24.08.2009 | Unfallschadensregulierung
BGH erneut zum Kinderunfall im ruhenden Verkehr
Der Geschädigte, der sich darauf beruft, hat darzulegen und erforderlichenfalls zu beweisen, dass sich nach den Umständen des Falles die typische Überforderungssituation des Kindes durch die spezifischen Gefahren des motorisierten Verkehrs bei einem Unfall nicht realisiert hat (BGH 30.6.09, VI ZR 310/08, Abruf-Nr. 092475). |
Sachverhalt und Entscheidungsgründe
Zum Unfallzeitpunkt stand der Pkw des Klägers auf einem Parkplatz. Die zum Unfallzeitpunkt 8-jährige Beklagte befuhr mit ihrem Rad den rechtwinklig angrenzenden Gehweg und stieß dabei, nachdem sie einige geparkte Fahrzeuge passiert hatte, gegen die Heckseite des klägerischen Pkw, der damit in den Gehweg hineinragte.
Der BGH wies die Revision gegen die Klageabweisung zurück. Erneut betont er, dass die Haftungsfreistellung nach § 828 Abs. 2 BGB bei einem Unfall im ruhenden Verkehr nicht von vornherein entfalle. Eine spezifische Gefahr des motorisierten Verkehrs könne sich in besonderen Fällen auch im ruhenden Verkehr verwirklichen. Auch in einem solchen Fall müsse nicht das Kind seine eigene Überforderung beweisen, sondern umgekehrt der Geschädigte, dass sich die typische Überforderungssituation des Kindes nicht realisiert habe. Dieser Nachweis sei dem Kläger nicht gelungen. Das Kind habe auf dem Gehweg mit seinem Rad fahren dürfen (§ 2 Abs. 5 StVO). Nicht auszuschließen sei, dass es in seiner Reaktionsfähigkeit überfordert gewesen sei. Immerhin sei es an mehreren geparkten Autos gefahrlos vorbeigefahren. Das lege die Annahme nahe, dass der Pkw des Klägers weiter als die daneben geparkten Pkw in den Gehweg hineingeragt habe.
Praxishinweis
Gegen den Wortlaut des § 828 Abs. 2 S. 1 BGB haften nach BGH Kinder der Altersgruppe 7 bis 10, die mit einem Kickboard oder Fahrrad gegen ein ordnungsgemäß geparktes Fahrzeug gestoßen sind. Argument: generell keine nach dem Normzweck erforderliche besondere Überforderungssituation (VA 05, 1; 06, 42; s. auch BGH VA 08, 5; 08, 94; 07, 116). Mit dieser teleologischen Reduktion hat der BGH eine Ausnahme vom Regelfall geschaffen. Dass der Geschädigte die tatsächlichen Voraussetzungen für den Ausnahmefall (generelles Fehlen einer Überforderungssituation) darzulegen und notfalls zu beweisen habe, ist die konsequente Fortschreibung dieser Rechtsprechung. Der Kläger hätte also nachweisen müssen, dass sein Wagen ordnungsgemäß abgestellt war und radfahrende Kinder auf dem Gehweg nicht behindert hat. Ohne polizeiliche Unfallaufnahme (meist Bagatell-Unfälle) und ohne Foto von der Fahrzeugposition ist dieser Beweis nur schwer zu führen. Wäre das Kind bei der Kollision zu Schaden gekommen, stellte sich die interessante Frage, ob dies „beim Betrieb“ i.S.d. § 7 Abs. 1 StVG passiert ist. Dass sich die Betriebsgefahr des parkenden Pkw unfallursächlich ausgewirkt hat, steht zur Beweislast des geschädigten Kindes (vom BGH verneint für ordnungsgemäß geparkte Pkw, VA 05, 1).
Möchten Sie diesen Fachbeitrag lesen?
Kostenloses VA Probeabo
0,00 €*
- Zugriff auf die neuesten Fachbeiträge und das komplette Archiv
- Viele Arbeitshilfen, Checklisten und Sonderausgaben als Download
- Nach dem Test jederzeit zum Monatsende kündbar
* Danach ab 16,70 € / Monat