· Nachricht · Umsatzsteuer
Umsatzsteuerbefreiung für Behandlungsleistungen in Krankenhäusern
von StB Catrin Stockhausen, Korbach
| § 4 Nr. 14 Buchst. b UStG befreit Krankenhausbehandlungen und ärztliche Heilbehandlungen sowie damit eng verbundene Umsätze von der Umsatzsteuer. Die Vorschrift beruht auf EU-Recht, dessen Umsetzung in nationales Recht missglückt ist, weswegen es sinnvoll ist, die EU-Norm ebenfalls zu prüfen. Die Finanzverwaltung hat in zwei Dokumenten (OFD Niedersachsen 9.2.17 , S 7170 - 165 - St 182 ; BMF 6.10.16, III C 3 - S 7170/10/10004 , BStBl I 16, 1076) dargelegt, wie sie damit umgehen will. Der Beitrag stellt das Problem dar und zeigt die Lösung der Finanzverwaltung. |
1. Überblick über § 4 Nr. 14 Buchst. b UStG
Krankenhausbehandlungen und ärztliche Heilbehandlungen einschließlich der Diagnostik, Befunderhebung, Vorsorge, Rehabilitation, Geburtshilfe und Hospizleistungen ‒ sowie damit eng verbundene Umsätze ‒ sind nach § 4 Nr. 14 Buchst. b UStG steuerfrei. Allerdings kommt es auf die Art der Einrichtung an.
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Die Leistungen von Einrichtungen nach § 4 Nr. 14 Buchst. b S. 2 Doppelbuchst. aa bis hh UStG sind nur insoweit steuerfrei, als sie sich auf den Bereich der Zulassung, des Vertrags bzw. der Regelung nach Sozialgesetzbuch beschränken (Abschn. 4.14.5 Abs. 24 S. 2 UStAE). Die Steuerbefreiung ist nur der Art nach und nicht dem Umfang nach beschränkt. So fallen Leistungen, die über den Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung hinausgehen , wie z.B. Chefarztbehandlung, Doppel- oder Einzelzimmerbelegung, ebenfalls unter die Steuerbefreiung des § 4 Nr. 14 Buchst. b UStG (Abschn. 4.14.5 Abs. 25 UStAE; OFD Frankfurt 30.8.12, S 7170 A ‒ 92 ‒ St 112).
2. Systematik der Befreiung für Krankenhäuser
Legaldefinitionen für Krankenhäuser liefern § 107 SGB V und § 2 Nr. 1 KHG. Neben den Krankenhäusern in öffentlicher Trägerschaft (Krankenhausträger ist hier eine Körperschaft, Anstalt oder Stiftung des öffentlichen Rechts) gibt es solche in freigemeinnütziger Trägerschaft (Träger ist eine soziale Vereinigung, karitative Organisation etc.) und private Krankenhausträger (Träger ist eine natürliche Person oder ‒ Regelfall ‒ eine juristische Person).
Krankenhäuser in öffentlicher Trägerschaft können sich direkt auf § 4 Nr. 14 Buchst. b S. 1 UStG berufen.
Von Einrichtungen des privaten Rechts betriebene Krankenhäuser fallen unter § 4 Nr. 14 Buchst b S. 2 Doppelbuchst. aa UStG, wenn sie nach § 108 SGB V zugelassen sind. Das gilt für Krankenhäuser,
- die nach den landesrechtlichen Vorschriften als Hochschulklinik anerkannt sind,
- die in den Krankenhausplan eines Landes aufgenommen sind (Plankrankenhäuser),
- die einen Versorgungsvertrag mit den Landesverbänden der Krankenkassen und den Verbänden der Ersatzkassen abgeschlossen haben.
Krankenhäuser, die nicht von juristischen Personen des öffentlichen Rechts betrieben werden und die weder eine Zulassung nach § 108 SGB V besitzen noch unter die anderen Doppelbuchstaben fallen, sind mit ihren in § 4 Nr. 14 Buchst. b S. 1 UStG genannten Leistungen steuerpflichtig.
PRAXISHINWEIS | Die Umsätze einer mit einem Plankrankenhaus organschaftlich verbundenen, rechtlich selbstständigen Einrichtung sind steuerpflichtig, wenn diese nicht selbst über eine entsprechende Zulassung verfügt. Das gilt auch, wenn die Einrichtung in den Räumlichkeiten des Plankrankenhauses tätig ist und nicht über eigene Personal- und Sachmittel verfügt (OFD Niedersachsen 9.2.17 , S 7170 - 165 - St 182). |
3. Privatkliniken ohne Zulassung nach § 108 SGB V
Der BFH (23.10.14, V R 20/14, BStBl II 16, 785; BFH 18.3.15, XI R 38/13, BStBl II 16, 793) hat entschieden, dass § 4 Nr. 14 Buchst. b Doppelbuchst. aa UStG Unionsrecht (Art. 132 Abs. 1 Buchst. b MwStSystRL) nicht richtig umsetzt. Die EU-Norm befreit Krankenhausbehandlungen und ärztliche Heilbehandlungen sowie damit eng verbundene Umsätze,
- die von Einrichtungen des öffentlichen Rechts oder
- unter Bedingungen, welche mit den Bedingungen für diese Einrichtungen in sozialer Hinsicht vergleichbar sind, von Krankenanstalten, Zentren für ärztliche Heilbehandlung und Diagnostik und anderen ordnungsgemäß anerkannten Einrichtungen gleicher Art bewirkt werden.
Der BFH kritisiert den in der deutschen Regelung enthaltenen sozialrechtlichen Bedarfsvorbehalt: Ein Unternehmer, dessen Krankenhaus nach den landesrechtlichen Vorschriften weder Hochschulklinik noch Plankrankenhaus ist, kann die Steuerfreiheit nur erlangen, wenn er für sein Krankenhaus einen Versorgungsvertrag mit den Landesverbänden der Krankenkassen und den Verbänden der Ersatzkassen (Kassenverbänden) abschließt. Sozialversicherungsrechtlich dürfen derartige Versorgungsverträge gemäß § 109 Abs. 3 S. 1 Nr. 2 SGB V aber nur abgeschlossen werden, wenn sie insbesondere für eine bedarfsgerechte Krankenhausbehandlung der Versicherten erforderlich sind. Zudem besteht nach § 109 Abs. 2 S. 1 SGB V kein Anspruch auf Abschluss eines Versorgungsvertrags.
Daher können sich Krankenhäuser, die nicht unter § 4 Nr. 14 Buchst. b UStG fallen, für die Steuerfreiheit ihrer in § 4 Nr. 14 Buchst. b S. 1 UStG genannten Heil- und Krankenhausbehandlungsleistungen unmittelbar auf Art. 132 Abs. 1 Buchst. b MwStSystRL berufen. Sie müssen diese aber in sozialer Hinsicht unter vergleichbaren Bedingungen wie die Krankenhäuser erbringen, die in öffentlich-rechtlicher Trägerschaft stehen oder nach § 108 SGB V zugelassen sind.
3.1 Anerkennung als ordnungsgemäß anerkannte andere Einrichtung
Für die Frage der ordnungsgemäßen Anerkennung als Einrichtung i. S. von Artikel 132 Abs. 1 Buchst. b MwStSystRL sind folgende Kriterien zu berücksichtigen (BFH 18.3.15, XI R 38/13, BStBl II 16, 793; BMF 6.10.16, III C 3 - S 7170/10/10004, BStBl I 16, 1076):
- das Bestehen spezifischer Vorschriften ‒ seien es nationale oder regionale, Rechts- oder Verwaltungsvorschriften, Steuervorschriften oder Vorschriften im Bereich der sozialen Sicherheit,
- das mit den Tätigkeiten des betreffenden Unternehmers verbundene Gemeinwohlinteresse,
- die Tatsache, dass andere Unternehmer mit den gleichen Tätigkeiten bereits in den Genuss einer ähnlichen Anerkennung kommen,
- der Gesichtspunkt, dass die Kosten der Leistungen unter Umständen zum großen Teil von Krankenkassen oder anderen Einrichtungen der sozialen Sicherheit übernommen werden.
3.2 Vergleichbarkeit der Leistungserbringung in sozialer Hinsicht
Hierzu vergleicht der BFH konkret, wie die Patienten in den Privatkliniken behandelt wurden.
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Die Vergleichbarkeit in sozialer Hinsicht ergibt sich daraus, dass die Ausstattung des von der Klägerin betriebenen Krankenhauses der Regelausstattung eines Plankrankenhauses entsprach. Dass ausschließlich Einbettzimmern vorhanden waren, ergab sich durch die Fachrichtung (Psychiatrie/Psychotherapie und Psychosomatik). Zudem wurden im erheblichen Umfang (im Streitjahr: 35 %) auch gesetzlich Versicherte im Krankenhaus der Klägerin behandelt, ohne dass Unterschiede zur Behandlung von Privatpatienten bestanden. Nach den Feststellungen des FG behandelte die Klägerin Kassen- und Privatpatienten sogar einheitlicher als die nach § 108 SGB V zugelassenen Krankenhäuser. |
Für die operativen Eingriffe wurden den operierenden Ärzten die Räumlichkeiten, die Apparate und das nicht ärztliche Personal zur Verfügung gestellt. Die Patienten wurden zudem durch Pflegepersonal betreut und beköstigt. Das Leistungsangebot entsprach den von öffentlichen Krankenhäusern sowie den von zugelassenen Privatkliniken nach § 108 SGB V erbrachten Leistungen. Zudem lag der Anteil der Umsätze, die im Streitjahr mit der Behandlung gesetzlich versicherter Patienten im Zusammenhang stand, bei ca. 43 %. Die Vergütung der Behandlungen war nicht unangemessen, da die Abrechnung sämtlicher Leistungen auf Grundlage des gesetzlichen Vergütungssystems für Ärzte und Krankenhäuser erfolgte. Die Kosten für die Behandlung von Privatpatienten sind von den privaten Krankenversicherungen übernommen worden und entsprachen ihrer Höhe nach denen der Behandlung gesetzlich versicherter Patienten. |
Die Finanzverwaltung (OFD Niedersachsen 9.2.17 , S 7170 - 165 - St 182; BMF 6.10.16, III C 3 - S 7170/10/10004, BStBl I 16, 1076) fasst das folgendermaßen zusammen. Das Kriterium der Vergleichbarkeit in sozialer Hinsicht ist erfüllt, wenn
- das Leistungsangebot dieser Krankenhäuser den von Krankenhäusern in öffentlich-rechtlicher Trägerschaft oder nach § 108 SGB V zugelassenen Krankenhäusern erbrachten Leistungen entspricht und
- die Kosten in erheblichem Umfang von Krankenkassen oder anderen Einrichtungen der sozialen Sicherheit übernommen werden. Von einer Kostenübernahme in erheblichem Umfang ist auszugehen,
- wenn im vorangegangenen Kalenderjahr mindestens 40 % der jährlichen Belegungs- oder Berechnungstage auf Patienten entfallen sind, bei denen für die Krankenhausleistungen kein höheres Entgelt als für allgemeine Krankenhausleistungen nach dem Krankenhausentgeltgesetz oder der Bundespflegesatzverordnung berechnet wurde oder
- im vorangegangenen Kalenderjahr mindestens 40 % der Leistungen den in § 4 Nr. 15 Buchst. b UStG genannten Personen zugutegekommen sind.
- Entgelte, die für Wahlleistungen berechnet werden, sind in die Berechnung der 40 %-Grenze der jährlichen Belegungs- oder Berechnungstage nicht mit einzubeziehen, wenn das Entgelt für die Wahlleistungen entsprechend § 17 Abs. 1 KHEntG in einem angemessenen Verhältnis zu den allgemeinen Krankenhausleistungen steht.
PRAXISHINWEIS | Zur Frage der Vergleichbarkeit ist ein Verfahren beim BFH anhängig ‒ allerdings betrifft es die Zeiträume 2005 und 2006 als die Befreiung noch in § 4 Nr. 16 Buchst. b UStG zu finden war (FG Berlin-Brandenburg 22.6.16, 7 K 7184/14, Rev. BFH XI R 15/16). Konkret geht es um die Behandlung von Belegarztleistungen. Der BFH muss folgende Rechtsfragen klären:
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4. Eng verbundene Umsätze
Als eng mit Krankenhausbehandlungen und ärztlichen Heilbehandlungen verbundene Umsätze sind Leistungen anzusehen, die für diese Einrichtung
- typisch und unerlässlich sind,
- regelmäßig und allgemein beim laufenden Betrieb vorkommen und
- damit unmittelbar oder mittelbar zusammenhängen (BFH 1.12.77, V R 37/75, BStBl II 78, 173).
Umsätze eines Krankenhauses sind nicht mehr eng verbunden i.S. des § 4 Nr. 14 Buchst. b UStG, wenn die ihnen zugrunde liegenden Leistungen in einem abgrenzbaren Bereich außerhalb der typischen Tätigkeit der Einrichtung erbracht werden. Das ist insbesondere dann der Fall, wenn das Krankenhaus mit diesen Leistungen in eine gewisse Konkurrenz zu anderen nicht begünstigten Unternehmen tritt. Zweifelsfälle sind dabei nach der Verkehrsanschauung zu beurteilen (OFD Frankfurt 30.8.12, S 7170 A ‒ 92 ‒ St 112). Die Steuerbefreiung ist ausgeschlossen, wenn die Umsätze im Wesentlichen dazu bestimmt sind, der Einrichtung zusätzliche Einnahmen durch Tätigkeiten zu verschaffen, die in unmittelbarem Wettbewerb zu steuerpflichtigen Umsätzen anderer Unternehmer stehen (EuGH 1.12.05, C-394/04 und C-395/04, Ygeia).
Beispiele zur Abgrenzung sind in Abschn. 4.14.6. Abs. 2 und 3 UStAE aufgeführt. Sie werden durch die OFD Niedersachsen (9.2.17, S 7170 - 165 - St 182) ergänzt.
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Nicht zu den eng verbundenen Umsätzen gehören nach Abschn. 4.16.6 Abs. 3 UStAE insbesondere:
Nicht zu den eng mit dem Betrieb eines Krankenhauses verbundenen Umsätzen gehören laut OFD Niedersachsen (9.2.17 , S 7170 - 165 - St 182):
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Zu den eng verbundenen Umsätzen gehören nach Abschn. 4.16.6 Abs. 2 UStAE:
Zu den eng verbundenen Umsätzen gehören laut OFD Niedersachsen (9.2.17 , S 7170 - 165 - St 182):
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Weiterführende Hinweise
- Umsatzsteuer ‒ Umsatzsteuerfreiheit für Privatkliniken? (Leonard, PFB 14,8 interessant vor allem zur Rechtslage bis zum 31.12.08)
- Umsatzsteuerbefreiung ‒ Was bedeutet die mögliche Umsatzsteuerfreiheit bei Privatkliniken für niedergelassene Anästhesisten? (Sedlaczek, PFB 15, 105)