· Fachbeitrag · Abfindung
Zusammenballung von Einkünften: So vermeiden Arbeitgeber bei Abfindungen die Haftung
| Die vorzeitige Auflösung eines Arbeitsverhältnisses gegen Zahlung einer Abfindung ist ein gängiges Instrument zur Anpassung an einen veränderten Personalbedarf. Für Arbeitnehmer interessant sind Entlassungsentschädigungen wegen der Möglichkeit zur ermäßigten Besteuerung und weil sie nicht zum sozialversicherungspflichtigen Arbeitsentgelt gehören. Genau dort aber wurzelt das Haftungsrisiko des Arbeitgebers. Lesen Sie daher, wie diese bei der Lohnversteuerung von Entlassungsabfindungen rechnen müssen, um ihr Haftungsrisiko möglichst gering zu halten. |
Voraussetzungen für die ermäßigte Besteuerung
Abfindungen gehören nicht zum sozialversicherungspflichtigen Arbeitsentgelt aus einer Beschäftigung im Sinne des § 14 SGB IV, aber zum lohnsteuerpflichtigen Arbeitslohn. Zur Milderung der Steuerprogression kommt eine tarifermäßigte Besteuerung nach der Fünftel-Regelung in Betracht (§ 34 Abs. 1 EStG). Die wesentlichen Voraussetzungen regelt der sogenannte Abfindungserlass, der vor kurzem aufgrund diverser BFH-Urteile aktualisiert wurde (BMF, Schreiben vom 1.11.2013, Az. IV C 4 - S 2290/13/10002; Abruf-Nr. 133457).
Wichtig | Grundsätzliche Voraussetzung für die ermäßigte Besteuerung ist die Zusammenballung von Einkünften. Für deren richtige Beurteilung muss der Arbeitgeber eine Vergleichsberechnung vornehmen, die zwei Aspekte hat:
- Zeitlicher Aspekt: Die Entlassungsentschädigung muss dem Arbeitnehmer grundsätzlich in einem Jahr zufließen. Fehler bei der Auszahlung - zum Beispiel eine gesplittete Auszahlung über mehrere Jahre - können dazu führen, dass die ermäßigte Besteuerung insgesamt verloren geht.
- Betragsmäßiger Aspekt: Der Arbeitnehmer muss im Jahr der Zahlung der Entschädigung insgesamt mehr verdienen, als er bei ungestört fortgesetzten Arbeitsverhältnis bis zum Jahresende regulär verdient hätte. Dies muss der Arbeitgeber prüfen, bevor er die Fünftel-Regelung anwendet, weil er für eine zu niedrig abgeführte Lohnsteuer haftet (§ 42d Abs. 1 EStG). Ohne Zusammenballung muss der Arbeitgeber die Abfindung als „normalen“ sonstigen Bezug versteuern. Die ermäßigte Besteuerung kann der Arbeitnehmer dann im Rahmen seiner persönlichen Einkommensteuererklärung prüfen lassen.
PRAXISHINWEIS | Arbeitgeber sollten sich bei der Abrechnung von Abfindungen nicht blind auf ihr Abrechnungsprogramm verlassen. Die fachliche Prüfung bleibt beim Anwender, der durch die Eingabe der entsprechenden Lohnart die Verantwortung für die richtige Abrechnung trägt. Die automatische Programmprüfung ist insbesondere fehleranfällig, wenn der Arbeitnehmer Anspruch auf mehrere unterschiedliche oder freiwillige Arbeitgeberleistungen hat. |
Zusammenballung von Einkünften im Steuerjahr
Die ermäßigte Besteuerung einer Abfindung ist nur zulässig, wenn der Arbeitnehmer aufgrund der Abfindung im Jahr der Auszahlung insgesamt höhere Einkünfte erzielt, als dies bei ungestört fortgesetzten Arbeitsverhältnis - also bei einer fiktiven Weiterbeschäftigung - der Fall gewesen wäre. Um dem Arbeitgeber dieses komplizierte „Was-wäre-wenn“ zu erleichtern, reduziert der Abfindungserlass dies auf zwei Berechnungsschritte.
Einfacher erster Rechenschritt bei ausreichend hoher Abfindung
Die Fünftel-Regelung darf ohne weitere Prüfung dann angewendet werden, wenn die Abfindung im Jahr der Zahlung über dem Betrag liegt, den der Arbeitnehmer bei Weiterbeschäftigung noch bis Jahresende verdient hätte (BMF, Schreiben vom 1.11.2013, Randziffer [Rz.] 9).
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Der Arbeitnehmer verdient monatlich 3.000 Euro und erhält im November zusätzlich ein Weihnachtsgeld in Höhe von 1.500 Euro. Aufgrund einer betriebsbedingten Kündigung scheidet der Arbeitnehmer zum 30. Juni 2014 aus. Er erhält eine Abfindung von 20.000 Euro. Der Arbeitgeber führt folgenden Vergleich durch:
Der Arbeitgeber darf die ermäßigte Besteuerung nach der Fünftel-Regelung anwenden, weil die Abfindung höher ist als der wegfallende Arbeitslohn. Auf weitere Einkünfte des Arbeitnehmers kommt es nicht an. |
Aufwändiger zweiter Rechenschritt
Übersteigt die gezahlte Entschädigung die bis zum Jahresende ausfallenden Einnahmen nicht, müssen weitere Einkünfte des Arbeitnehmers, die durch das frühere oder ein neues Arbeitsverhältnis veranlasst sind, in die Prüfung einbezogen werden (BMF, Schreiben vom 1.11.2013, Rz. 10 und 11). Diese sieht dann wie folgt aus:
Wert 1 | Wert 2 |
Welchen Arbeitslohn hätte der Arbeitnehmer bei einer ungestörten Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses im laufenden Jahr bezogen? Zur Vereinfachung kann die Bruttolohnsumme des Vorjahrs angesetzt werden. | Wie hoch ist die Summe aus bereits gezahltem Arbeitslohn + Abfindung + im gleichen Jahr bezogenen Nebenleistungen + Betriebsrenten + weiterer Arbeitslohn bei neuem Arbeitgeber + Lohnersatzleistungen (Arbeitslosengeld)? |
Wert 2 > Wert 1 = Steuerermäßigung |
Wichtig | Ist eine Hochrechnung des wegfallenden Arbeitslohns schwierig, insbesondere bei erfolgsabhängigen Bezügen, darf der Arbeitgeber auf den Vorjahreslohn zurückgreifen. Haben außergewöhnliche Ereignisse die Einnahmesituation des Vorjahrs geprägt, kann als Vergleichswert auch der Durchschnitts-Bruttolohn der letzten drei Jahre angesetzt werden.
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Einem Arbeitnehmer wird zum 30. Juni 2014 gekündigt. Aufgrund von Schicht- und Erschwerniszuschlägen schwankt der monatliche Arbeitslohn. Im Vorjahr 2013 betrug der Jahresbruttolohn 39.800 Euro. Bis zum 30. Juni 2014 liegt der laufende Arbeitslohn bei 19.500 Euro, zum 30. Juni 2014 erhält er eine Urlaubsabgeltung von 1.650 Euro. Die Abfindung von 15.000 Euro wird erst zum 31. Juli 2014 ausgezahlt. Davor legt der Arbeitnehmer eine Bescheinigung der Bundesagentur für Arbeit vor, die ab Juli 2014 ein monatliches Arbeitslosengeld von 1.300 Euro bestätigt.
Nur unter Einbeziehung des Arbeitslosengelds liegen die voraussichtlichen Einkünfte in 2014 (Wert 2) über dem Vorjahresbrutto (Wert 1). Da dem Arbeitgeber bei der Lohnabrechnung der Abfindung ein verlässlicher Nachweis über die Höhe des Arbeitslosengelds vorliegt, kann er diese begünstigt besteuern. |
Maßgebliche Einkünfte bei der Prognose
Noch sind nicht alle Fragen beantwortet im Hinblick darauf, welche Einkünfte der Arbeitgeber im Lohnsteuerabzugsverfahren (§ 39b Abs. 3 Satz 9 EStG) in den Wert 2 einbeziehen darf bzw. muss:
- Einige Finanzgerichte halten die Einbeziehung des Arbeitslosengelds für gerechtfertigt (FG Thüringen, Urteil vom 1.12.2009, Az. 3 K 965/08; FG Niedersachsen, Urteil vom 5.8.2010, Az. 4 K 41/08; FG Sachsen, Urteil vom 24.4.2013, Az. 1 K 1836/09; Abruf-Nr. 140487). Das letzte Wort hat aber der BFH (Az. IX R 4/13). Die Finanzverwaltung sieht eine entsprechende Berücksichtigung vor (BMF-Schreiben vom 1.11.2013, Rz. 12 und 11 Satz 11).
- Bei einer längeren Arbeitsunfähigkeit hält es das FG Niedersachsen für gerechtfertigt, auf die Einkommenssituation nach der Erkrankung abzustellen, also die Einnahmeeinbußen zu berücksichtigen (Urteil vom 12.11.2013, Az. 13 K 199/13; Abruf-Nr. 140710; rechtskräftig).
- Der BFH prüft derzeit, ob bei einem Wechsel in die Selbstständigkeit überhaupt eine Zusammenballung vorliegen muss (FG Köln, Urteil vom 11.4.2013, Az. 6 K 1129/11; Abruf-Nr. 140770; Revision unter Az. IX R 33/13).
PRAXISHINWEIS | Der Arbeitgeber sollte nur mit verlässlichen Unterlagen nachgewiesene Einkünfte oder Ersatzleistungen berücksichtigen. Da diese im Zeitpunkt der Abrechnung der Abfindung meist noch nicht vorliegen können, sollte die Abfindung im Zweifel regulär als sonstiger Bezug versteuert werden (Eintrag in Zeile 19 der Lohnsteuerbescheinigung 2014). |
Zufluss der Abfindung in einem Steuerjahr
Um die Steuerermäßigung nicht zu gefährden, muss die Abfindung grundsätzlich in einem einzigen Jahr, und nicht über mehrere Jahre hinweg in Teilen ausgezahlt werden.
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Ein Aufhebungsvertrag sieht die Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum 31. März 2014 vor. Die Abfindung beträgt insgesamt 60.000 Euro.
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Ausnahme 1: Zahlung der fälligen Abfindung im nächsten Jahr
Arbeitgeber und Arbeitnehmer können grundsätzlich steuerunschädlich vereinbaren, dass die im Jahr des Ausscheidens fällige Abfindung erst im nächsten Jahr ausbezahlt wird (BMF, Schreiben vom 1.11.2013, Rz. 8 Satz 5). Allerdings muss dann die Zusammenballung im Auszahlungsjahr geprüft werden.
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Einem Arbeitnehmer wurde am 30. September 2013 fristgerecht zum 31. Dezember 2013 gekündigt. Sein Jahresverdienst 2013 betrug 50.000 Euro. Die zum 31. Dezember 2013 fällige Entlassungsabfindung wird am 30. April 2014 ausgezahlt.
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PRAXISHINWEIS | Um eine ermäßigte Besteuerung mit Sozialabgabenersparnis zu prüfen, sollte der Arbeitgeber vor der Abrechnung der Abfindung den Arbeitnehmer nach seinen voraussichtlichen weiteren Einkünften im Kalenderjahr 2014 fragen (siehe oben zweiter Rechenschritt, Wert 2). . |
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Ab 1. März 2014 hat der Arbeitnehmer eine neue Beschäftigung. Laut Arbeitsvertrag wird er daraus in 2014 voraussichtlich 40.000 Euro erzielen. Damit kommt es 2014 im Vergleich zum Vorjahr doch zu einer Zusammenballung (2013: 50.000 Euro < 2014: 60.000 Euro (20.000 Abfindung + 40.000 Euro neuer Arbeitslohn). |
Ausnahme 2: Zusätzliche Leistungen in späteren Zeiträumen
Häufig werden in Aufhebungsvereinbarungen für eine Übergangszeit weitere laufende Leistungen aus Gründen der sozialen Fürsorge vereinbart, die in das nächste Jahr rutschen können. Solche Nebenleistungen - zum Beispiel weitere Dienstwagennutzung, zeitlich befristete Übernahme von Versicherungsbeiträgen oder Aufstockung des Arbeitslosengelds - sind für die Ermäßigung der eigentlichen Abfindung unschädlich, wenn sie maximal 50 Prozent der Hauptleistung erreichen (BMF, Schreiben vom 1.11.2013, Rz. 14).
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Das Dienstverhältnis wird zum 30. Juni 2014 gegen Zahlung einer Abfindung von 50.000 Euro aufgelöst. Der vom 1. Juli bis 31. Dezember 2014 wegfallende Arbeitslohn beträgt 40.000 Euro. Der Arbeitnehmer darf, obwohl er nicht mehr zur Arbeitsleistung verpflichtet ist, den Dienstwagen noch bis zum 30. Juni 2015 nutzen (monatlicher geldwerter Vorteil 400 Euro). Ferner zahlt der Arbeitgeber bis 30. Juni 2015 einen monatlichen Zuschuss zum Arbeitslosengeld von 1.000 Euro.
Die Hauptentschädigungsleistungen im Jahr 2014 von 58.400 Euro können nach der Fünftel-Regelung ermäßigt besteuert werden, da sie den wegfallenden Arbeitslohn von 40.000 Euro übersteigen. Die im Jahr 2015 gewährten zusätzlichen Entschädigungsleistungen von 8.400 Euro machen einen Anteil von 14,38 Prozent von 58.400 Euro aus. Sie sind damit unschädlich für die Steuerbegünstigung der Hauptentschädigung. Auf die im Jahr 2015 gezahlten Zusatzleistungen fällt reguläre Lohnsteuer ohne Fünftel-Regelung an. |
Ausnahme 3: Geringfügige Teilzahlungen in späteren Zeiträumen
Die Auszahlung mehrerer Teilbeträge in unterschiedlichen Jahren führt nicht zur Versagung der Fünfel-Regelung, wenn der Teilzahlungsbetrag maximal fünf Prozent der Hauptleistung beträgt (BMF, Schreiben vom 1.11.2013, Rz. 8). Für den BFH ist dieser Prozentsatz noch nicht fix (Revision Az. IX R 28/13).
Abfindungen für Reduzierung der Arbeitszeit
Die Finanzverwaltung weist im neuen Abfindungserlass erstmals darauf hin, dass eine steuerbegünstigte Entschädigung auch vorliegen kann, wenn der Arbeitnehmer eine (Teil-)Abfindung wegen Reduzierung seiner Wochenarbeitszeit erhält (BMF, Schreiben vom 1.11.2013, Rz. 2). Die Steuervergünstigung setzt demnach keine Beendigung des Arbeitsverhältnisse mehr voraus.