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  • 23.10.2009 | Unfallhaftpflichtprozess

    Anforderungen an eine offene Schmerzensgeld-Teilklage

    Bei einer zulässigen offenen Schmerzensgeldteilklage müssen für die Bemessung des auszuurteilenden Schmerzensgelds sämtliche bis zur letzten mündlichen Verhandlung der Tatsacheninstanz bereits eingetretenen Schadensfolgen berücksichtigt werden, wobei diese - sofern es sich um Dauerschäden handelt - zugleich umfassend für die gesamte weitere Lebensdauer des Geschädigten gewichtet werden müssen, soweit die zukünftige Entwicklung hinreichend sicher absehbar ist. Es bleiben lediglich ungewisse Verschlechterungen ausgeklammert, die zwar als aus medizinischer Sicht möglich erscheinen, aber in der Frage ihres Eintritts und ihrer Auswirkungen noch nicht hinreichend sicher bewertet werden können (OLG Celle 16.9.09, 14 U 71/06, Abruf-Nr. 093393).

     

    Sachverhalt und Entscheidungsgründe

    Als Pkw-Insasse hatte sich der damals 15-jährige Kläger bei einem Unfall u.a. schwere Kopfverletzungen zugezogen. Der VR zahlte vorprozessual 80.000 EUR Schmerzensgeld. Der Kläger wollte 20.000 EUR mehr und klagte außerdem auf Feststellung der Ersatzpflicht für Zukunftsschäden. Das LG wies die Zahlungsklage ab, dem Feststellungsantrag gab es zu 80 Prozent statt (Mitverschulden wg. Nichtanschnallens). Mit seiner Berufung verlangt der Kläger auf der Basis von 100 Prozent nunmehr als Teilschmerzensgeld einen höheren Betrag als in I. Instanz. Wegen zwischenzeitlich eingetretener Komplikationen seien 160.000 EUR angemessen.  

     

    Das OLG sprach für den Zeitraum Unfalltag bis letzte mündliche Verhandlung ein weiteres Schmerzensgeld von 50.000 EUR zu und stellte für die Zukunftsschäden die volle Haftung fest. Ein Schmerzensgeld könne grundsätzlich in Form der offenen Teilklage geltend gemacht werden. Allerdings könne ein bereits eingetretener Dauerschaden nicht per Stichtag letzte mündliche Verhandlung „zerlegt“ werden. Was bei einer Entscheidung über eine Teilklage abgegolten und was ausgeklammert ist, folgt aus dem LS.  

     

    Praxishinweis

    Verjährungsrechtlich bringt eine Teilklage zwar nur einen Teilschutz (weshalb ein Feststeller ein Muss ist), mit Blick auf die Rechtskraft kann sie aber durchaus sinnvoll, ja sogar geboten sein. Will der Anwalt des Verletzten statt einer Voll- nur eine Teilklage, sollte er das bereits durch eine Bezeichnung wie „offene Teilklage“ oder „Teilschmerzensgeld“ deutlich machen. Anhand der Klagebegründung muss der Richter erkennen können, was jetzt Gegenstand der Bemessung sein soll und was (noch) nicht, eventuell aber später. Aus der Erstbemessung heraushalten kann der Kläger künftige Verschlechterungen und Beeinträchtigungen (z.B. eine Operation), die zwar aus medizinischer Sicht möglich erscheinen (also objektiv vorhersehbar sind), aber in punkto ihres Eintritts und ihrer Auswirkungen gegenwärtig noch nicht hinreichend sicher bewertet werden können, so das OLG in seltener Klarheit (lesenswert auch die Ausführungen zum Kausalitätsanscheinsbeweis in Gurtfällen). Angesichts der Dauer mancher Schmerzensgeldprozesse kann es angezeigt sein, den Heilungsverlauf sorgfältig zu beobachten, ggf. muss, wie hier, von einer Voll- auf eine Teilklage umgestellt werden. Dringend anzuraten ist ein genaues Studium der Urteilsgründe. Hat das Gericht den Abgeltungsumfang wie gewünscht bestimmt oder ist es über das vom Kläger gesteckte Ziel der Teilabgeltung hinausgeschossen? Zur Gesamtproblematik VA 07, 64 ff.