01.04.2006 | Autokauf
BGH erneut zur Beweislastumkehr und zum Nacherfüllungsvorrang
1. Dass der Käufer eines Gebrauchtwagens nicht weiß, ob ein binnen sechs Monaten nach der Übergabe durch den Verkäufer aufgetretener Defekt des Fahrzeugs auf einen Sachmangel i.S.d. § 434 Abs. 1 S. 1 BGB zurückzuführen ist, entlastet ihn nicht von der Obliegenheit, dem Verkäufer Gelegenheit zur Nacherfüllung zu geben, bevor er das Fahrzeug selbst reparieren lässt und wegen des Mangels die Minderung erklären oder einen Anspruch auf Schadensersatz statt der Leistung geltend machen kann. |
2. § 439 Abs. 3 BGB gewährt dem Verkäufer eine Einrede gegenüber der vom Käufer beanspruchten Art der Nacherfüllung, die der Verkäufer ausüben kann, aber nicht muss. Der Käufer kann deshalb nicht wegen unverhältnismäßiger Kosten der Nacherfüllung sogleich die Minderung erklären, ohne dem Verkäufer Gelegenheit zur Nacherfüllung gegeben zu haben. |
(BGH 21.12.05, VIII ZR 49/05, Abruf-Nr. 060632) |
Sachverhalt
Der Kläger (=Verbraucher) hatte von der beklagten Kfz-Händlerin einen gebrauchten Pkw (vermutlich Mercedes) gekauft. Zwei Monate später leuchtete während einer Autobahnfahrt die Motor-Management-Kontrollleuchte auf. Der Kläger fuhr zur nächsten Mercedes-Niederlassung. Dort wurde ein Defekt des Katalysators festgestellt, der auf ein Aufsetzen des Pkw zurückzuführen war. Ob das vor oder nach Übergabe passiert ist, war später strittig. Ohne die Händlerin zu benachrichtigen, geschweige denn zur Mängelbeseitigung aufzufordern, ließ der Kläger den Mangel in der Niederlassung beheben; Kosten: 1.390,59 EUR. Außer diesem Betrag verlangte der Kläger die Kosten für eine Fahrzeugvermessung und einen Minderungsbetrag von 500 EUR für eine Eindrückung am rechten Rahmenlängsträger, gleichfalls eine Folge des Aufsetzens. Die Beklagte leugnete Mangelhaftigkeit bei Übergabe und beanstandete, dass ihr keine Gelegenheit zur Nachbesserung gegeben worden sei. Letzteres war für die 1. Instanz der tragende Grund, die Klage abzuweisen. Demgegenüber hat das OLG Stuttgart den Klageanspruch verneint, weil trotz der Beweislastumkehr in § 476 BGB nicht von einer Mangelhaftigkeit bei Übergabe ausgegangen werden könne. Bei einer äußeren Einwirkung wie durch einen „Aufsetzer“ sei die Beweislastumkehr wegen der Art des Mangels unanwendbar. Die Revision des Klägers blieb erfolglos.
Entscheidungsgründe
Die Ausführungen des OLG zur Beweislastumkehr hält der BGH für verfehlt. Wie bereits durch Urteil vom 14.9.05 (VA 05, 185, Abruf-Nr. 052887) entschieden, werde die Vermutung des § 476 BGB nicht dadurch ausgeschlossen, dass es sich um einen Mangel handele, der typischerweise jederzeit eintreten könne. Unvereinbar mit der Art des Mangels sei die Vermutung nur dann, wenn es sich um äußerliche Beschädigungen handele, die auch einem fachlich nicht versierten Käufer auffallen müssen. Das sei hier zu verneinen (Beschädigungen an der Fahrzeugunterseite).
Aus einem anderen Grund hat der BGH die Revision des Käufers dennoch zurückgewiesen. Er habe der Beklagten keine Gelegenheit gegeben, den Mangel selbst zu beseitigen. Von dieser Obliegenheit sei er unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt freigestellt gewesen. Als ersten Ausnahmetatbestand erörtert der Senat den Fall der „besonderen Umstände“ (§§ 281 Abs. 2 Hs. 2, 323 Abs. 2 Nr. 3 BGB). Er sieht kein überragendes Interesse des Klägers daran, ohne vorherige Fristsetzung sofort den eingeklagten Zahlungsanspruch geltend zu machen. Was der Kläger dazu vorgetragen habe, sei nicht überzeugend (siehe Leitsatz 1). Auch das Argument, auf das Fahrzeug angewiesen zu sein, weshalb es sofort habe repariert werden müssen, verfing nicht. Ferner prüft der BGH den Ausnahmetatbestand der ernsthaften und endgültigen Erfüllungsverweigerung. An dessen Bejahung seien strenge, hier nicht erfüllte Anforderungen zu stellen.
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