01.04.2007 | Unfallschadensregulierung
Drei weitere Mietwagen-Urteile des BGH
Zu den Anforderungen an die Feststellung, ob ein vom Geschädigten beanspruchter Unfallersatztarif aufgrund unfallspezifischer Kostenfaktoren i.S.d. § 249 Abs. 2 S. 1 BGB erforderlich ist und ob dem Geschädigten ein Normaltarif ohne Weiteres zugänglich war (BGH 23.1.07, VI ZR 243/05, Abruf-Nr. 070756). |
Die Frage, ob ein vom Geschädigten beanspruchter Unfallersatztarif aufgrund unfallspezifischer Kostenfaktoren i.S.d. § 249 Abs. 2 S. 1 BGB erforderlich ist, kann dann offen bleiben, wenn feststeht, dass dem Geschädigten jedenfalls die kostengünstigere Anmietung eines entsprechenden Fahrzeugs zugemutet werden konnte, weil ihm in der konkreten Situation ein Normaltarif, der in vollem Umfang seinen Bedürfnissen entsprach, ohne Weiteres zugänglich war (BGH 23.1.07, VI ZR 18/06, Abruf-Nr. 070763). |
Bei der Frage nach der Erforderlichkeit eines „Unfallersatztarifs“ ist der Tatrichter im Rahmen einer Schätzung nach § 287 ZPO nicht genötigt, die Kalkulationsgrundlagen des konkreten Anbieters im Einzelnen betriebswirtschaftlich nachzuvollziehen. Vielmehr kommt es darauf an, ob etwaige Mehrleistungen und Risiken bei der Vermietung an Unfallgeschädigte generell einen erhöhten Tarif – u.U. auch durch einen pauschalen Aufschlag auf den „Normaltarif“ rechtfertigen. |
Dass Mietwagenunternehmen dem Geschädigten zunächst nur einen Unfallersatztarif angeboten haben, reicht grundsätzlich nicht für die Annahme aus, dem Geschädigten wäre bei entsprechender Nachfrage kein wesentlich günstigerer Tarif zugänglich gewesen. |
(BGH 30.1.07, VI ZR 99/06, Abruf-Nr. 070757) |
Praxishinweis
Nach halbjähriger Pause (zuletzt VA 06, 167) geht es jetzt Schlag auf Schlag weiter. Grundlegend Neues enthalten die drei hier angezeigten Entscheidungen des VI. ZS allerdings nicht. Im Kern geht es dem BGH um Präzisierungen, daneben um die Beseitigung der Folgen, die seine erst Ende Oktober 2005 einsetzende Lockerung bei der Erforderlichkeitsprüfung (betriebswirtschaftliche Rechtfertigung) hervorgerufen hat, ex post gesehen lauter Fehlentscheidungen. Worauf es ihm auf dieser ersten Stufe wirklich ankommt, was der Kläger vortragen und was das Gericht prüfen muss, all das hat der BGH inzwischen bereits mehrfach gesagt; insoweit also nichts Neues.
Deutlich macht der VI. ZS erneut, bei welchen Fallgestaltungen die Frage der Erforderlichkeit des vereinbarten „Unfallersatztarifs“ (Prüfstufe 1) offen bleiben kann, nämlich bei erwiesener Unzugänglichkeit eines günstigeren „Normaltarifs“ ebenso wie bei feststehender Zugänglichkeit eines solchen. In diesem Bereich schlingern die Instanzgerichte am stärksten, sind ihre Entscheidungen kaum kalkulierbar. Was nach Ansicht des BGH zu berücksichtigen ist und was nicht, ist selbst spezialisierten Richtern nicht mehr klar. Glaubte man z.B. in einem Fall unfalltaggleicher Anmietung durch eine Privatperson mit der Einschätzung „keine Informationspflicht“ in etwa auf BGH-Linie zu liegen, so muss man jetzt eine erneute Verschärfung registrieren. Wer nach einem Unfall an einem normalen Werktag noch am selben Tag mietet, dem sollen in einer Stadt wie Würzburg Angebote anderer Vermieter „ohne größere Schwierigkeiten“ zur Verfügung stehen. Nicht mehr ohne Weiteres stichhaltig ist auch das von vielen Gerichten anerkannte Argument, einem unfallgeschädigten Kunden würden ausschließlich „Unfallersatztarife“ angeboten (VI ZR 99/06). Fazit: Ein „Unfallersatztarif“ ist nur noch im Ausnahmefall voll erstattungsfähig. Auf der Stufe 1 pendelt sich die Judikatur ein bei der Lösung „SCHWACKE-Normal“ plus x, wobei das OLG Köln einen Aufschlag von 20 % annimmt, allerdings nicht auf den Tagestarif/Tagespauschale, sondern bemerkenswerterweise auf diejenigen Kosten, die sich aus einer Kombination von Wochen-, Dreitages- und Tagestarifen ergeben (2.3.07, 19 U 181/06, Abruf-Nr. 070928). Siehe auch den Schwerpunktbeitrag VA 06, 205 ff.
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