01.12.2005 | Absehen vom Fahrverbot
Langer Zeitablauf zwischen Tat und Urteil: Ausschöpfen von Rechtsmitteln nicht unlauter
Das Ausschöpfen von Rechtsmitteln und Rechten durch einen Betroffenen kann grundsätzlich nicht als unlauter angesehen werden. Die dadurch entstehende Verfahrensverzögerung muss bei der Beurteilung der Frage, ob ein langer Zeitablauf der Erforderlichkeit des Fahrverbotes entgegensteht, berücksichtigt werden (OLG Hamm 25.8.05, 2 Ss OWi 546/05, Abruf-Nr. 053139). |
Praxishinweis
Ein langer Zeitablauf zwischen Tat und Urteil kann die Erforderlichkeit des Fahrverbotes entfallen lassen (Burhoff VA 05, 129, 04, 143 f.). Allerdings darf die zeitliche Verzögerung nicht vom Betroffenen zu vertreten sein. Streitig ist, ob es für das Vertretenmüssen der Verzögerung genügt, wenn die maßgeblichen Umstände objektiv im Einflussbereich des Betroffenen stehen (so OLG Köln NZV 04, 422; vgl. OLG Karlsruhe DAR 05, 168), oder ob die Umstände erst relevant werden, wenn sie subjektiv auf unlautere Verzögerung des Verfahrens abzielen (OLG Zweibrücken DAR 00, 586). Das OLG Hamm hat sich, wie schon in NZV 04, 600, der letzteren Auffassung angeschlossen.
Das OLG Hamm argumentiert in seiner Entscheidung vom 25.8.05 wie folgt: Der Betroffene soll grundsätzlich nur dann keinen Vorteil aus einer Verfahrensverzögerung ziehen dürfen, wenn er selbst für die Überschreitung des obergerichtlichen Richtwertes von zwei Jahren die Verantwortung trägt. Es kann dem Betroffenen aber nicht zur Last gelegt werden, wenn er die ihm in der StPO eingeräumten Rechte in Anspruch nimmt, wie also z.B. sich nicht zur Sache einlässt (§ 136 StPO) oder die Tat bestreitet bzw. von seinen ihm zustehenden Rechtsmitteln Gebrauch macht. Sämtliche darauf beruhende Verfahrensverzögerungen hat der Betroffene nicht zu vertreten. Die Grenze ist lediglich da zu ziehen, wo das Verhalten des Betroffenen subjektiv auf unlautere Verzögerung des Verfahrens abzielt. Dies entspricht nicht nur der Rspr. des EGMR zur Selbstbelastungsfreiheit im Strafverfahren, sondern auch des BVerfG und des BGH zu Verfahrensverzögerungen durch die revisionsrechtliche Aufhebung und Zurückverweisung in Strafsachen.
Im Fall des OLG Hamm hat der lange Verfahrensablauf dennoch nicht zum vollständigen Absehen vom – hier verhängten einmonatigen – Fahrverbot geführt. Gegen den Betroffenen wäre nämlich an sich ein Fahrverbot von zwei Monaten zu verhängen gewesen. Bei langem Zeitablauf bedarf es der Prüfung, ob das Fahrverbot ganz zu entfallen hat oder ob es lediglich zu mildern ist (BayObLG NZV 04, 100; OLG Naumburg DAR 03, 133; OLG Frankfurt zfs 04, 283 mit Anm. Bode). Der Hammer Richter hat sich hier nur für eine Milderung entschieden: „Denn ein völliger Verzicht auf die Verhängung eines Fahrverbots liefe auf eine ungerechtfertigte Gleichbehandlung schwererer Verkehrsverstöße, für die zur Ahndung ein mehrmonatiges Fahrverbot geboten ist, mit leichteren, bei denen als Ahndung ein einmonatiges Fahrverbot ausreichend ist, hinaus.“
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