Checkliste / Kinder als Unfallgeschädigte |
1. Kind im Mutterleib Die Rechtsfähigkeit des Menschen beginnt (erst) mit der Vollendung der Geburt (§ 1 BGB). Wird bei einem Unfall das Kind im Mutterleib verletzt, gilt Folgendes: - Totgeburt: Kein Ersatzanspruch des Kindes entsteht, wenn es nicht zu einer Lebendgeburt kommt oder wenn die Verletzung der Leibesfrucht sich bis zur Geburt des Kindes behoben hat (BGH NJW 72, 1126). Der Mutter stehen aus einer Schädigung oder Tötung der Leibesfrucht Ersatzansprüche nur zu, soweit dadurch ihre eigene körperliche Integrität oder Gesundheit geschädigt wird (OLG Düsseldorf VersR 88, 580; OLG Hamm VersR 92, 876; a.A.: OLG Koblenz NJW 88, 2959: Verletzung der Leibesfrucht ist zugleich Verletzung der Mutter).
- Lebendgeburt: Bleibende Verletzungen der Leibesfrucht werden mit Vollendung der Geburt zu einer Verletzung der Gesundheit des Menschen, für die der Schädiger Ersatz leisten muss (BGH NJW 72, 1126). Der Schädiger haftet grundsätzlich auch dem später mit einem Gesundheitsschaden zur Welt gekommenen Kind aus unerlaubter Handlung auf Schadenersatz, wenn die Verletzung der Leibesfrucht durch einen Angriff auf die Psyche der Schwangeren vermittelt wird (BGH NJW 85, 1390: Eine im 5. Monat schwangere Mutter erlitt bei der Nachricht vom Unfall ihres Ehemanns einen Schock, der zu einem längeren starken Blutdruckabfall und dadurch zu einer Minderdurchblutung der Placenta führte. Hierdurch wurde die von Geburt an wegen eines Hirnschadens körperlich und geistig behinderte Klägerin als Leibesfrucht körperlich in Mitleidenschaft gezogen).
- Beweislast: Das Kind muss gemäß § 286 ZPO beweisen, dass es als Leibesfrucht bei dem Unfall der Mutter in Mitleidenschaft gezogen worden ist und gem. § 287 ZPO, dass infolge dieser Verletzung mit der erforderlichen Wahrscheinlichkeit seine Gesundheitsbeschädigung verursacht worden ist (BGH NJW 85, 1390; OLG Hamm DAR 99, 260: Auffahrunfall in der 21. Schwangerschaftswoche ohne erkennbare äußere Verletzungen der Mutter).
- Mithaftung des Kindes: Vor der Geburt sind Mutter und Leibesfrucht eine haftungsrechtliche Einheit (BGH NJW 72, 1126). Eine Mitverantwortung der Mutter muss sich das Kind voll anrechnen lassen (BGH NJW 97, 1635: Arzthaftung). Daher bestehen keine Ersatzansprüche des Kindes gegen die Mutter, deren Haftpflichtversicherer und den Unfallgegner/Versicherer bei Alleinverantwortlichkeit der Mutter für den Unfall. Besonderheiten gelten im Bereich der gesetzlichen Unfallversicherung (z.B. §§ 12 SGB VII, 30 BeamtVG).
2. Kind unter 7 Jahren Wer nicht das siebte Lebensjahr vollendet hat, ist gemäß § 828 Abs. 1 BGB für einen Schaden, den er einem anderen zufügt, nicht verantwortlich. Folgen: - Keine Anspruchskürzungen: Selbst wenn allein das Verhalten des Kindes zu der Verursachung des Unfalls geführt hat, bleibt sein Schadenersatzanspruch ungekürzt.
- Betriebsgefahr: Bei der Halterhaftung nach § 7 Abs. 1 StVG bleibt zu prüfen, ob sich der Betrieb des Kfz überhaupt ausgewirkt hat (verneint von BGH VersR 05, 378 bei Kollision eines neun Jahre alten Radfahrers mit einem ordnungsgemäß am Straßenrand geparkten Pkw; ähnlich BGH VersR 05, 376 „Kickboard“; VersR 05, 380 „Fahrrad“).
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3. Kind zwischen 7 und 10 Jahren Kinder in diesem Alter sind regelmäßig noch überfordert, die besonderen Gefahren des motorisierten Straßen- und Bahnverkehrs zu erkennen, insb. die Entfernungen und Geschwindigkeiten von anderen Verkehrsteilnehmern richtig einzuschätzen und sich den Gefahren entsprechend zu verhalten (vgl. BT-Drucks. 14/7752, S. 16 und 26). Dem trägt § 828 Abs. 2 BGB Rechnung (aber erst für Schadensfälle ab dem 1.8.02: BGH NJW 02, 2324; NJW-RR 05, 1263). - Unfall mit Kfz, Schienenbahn oder Schwebebahn: Hier sind Kinder erst nach Vollendung des zehnten Lebensjahres deliktsfähig (§ 828 Abs. 2 S. 1 BGB). Insoweit wird die Deliktsunfähigkeit vermutet (BGH NJW 09, 3231) und das Kind grundsätzlich von der Haftung/Mithaftung befreit. Erfasst werden auch Unfälle im ruhenden Verkehr. § 828 Abs. 2 BGB ist nicht auf Fälle des fließenden Verkehrs von Kraftfahrzeugen begrenzt (BGH NJW 05, 354).
- Teleologische Reduktion des § 828 Abs. 2 BGB: Keine Haftungsfreistellung findet nach BGH (NJW 05, 354; 356; 09, 3231) statt, wenn sich (ausnahmsweise) keine typische Überforderungssituation durch die spezifischen Gefahren des motorisierten Verkehrs realisiert hat. Im Einzelfall ist zu prüfen, ob das Kind durch die Schnelligkeit, die Komplexität und die Unübersichtlichkeit der Abläufe im motorisierten Straßenverkehr überfordert war (bejaht von BGH NJW-RR 09, 95: Kind fährt mit Fahrrad gegen geöffnete Tür des parkenden Kfz; ähnlich: LG Saarbrücken NJW 10, 944; verneint von BGH NJW 05, 354: Kickboard prallt gegen parkenden Pkw; s.a. LG Heilbronn NJW-RR 04, 1255).
- Vorsatz: Schon bedingt vorsätzliches Handeln des Kindes lässt gem. § 828 Abs. 2 S. 2 BGB die Privilegierung entfallen. Das Fahren mit einem Fahrrad ohne hinreichende Bremsvorrichtung ist ein typisches leichtsinniges Verhalten eines neunjährigen Kindes. Es belegt noch kein billigendes Inkaufnehmen des Schadens (OLGR Köln 07, 645).
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4. Nicht privilegiertes Kind zwischen 7 und 18 Jahren Hier gelten folgende Besonderheiten: - Kollision mit Fußgänger/Radfahrer: Bei Verkehrsunfällen des Kindes ohne Beteiligung eines Kfz, einer Schienen- oder Schwebebahn bleibt es bei der Grundregel in § 828 Abs. 3 BGB. Danach wird Deliktsfähigkeit ab dem vollendeten siebten Lebensjahr - widerlegbar - vermutet (LG Oldenburg NZV 09, 36).
- Einsichtsfähigkeit: Zu seiner Haftungsbefreiung muss das Kind beweisen (Sachverständigengutachten, Zeugnisse), dass ihm die nötige Einsichtsfähigkeit gefehlt hat (§ 828 Abs. 3 BGB). Es muss darlegen, dass es nach seiner individuellen Verstandesentwicklung nicht fähig war, das Gefährliche seines Tuns zu erkennen und sich der Verantwortung für die Folgen seines Tuns bewusst zu sein (BGH NJW 05, 354).
- Mitverschulden: Eine (Mit)haftung des Kindes setzt die Feststellung eines unfallursächlichen Mitverschuldens - zumeist Fahrlässigkeit i.S.v. § 276 BGB - voraus. Dabei sind objektive Maßstäbe anzulegen. Es kommt darauf an, ob Kinder des betreffenden Alters und seiner Entwicklungsstufe den Eintritt eines Schadens hätten voraussehen können und müssen und es ihnen bei Erkenntnis der Gefährlichkeit ihres Handelns in der konkreten Situation möglich und zumutbar gewesen wäre, sich dieser Erkenntnis gemäß zu verhalten (BGH NJW 05, 354).
- Haftungsabwägung: Gerade in der Gruppe der Kinder ab 10 Jahre kommt es immer wieder zu Abwägungsproblemen der reinen Betriebsgefahr ggü. (grober) Fahrlässigkeit (OLG Saarbrücken NJW 12, 3245: Pkw/12j. Radfahrer; OLG Karlsruhe NJW 12, 3042: Pkw/10j. Kind; OLG Celle 8.6.11, 14 W 13/11, Pkw/11j. Kind; vgl. auch OLG Saarbrücken 29.11.11, 4 U 3/11, BeckRS 2012, 03440: erw. Fußgänger/14j. Radfahrer).
- § 3 Abs. 2a StVO ist häufig einschlägig. Hiernach müssen Fahrzeugführer sich gegenüber (sichtbaren) Kindern insbesondere durch Verminderung der Fahrgeschwindigkeit und durch Bremsbereitschaft so verhalten, dass ihre Gefährdung ausgeschlossen ist (nicht sichtbare Kinder werden u.a. durch Gefahrzeichen 136 zu § 40 StVO „Kinder“ geschützt; zu den Sorgfaltspflichten der Fahrer: BGH NJW 94, 941). Kinder i.S.v. § 3 Abs. 2a StVO sind alle, die das 14. Lebensjahr noch nicht vollendet haben (BGH NJW 04, 772; OLG Hamburg NZV 90, 71). Das Kind muss nach seinem äußeren Erscheinungsbild auch als solches erkennbar sein (OLG Hamm NZV 06, 151).
- Vertrauensgrundsatz: Da auch gegenüber Kindern grundsätzlich der Vertrauensgrundsatz gilt, werden von dem Kraftfahrer nur dann besondere Vorkehrungen (z.B. Verringerung der Fahrgeschwindigkeit, Einnehmen der Bremsbereitschaft) zur Abwendung der Gefahr verlangt, wenn das Verhalten der Kinder oder die Situation, in der sie sich befinden, Auffälligkeiten zeigen, die zu Gefährdungen führen könnten (BGH NJW 01, 152; NJW 97, 2756).
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5. Aufsichtsverschulden der Eltern Eine Aufsichtspflichtverletzung ihrer Eltern müssen (selbst nicht mithaftende) Kinder sich grundsätzlich nicht zurechnen lassen (BGH NJW 82, 1149; 88, 2667; OLG Saarbrücken NJW 07, 1888). Insoweit fehlt es an einer nach § 254 Abs. 2 S. 2, § 278 BGB erforderlichen Sonderrechtsbeziehung zwischen Kind und Schädiger. Die Grundsätze der Zurechnungseinheit (BGH NJW 96, 2023) sind mangels Mithaftung des Kindes nicht anwendbar. Schließlich liegt kein gestörtes Gesamtschuldverhältnis vor: Sind die Eltern über §§ 1664, 277 BGB privilegiert (OLG Bamberg NJW 12, 1820), entsteht keine Gesamtschuld mit dem Schädiger. Haften die Eltern dem Kind dagegen aus § 823 BGB (nicht § 832 BGB: OLG Hamm VersR 93, 493) ist eine - nicht gestörte - Gesamtschuld begründet (BGH NJW 88, 2667). 6. Billigkeitshaftung nach § 829 BGB Die Billigkeitshaftung des aufgrund § 828 BGB nicht verantwortlichen Kindes nach § 829 BGB scheidet bereits aus, wenn der Schädiger von den Eltern des Kindes wegen Verletzung der Aufsichtspflicht (§ 832 BGB) Ersatz erlangen kann. Im Übrigen muss die Billigkeit die Schadloshaltung des Geschädigten erfordern. Allein das Bestehen einer freiwilligen Haftpflichtversicherung beim deliktsunfähigen Schädiger genügt nicht (AG Halle 23.2.12, 93 C 4092/11, juris: neunjährige Fahrradfahrerin), weil dies das Billigkeitserfordernis dieser Vorschrift völlig aushöhlt und der Ausnahmecharakter von § 829 BGB völlig verloren geht (vgl. auch LG Heilbronn NJW 04, 2391). 7. Schmerzensgeld Beim Schmerzensgeld ist Folgendes zu beachten: - Höchstbeträge: Die aktuellen Höchstbeträge (614.000 - 650.000 EUR) wurden bei schwersten Schädigungen kleiner Kinder bei einem Verkehrsunfall (LG Kiel VersR 06, 279: nach Verkehrsunfall 2002 ist der 3 ½ j. Kläger ab dem ersten Halswirbel abwärts querschnittsgelähmt) sowie bei Geburtsschadensfällen (OLG Zweibrücken MedR 09, 88; KG Berlin VersR 12, 766: jeweils schwerste Hirnschädigungen) zugesprochen. Der Zuspruch der höchsten Beträge ist im Hinblick auf den frühen Zeitpunkt der Schädigung und in Erwartung der langen Leidenszeit zu rechtfertigen. Dass die statistische Lebenserwartung des geschädigten Kindes aufgrund der Unfallverletzungen herabgesetzt ist, dürfte zur Beweislast des Schädigers nach dem Maßstab des § 287 ZPO stehen.
- Verlust der Wahrnehmungs- und Empfindungsfähigkeit des Kindes: Seit BGH NJW 93, 781 handelt es sich bei Schäden dieser Art um eine (vom sonst geltenden Ausgleichs- und Genugtuungsgedanken des Schmerzensgeldes losgelöste) eigenständige Fallgruppe, bei der die Zerstörung der Persönlichkeit im Mittelpunkt steht. Deshalb muss sie auch bei der Bemessung der Schmerzensgeldentschädigung einer eigenständigen Bewertung zugeführt werden, die der zentralen Bedeutung dieser Einbuße für die Person gerecht wird.
- Schmerzensgeldrente: Bei schwersten Dauerschäden unter denen der Verletzte immer wieder neu leidet, kann das verletzte Kind anstelle oder auch neben dem Kapitalbetrag eine Schmerzensgeldrente beanspruchen (BGH VersR 76, 967; OLG Düsseldorf, VersR 08, 534). Sie ist jedenfalls i.d.R. zur Sicherung der Versorgung des Kindes in derartigen Fällen anzustreben.
- Prozessuale Möglichkeiten bei ungewisser Schadensentwicklung: Bei einem (uneingeschränkten) Zahlungsantrag werden mit dem Urteil alle Schäden und Schadensfolgen abgegolten, die im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung bereits eingetreten und objektiv erkennbar waren oder deren Eintritt jedenfalls vorhergesehen und bei der Entscheidung berücksichtigt werden konnte (BGH NJW-RR 06, 712; NJW 04, 1243).
- Alternativ können Nachforderungen mit einer Teilklage - und dem weiter zu stellenden Feststellungsantrag - gesichert und vorbehalten werden. Zulässig ist eine (schadenbezogene) Begrenzung des Zahlungsklageantrags auf - bis zur letzten mündlichen Verhandlung - eingetretene Verletzungen und Dauerfolgen (BGH NJW 04, 1243).
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8. Erwerbsschaden Kinder haben oft im Unfallzeitpunkt noch keinen aktuellen Einkommensverlust. Der Unfall kann jedoch einen späteren Eintritt in das Berufsleben verhindern, verzögern oder erschweren. Die Darlegungs- und Beweisschwierigkeiten des Kindes (§ 287 ZPO) sind um so größer, je schwerer und je früher der Unfallschaden eingetreten ist. - Sicherung des Anspruchs: Das Kind kann i.d.R. keine Klage auf künftige Leistung gem. §§ 257, 258 ZPO erheben, sondern muss - soweit keine den Lauf der Verjährung hemmenden Abreden mit dem VR getroffen werden - den Anspruch mit der (allgemeinen) Feststellungsklage sichern (OLG Köln VersR 88, 1185). I.d.R. kann die Leistungsklage erst eingebracht werden, wenn der Geschädigte knapp vor Eintritt in das Erwerbsleben steht bzw. stünde.
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- Prognoseschwierigkeiten gehen zulasten des Schädigers, der es zu verantworten hat, dass der Geschädigte in einem sehr frühen Zeitpunkt seiner Entwicklung aus der Bahn geworfen wurde (BGH VersR 10, 1607).
- Prognosekriterien: Herangezogen werden dürfen alle Erkenntnismöglichkeiten (erkennbare Neigungen/Begabungen, begonnene Ausbildungen, schulische Leistungen) und einschlägigen Vergleichsindizien. So etwa der Beruf, die Vor- und Weiterbildung der Eltern, ihre Qualifikation in der Berufstätigkeit, die beruflichen Pläne für das Kind sowie schulische und berufliche Entwicklungen von Geschwistern (sorgfältig und instruktiv zur schulischen Entwicklung eines neunjährigen Mädchens: LG Münster NZV 12, 78; ferner OLG München 29.11.11, 10 U 4359/10; BeckRS 2011, 27034: Schwer unfallverletztes 16-jähriges Mädchen, das noch eine Ausbildung zur Arzthelferin abschließt, mit einer Schwerbehinderung von 70 Prozent im Alter von 32 Jahren aber erwerbsunfähig wird). Ergeben sich aufgrund der tatsächlichen Entwicklung des Kindes zwischen dem Zeitpunkt der Schädigung und dem Zeitpunkt der Schadensermittlung (weitere) Anhaltspunkte für seine Begabungen und Fähigkeiten und die Art der möglichen Erwerbstätigkeit ohne den Schadensfall, ist auch dies bei der Prognose zu berücksichtigen und von einem dem entsprechenden normalen beruflichen Werdegang auszugehen (BGH VersR 10, 1607).
- Fehlen von Anhaltspunkten: Ergeben sich keine Anhaltspunkte, die überwiegend für einen Erfolg oder einen Misserfolg des Kindes sprechen, dann liegt es nahe, nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge von einem voraussichtlich durchschnittlichen Erfolg des Geschädigten in seiner Tätigkeit auszugehen. Verbleibenden Risiken kann durch gewisse Abschläge Rechnung getragen werden (BGH VersR 10, 1607; 00, 1521).
9. Haushaltsführungsschaden Bei Kindern liegt im Unfallzeitpunkt noch keine Beeinträchtigung bei der Haushaltsführung vor. Gleichwohl kann ein Haushaltsführungsschaden ersetzt verlangt werden (BGHZ 38, 55), der sich allerdings erst später verwirklichen kann. Dies ist der Fall, wenn das geschädigte Kind einen eigenen Hausstand begründet und es aufgrund der bei dem Unfall erlittenen Beeinträchtigungen Hilfe bei den anfallenden Haushaltstätigkeiten benötigt. Der Anspruch kann mit der Feststellungsklage gesichert werden. |
10. Vermehrte Bedürfnisse Bei den vermehrten Bedürfnissen können u.a. folgende Fallgruppen auftreten: - Wohnmehrbedarf: Das schwergeschädigte Kind darf seinen ausstattungsmäßigen und räumlichen Mehrbedarf im Haus seiner Eltern befriedigen (OLG Stuttgart VersR 98, 366). Wird das Kind in einem Pflegeheim untergebracht, sind die anfallenden erforderlichen Kosten (nach dem konkreten Bedarf) zu ersetzen (BGH VersR 78, 149) ggf. mit Abzug für ersparte Unterbringungs- und Verpflegungskosten als Vorteilsausgleich (BGH VersR 65, 786; VersR 84, 583; a.A. OLG Naumburg VersR 03, 332; vgl. auch OLGR München 09, 354).
- Betreuungs- und Pflegekosten: Die erforderlichen - tatsächlich aufgewendeten - Kosten professioneller Pflegekräfte sind brutto zu ersetzen (OLG Zweibrücken OLGR 08, 135). Die konkreten Kosten sind selbst dann zu erstatten, wenn sie höher sind als bei einer Heimunterbringung. Eine Schadenminderungspflicht des Geschädigten besteht insoweit nicht (OLG Koblenz VersR 02, 244; OLG Zweibrücken OLGR 08, 135).
- Einsatz von Familienmitgliedern: Außerhalb eines Pflegevertrags findet ein „angemessener“, marktgerechter Ausgleich statt (BGH VersR 86, 173). Überwiegend wird auf den Nettolohn einer vergleichbaren professionellen Hilfskraft abgestellt (BGH NJW 99, 421; OLG Bamberg, VersR 05, 1593; anders OLG Zweibrücken OLGR 08, 135).
- Vermehrte elterliche Zuwendung: Von Eltern in ihrer Freizeit für ihr in seiner Gesundheit geschädigtes Kind erbrachte Betreuungsleistungen sind nur als vermehrte Bedürfnisse ersatzpflichtig, wenn sie sich so weit aus dem selbstverständlichen, originären Aufgabengebiet der Eltern herausheben, dass der entgeltliche Einsatz einer fremden Pflegekraft nicht nur theoretisch, sondern bei vernünftiger Betrachtung als praktische Alternative ernsthaft in Frage gekommen wäre (BGH VersR 99, 1156). Deshalb scheidet ein Ersatzanspruch für solche Betreuungsleistungen aus, die durch die besondere Nähe und Zuwendung innerhalb der Familie geprägt sind (KG VersR 06, 799; ferner BGH VersR 89, 188; LG Köln SP 11, 16).
11. Abfindungsvergleich Ein Abfindungsvergleich bedarf wegen der oft ungewissen Zukunftsfolgen sowie der Komplexität der Ansprüche der Anwendung höchster Sorgfalt (allgemein zu Chancen und Risiken des Abfindungsvergleichs beim Personenschaden vgl. Ernst, VA 10, 149). Sind notwendige Vorbehalte nicht vereinbar, muss vom Vergleich abgeraten werden. |