiels

    Die Architekten A, B und C haben das Büro in Krefeld nicht selbst gegründet, sondern für 500.000 Euro gekauft. Vom Kaufpreis sind 50.000 Euro auf die Betriebs- und Geschäftsausstattung entfallen, der Rest in Höhe von 450.000 Euro wurde für den Kundenstamm (steuerlich: Geschäfts- und Firmenwert) gezahlt. Dieser ist ebenfalls abzuschreiben, und zwar über 15 Jahre, also jährlich mit 30.000 Euro (§ 7 Abs. 1 S. 3 EStG). Nach 10 Jahren beträgt der bilanzielle Wert somit nur noch 150.000 Euro.

     

    Weil sich die ABC-GbR aber ein guten Ruf erworben hat, wäre ein fremder Dritter bereit, für das Büro in Krefeld 600.000 Euro zu zahlen. Unterstellt, die Ausstattung ist immer noch 50.000 Euro wert, weil sie zwischenzeitlich erneuert worden ist, entfielen 550.000 Euro des Kaufpreises auf den Kundenstamm. In der Bilanz steht er aber nur mit einem Buchwert von 150.000 Euro. Damit sind stille Reserven von 400.000 Euro enthalten, die das Finanzamt besteuern will.

     

    FAZIT | Die stillen Reserven bei der Auseinandersetzung einer „Drei- oder mehr Mann-GbR“ können unangenehme Steuerfolgen auslösen, wenn man sich der Finanzverwaltung einfach beugt. Suchen Sie deshalb das für Sie richtige Ausstiegsmodell und wehren Sie sich gegen Steuerfestsetzungen, indem Sie das Finanzamt auf die Rechtsprechung und den Musterprozess beim BFH verweisen.

     

    Weiterführender Hinweis

    • Einen „Einspruch gegen Besteuerung stiller Reserven bei Ausstieg aus einer Drei-Mann-GbR“ finden Sie auf wiso.iww.de unter Downloads → Musterverträge/-schreiben → Einsprüche/Rechtsbehelfe
    Quelle: ID 43541488