· Fachbeitrag · Sonderregelungen COVID-19
Corona-Pandemie: Details zu den neuen GOÄ-Abrechnungsempfehlungen der BÄK
von Ernst Diel, ehem. Leiter Grundsatzfragen PVS Büdingen
| Der Vorstand der Bundesärztekammer (BÄK) hat am 07.05.2020 Abrechnungsempfehlungen im Zusammenhang mit der COVID-19-Pandemie beschlossen, die wir in diesem Beitrag näher erläutern. Die Abrechnungsempfehlungen sind zunächst zeitlich befristet und gelten vom 05.05.2020 bis zum 30.06.2020 bzw. 31.07.2020. |
„Hygienepauschale“ unter der Lupe
Ein besonderer Fokus der neuen Abrechnungsempfehlungen richtet sich auf die sogenannte Hygienepauschale, die zunächst in ähnlicher Form bereits für Zahnärzte in der Gebührenordnung für Zahnärzte (GOZ) eingeführt worden war und nun auch von BÄK, PKV-Verband und den Trägern der Kosten in Krankheits-, Pflege- und Geburtsfällen (Beihilfestellen) für die GOÄ vereinbart wurde.
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Nr. 245 GOÄ analog, erhöhte Hygienemaßnahmen, zum 2,3-fachen Satz (14,75 Euro)
Die Abrechnungsempfehlung gilt zunächst befristet bis zum 31.07.2020 und ist nur bei unmittelbarem, persönlichen Arzt-Patienten-Kontakt (APK) anwendbar. Bei Berechnung der Analoggebühr nach Nr. 245 GOÄ kann ein erhöhter Hygieneaufwand nicht zeitgleich durch ein Überschreiten des 2,3-fachen Gebührensatzes für die in der Sitzung erbrachten ärztlichen Leistungen berechnet werden. ... |
Hygienepauschale in der GOÄ ist eine Alternative
Wichtig ist, dass diese Empfehlung die Regelungen der GOÄ im Hinblick auf Höherbewertung und Auslagenberechnung nach den Regelungen des § 10 GOÄ (Ersatz von Auslagen) nicht außer Kraft setzt.
Die Nr. 245 GOÄ analog geht konform mit der für Zahnärzte im Rahmen der GOZ bereits beschlossenen Empfehlung nach der Nr. 3010 GOZ analog zum 2,3-fachen Satz (14,23 Euro pro Sitzung). Der wesentliche Unterschied in beiden Gebührenordnungen liegt allerdings darin begründet, dass Zahnärzte ‒ im Unterschied zu Ärzten ‒ nach § 4 Abs. 3 (u. a.) GOZ „Sprechstundenbedarf“ nicht berechnen dürfen. In der GOÄ hingegen erlaubt § 3 (Vergütungen) in Verbindung mit § 10 GOÄ den Auslagenersatz grundsätzlich für das gesamte Gebührenverzeichnis. Erst Einzelregelungen bei bestimmten Leistungen (z. B. für Allergietestungen) oder im § 10 GOÄ schränken diese Kostenberechnungen unter Umständen ein.
MERKE | Für den ärztlichen Bereich ist somit ein „Hygieneausgleich“ über Faktor und Auslagenberechnung nach § 10 GOÄ auch anstelle dieser aktuellen, zeitlich befristeten Empfehlung weiterhin möglich! Dies gilt insbesondere dann, wenn die z. B. die entstandenen Auslagen höher sind. |
Weiterhin können Infektionsschutzmaßnahmen mit besonderen Umständen bei der Ausführung und auch erhöhtem Zeitaufwand verbunden sein, etwa durch das zusätzlich in Einzelfällen erforderliche Anlegen von Schutzkleidung. In solchen Fällen ist ein höherer Steigerungssatz einzelner Leistungen (z. B. bei Untersuchungen und Eingriffen) begründet. Die Bemessungskriterien nach § 5 GOÄ (Bemessung der Gebühren) erlauben dies.
MERKE | Ein erhöhter Hygieneaufwand allein ist kein Kriterium für eine Faktorsteigerung! Die Begründung für den erhöhten Steigerungssatz muss stets patientenindividuell für jede einzelne Leistung erfolgen. |
Eine Verpflichtung, diese Abrechnungsempfehlung zur Hygienepauschale anzuwenden, besteht also nicht. Die GOÄ selbst eröffnet ausreichend Möglichkeiten, die durch Abrechnungsempfehlungen generell nicht außer Kraft gesetzt werden. Die Abrechnungsempfehlung stellt deshalb eine Alternative zu den im Rahmen der GOÄ bestehenden Möglichkeiten dar, insbesondere dann, wenn sich der Materialaufwand und auch der Zeitaufwand bei der Behandlung in Grenzen halten und die dafür in der Empfehlung vorgesehene Gebühr ausreichend erscheint.
Ausschlüsse bezogen auf Nr. 245 GOÄ gelten bei Hygienepauschale nicht
Sofern Nr. 245 GOÄ analog Anwendung findet, gelten z. B. Ausschlüsse bei wiederholten APK (z. B. Leistungen nach den Nrn. 1 und/oder 5 sind neben Leistungen der Abschnitte C bis O GOÄ im Behandlungsfall nur einmal berechnungsfähig) nicht. Der Grund hierfür ist, dass sich Ausschlüsse in der GOÄ nur auf den Begriff „Leistungen“ beziehen. Da es sich hier um keine „Leistung“ handelt, sondern nur um eine Aufwandsentschädigung für Hygienemaßnahmen, greifen auch die allgemeinen Bestimmungen in Abschnitt B GOÄ Satz 2 mit den entsprechenden Ausschlüssen nicht.
Mehrfachabrechnung von Nr. 3 GOÄ ‒ telefonische Beratungen
Eine weitere Erleichterung betrifft die Abrechnung der Nr. 3 GOÄ (150 Punkte, 20,11 Euro beim Faktor 2,3), und zwar speziell für telefonische Beratungen.
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Infolge der COVID-19-Pandemie ist zunächst befristet bis zum 31.07.2020 die mehrfache Berechnung der Nr. 3 GOÄ für längere telefonische Beratungen, je vollendete zehn Minuten, möglich. Voraussetzung ist, dass das Aufsuchen des Arztes pandemiebedingt nicht möglich bzw. zumutbar ist, eine Videoübertragung nicht durchgeführt und die Patientenversorgung auf andere Weise nicht gewährleistet werden kann.
Die Leistung ist je Sitzung höchstens viermal berechnungsfähig. Je Kalendermonat sind höchstens vier telefonische Beratungen berechnungsfähig. Der einer Mehrfachberechnung der Nr. 3 GOÄ zugrunde liegende zeitlich bedingte Mehraufwand kann nicht zeitgleich durch ein Überschreiten des 2,3-fachen Gebührensatzes berechnet werden. Die tatsächliche Dauer des Telefonats und die Begründung zur Mehrfachberechnung sind in der Rechnung anzugeben. |
Die Mehrfachberechnung der Nr. 3 war bereits zuvor im Behandlungsfall mit Begründung möglich, jedoch nur einmal pro APK. Bei erheblichem zeitlichen Mehraufwand bestand dabei die Möglichkeit, einen höheren Steigerungssatz anzuwenden. Neu im Rahmen dieser Empfehlung ist, dass ein Mehrfachansatz (maximal viermal) in einer Sitzung nach angefallenem Zeitaufwand (bis zu 40 Minuten, je vollendete 10 Minuten) möglich ist, wobei ein erhöhter Steigerungssatz entfällt.
Anstelle des Behandlungsfalls (Zeitraum ein Monat nach der ersten Inanspruchnahme bei derselben Erkrankung) ist in dieser Empfehlung der Kalendermonat als Zeitspanne definiert, in der maximal vier Beratungen mit jeweils maximal viermaligem Ansatz der Nr. 3 erfolgen können! Im Gegensatz zu den übrigen Empfehlungen ist diese Empfehlung nicht mit den Kostenträgern (PKV und Beihilfestellen) konsentiert. Akzeptanz ist jedoch zu erwarten.
Telemedizinische Leistungen
Abgestimmt (zwischen BÄK, PKV-Verband, Beihilfestellen sowie der Bundespsychotherapeutenkammer) sind wiederum die Abrechnungsempfehlungen zu den Erfordernissen eines persönlichen APK bei psychotherapeutischen Leistungen sowie den zusätzlichen Einsatzmöglichkeiten für Videokonferenzen.
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Für psychotherapeutische Leistungen zur Eingangsdiagnostik, Indikationsstellung und Aufklärung gemäß den Nummern 801, 807, 808, 860, 885 GOÄ ist als Abrechnungsvoraussetzung grundsätzlich der unmittelbare persönliche Kontakt zwischen Arzt und Patient erforderlich; Abweichungen von diesem Grundsatz sind, sofern es sich aus Umständen im Rahmen der COVID-19-Pandemie ergibt, zunächst befristet bis zum 30.06.2020 für besondere Ausnahmefälle und unter besonderer Beachtung der berufsrechtlichen Sorgfaltspflichten zulässig. Die einzelnen Leistungen sind über die jeweilige Gebührenposition berechnungsfähig.
Für psychotherapeutische Leistungen gemäß den Nummern 804, 806, 817, 846, 849, 861, 863, 870, 886 GOÄ gilt als Abrechnungsvoraussetzung grundsätzlich der unmittelbare Kontakt zwischen Arzt und Patient. Zunächst befristet bis zum 30.06.2020 ist der unmittelbare Kontakt zwischen Arzt und Patient nicht erforderlich, sofern es sich aus Umständen im Rahmen der COVID-19-Pandemie ergibt. In diesen Fällen kann der Kontakt auch per Videoübertragung (z. B. Videosprechstunde) erfolgen. Die einzelnen Leistungen sind über die jeweilige Gebührenposition berechnungsfähig. |
Hierbei muss es sich um besondere Ausnahmefälle handeln. Es empfiehlt sich, die durch die Pandemie bedingten Umstände entsprechend zu dokumentieren (z. B. bei Patienten in Quarantäne).
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Vorstellung eines Patienten und/oder Beratung über einen Patienten in einer interdisziplinären und/oder multi-professionellen Videokonferenz, zur Diagnosefindung und/oder Festlegung eines fachübergreifenden Behandlungskonzepts ‒ originär Nr. 60 GOÄ.
Zunächst befristet bis zum 30.06.2020 ist die vorherige oder im unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang mit der konsiliarischen Erörterung stehende persönliche Befassung mit dem Patienten nicht erforderlich, sofern es sich aus Umständen im Rahmen der COVID-19-Pandemie ergibt. In diesen Fällen kann die Befassung mit dem Patienten auch per Videoübertragung (z. B. Videosprechstunde) erfolgen. |
Auch hier empfiehlt es sich, die durch die Pandemie bedingten Umstände entsprechend zu dokumentieren!
Weiterführender Hinweis
- Abrechnungsempfehlungen zur COVID-19-Pandemie bei der BÄK online unter iww.de/s3677