01.01.2006 | Mietwagenkosten
Der zweite vor dem ersten Schritt
Auf die Frage der Zugänglichkeit eines günstigeren Normaltarifs kommt es zwar erst an, wenn und soweit der in Rechnung gestellte Mietpreis betriebswirtschaftlich nicht gerechtfertigt ist. Das zwingt indes nicht dazu, im Rechtsstreit zunächst Feststellungen zur Berechtigung des Vertragstarifs z.B. durch Einholung eines betriebswirtschaftlichen Gutachtens zu treffen. Bei vom Kläger nachzuweisender Unzugänglichkeit eines wesentlich günstigeren Tarifs ist der Klage auf (restliche) Mietwagenkosten stattzugeben (OLG Zweibrücken 29.6.05, 1 U 9/05, rkr., Abruf-Nr. 053505). |
Sachverhalt
Nach einem Unfall mit seinem BMW 530d Touring klagte der Kläger, ein Facharzt, auf Erstattung restlicher Mietwagenkosten. Über seine Werkstatt hatte er bei einem Autovermieter für die Dauer der Reparatur einen Wagen der Gruppe H gemietet („Standard-Tarif 13 Tage“). Von der Rechnung über 3.315 EUR übernahm der beklagte Versicherer nur 2.361 EUR. Das LG sprach die Differenz zu. Die Berufung der Beklagten blieb erfolglos.
Entscheidungsgründe
Die Behauptung der Beklagten, der in Rechnung gestellte Unfallersatztarif sei erheblich überteuert, hat das OLG ausdrücklich dahin stehen lassen. Die Beklagte hätte kein berechtigtes Interesse daran, dass der betriebswirtschaftlichen Frage zuerst nachgegangen werde. Unabhängig davon sei der Klage stattzugeben. Der Kläger habe nämlich nachgewiesen, dass ihm ein wesentlich günstigerer Normaltarif auf dem in seiner Lage zeitlich und örtlich relevanten Markt nicht zugänglich gewesen sei. Mit Rücksicht auf die gebotene subjektbezogene Schadensbetrachtung habe er deshalb Anspruch auf Ersatz seiner Kosten. Nach der Aussage des Geschäftsführers der werkstattvermittelten Mietwagenfirma war deren „Standardtarif“ auf Privatkunden im Unfallersatzwagengeschäft zugeschnitten. Selbst Privatkunden ohne Unfall müssten ihn akzeptieren oder woanders mieten. Die Möglichkeit einer Anmietung bei einem anderen regionalen Anbieter hat das OLG schon deshalb verneint, weil laut Auskunft dieses Unternehmens ein Fahrzeug der Gruppe H nicht vorrätig gewesen sei. Andere Konkurrenzfirmen hätten von „Selbstzahlern“ den Einsatz von zwei Kreditkarten gefordert, der Kläger habe aber nur eine einzige gehabt. Bei der Bestimmung des örtlich relevanten Marktes hat das OLG auf den Lebensmittelpunkt des Klägers, nicht auf den Ort seiner Arztpraxis (Großstadt) abgestellt. Das von den Beklagten geltend gemachte Zurückbehaltungsrecht (Abtretung/Auskunft) ist mit dem Argument verneint worden, die eingeklagten Mietwagenkosten hätten sich (trotz ungeklärter betriebswirtschaftlicher Rechtfertigung) als erforderlich i.S.v. § 249 Abs. 2 BGB herausgestellt, weshalb die Beklagten uneingeschränkt zu verurteilen seien.
Praxishinweis
Im gegenwärtigen Streit um die Mietwagenkosten zeigt das Urteil einen Weg auf, der in BGH-konformer Weise zu einer Lösung führt, die vernünftig und zugleich prozessökonomisch ist. Ergänzende Hinweise zur Frage der Zugänglichkeit in VA 05, 115, 118; s. auch LG München I zfs 05, 493; AG Velbert zfs 05, 495; LG Bonn zfs 05, 497 (Zugänglichkeit einer billigeren Alternative jeweils mangels näherer Darlegungen (!) bejaht; ebenso AG Gießen NZV 05, 534 für Vermietung durch die Werkstatt; anders LG Stuttgart NZV 05, 533). In punkto Zurückbehaltungsrecht ist das OLG-Urteil bedenklich, weil die Frage nach der Berechtigung des Vertragspreises offen geblieben ist.
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