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  • · Fachbeitrag · Geschwindigkeitsüberschreitung

    Verstoß gegen rechtliches Gehör und Aufklärungsgrundsatz

    Werden von der Herstellerfirma eines Messgerätes, wie z.B. ESO ES 3.0, die Mess-/Gerätedaten zu einer Messung nicht zur Verfügung gestellt, sodass die Ordnungsgemäßheit der Messung nicht überprüft werden kann, liegt ein Verstoß gegen den zugunsten des Betroffenen geltenden Grundsatz des rechtlichen Gehörs vor, der zum Freispruch des Betroffenen führen kann (AG Landstuhl 3.5.12, 4286 Js 12300/10, Abruf-Nr. 121955).

    Sachverhalt und Entscheidungsgründe

    Das AG hat den Betroffenen zunächst wegen vorsätzlicher Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit zu einer Geldbuße verurteilt und ein Fahrverbot von drei Monaten angeordnet. Nachdem das OLG dieses Urteil aufgehoben und die Sache zur erneuten Entscheidung zurückverwiesen hat, hat das AG den Betroffenen nun freigesprochen.

    Die Herstellerfirma hat dem Gericht mitgeteilt: „Wir können unsere geräteinternen Anforderungen an die Signalverläufe einer gültigen Messung nicht offenlegen. … Der Einseitensensor ES 3.0 ist so konzipiert, dass unter keinen Umständen ein falscher Geschwindigkeitsmesswert entstehen kann.“ Dies verhindert eine vollständige Sachaufklärung und zwingt das Gericht zur Annahme einer Tatbestandsverwirklichung nur aus Erkenntnissen Dritter. Das widerspricht dem Unmittelbarkeitsgrundsatz der Hauptverhandlung und auch der gebotenen vollständigen Sachaufklärung, zumindest wenn wie hier Indizien eine Fehlmessung begründen können. Dass zudem ein per se fehlerfreies Gerät vorliegen soll, kann als Prämisse nicht gelten. Denn zum einen hat der Hersteller schon mehrfach neue Softwareversionen aufspielen müssen, u.a. weil es Zuordnungsprobleme gab. Zum anderen ist es dann unlogisch, eine Fehlertoleranz für das Messgerät anzugeben. Soweit der Hersteller in seinem Schreiben das Gericht darauf hinweisen zu müssen gedenkt, dass und wie das standardisierte Messverfahren zu verstehen ist, spricht dies umso mehr für den Zweifel an seiner gebotenen Neutralität. Sein Hinweis, dass man bei Zweifeln an der Messung nicht freisprechen darf, sondern ein Sachverständigengutachten einholen muss, bedeutet für den insoweit mangels Datenzugang handlungsunfähig gestellten Betroffenen de facto einen undurchdringlichen juristischen Zirkelschluss, den das erkennende Gericht nicht hinnehmen kann.

     

    Praxishinweis

    Eine vom Betroffenen sicherlich zu begrüßende Entscheidung, die allerdings die Frage aufwirft, ob sie im Fall der Rechtsbeschwerde der Staatsanwaltschaft beim OLG Bestand haben wird. Denn mit der Aufklärungsrüge wird die Staatsanwaltschaft ggf. geltend machen, dass das AG nicht alle zur Verfügung stehenden Mittel zur Aufklärung ausgenutzt/eingesetzt hat. Zu denken ist da an eine Durchsuchung beim Hersteller und eine Einvernahme von bei der Herstellerfirma beschäftigten Zeugen, die ggf. Angaben zu den Messdaten machen können. Dennoch müssen sich Verteidiger auf die Rechtsansicht des AG Landstuhl berufen (ähnlich AG Kaiserslautern 14.3.12, 6270 Js 9747/11).

    Quelle: Ausgabe 08 / 2012 | Seite 136 | ID 34351420