01.03.2005 | Unfallschadensregulierung
BGH zum Ersatz von Sachverständigenkosten
Für die Beurteilung, ob die Kosten eines Sachverständigengutachtens zum erforderlichen Herstellungsaufwand gehören und vom Schädiger zu ersetzen sind, kann im Rahmen tatrichterlicher Würdigung auch die vom Gutachter ermittelte Schadenshöhe berücksichtigt werden (BGH 30.11.04, VI ZR 365/03, NJW 05, 356, Abruf-Nr. 043098). |
Sachverhalt
Am 17.9.02 kippte die damals 9-jährige Beklagte mit ihrem Fahrrad um und stieß gegen den geparkten Pkw des Klägers. Es entstand ein Fahrzeugschaden von 727,37 EUR, den der Kläger ersetzt verlangt. Daneben macht er Gutachterkosten in Höhe von 192,18 EUR geltend. Das AG Duisburg hat die Klage schon dem Grunde nach unter Hinweis auf § 828 Abs. 2 BGB abgewiesen. Demgegenüber hat das LG Duisburg das Haftungsprivileg verneint und der Klage – auch der Höhe nach – stattgegeben. Mit Blick auf die Gutachterkosten hat das LG ausgeführt, von einem Bagatellschaden, der die Einschaltung eines Sachverständigen überflüssig mache, könne nicht ausgegangen werden. Der BGH hat die bereits in VA 05, 1, unter dem Blickwinkel „Kinderunfall“ vorgestellte Entscheidung auch in diesem Punkt bestätigt.
Entscheidungsgründe
Die Kosten eines Sachverständigengutachtens können zu dem nach § 249 Abs. 2 S. 1 BGB (n.F.) erforderlichen Herstellungsaufwand gehören, wenn eine vorherige Begutachtung zur tatsächlichen Durchführung der Wiederherstellung erforderlich und zweckmäßig sei. Dabei sei auf die Sicht des Geschädigten zum Zeitpunkt der Beauftragung abzustellen. Demnach komme es darauf an, ob ein verständig und wirtschaftlich denkender Geschädigter nach seinen Erkenntnissen und Möglichkeiten die Beauftragung eines Sachverständigen für geboten erachten durfte. Mit der Pflicht zur Schadensminderung (§ 254 Abs. 2 BGB) habe das direkt nichts zu tun, so dass die Darlegungs- und Beweislast für die Erforderlichkeit und Zweckmäßigkeit der Gutachterbeauftragung beim Geschädigten liege. Der BGH sagt sodann, worauf es nicht, jedenfalls nicht allein ankommt: Die Schadenshöhe laut Gutachten sei nicht allein maßgebend, auch nicht ihr Verhältnis zu den Sachverständigenkosten. Auf der anderen Seite sei der später ermittelte Schadensumfang oft (!) ein Gesichtspunkt, den der Richter im Rahmen des § 287 ZPO berücksichtigen könne. Die Einschätzung des LG, mit 727,37 EUR liege der Schaden jenseits der Bagatellgrenze, sei revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.
Praxishinweis
Nach dem BVerfG (NJW 04, 2584) und dem BayVerfGH (NZV 05, 48) meldet sich jetzt auch der BGH zu einer Schadensposition zu Wort, bei der ständig und in vielfacher Hinsicht Streit herrscht (s. Eggert, VA 02, 145 ff.). Dass „nach allgemeiner Meinung“ die Bagatellgrenze im Bereich von 1.400 DM = 715,81 EUR liege, so der BGH, trifft nicht zu. In Wirklichkeit ist die Rechtsprechung bislang heillos zersplittert. Zwischen 500 und 1.500 EUR wird – vor allem in der Praxis der Amtsgerichte – nahezu alles vertreten, sofern man die erst nachträglich ermittelte Schadenshöhe überhaupt für ein taugliches Kriterium hält. Insoweit hat der BGH den Weg frei gemacht, wenn auch vorsichtig („oft“). Die Instanzgerichte werden seine tendenziell geschädigtenfreundliche Entscheidung als Billigung einer Bagatellgrenze von deutlich unter 1.000 EUR verstehen, was bereits ein Gewinn an Rechtssicherheit ist.
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