24.02.2011 | Unfallschadensregulierung
BGH: Reparaturkostenersatz im 170 Prozent-Fall
Der Geschädigte kann Ersatz der angefallenen Reparaturkosten verlangen, wenn es ihm entgegen der Einschätzung des vorgerichtlichen Sachverständigen gelungen ist, eine fachgerechte und den Vorgaben des Sachverständigen entsprechende Reparatur durchzuführen, deren Kosten den Wiederbeschaffungswert nicht übersteigt (BGH 14.12.10, VI ZR 231/09, Abruf-Nr. 110203). |
Sachverhalt und Entscheidungsgründe
Der vom Kl. eingeschaltete Sachverständige hatte folgende Werte ermittelt: Reparaturkosten 3.746,73 EUR brutto, WBW 2.200 EUR, RW 800 EUR. Der Kl. ließ das Fahrzeug entsprechend den SV-Vorgaben, allerdings unter Verwendung von Gebrauchtteilen, gegen Zahlung von 2.139,70 EUR brutto reparieren. Diesen Betrag, knapp unter dem WBW, hat der bekl. Versicherer erstattet. Der Kl. verlangt Zahlung weiterer 720,30 EUR. Er ist der Ansicht, die Bekl. müsse fiktive Reparaturkosten bis zu 130 Prozent des WBW ersetzen. Das AG ist dem nicht gefolgt, das LG dagegen hat antragsgemäß entschieden. Insoweit war die Revision der Bekl. erfolgreich.
Nach Ansicht des BGH hat der Kl. keinen Anspruch auf Ersatz fiktiver Reparaturkosten in Höhe von bis zu 130 Prozent des WBW. Daran ändere auch der Umstand nichts, dass er das Fahrzeug vollständig und - ungeachtet der Verwendung von Gebrauchtteilen - auch fachgerecht habe reparieren lassen. Tatsächlich angefallen seien lediglich Reparaturkosten unterhalb des WBW und nur diese seien erstattungsfähig. Allerdings auch nicht weniger, wie der BGH wegen einer Prozessaufrechnung der Bekl. ausdrücklich feststellt. Die Bekl. sieht in ihrer vorgerichtlichen Zahlung des Rechnungsbetrags eine Überzahlung, in Wirklichkeit schulde sie nur Ersatz des WBA i.H.v. 1.400 EUR (2.200 ./. 800). Das hält der BGH für falsch. Zwar sei bei einem Überschreiten der 130-Prozent-Grenze eine Instandsetzung grundsätzlich wirtschaftlich unvernünftig. Noch nicht entschieden habe er, ob der Geschädigte in einem solchen Fall dennoch Ersatz von Reparaturkosten verlangen könne, wenn es ihm gelingt, entgegen der Einschätzung des SV eine fachgerechte Reparatur innerhalb der 130-Prozent-Grenze zu bewerkstelligen. Das könne weiterhin offen bleiben, denn die tatsächlich angefallenen Reparaturkosten lägen nicht über dem WBW, sondern darunter. Jedenfalls (!) in einem solchen Fall habe ein Geschädigter Anspruch auf Ersatz der konkret angefallenen Kosten.
Praxishinweis
Mit der Entscheidung ist eine weitere Baustelle im Grenzbereich Reparaturkosten/Totalschadensabrechnung geschlossen. Offen ist noch die Konstellation „Gutachten über 130 Prozent, Rechnung zwischen 100 und 130 Prozent“. Noch nicht entschieden ist ferner der Parallelfall der Eigenreparatur mit einem Reparaturwert zwischen 100 und 130 Prozent. Wäre die Rechnung nur 100 EUR höher ausgefallen, wäre der WBW überschritten gewesen. Die Argumente pro und contra für diese Konstellation (130 plus) sind in VA 09, 149, 153 zusammengestellt. Auf dem Weg zum Pro haben die Geschädigten jetzt einen Etappensieg errungen, mehr nicht, aber auch nicht weniger. Für immer ad acta zu legen ist jedenfalls das Argument der Versicherer, bei geschätzten Kosten über 130 Prozent sei eine Abrechnung auf Totalschadensbasis zwingend. Das ist die wichtigste Botschaft des vorliegenden BGH-Urteils.
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