01.11.2007 | Hauptverhandlung
Der Beweisantrag im OWi-Verfahren
von RiOLG Detlef Burhoff, Münster /Hamm
Auch im OWi-Verfahren ist der Beweisantrag in der Hauptverhandlung (HV) eines der wesentlichen Verteidigungsmittel für den Betroffenen. Wenn überhaupt, kann er häufig nur mit ihm auf den richterlichen Erkenntnisprozess Einfluss nehmen. Wir zeigen Ihnen nachfolgend, worauf dabei zu achten ist.
Checkliste 1: Allgemeines zur Beweisaufnahme im OWi-Verfahren |
Frage | Antwort | 1. Wonach richtet sich im OWi-Verfahren die Beweisaufnahme? | Im OWi-Recht gilt über §§ 46, 71 OWiG die Amtsaufklärungspflicht des § 244 Abs. 2 StPO. Das AG muss daher, wenn es mit der Sache erstmals befasst ist, zunächst prüfen, ob der Sachverhalt hinreichend geklärt ist. Wird dies verneint, können entweder vor der HV einzelne Beweiserhebungen angeordnet werden (§ 71 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 OWiG) bzw. behördliche Erklärungen eingeholt werden (§ 71 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 OWiG) oder es wird die HV anberaumt. Praxishinweis: Bei ausreichend aufgeklärtem Sachverhalt kann das AG – unter den Voraussetzungen des § 72 OWiG – durch Beschluss entscheiden. Es kann sich für den Verteidiger empfehlen, das Beschlussverfahren anzuregen bzw. sich mit einem entsprechenden Vorschlag des AG einverstanden zu erklären. Dafür entsteht dann eine Gebühr nach Nr. 5115 Anm. 1 Ziff. 5 VV RVG. | 2. Welche Grundsätze gelten für die Beweisaufnahme in der HV? | Grundsätzlich gilt auch im OWi-Verfahren der Unmittelbarkeitsgrundsatz des § 250 StPO. | 3. Gibt es im OWi-Verfahren Besonderheiten? | Ja, im OWi-Verfahren kann bzw. können nach § 77a OWiG - die Vernehmung eines Zeugen oder Sachverständigen durch das Verlesen von Niederschriften früherer Vernehmungen sowie von Urkunden ersetzt werden, auch wenn eine gerichtliche Vernehmung möglich wäre (Abs. 1),
- behördliche Erkenntnisse verlesen werden, auch wenn die Voraussetzungen des § 256 StPO nicht vorliegen (Abs. 2),
- eine telefonisch eingeholte Behördenauskunft bekannt gegeben werden (Abs. 3).
Praxishinweis: Voraussetzung für diese Vorgehensweise ist nach § 77a Abs. 4 OWiG, dass alle in der HV anwesenden Verfahrensbeteiligten zustimmen. Der Verteidiger muss seine Zustimmung von der Bedeutung des Beweismittels abhängig machen. Wenn es ihm auf den persönlichen Eindruck von einem Zeugen ankommt, dessen frühere Vernehmung verlesen werden soll, wird er seine Zustimmung im Zweifel nicht erteilen. | 4. An welche rechtlichen Vorgaben ist das AG hinsichtlich des Umfangs der Beweisaufnahme gebunden? | Den Umfang der Beweisaufnahme bestimmt auch im OWi-Verfahren das Gericht nach pflichtgemäßem Ermessen. Dabei hat es auch die Bedeutung der Sache zu berücksichtigen (§ 77 Abs. 1 S. 2 OWiG). Das AG hat allerdings kein freies Ermessen (OLG Hamm VA 07, 37, Abruf-Nr. 063468). Entscheidend ist, ob die Sachlage zur Erhebung weiterer Beweise drängt oder diese zumindest nahe | | legt. So kann z.B. die Feststellung, ob der auf einem Frontfoto abgelichtete Fahrer mit dem Betroffenen identisch ist, nicht der Einschätzung eines Polizisten, also eines Zeugen, überlassen bleiben; hier muss sich das Gericht selbst von den verfahrenserheblichen Umständen überzeugen (OLG Stuttgart VRS 62, 459). Praxishinweis: Auch im OWi-Verfahren trifft den Betroffenen aber weder eine Darlegungs- oder Beweislast noch eine Mitwirkungspflicht (OLG Düsseldorf NJW 92, 1521; OLG Hamm DAR 00, 581 = VRS 99, 285 = NZV 01, 390; OLG Koblenz DAR 87, 296). | |
Für den Beweisantrag gelten grds. die allgemeinen Regeln (dazu Burhoff, Handbuch für die strafrechtliche Hauptverhandlung, 5. Aufl., 2006, Rn. 255 ff., und Junker, Beweisantragsrecht im Strafprozess, Rn. 20 ff.). Im Übrigen gilt:
Checkliste 2: Beweisantrag im OWi-Verfahren |
Frage | Antwort | 1. Wann liegt ein Beweisantrag vor? | Ein Beweisantrag liegt vor, „wenn ein Verfahrensbeteiligter verlangt, dass zum Nachweis einer bestimmten Tatsache durch Gebrauch eines bestimmten Beweismittels Beweis erhoben wird und die Beweisbehauptung die Tatsachenbasis eines in der Sache entscheidenden Urteils betrifft (z.B. BGH StV 94, 182; Burhoff, HV, Rn. 255 ff.). | 2. Welchen Inhalt muss ein Beweisantrag auf jeden Fall enthalten? | Der Beweisantrag muss auf jeden Fall zwei Elemente enthalten, nämlich die Beweisbehauptung oder -tatsache und das Beweismittel. Ob der Zeugenbeweisantrag auch noch Ausführungen zur sog. Konnexität enthalten muss, ist fraglich (dazu Burhoff, HV, Rn. 293a). | 3. Wie muss zur Beweistatsache vorgetragen werden? | Der Verteidiger muss die Beweistatsache so konkret wie möglich bezeichnen, da das Gericht nur beurteilen kann, ob die Beweiserhebung erforderlich ist (Burhoff, HV, Rn. 297). | 4. Worauf ist zu achten, wenn Messfehler geltend gemacht werden sollen? | Der Messfehler muss konkret behauptet werden. Wird nur allgemein die (behauptete) Unzuverlässigkeit eines Messverfahrens geltend gemacht, muss sich das AG damit nicht näher auseinandersetzen (z.B. OLG Hamm VA 07, 32, Abruf-Nr. 070236). Werden hingegen konkrete Anhaltspunkte für technische Fehlfunktionen behauptet, ist anerkannt, dass sich die weitere Beweisaufnahme zur Aufklärung auch bei einer auf ein standardisiertes Messverfahren gestützten Beweisführung aufdrängt oder diese doch nahe liegt (OLG Hamm VA 06, 193, Abruf-Nr. 062938; OLG Köln VRS 88, 376 ff.). Praxishinweis: Es empfiehlt sich, dem AG ggf. auch technische Unterlagen, die den Vortrag des Beweisantrages untermauern, zur Verfügung zu stellen. | 5. Worauf ist bei der Formulierung der Beweistatsache zu achten? | Die Beweistatsache muss bestimmt behauptet werden. Praxishinweis: Bei der Formulierung der Beweisbehauptung/-tatsache sind unbedingt alle Formulierungen zu vermeiden, die das Gericht dazu veranlassen könnten, an der Bestimmtheit zu zweifeln. Es darf vor allem nicht Beweis darüber verlangt werden, ob, warum, wann, wie oder wo eine bestimmte Tatsache eingetreten ist. Vielmehr ist bestimmt im Indikativ zu formulieren, also: “... zum Beweis, dass sich eine bestimmte Tatsache ereignet hat”. | 6. Welche Beweismittel kennt die StPO? | Im Beweisantrag muss neben der Beweisbehauptung auch das Beweismittel bezeichnet werden. Beweismittel können sein: Zeugen, Sachverständige, Urkunden und der Augenschein. | 7. Worauf ist beim Zeugenbeweis besonders zu achten? | Im Beweisantrag muss der zu vernehmende Zeuge grds. namentlich und unter Angabe seiner ladungsfähigen Anschrift bezeichnet werden (dazu BGHSt 40, 3 = NJW 94, 1294). Kann die Anschrift des Zeugen nicht benannt werden, reicht es aus, wenn der Zeuge nur individualisiert wird und im Übrigen aufgrund der Angaben Name und Anschrift ermittelt werden können (BGH a.a.O.; Meyer-Goßner, StPO, 50. Aufl., § 244 Rn. 21 m.w.N. aus der Rspr.). | |
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