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  • 23.07.2009 | Unfallschadensregulierung

    EU-Auslandsunfall: Das müssen Sie bei der (gerichtlichen) Regulierung beachten

    von RA Marcus Gülpen, FA für Verkehrsrecht, Berlin

    Zurück aus dem Urlaub mit einem Unfallschaden innerhalb Europas - und nun? Wer ist der ausländische Haftpflichtversicherer? In welcher Sprache kommuniziere ich? Welches Recht findet Anwendung? Wo erhebe ich möglicherweise Klage? Der Beitrag gibt in der gebotenen Kürze Antworten auf diese Fragen.  

     

    Übersicht: Regulierung des EU-Auslandsunfalls

    Außergerichtliche Schadensregulierung  

    Durch die 4. KH-Richtlinie (§ 7b VAG) wurden alle Kraftfahrthaftpflichtversicherer verpflichtet, in allen Mitgliedstaaten der Europäischen Union einen Schadensregulierungsbeauftragten zu benennen, der beauftragt ist, die außergerichtliche Schadensregulierung durchzuführen. Der konkrete Haftpflichtversicherer bzw. Schadensregulierungsbeauftragte kann über die nationale Auskunftsstelle ausfindig gemacht werden (§ 8a PflVG):  

     

    Zentralruf der Autoversicherer, Glockengießerwall 1, 20095 Hamburg, Tel.: 0180 25026.  

     

    Bleiben der Versicherer oder der Schadensregulierungsbeauftragte untätig oder wird der Zeitrahmen (§ 3a PflVG) überschritten, kann der Schaden über die nationale Entschädigungsstelle, das ist gem. § 13a PflVG die Verkehrsopferhilfe e.V., reguliert werden. Im Einzelnen dazu § 12a PflVG.  

     

    Ausländischer Gerichtsstand  

    Die Zuständigkeit des Gerichts richtet sich grundsätzlich nach den Regelungen der EuGVVO, wenn der Beklagte und auch der Kläger ihren Wohnsitz in einem Mitgliedstaat der EU haben. Die Beklagten - also Schädiger und Versicherer - können an ihrem allgemeinen Gerichtsstand (Art. 2 EuGVVO i.V.m. § 13 ZPO), dem Wohnsitz bzw. am Geschäftssitz (Art. 60 Abs. 1 EuGVVO) oder am Sitz der Niederlassung (Art. 5 Nr. 5 EuGVVO) verklagt werden. Zudem besteht die Möglichkeit, nach Art. 5 Nr. 3, Art. 11 Abs. 2 i.V.m. Art. 10 EuGVVO am Ort der unerlaubten Handlungen zu klagen.  

     

    Gerichtsstandsvereinbarungen sind gem. 23 EuGVVO zulässig; nicht jedoch zwischen den Unfallbeteiligten zulasten einer eintrittspflichtigen Versicherung.  

     

    Deutscher Gerichtsstand  

    Nach der wegweisenden Entscheidung des EuGH (NZV 08,133 - Odenbreit) ist es nunmehr grundsätzlich möglich, dass eine geschädigte Person nach einem Verkehrsunfall in den 26 anderen EU-Staaten am „Opfergerichtsstand“, d.h. an ihrem Wohnsitz Klage gegen den ausländischen Kfz-Haftpflichtversicherer einreicht. Dieser besondere Gerichtsstand gilt nicht für die Klage gegen den Schädiger. Relevanz hat das in den Fällen, in denen die Deckungssumme nicht mehr ausreicht. Voraussetzung ist, dass der Versicherer im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats der EU ansässig ist und das nationale Recht einen Direktanspruch vorsieht. Dies leitet der EuGH aus einer Auslegung der Verweisung des Art. 11 Abs. 2 EuGVVO auf Art. 9 Abs. 1b EuGVVO her. Mit dem genannten Urteil hat sich auch der Streit erledigt, ab welchem Zeitpunkt dieser Gerichtsstand gelten sollte. Damit ist auch der Fall abgedeckt, dass beispielsweise ein Deutscher einen Verkehrsunfall mit einem Spanier in Marokko erleidet. Der Deutsche kann dann an seinem Heimatort Klage gegen den spanischen Versicherer einreichen.  

     

    Gegenüber Versicherungen aus den EFTA Ländern der Schweiz, Liechtenstein, Norwegen oder Island ist dies strittig, denn für diese gilt nicht die Brüssel I-VO (EG-VO Nr. 44/2001) sondern das Lugano-Übereinkommen, LugÜ. Nach Ansicht des OLG Karlsruhe (NJW-RR 08, 373) kann der Geschädigte einen ausländischen Versicherer aufgrund der Regelungen des LugÜ in der bisherigen Fassung nicht an seinem Wohnsitz verklagen. Dies - so auch die Empfehlung des 47. Verkehrsgerichtstags (VGT) 2009 - gilt allerdings nicht mehr im Hinblick auf die Neuerungen in dem revidierten Lugano-Übereinkommen vom 30.10.07. Das neue Übereinkommen übernimmt im Wesentlichen die Vorschriften der EuGVVO und ersetzt das bestehende Übereinkommen vom 16.9.88. Insofern kann auch in diesen Fällen am Heimatgerichtsstand geklagt werden.  

     

    Das OLG Celle (NJW 09, 86) geht davon aus, dass auch eine GmbH als geschädigte Person i.S. der Art. 9, 10 EuGVVO anzusehen ist und daher am Geschäftssitz in Deutschland klagen kann. Dies ist umstritten, dann aber richtig, wenn es sich bei der GmbH um den wirtschaftlich Schwächeren und rechtlich weniger Erfahrenen handelt. Die Vorschrift ist am Leitgedanken des „Opferschutzes“ auszulegen.  

     

    Abzulehnen ist die Ansicht, dass ein Kaskoversicherer aus nach § 86 VVG 2008 oder ein Sozialversicherungsträger aus nach § 116 SGB X übergegangenem Recht gegen den ausländischen Haftpflichtversicherer des Schädigers im Inland klagen darf. Dies entspricht nicht dem Leitgedanken des Opferschutzes. Das hat der EUGH festgestellt. Ob er auch in der Vorlagesache des LG Feldkirch aus Österreich (GZ C-347/08) seine Rechtsprechung bestätigen wird, bleibt abzuwarten.  

     

    Klagezustellung  

    Nach der VO (EG) 1348/2000 ist die Klage an den ausländischen Haftpflichtversicherer zuzustellen. Der VGT 2009 kam zu dem Schluss, dass auch eine Zustellung gegenüber dem Regulierungsbeauftragten (in Deutschland) als zulässig anzusehen ist (§ 171 ZPO, Art 4 Abs. 5 der 4. KH-Richtlinie). Die Klage kann zunächst in deutscher Sprache abgefasst werden. Dies hindert nicht die Zustellung. Erst bei Widerspruch des Beklagten ist die Klage zu übersetzen.  

     

    Kollisionsrecht/Anwendbares Recht  

    Nach der am 11.1.09 in Kraft getretenen Rom II-Verordnung (EG-VO Nr. 864/2007 über das auf außervertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht vom 11.7.07) sind alle seitdem EU-weit eingetretenen Verkehrsunfälle grundsätzlich nach dem Tatortrecht abzuwickeln (Art. 4 Abs. 1 Rom II-VO). In räumlicher Hinsicht gilt die Verordnung nach Art. 249 Abs. 2 unmittelbar in allen Mitgliedstaaten, auch in England und Irland, die der Rom II-Verordnung beigetreten sind. Eine Ausnahme bildet nur Dänemark.  

     

    In 13 der EU-Mitgliedstaaten verdrängt das Haager Übereinkommen von 1971 (hüber das auf Straßenverkehrsunfälle anzuwendende Recht) die Rom II-Verordnung. Für die deutschen Gerichte indes ist das Haager Übereinkommen ohne Relevanz, da - anders als nach bislang geltendem internationalen Deliktsrecht (Art. 4 Abs. 1 EGBGB) - ein deutsches Gericht das ausländische materielle Recht anzuwenden hat, auch wenn dort das Haager Übereinkommen gilt (Art. 24 Rom II-Verordnung). Dieser Auffassung folgte auch der VGT 2009.  

     

    Nach Art. 14 Rom II-Verordnung kann - vor oder nach dem Verkehrsunfall - eine Rechtswahl stattfinden. Dies muss aber gem. Art 14 Abs. 1 Nr. 2 ausdrücklich erfolgen oder sich mit hinreichender Sicherheit aus den Umständen des Falls ergeben.  

     

    In den seltenen Fällen des gemeinsamen Aufenthaltsorts der Parteien (z.B. bei geschädigten Insassen) verdrängt Art. 4 Abs. 2 Rom II-Verordnung die vorbezeichnet dargestellte Tatort-Grundregel nach Art. 4 Abs. 1 Rom II-Verordnung.  

     

    Die Ausweichklausel des Art. 4 Abs. 3 ROM II-Verordnung kommt in noch selteneren Fällen zur Anwendung. Aus der Gesamtheit der Umstände muss sich ergeben, dass die unerlaubte Handlung eine offensichtlich engere Verbindung mit einem anderen Staat aufweist, als demjenigen, in dem sich der Unfall ereignet hat oder in dem die Beteiligten einen gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalt haben. Dies ist z.B. der Fall bei Beförderungsverträgen oder bei gemeinsamem Zulassungs- oder Versicherungsort der unfallbeteiligten Fahrzeuge; möglicherweise auch bei Ehe- bzw. Lebenspartnern.  

     

    Ausländische Rechtskenntnisse  

    Die Klage in Deutschland hat unbestritten die vorbezeichneten Vorteile. Das Verfahrensrecht richtet sich nach dem „lex fori“ - mithin deutschem Recht. Materiellrechtlich muss sich der deutsche Richter - wie auch der Rechtsanwalt - aber im Recht der 26 Mitgliedstaaten auskennen. Er hat von Amts wegen das Recht zu ermitteln. Da weder ausreichende Fachliteratur vorhanden sein dürfte, noch die noch wichtigere praktische Rechtsanwendungskenntnis beim Richter vorhanden ist, werden derzeit in der Praxis nach § 293 ZPO Sachverständigengutachten über das ausländische Recht eingeholt. Dies ist zeit- und kostenaufwendig. Ob das Europäische Übereinkommen vom 7.6.68 betreffend der Auskünfte über ausländisches Recht (BGBl II 1974, 937) eine in der Praxis schnellere und „effektivere“ Variante darstellt, mag bezweifelt werden. Das Übereinkommen der Mitgliedstaaten des Europarats verpflichtet die Staaten, kostenlos Auskünfte zum eigenen Recht zu erteilen. Die Einzelheiten regelt ein Ausführungsgesetz, das Auslands-Rechtsauskunftsgesetz (AuRAG).  

     

    Ergebnis  

    Der „Heimatgerichtsstand“ ist zu begrüßen. Dies führt aber dazu, dass je nach Unfallort Sachschadenersatzansprüche z.B. fiktiv geltend gemacht werden können oder gar über dem Wiederbeschaffungswert hinaus eine Reparatur möglich ist. Nach französischem und italienischem Recht gibt es ein Angehörigenschmerzensgeld. Das zu erwartende Schmerzensgeld ist beispielsweise bei einem unfallbedingten Verlust des Arms höher (mehrere 100.000 EUR in Frankreich/Belgien) oder niedriger (wenige 1000 EUR in Portugal/Luxemburg). Nach spanischem Recht wird der Personenschaden grundsätzlich nach Taxen berechnet. Verzögerungen bei der Regulierung führen nach spanischem Recht zu einer „Punative Damage“ (Gülpen, SVR 08, 134).  

     

    Eine Harmonisierung wäre wünschenswert; so auch der 47. VGT 2009. In der Praxis wird es zur „Harmonisierung durch die Hintertür“ kommen, da die gewonnenen europäischen Rechtskenntnisse des deutschen Richters bei der Umsetzung im deutschen Rechtsfall zur Anwendung kommen werden.  

     

     

    Quelle: Ausgabe 08 / 2009 | Seite 130 | ID 128558