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· Fachbeitrag · Erbschaftsteuer/Einkommensteuer

Aktuelle rechtliche und steuerrechtliche Fragen rund um die Honorierung von Pflegeleistungen

von Prof. Dr. Gerd Brüggemann, Münster

| Die zunehmende Pflegebedürftigkeit und die hohen Kosten eines Pflegeheims führen vermehrt dazu, dass Pflege auf familiärer, freundschaftlicher oder nachbarschaftlicher Ebene geleistet wird. Damit einher geht oft die Frage, ob die Pflegeleistungen unentgeltlich erbracht oder - in welcher Form auch immer - honoriert werden sollen. Liegen keine konkreten Vereinbarungen vor, ergeben sich rechtliche und steuerrechtliche Abgrenzungsfragen. Ein Folgebeitrag wird sich mit der Einkommenssteuer befassen. |

1. Honorierung von Pflegeleistungen im Erbrecht

Bei der letzten Erbrechtsreform hat sich der Gesetzgeber dazu entschlossen, die Honorierung von Pflegeleistungen letztlich der Testierfreiheit des Erblassers zu überlassen. Nur für die gesetzliche Erbfolge hat er Vorgaben gemacht.

 

a) Ausgleichungspflicht von Pflegeleistungen

§ 2057a Abs. 1 S. 2 BGB ordnet an, dass Pflegeleistungen im Fall der gesetzlichen Erbfolge im Wege einer Ausgleichung unter Abkömmlingen zu berücksichtigen sind. Für die Anrechnung bei Abkömmlingen ist es aber nicht mehr erforderlich, dass die Pflege unter Verzicht auf berufliches Einkommen geleistet wurde. Nach § 21 Abs. 4 des Art. 229 EGBGB ist die geänderte Regelung für Erbfälle ab dem 1.1.10 anzuwenden. Ohne Bedeutung ist, wann die Pflegeleistungen erbracht worden sind.

  • Beispiel

Die verwitwete Erblasserin E wird über lange Zeit von ihrer berufstätigen Tochter T gepflegt. Der Sohn S kümmert sich nicht um die E. E stirbt, ohne ein Testament hinterlassen zu haben. Der Nachlass beträgt 400.000 EUR. Die von der T erbrachten Pflegeleistungen sind mit 30.000 EUR zu bewerten.

Nach früherer Rechtslage erbten S und T je zur Hälfte. Nun kann T einen Ausgleich für ihre Pflegeleistungen verlangen. Vom Nachlass wird zugunsten der T der Ausgleichsbetrag abgezogen und der Rest nach der Erbquote verteilt.

Nachlasswert

400.000 EUR

Wert der Pflegeleistung

- 30.000 EUR

verbleibender Nachlasswert

370.000 EUR

 

Von den 370.000 EUR erhalten beide die Hälfte, T zusätzlich den Ausgleichsbetrag von 30.000 EUR. Im Ergebnis erhält T also 215.000 EUR und S 185.000 EUR.

 

Grund der zum 1.1.10 vorgenommenen Änderung ist, dass der Verzicht auf berufliches Einkommen als nicht mehr akzeptables Kriterium für die Ausgleichungspflicht angesehen wird. Auch diejenigen Abkömmlinge, die zusätzlich zu ihrer beruflichen Tätigkeit noch die Pflege eines Eltern- oder Großelternteils übernehmen, sollen begünstigt werden.

 

b) Keine Ausgleichung bei gewillkürter Erbfolge

Bei gewillkürter Erbfolge besteht keine Ausgleichungspflicht nach § 2057a BGB. § 2057a BGB geht - ebenso wie §§ 2050 ff. BGB - von der Vermutung aus, der Erblasser habe in den dort geregelten Fällen die Ausgleichung gewollt. Für eine solche Vermutung sieht der Gesetzgeber aber keinen Raum, wenn der Erblasser sich durch eine Verfügung von Todes wegen eindeutig geäußert und das Erbe nicht nach der gesetzlichen Erbfolge aufgeteilt hat.

 

Die Beschränkung einer Ausgleichungspflicht auf die gesetzliche Erbfolge beruht auf der Vorstellung, dass sich der Erblasser als Empfänger der Pflegeleistungen mit deren Honorierung durch Schenkung zu Lebzeiten oder durch entsprechende letztwillige Verfügung auseinandersetzt. Daraus folgt zum einen, dass der Erblasser es selbst in der Hand hat, im Rahmen einer letztwilligen Verfügung Pflegeleistungen z.B. durch Zuwendung eines erhöhten Erbteils oder eines Vermächtnisses zu honorieren, zum anderen aber auch aus der Sicht der pflegenden Person das Risiko, dass eine über Jahre hinweg erbrachte Pflegeleistung am Ende doch nicht honoriert wird.

  • Beispiel

Wird testamentarisch geregelt, dass die Tochter T für die jahrelange liebevolle Pflege und Betreuung des Erblassers E eine Eigentumswohnung im Wege des Vorausvermächtnisses erhält, werden die Erwartungen der T nur erfüllt, wenn diese Regelung im Zeitpunkt des Todes noch Bestand hat. Ändert der E das Testament zum Nachteil der T - z.B. weil er sich mit ihr kurz vor seinem Tode zerstritten hat - wird die Erwartung der T enttäuscht.

 

Am ehesten könnte den Interessen des Erblassers und der Pflegeperson durch einen beide Seiten bindenden Erbvertrag entsprochen werden. Auch vorweggenommene Erbfolge kommt in Betracht, birgt aber für den Erblasser zumindest das Risiko, dass die Pflege nicht so erbracht wird, wie er sie erwartet hat. Ob und unter welchen Voraussetzungen ein Übergabevertrag dann rückgängig gemacht werden kann, erscheint hinsichtlich der Durchsetzbarkeit solcher - oft moralisch begründeter Ansprüche - rechtlich zumindest problematisch.

2. Honorierung von Pflegeleistungen und Erbschaftsteuer

Die Honorierung von Pflegeleistungen kann erbschaftsteuerlich unter dem Gesichtspunkt des Abzugs einer Nachlassverbindlichkeit beim Erben und der Gewährung einer Steuerbefreiung für den Begünstigten von Bedeutung sein (H E 7.4 Abs. 1 ErbStH „Übernommene Pflegeleistungen als Gegenleistung“).

 

a) Pflegeleistungen als erbschaftsteuerliche Nachlassverbindlichkeit

Hat der Erblasser dem Erben versprochen, ihn wegen seiner Dienstleistungen zum Erben einzusetzen, kann eine Erblasserschuld nach § 10 Abs. 5 Nr. 1 berücksichtigt werden (BFH 28.6.95, II R 80/94, BStBl II 95, 784). Dieser Schuldenabzug geht der Berücksichtigung der Steuerbefreiungen nach § 13 Abs. 1 Nr. 9 ErbStG vor (BFH 9.11.94, II R 110/91, BStBl II 95, 62). Außerdem entfällt die Voraussetzung des § 13 Abs. 1 Nr. 9 ErbStG, dass die Pflege unentgeltlich erbracht sein muss (BFH 28.6.95, II R 80/94, BStBl II 95, 784).

 

Die praktische Schwierigkeit des Abzugs einer Erblasserschuld liegt bei Erwerben von Todes wegen darin, dem FA ein Vertragsverhältnis und die tatsächlich erbrachten Pflegeleistungen nachzuweisen. Nach Auffassung des FG Köln (22.10.10, 9 K 3267/09, DStRE 12, 173) können vom Erben erbrachte Unterhalts-, Hilfs- und Pflegeleistungen nur Erblasserschulden i.S. des § 10 Abs. 5 Nr. 1 ErbStG sein, wenn zwischen dem Erben und dem Erblasser ein Schuldverhältnis, z.B. ein Dienstvertrag, bestand, aufgrund dessen der Erblasser berechtigt war, vom späteren Erben diese Leistungen zu fordern.

  • Beispiel (nach FG Köln 22.10.10, a.a.O.)

N ist der Neffe der Erblasserin E. Ausweislich des notariell beurkundeten Testaments wird N Alleinerbe von E. In seiner Erbschaftsteuererklärung gibt N an, dass er E, für die er eine Vorsorgevollmacht gehabt hat, betreut und den größten Teil aller von ihr benötigten Dienstleistungen erbracht habe. Er begehrt daher den Abzug der hierfür entstandenen Aufwendungen als Nachlassverbindlichkeit.

Das FG Köln (22.10.10, 9 K 3267/09, DStRE 12, 173) erkannte die geltend gemachten Aufwendungen nicht als Nachlassverbindlichkeit i.S. des § 10 Abs. 5 Nr. 1 oder Nr. 3 ErbStG an, da N weder ein Dienstvertrag nachweisen, noch ein Erbvertrag vorgelegen konnte. Zum Abzug kam nur der Pflegekostenpauschbetrag nach § 13 Abs. 1 Nr. 9 ErbStG. Auch wenn N das Verfahren verloren hat, bleibt festzuhalten, dass die Wertung des FG wegen der einkommensteuerlichen Folgen im Fall der Anerkennung eines Dienstvertrags im Ergebnis durchaus vorteilhaft sein kann.

 

b) Freibetrag für Pflegeleistungen nach § 13 Abs. 1 Nr. 9 ErbStG

§ 13 Abs. 1 Nr. 9 ErbStG befreit einen steuerpflichtigen Erwerb bis zu 20.000 EUR, der Personen anfällt, die dem Erblasser unentgeltlich oder gegen unzureichendes Entgelt Pflege oder Unterhalt gewährt haben, soweit das Zugewendete als angemessenes Entgelt anzusehen ist (R E 13.5 ErbStR 2011).Die Steuerbefreiung steht jedoch nicht jedem Erwerber zu. Nach dem Ergebnis der Erörterung durch die für die Erbschaftsteuer zuständigen Referatsleiter der obersten Finanzbehörden der Länder (z.B. Finanzbehörde Hamburg DStR 12, 1661) geht die Finanzverwaltung davon aus, dass der Freibetrag nicht bei Erwerbern in Betracht kommt, die gesetzlich zur Pflege (z.B. Ehegatten nach § 1353 BGB, Lebenspartner nach § 2 LPartG) oder zum Unterhalt (z.B. Ehegatten nach § 1360 BGB oder Verwandte in gerader Linie nach § 1601 BGB, Lebenspartner nach § 5 LPartG) verpflichtet sind (R E 13.5 Abs. 1 ErbStR 2011 und auch bereits R. 44 Abs. 1 ErbStR 2003). Kinder, die ihre Eltern gepflegt haben, erhalten den Freibetrag nicht. Für sie besteht zwar keine gesetzliche Verpflichtung zur Pflege, aber eine gesetzliche Unterhaltspflicht.

 

Nach einer ergänzenden Verfügung des LfSt Bayern (12.3.14, S 3812.1.1 - 1/12 St 34) ist Voraussetzung für die Entstehung der Unterhaltspflicht gemäß § 1601 BGB und somit für die Inanspruchnahme für Aufwendungen für Pflegeleistungen die Bedürftigkeit i.S. des § 1602 BGB der zu pflegenden Person. Diese ist gegeben, wenn der Pflegebedürftige vermögenslos ist bzw. es ihm an ausreichendem eigenem Einkommen mangelt. Handelt es sich bei dem Erblasser um einen Verwandten in gerader Linie des Erwerbers, dem dieser unentgeltlich oder gegen unzureichendes Entgelt Pflege gewährt hat und ist der Erblasser nicht bedürftig i.S. des § 1602 BGB, bestand keine gesetzliche Unterhaltsverpflichtung des Erwerbers gemäß § 1601 BGB. In diesem Fall ist nach Auffassung des LfSt Bayern die Inanspruchnahme eines Freibetrags gemäß § 13 Abs. 1 Nr. 9 ErbStG möglich.

 

In diesem Zusammenhang verweist das LfSt Bayern (a.a.O.; s.a. LfSt Bayern DB 14, 925) auf ein Urteil des FG Niedersachsen (ErbBstg 13, 8). Diese hat in einem Fall der Pflege des Erblassers durch seinen Vater entschieden, dass dem Vater der Freibetrag nach § 13 Abs. 1 Nr. 9 ErbStG anteilig zu gewähren ist. Auch der Vater ist gesetzlich nur zum Unterhalt und nicht zur Pflege verpflichtet. Nach Ansicht des FG reicht allein die abstrakte Unterhaltsverpflichtung nicht für die Versagung des Freibetrags aus. Vielmehr ist die tatsächliche Inanspruchnahme des Unterhaltsverpflichteten erforderlich, was die fehlende Leistungsfähigkeit des Unterhaltsberechtigten voraussetze. Da der Erblasser aufgrund seines Vermögens in der Lage gewesen wäre, die Kosten der Pflege zu tragen, kann der Vater den Freibetrag demnach beanspruchen.

 

c) Bewertung der Pflegeleistungen

Die Pflegeleistungen werden von der Finanzverwaltung mit ihrem Kapitalwert im Zeitpunkt des Eintritts des Pflegefalls bewertet (H E 7.4 Abs. 1 ErbStH „Übernommene Pflegeleistungen als Gegenleistung“). Dieser ist auf den Zeitpunkt der Ausführung der Zuwendung (§ 9 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG) abzuzinsen. Der Vervielfältiger für die Abzinsung ist der Tabelle 1 der gleichlautenden Erlasse der obersten Finanzbehörden der Länder vom 10.10.10 (BStBl I 10, 810) zu entnehmen. Bei Pflegebedürftigkeit i.S. des § 15 SGB XI kann der Jahreswert der Leistung (§ 15 BewG), soweit sich aus der vertraglichen Vereinbarung nichts anderes ergibt, mit dem Zwölffachen der in der gesetzlichen Pflegeversicherung vorgesehenen monatlichen Pauschalvergütung bei Inanspruchnahme von Pflegesachleistungen (§ 36 Abs. 3 SGB XI) angesetzt werden.

 

  • Pflegestufen

ab 1.1.2010
ab 1.1.2012

Pflegestufe I

440 EUR

450 EUR

Pflegestufe II

1.040 EUR

1.100 EUR

Pflegestufe III

1.510 EUR

1.550 EUR

 

 

In besonders gelagerten Fällen ist nach § 36 Abs. 4 SGB XI in der Pflegestufe III ein Betrag von 1.918 EUR anzuwenden. Die Beträge sind allerdings zu kürzen, soweit

  • Sachleistungen durch professionelle Pflegekräfte in Anspruch genommen werden und der Pflegende die Kosten hierfür nicht zu tragen hat oder
  • die pflegebedürftige Person Pflegegeld aus der Pflegeversicherung oder nach den Beihilfevorschriften erhält und diese zu Lebzeiten an die verpflichtete Pflegeperson weitergibt. Die Weitergabe selbst ist nach § 13 Abs. 1 Nr. 9a ErbStG von der Schenkungsteuer befreit.

Wird die Pflegestufe nicht erreicht, sind die monatlichen Pflegeleistungen zu schätzen, wobei der Wert der Pflegesachleistungen nicht überschritten werden darf.

 
Quelle: Ausgabe 09 / 2014 | Seite 157 | ID 42920088