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  • · Fachbeitrag · Betriebsprüfung bei Zahnärzten

    Die Umsatzsteuer als Prüfungsschwerpunkt

    von StB vBP Prof. Dr. Johannes G. Bischoff und StB Dipl.-Finw. Julia Kekule, beide Köln

    | Wurde eine Zahnarztpraxis geprüft, standen bislang insbesondere die Betriebsausgaben, etwa die steuerliche Anerkennung von Aufwendungen für Fortbildungen und damit zusammenhängende Reisekosten, der Umfang der privaten Nutzung des Firmenwagens sowie Bewirtungsaufwendungen im Fokus. Es ist aber festzustellen, dass das Thema Umsatzsteuer immer stärker in den Vordergrund rückt. Der Beitrag gibt einen Überblick über die wichtigsten Prüfungsfelder. |

    1. Prüfungsvorbereitung durch die Finanzverwaltung

    Die wachsende Bedeutung von Betriebsprüfungen bei Zahnärzten und anderen Heilberuflern zeigt sich u. a. darin, dass die Bundesländer Schwerpunktprüfer ausbilden. Diese Betriebsprüfer verstehen die Abrechnungen und Zusammenhänge im Gesundheitswesen, greifen (zahn-)arztspezifische Sachverhalte auf und sind in der Lage, diese auch mit medizinrechtlichem Basiswissen steuerrechtlich zu würdigen. Häufig wird zusammen mit der Prüfungsanordnung ein mehrseitiger Fragebogen versendet, auf dem der Zahnarzt bereits vor der Prüfung diverse Sachverhalte offenlegen muss. Anhand dieser Angaben können z. B. umsatz- und gewerbesteuerliche Prüfungsschwerpunkte schon in der Prüfungsvorbereitung festgelegt werden.

     

    Daneben beleuchten Betriebsprüfer im Vorfeld der Prüfung die Praxis und den Inhaber über Internetrecherchen. So werden z. B. die auf der Homepage des Zahnarztes angebotenen Leistungen auf mögliche umsatzsteuerpflichtige Umsätze gesichtet, aber auch Patientenberichte auf Bewertungsportalen. Über Suchmaschinen können die weiteren Aktivitäten des Zahnarztes (Vorträge, Artikel in Fachzeitschriften etc.) ermittelt werden, vor Ort wird zudem das Werbematerial der Praxis (z. B. Aushänge, Flyer) begutachtet.

    2. Exemplarische Prüfungshandlungen

    Ein anderer Ausgangspunkt ist die systematische Analyse des elektronischen Terminkalenders der Praxis nach „Sondersprechstunden“ (etwa zur ästhetischen Zahnmedizin) bzw. von Terminen des Praxisinhabers, die auf zusätzliche (umsatzsteuerpflichtige) Einnahmequellen schließen lassen (z. B. Vorträge, Tätigkeit als Gutachter). Ergeben sich Anhaltspunkte, wird der Prüfer intensiver nachforschen und sich eingehender mit den Daten aus der Praxisabrechnungssoftware beschäftigen. Hinterfragt wird z. B. die dokumentierte medizinische Indikation bei der Verwendung bestimmter Gebührenziffern. Ist keine Abrechnungsnummer aus der GOÄ hinterlegt, vermutet der Prüfer häufig ebenso eine umsatzsteuerpflichtige Leistung wie bei der Vereinbarung von „Pauschalpreisen“. Außerdem werden diverse Plausibilitätsberechnungen durchgeführt, so wird etwa die Anzahl der mit dem Cerec-System hergestellten Kronen mit dem Wareneinsatz abgeglichen.

    3. Umsatzsteuerpflichtige Ausgangsleistungen

    Die Umsatzsteuerbefreiung des § 4 Nr. 14 Buchst. a UStG betrifft nur die zahnärztlichen Heilbehandlungen (Vorbeugung, Diagnose, Behandlung bzw. Heilung). Die berechenbaren Materialkosten im Zusammenhang mit der zahnärztlichen Behandlung sind umsatzsteuerlich wie das Behandlungshonorar zu beurteilen. Berechnete Kosten für Abdruckmaterialien (Alginat, Hydrokolloid o. Ä.), nicht individuell hergestellte Provisorien, Material für die direkte Unterfütterung von Prothesen und Versandkosten für Abdrücke sind demnach umsatzsteuerfrei. Erbringt der Zahnarzt kosmetisch-ästhetische Leistungen, unterliegen diese der Umsatzsteuerpflicht. Beispiele hierfür sind Verkauf und Anbringen von Dentalschmuck, die Herstellung von Zahnersatz mit dem Cerec-System und das Bleaching aus rein ästhetischen Gründen. Auch der Verkauf von Mundhygieneartikeln sowie die Erstellung von Gutachten im sportmedizinischen Bereich oder zu kosmetisch-ästhetischen Leistungen sind steuerpflichtig.

     

    • Zweifelsfall: Private Zusatzleistungen/Verlangensleistungen

    Bei Zusatzleistungen/Verlangensleistungen ist nicht immer eindeutig, wann sie der Heilbehandlung und wann dem allgemeinen Wohlbefinden oder der Ästhetik dienen. Die GOZ 2012 erleichtert den FÄ die Suche, denn in § 2 Abs. 3 GOZ ist geregelt, dass bei Leistungen, die über die notwendige zahnmedizinische Versorgung hinausgehen, im Kosten- und Heilplan der Hinweis enthalten sein muss, dass eine Erstattung möglicherweise nicht gewährt wird. Hierdurch liefert der Zahnarzt ein wichtiges Indiz für eine umsatzsteuerpflichtige Leistung. Entscheidend ist jedoch allein das Kriterium der medizinischen Indikation. Bei der Leistung muss ein medizinisch-therapeutisches Ziel zweifelsfrei im Vordergrund stehen. Große Bedeutung kommt in diesem Zusammenhang einer ausführlichen und detaillierten Dokumentation der Behandlungen in der Patientenakte zu.

     

    Von der Umsatzsteuerbefreiung ist die Lieferung bzw. Wiederherstellung von Zahnprothesen und kieferorthopädischen Apparaten ausgenommen, wenn sie im Eigenlabor der Zahnarztpraxis hergestellt wurden (§ 4 Nr. 14 Buchst. a S. 2 UStG). Allerdings unterliegen sie dem ermäßigten Steuersatz (§ 12 Abs. 2 Nr. 6 UStG). Alle direkt mit den Prothetikumsätzen verbundenen Leistungen (Auftragen von Haftliquid, Einpudern mit Titandioxpuder) sind Nebenleistungen, die das Schicksal der Hauptleistung teilen. Die zahnärztliche Leistung selbst bleibt von der Umsatzsteuer befreit. Wird der Zahnersatz durch selbstständige Zahntechniker angefertigt, ist dessen Lieferung an den Zahnarzt nach § 12 Abs. 2 Nr. 6 UStG ermäßigt zu besteuern, die Weiterlieferung des Zahnersatzes an den Patienten ist hingegen steuerfrei (§ 4 Nr. 14 UStG). Daher ist kein Vorsteuerabzug aus der Rechnung des Zahntechnikers möglich.

    4. Gerätenutzung durch Kollegen

    Bei Berufsausübungsgemeinschaften (BAG) ergeben sich weitere Prüffelder, insbesondere bei im Alleineigentum eines Mitunternehmers stehenden Wirtschaftsgütern. Ob ein Gesellschafter eine Leistung an die Gesellschaft als (nicht steuerbaren) Gesellschafterbeitrag oder als Leistung gegen Entgelt erbringt, können die Beteiligten grundsätzlich frei entscheiden ‒ diese Entscheidung muss jedoch aus den abgeschlossenen Vereinbarungen deutlich werden. Überlässt ein beteiligter Zahnarzt ein Wirtschaftsgut, das nur ihm gehört, der BAG und erhält er dafür keinen Vorabgewinn, sondern ein Nutzungsentgelt, liegt eine umsatzsteuerpflichtige Nutzungsüberlassung vor.

    5. Prüffelder bei Eingangsleistungen

    Materialeinkäufe (z. B. Prothetik von Dentallaboren) aus dem EU-Ausland können u. U. als innergemeinschaftliche Erwerbe durch den Zahnarzt zu beurteilen sein (§§ 1a, § 3c UStG). In Betracht kommt hier insbesondere ein Überschreiten der Erwerbsschwelle durch den Zahnarzt sowie ein Überschreiten der Lieferschwelle durch den Lieferanten. Besonderes Augenmerk wird auf Zahnärzte gerichtet, die eine Umsatzsteuer-ID-Nummer beantragt haben. Auch die Regelungen zur Umkehr der Steuerschuldnerschaft nach § 13b UStG können zu Mehrergebnissen führen. So schuldet der Zahnarzt z. B. auf den Einkauf von Goldlegierungen mit einem Feingehalt von mindestens 325/1000 auch dann die Umsatzsteuer, wenn er Kleinunternehmer ist und der Lieferant sich in Deutschland befindet (§ 13b Abs. 2 Nr. 9, Abs. 5 UStG).

    6. Dokumentation des Vorsteuerabzugs

    Kauft ein Zahnarzt Eigenlabormaterial ein, kann er die in der Rechnung ausgewiesene Umsatzsteuer als Vorsteuer abziehen, da er mit seinem Labor umsatzsteuerpflichtige Leistungen erbringt. Bei den allgemeinen Aufwendungen (Strom, Einkauf von Büromaterial etc.) steht dem Zahnarzt nur ein anteiliger Vorsteuerabzug zu (z. B. in Höhe von 10 %, wenn 10 % seiner Entgelte umsatzsteuerpflichtig sind). Die Ermittlung der (anteilig) abzugsfähigen Vorsteuerbeträge muss nachvollziehbar dokumentiert werden (§ 22 UStG). Der Betriebsprüfer wird insoweit nicht nur die materielle, sondern auch die formelle Ordnungsmäßigkeit der Aufzeichnungen prüfen und sich die entsprechenden Berechnungsgrundlagen vorlegen lassen.

    7. Beweislast liegt beim Zahnarzt

    Die Beweislast dafür, dass ein Entgelt umsatzsteuerfrei ist, liegt beim Zahnarzt. Deshalb ist die Umsatzsteuerfreiheit der Leistungen sorgfältig zu dokumentieren, die medizinische Indikation der Behandlung muss eindeutig und nachvollziehbar sein. So kann z. B. Bleaching umsatzsteuerfrei sein, wenn es der Beseitigung einer behandlungsbedingten Zahnverdunkelung dient. Daher sollte der Zahnarzt unterschiedliche Abrechnungskennziffern für umsatzsteuerfreies und umsatzsteuerpflichtiges Bleaching in der Praxissoftware verwenden. Ebenso hat die Hinterlegung eines ICD-Codes indizielle Wirkung für das Vorliegen einer umsatzsteuerfreien Heilbehandlung. Aus berufsrechtlichen Gründen darf der Zahnarzt keine Patientenunterlagen an den Betriebsprüfer weitergeben. Der Betriebsprüfer hat das Recht, alle entscheidungserheblichen Sachverhalte einzusehen. Da sich insoweit Berufsrecht und Steuerrecht diametral entgegenstehen, ist im Vorfeld zu überlegen, wie im Einzelfall der Nachweis geführt werden kann. So kann es sich anbieten, anonymisierte Patientenakten nach einer vom Betriebsprüfer getroffenen Zufallsauswahl vorzulegen (BFH 4.12.14, V R 16/12).

    Quelle: Ausgabe 11 / 2021 | Seite 289 | ID 46954921