01.11.2005 | Autokauf
Beweislastumkehr auch bei Karosseriebeschädigungen
1. Die Beweisvermutung des § 476 BGB ist nicht bereits dann wegen der Art des Mangels ausgeschlossen, wenn es um einen Mangel geht, der jederzeit auftreten kann und es demzufolge an einer hinreichenden Wahrscheinlichkeit dafür fehlt, dass er bereits bei Gefahrübergang vorhanden war. |
2. Die Beweisvermutung ist jedoch dann mit der Art des Mangels unvereinbar, wenn es sich um äußerliche Beschädigungen der Kaufsache handelt, die auch einem fachlich nicht versierten Käufer auffallen müssen. |
(BGH 14.9.05, VIII ZR 363/04, Abruf-Nr. 052887; Leitsätze der Redaktion) |
Sachverhalt
Im Oktober 2003 hatte der Kläger als Verbraucher vom beklagten Kfz-Händler einen Vorführwagen Ford Fiesta (13.435 km gelaufen) für 11.500 EUR gekauft. Im „Übergabeprotokoll“ wurde der Fahrzeugzustand einschließlich Karosserie durch Ankreuzen bestimmter Klassifizierungen festgehalten. Vier Wochen nach dem Kauf monierte der Kläger u.a. eine leichte Verformung des Kotflügels und des Stoßfängers vorne rechts und verlangte deren Beseitigung. Die Beklagte lehnte dies mit der Begründung ab, die Beschädigung sei bei Übergabe noch nicht vorhanden gewesen. Daraufhin trat der Kläger vom Kauf zurück. Seine Klage war in erster und zweiter Instanz erfolgreich. Die vom OLG Stuttgart (VA 05, 3, Abruf-Nr. 043092) zugelassene Revision führte zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
Entscheidungsgründe
Der VIII. Zivilsenat hat seine Entscheidung im Kern so begründet, wie es aus den obigen Leitsätzen hervorgeht. Was die Beweislastumkehr und deren Ausschluss wegen Unvereinbarkeit mit der Art des Mangels angeht, ist er dem Berufungsgericht zumindest im Ergebnis gefolgt. Aufgehoben hat er das Urteil, weil das OLG sich nicht verfahrensfehlerfrei mit dem Einwand des Händlers auseinandergesetzt hat, die Beseitigung der Karosseriebeschädigung koste allenfalls 100 EUR und sei daher nur ein unerheblicher Mangel, der nicht zum Rücktritt berechtige.
Praxishinweis
Während es in der ersten Entscheidung des BGH zu § 476 BGB (2.6.04, VA 04, 145, Abruf-Nr. 041808 = NJW 04, 2299) um die Voraussetzungen für das Eingreifen der Beweisvermutung gegangen ist, steht jetzt von den beiden Ausschlusstatbeständen des § 476 Hs. 2 BGB die „Unvereinbarkeit wegen der Art des Mangels“ im Zentrum der Prüfung. Was diese Regelung besagt und wie mit ihr praktisch umzugehen ist, ist selbst innerhalb ein und desselben Oberlandesgerichts umstritten (OLG Stuttgart, 19. ZS, VA 05, 3, Abruf-Nr. 043092, gegen 10. ZS, ZGS 05, 276, Abruf-Nr. 051967 – Defekt am Kat nach Unterbodenaufsetzer). Das jetzige BGH-Urteil beseitigt die vorhandene Rechtsunsicherheit nur zum Teil. Weiteren Aufschluss wird die bevorstehende Entscheidung des BGH im Turbolader-Fall (wiederum OLG Stuttgart, 5. ZS, VA 05, 94, Abruf-Nr. 051355) bringen. Termin ist am 9.11.05 (VIII ZR 43/05). Einerseits will der BGH die Beweislastumkehr nicht über Gebühr einengen, andererseits lässt er dem Händler ein „Hintertürchen“ mit dem Einwand, die Beschädigungen hätten dem Käufer spätestens bei Übergabe auffallen müssen. Bei Beschädigungen außerhalb des sichtbaren Bereichs (z.B. am Unterboden) ist die Beweisvermutung demnach nicht ausgeschlossen. M.a.W.: Der Verkäufer muss Mängelfreiheit bei Übergabe beweisen.
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