01.02.2007 | Autokauf
Autokaufrecht aktuell und kompakt
Im vergangenen Jahr war der Autokauf der Motor der Rechtsentwicklung im „neuen“ Kaufrecht. Geordnet nach Stichworten erhalten Sie einen Überblick über die wichtigsten Entscheidungen aus 2006 (Anschluss an VA 06, 24 ff., und VA 05, 6 ff.).
Jahresrückblick von A bis Z |
Agenturgeschäft: Obgleich auf dem Papier Privatpersonen als Verkäufer auftraten und die Gewährleistung umfassend ausgeschlossen war, mussten die dahinter stehenden Händler uneingeschränkt für Sachmängel haften (OLG Saarbrücken MDR 06,1108; OLG Celle 15.11.06, 7 U 176/05, Abruf-Nr. 063680). Nachgewiesen werden konnte, dass die Privatpersonen nur vorgeschobene Verkäufer waren. Die Mängelrechte des Käufers richten sich allein gegen den Unternehmer (Hintermann), so BGH 22.11.06, VIII ZR 72/06, Abruf-Nr. 070203.
Alter: Nicht nur der Käufer eines Neuwagens oder eines Jahreswagens (dazu BGH VA 06, 166, Abruf-Nr. 062339), sondern auch der Käufer eines Gebrauchtfahrzeugs darf davon ausgehen, dass das Produktionsdatum einigermaßen zeitnah zur Erstzulassung liegt. Mit fast zwei Jahren sei diese Grenze überschritten (OLG Celle 13.7.06, 11 U 254/05, Abruf-Nr. 062198 = SVR 06, 463).
Arglistige Täuschung: Sie spielt zwar in Gebrauchtwagen-Streitigkeiten nach neuem Recht nicht mehr die zentrale Rolle. Dennoch bleibt Arglist mit Blick auf die §§ 123, 323 Abs. 5 S. 2, 438 Abs. 3 S. 1, 442, 444 BGB ein wichtiges Thema, siehe BGH VA 06, 165, Abruf-Nr. 062429; OLG München DAR 06, 634. Achtung! Eine erklärte, aber erfolglose Arglistanfechtung (§ 123 BGB) kann in einen Rücktritt umgedeutet werden (BGH VA 06, 165, Abruf-Nr. 062429), womit ggf. ein Prozessverlust vermieden werden kann.
Beweislast/Beweislastumkehr: Nach fünf Grundsatzurteilen des BGH in 2004/05 (siehe Schwerpunktbeitrag VA 06, 154 ff.) war es in 2006 auf diesem Sektor relativ ruhig. § 476 BGB sicher und berechenbar zu handhaben, will den Instanzgerichten gleichwohl nicht gelingen, wie die „Motorschaden-Urteile“ des OLG Köln (MDR 06, 1391) und des OLG Dresden (26.10.06, 9 U 732/06, Abruf-Nr. 063371) zeigen.
Eigentumsübertragung: Der Verkäufer verliert sein Eigentum nicht, wenn er sein Fahrzeug ohne Fahrzeugbrief (Zulassungsbescheinigung II) übergibt (BGH VA 06, 201, Abruf-Nr. 063186).
Erheblichkeitsgrenze: siehe Rücktritt
Erfüllungsort: Entgegen noch h.M. hat das OLG Köln richtigerweise die Werkstatt des Verkäufers als Erfüllungsort für die Nachbesserung bestimmt (VA 06, 79, Abruf-Nr. 061059).
Fabrikneuheit: siehe Sachmangel
Finanzierter Kauf: Einem Käufer, der eine geschäftliche Anschaffung vortäuscht, steht ein Widerrufsrecht nicht zu (OLG Brandenburg 22.11.06, 4 U 84/06, Abruf-Nr. 063605). Eine Bank, die den Fahrzeugbrief für das ihr sicherungsübereignete Fahrzeug an einen Käufer ohne Rücksprache mit ihrem Kunden, dem Verkäufer, herausgibt, kann dadurch eine vertragliche Nebenpflicht verletzen (OLG Celle 9.8.06, 3 U 74/06, Abruf-Nr. 070164).
Garantie: Von den Herstellergarantien für Neufahrzeuge bis zu den Gebrauchtwagen-Garantien reicht das breite Spektrum von „Garantien“, die unabhängig von der gesetzlichen Sachmängelhaftung den Käuferschutz verstärken sollen. Wie begrenzt dieser Schutz beim Gebrauchtwagenkauf sein kann, zeigt die Entscheidung OLG Karlsruhe NZV 06, 656 (Inspektion in Fremdwerkstatt als Obliegenheitsverletzung); käuferfreundlicher AG Reutlingen DAR 06, 333, das auch zu dem – für die Nacherfüllung bedeutsamen – Nebeneinander von Garantie und Sachmängelhaftung Stellung nimmt. Dazu auch OLG Celle OLGR 06, 707 – Neuwagen.
Gebrauchsvorteile:siehe Nutzungen
Gewährleistungsausschluss: Außerhalb des Verbrauchsgüterkaufs darf die Sachmängelhaftung weiterhin – auch formularmäßig – ausgeschlossen werden. In vielen Fällen sind die Freizeichnungsklauseln indes zu weit gefasst und verstoßen gegen § 309 Nr.7 aund b BGB (dazu jetzt BGH 22.11.06, VIII ZR 72/06, Abruf-Nr. 070203 , und für eine Verjährungsklausel BGH VA 07, 26, Abruf-Nr. 070017). Zur Position eines Händlers gegenüber einem privaten Leasingnehmer s. BGH VA 06, 39, Abruf-Nr. 060314.
Gutgläubiger Erwerb: Zur groben Fahrlässigkeit s. BGH VA 06, 201, Abruf-Nr. 063186.
Internet: Thema Nr. 1 ist derzeit die Widerrufsbelehrung, insbesondere die Länge der Widerrufsfrist (zwei Wochen oder ein Monat), vgl. KG NJW 06, 3215; OLG Hamburg ZGS 06, 477. Zum Vertragsabschluss bei Benutzung einer fremden Ebay-Bezeichnung s. OLG Köln NJW 06, 1676.
Jahreswagen: Ein von einem Händler als „Jahreswagen“ verkaufter Pkw ist i.d.R. nicht von der vereinbarten Beschaffenheit und damit mangelhaft, wenn zwischen Produktion und Erstzulassung mehr als zwölf Monate liegen (BGH VA 06, 166, Abruf-Nr. 062339). Zur technischen Mangelhaftigkeit eines Jahreswagens s. OLG Bamberg DAR 06, 456.
Nacherfüllung: Meist in Verbindung mit dem Rücktritt (siehe dort) das Topthema 2006. Durch BGH (VA 06, 165, Abruf-Nr. 062429) ist jetzt geklärt, dass beim Kauf gebrauchter Kfz die Ersatzlieferung als Nacherfüllungsvariante im Regelfall ausscheidet. Bei einem behebbaren Mangel beschränkt sich die Nacherfüllung damit auf die Nachbesserung. Bei einem unbehebbaren Mangel (z.B. Pkw ist nicht „unfallfrei“) ist auch sie unmöglich (§ 275 Abs. 1 BGB), s. BGH VA 06, 165, Abruf-Nr. 062429. Zum Recht des Verkäufers, die Nacherfüllung (hier: Ersatzlieferung) aus Kostengründen nach § 439 Abs. 3 BGB zu verweigern, s. OLG Celle ZGS 06, 430. Die Modalitäten einer Nachbesserung bestimmt der Verkäufer (OLG Celle ZGS 06, 428). Auch ein Verkäufer ohne eigene Werkstatt hat das Recht zur „zweiten Andienung“ durch Nachbesserung (OLG Celle ZGS 06, 428). Ausnahmsweise können einem Käufer mehr als zwei Nachbesserungsversuche zuzumuten sein, wobei auch eine Rolle spielt, ob ihm ein Ersatzauto gratis zur Verfügung gestellt wurde (OLG Bamberg DAR 06, 456). Wer sich nach zwei Fehlversuchen auf eine dritte Prüfung einlässt, darf nicht ohne vorherige Fristsetzung zurücktreten (OLG Rostock OLGR 06, 671). Zu den Folgen einer „Verschlimmbesserung“ s. OLG Frankfurt VA 06, 186, Abruf-Nr. 062909.
Nutzungen: Die besonders für den Neuwagenkauf wichtige Frage, ob der Käufer im Fall der Ersatzlieferung eine Vergütung für die Nutzung der mangelhaften Sache schuldet, hat der BGH dem EuGH vorgelegt (s. VA 06, 168, Abruf-Nr. 062472). Der im Fall des Rücktritts auszugleichende Nutzungsvorteil für ein Dieselfahrzeug der gehobenen Mittelklasse (hier: BMW 525 d) beträgt 0,4 % des Anschaffungspreises pro gefahrene 1.000 km (LG Aschaffenburg NZV 06, 657), d.h. die Gesamtlaufleistung wurde auf 250.000 km taxiert. In Anlehnung an die SCHWACKE-Liste „Gebrauchsvorteile“: 209.000 km bei einem Golf Variant TDI (OLG Düsseldorf 23.10.06, I-1 U 67/06, Abruf-Nr. 070165). Für 7 Cent pro km bei einem elfjährigen, schon 238.000 km gelaufenen Pkw der Oberklasse OLG Celle 15.11.06, 7 U 176/05, Abruf-Nr. 063680.
Rücktritt: Der an die Stelle der Wandlung getretene Rechtsbehelf, ein Gestaltungsrecht, macht der Praxis vor allem unter drei Aspekten nach wie vor erhebliche Schwierigkeiten:
Rügepflicht: Auch einem privaten Leasingnehmer, der aus abgetretenem Recht vorgeht, kann ein Händler entgegenhalten, § 377 HGB sei missachtet worden (OLG Hamm VA 06, 187, Abruf-Nr. 062366).
Sachmangel: Zum Dauerbrenner „Fabrikneuheit“, hier: Toleranz bei Überführungskilometern, ist das Urteil des OLG Dresden vom 4.10.06, 8 U 1462/06, Abruf-Nr. 063672, zu nennen; ferner die Entscheidung des LG Flensburg vom 27.9.06, 3 O 136/06, Abruf-Nr. 070167, zum Beginn der Zwölfmonatsfrist (bereits ab Bestellung = Kaufangebot, nicht erst ab Vertragsabschluss). Zur Zwölfmonatsgrenze bei einem Jahreswagen s. BGH VA 06, 166, Abruf-Nr. 062339. Dass ein „EU-Neuwagen“ trotz einer Laufleistung von 307 km und eines dänischen Registrierungskennzeichens vertragsgemäß sein kann, hat das OLG Düsseldorf entschieden (11.12.06, I-1 U 55/06, Abruf-Nr. 070168).
Den Schwerpunkt der Rspr. bilden naturgemäß Fälle mit technischen Defekten, insbesondere an gebraucht gekauften Fahrzeugen. Unter welchen Voraussetzungen ein technischer Defekt ein Mangel im Rechtssinn und kein Fall von normalem Verschleiß oder einer „konstruktiven Schwäche“ ist, ist Gegenstand mehrerer Urteile des OLG Düsseldorf, u.a. VA 06, 96, Abruf-Nr. 061334 (Motorprobleme bei einem BMW 540) und VA 06, 148, Abruf-Nr. 062364 (Getriebeschaden an einem Renault Laguna). Dass der Qualitätsstandard auch bei einem Gebrauchtfahrzeug fabrikatsübergreifend (global) zu beurteilen ist, betonen ferner OLG Stuttgart NJW-RR 06, 1720, und OLG Jena 19.1.06, 1 U 846/04, Abruf-Nr. 062365 = SVR 06, 262. Wie sehr ein Käufer/Leasingnehmer schon bei der Darlegung eines Sachmangels auf der Hut sein muss, zeigt die auch sonst hochinteressante Entscheidung OLG Hamm VA 06, 187, Abruf-Nr. 062366 (Ausfall der Elektrik).
Schadensersatz: Worauf sich bei einem behebbaren Mangel das Verschulden des Verkäufers beziehen muss, auf den Mangel selbst oder die gescheiterte Nacherfüllung, ist strittig. Für Letzteres OLG Celle ZGS 06, 430. Unter welchen Voraussetzungen ein Käufer Schadensersatz für den Nutzungsausfall bis zur Nachbesserung verlangen kann, erörtert OLG Hamm 23.2.06, 28 U 164/05, Abruf-Nr. 061453.
Selbstvornahme: Im Anschluss an die Grundsatzentscheidung BGH NJW 05, 1348, hat der BGH seine verkäuferfreundliche Judikatur bei eigenmächtiger Selbstreparatur weiterentwickelt (NJW 06, 1195 – Gebrauchtwagenkauf). Fazit: Käufern ist dringend zu raten, vor jeder eigenen Mängelbeseitigung den Verkäufer zu kontaktieren. Hinzuweisen ist auch auf einen sehr bemerkenswerten Autokauf-Beschluss des BVerfG v. 26.9.06 (ZGS 06, 470) zum Thema „Ersatzteilkauf als Selbstvornahme“. Siehe auch Stichwort „Garantie“.
Umgehungsgeschäft: siehe Agenturgeschäft und BGH 22.11.06, VIII ZR 72/06, Abruf-Nr. 070203.
Unfallschaden/Unfallinformationen: Aus der großen Zahl von Urteilen zu diesem „Klassiker“ beim Gebrauchtwagenkauf ragen folgende Entscheidungen heraus: BGH VA 06, 165, Abruf-Nr. 062429 (Behauptung der Unfallfreiheit ins Blaue hinein); OLG Düsseldorf 14.8.06, I-1 U 233/05, Abruf-Nr. 062911 („Transportschaden“); OLG Köln DAR 06, 327; OLG Saarbrücken zfs 06, 508 und OLG München DAR 06, 634.
Verbrauchsgüterkauf: Wann ein Verkäufer unternehmerisch i.S.d. § 14 BGB tätig wird, klärt BGH NJW 06, 2250 (Pferdekauf). Ob ein Käufer für private oder unternehmerische Zwecke erwirbt, entscheidet allein der Inhalt des Geschäfts, nicht der innere Wille der Parteien, so OLG Saarbrücken zfs 06, 508. Keine unzulässige Verkürzung von Verbraucherrechten sieht das LG Dresden, wenn dem Käufer zusätzlich zum Kaufvertrag Dokumente ausgehändigt werden, in denen der Zustand des Motors eines 10-jährigen Opel Astra sinngemäß als „kritisch“ beschrieben wird (28.8.06, 13 S 0149/06, Abruf-Nr. 070169).
Verjährung: Gleich drei sehr praxisrelevante Fragen zum kaufrechtlichen Verjährungsrecht hat der BGH auf einen Schlag durch die Entscheidung vom 15.11.06 (VA 07, 26, Abruf-Nr. 070017) erledigt. Einzelheiten a.a.O. Siehe auch den Schwerpunktbeitrag VA 06, 80 ff. Zum Thema „Hemmung und Neubeginn“ OLG Celle VA 06, 169, Abruf-Nr. 062669, und OLG Bamberg DAR 06, 456. Wie sich in einem „Altfall“ mit arglistiger Täuschung die frühere Dreißigjahresfrist in die ab 1.1.02 geltende Dreijahresfrist verwandelt und ob diese Frist ab diesem Zeitpunkt oder nach der Ultimo-Regelung läuft, ist Gegenstand des Urteils des OLG Köln vom 4.7.06, 3 U 5/06, Abruf-Nr. 070170.
Verschleiß: siehe Sachmangel
Zinsen: Die von einem Neuwagenhändler nach § 346 BGB herauszugebenden Nutzungen aus der Verwendung des Kaufpreises können auf 2,5 Prozent geschätzt werden (LG Aschaffenburg NZV 06, 657).
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