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· Fachbeitrag · OP-Einwilligung

Wenn ärztliche Aufklärungsgespräche anstehen: So bereiten Sie Ihren Mandanten darauf vor

| Was können Anwälte Mandanten empfehlen, die eine OP vor sich haben und bald mit Ärzten über die Risiken sprechen müssen? Dieser Beitrag stellt die aktuelle Rechtsprechung vor und nennt die wichtigsten Grundsätze. |

1. Geplante Eingriffe

Im Gegensatz zu eilbedürftigen Operationen sehen sich viele ältere Menschen planbaren Eingriffen gegenüber. Dann können sie sich mit den medizinischen Umständen vertraut machen und früh auf das ärztliche Aufklärungsgespräch vorbereiten. Denn das kann später wichtig werden, wenn z. B. die OP risikoreich ist oder generell häufig zu späteren Streitigkeiten mit Ärzten und Kliniken führt. Weiß der Anwalt frühzeitig von solchen OPs, kann er seine Mandanten vorbereiten. Dazu kann er sich an der folgenden Checkliste orientieren:

 

Checkliste / Das sollten Mandanten über ein ärztliches Aufklärungsgespräch wissen

  • Nicht unverbindlich, sondern Pflicht: Der behandelnde Arzt muss beweisen, dass er so aufgeklärt hat, wie es § 630e BGB vorschreibt (§ 630h Abs. 2 BGB). Dazu gehören Art, Umfang, Durchführung, zu erwartende Folgen und mögliche Risiken. Ferner die Notwendigkeit, Dringlichkeit und Eignung der Maßnahme und wie erfolgversprechend sie im Hinblick auf Diagnose oder Therapie ist sowie ggf. mögliche alternative Behandlungen. Der BGH sagt dazu: Der Patient sei „im Großen und Ganzen“ über Chancen und Risiken einer Operation aufzuklären (11.10.16, VI ZR 462/15). Allerdings ist
    • das Aufklärungsgespräch auch zwingend und
    • muss mündlich mit dem Patienten geführt werden (§ 630e BGB).
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  • Der Patient muss nachfragen und Rückfragen stellen dürfen. Er kann auch bitten, dass der Arzt ihm Erfahrungs- bzw. statistische Werte und persönliche Erfahrungen mitteilt. Ein mündliches Gespräch ist stets verpflichtend, egal wie viele schriftliche Aufklärungsbögen/Unterlagen dem Patienten überreicht werden und wie viele davon er unterschreibt.

 

  • Zeugen sind sinnvoll, aber Arzt muss zustimmen: Aus Beweiszwecken kann es sinnvoll sein, wenn Zeugen an dem Aufklärungsgespräch teilnehmen, empfiehlt zum Beispiel die Unabhängige Patientenberatung (UPD). In Frage kommen Angehörige, Freunde und natürlich Personen, die vielleicht auch schon vom Patienten in der Vorsorgevollmacht benannt wurden (SR 16, 1).
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  • Allerdings muss der Arzt gem. § 7 Abs. 5 der Musterberufsordnung der Ärzte (MBO-Ä) zustimmen, wenn Angehörige oder andere Dritte bei einer Untersuchung oder Behandlung anwesend sein wollen. Hierzu gehört auch das Aufklärungsgespräch. Willkürlich ablehnen darf der Arzt allerdings nicht. Der Patient kann zusammen mit dem Zeugen den wesentlichen Inhalt des Gesprächs später in einem Gedächtnisprotokoll festhalten.
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  • Beachten Sie | Auch verspätet eingereichte Gedächtnisprotokolle sind zu berücksichtigen. Dies ist kein schwerer Dokumentationsmangel, wenn glaubhaft erklärt wird, warum das Protokoll im Verfahren verspätet vorgelegt wird (OLG Hamm 21.3.17, I-26 U 122/09; 26 U 122/09).
  • Der Patient darf Kopien der Erklärung verlangen: Unterzeichnet der Mandant zusätzlich schriftliche Unterlagen oder Erklärungsvordrucke (vgl. 1.), hat er gem. § 630e Abs. 2 S. 2 BGB einen Anspruch darauf, dass er Abschriften hiervon erhält. Und dies sollte er auch auf jeden Fall verlangen. Dies kann er auch nachträglich tun, denn schriftliche Aufklärungsbögen oder sonstige Unterlagen gehören zur Patientenakte, die grundsätzlich zehn Jahre aufzubewahren ist (§ 630f Abs. 3 BGB).

 

  • „Im Großen und Ganzen“ ‒ was bedeutet das?: Der Arzt muss vor einem Eingriff die möglichen Risiken nicht exakt medizinisch beschreiben, allerdings eine allgemeine Vorstellung von dem Ausmaß der damit verbundenen Gefahren vermitteln. Und zwar ohne diese zu beschönigen oder zu verschlimmern. Über schwere OP-Risiken ist immer aufzuklären, auch wenn sie nur selten eintreten (BGH 11.10.16, VI ZR 462/15). Aufzuklären ist
    • über spezifisch einer Operation anhaftende Risiken (z. B. Lähmung eines Beines oder Fußes), die
    • die Lebensführung besonders belasten, wenn sie sich tatsächlich verwirklichen.

 

Kommt bspw. bei einem geplanten Revisionseingriff mit Arthrolyse und Prothesenwechsel eine Entfernung der Kniescheibe je nach intraoperativem Verlauf und Befund in Betracht, so ist der Patient darüber aufzuklären. Denn dies hat für den Betroffenen erhebliche Auswirkungen (OLG Köln 11.1.17, 5 U 46/16).

 

2. Exkurs: Verschiedene Streitgegenstände

Kommt es zu einem Rechtsstreit gegen einen Arzt bzw. ein Krankenhaus, sind alle geltend gemachten Ansprüche genau zu begründen. Das OLG Nürnberg betonte kürzlich noch einmal eine wichtige Besonderheit, was den Beweisvortrag in Arzthaftungsprozessen betrifft (20.4.17, 5 U 458/16).

 

 

Weiterführende Hinweise

  • Grenzen der ärztlichen Aufklärungspflicht, SR 17, 115
  • Schmerzbild muss ärztlich nachgewiesen werden, SR 17, 75
Quelle: Ausgabe 10 / 2017 | Seite 179 | ID 44862054