01.04.2005 | Unfallschadensregulierung
AG Nürnberg macht BGH-Kehrtwende beim Mietkostenersatz nicht mit
1. Entgegen der neueren Rechtsprechung des VI. Zivilsenats des BGH (Urteile vom 12.10. und 26.10.04) kommt es für die Frage der Erforderlichkeit von Mietwagenkosten nicht darauf an, ob sie betriebswirtschaftlich gerechtfertigt sind. |
2. Bei einer Anmietung zum Unfallersatztarif und einer Mietdauer von weniger als einer Woche kann ein Verstoß gegen die Pflicht zur Schadensminderung (§ 254 BGB) nicht bejaht werden. |
(AG Nürnberg 9.2.05, 31 C 7470/04, Abruf-Nr. 050709) |
Sachverhalt
Die Klägerin mietete nach einem unverschuldeten Verkehrsunfall für vier Tage einen Ersatzwagen der Klasse 2 nach dem Unfallersatztarif. Die Kosten beliefen sich auf 412,12 EUR. Davon regulierte der beklagte Versicherer etwa 50 Prozent. Die restliche Hälfte hat das AG Nürnberg ohne Beweisaufnahme zugesprochen; Zug um Zug gegen Abtretung möglicher Schadensersatzansprüche der Klägerin gegen den Autovermieter.
Entscheidungsgründe
Nach Ansicht des AG durfte die Klägerin die Mietwagenkosten für erforderlich halten. Entgegen der Ansicht des BGH komme es nicht darauf an, ob die Kosten gegenüber dem billigeren Normaltarif aus betriebswirtschaftlicher Sicht gerechtfertigt gewesen seien. Dieser Betrachtungsweise könne aus praktischen und dogmatischen Gründen nicht zugestimmt werden. Für keinen verständigen, wirtschaftlich denkenden Menschen sei die betriebwirtschaftliche Rechtfertigung erkennbar. Zudem sei auch mit sachverständiger Hilfe gar nicht feststellbar, ob der strittige Unfallersatztarif betriebswirtschaftlich gerechtfertigt sei oder nicht. So habe der BGH nicht gesagt, welche Gewinnspanne dem Autovermieter zuzubilligen sei. Bei dieser Sachlage sei eine Kürzung des Ersatzanspruchs nur über § 254 BGB möglich, im konkreten Fall jedoch abzulehnen.
Praxishinweis
So wie der BGH nach seiner geschädigtenfreundlichen Grundsatzentscheidung vom 7.5.96 (NJW 96, 1958) erhebliche Akzeptanzprobleme bei den Instanzgerichten hatte, machen jetzt nicht alle seine Kehrtwende mit, die er – für viele unverständlich – durch die beiden Urteile aus Oktober 2004 (VA 05, 20, 21, Abruf-Nrn. 042910 und 042911) vollzogen hat. Am 15.2.05 sind zwei weitere Entscheidungen gefällt worden (VI ZR 74/04 und VI ZR 160/04, Abruf-Nrn. 050809 und 050810). Der BGH geht ersichtlich davon aus, dass der Tatrichter, entsprechenden Parteivortrag vorausgesetzt, mit Hilfe eines Sachverständigen wird klären können, worauf es dem VI. ZS nunmehr ankommt. Dahinter steht die Hoffnung auf eine Änderung des Unfallersatzwagengeschäfts hin zu „marktgerechten“ Preisen. Marktänderung durch Änderung der Rechtsprechung funktioniert aber nur, wenn die Gerichte „an der Front“ mitziehen. Dem Vernehmen nach ist die vorliegende Entscheidung, deren Argumente durchaus beachtlich sind, kein Einzelfall. Mit Spannung wartet man jetzt auf die ersten Gerichtsgutachten zur Struktur der Unfallersatztarife.
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