24.02.2010 | Unfallschadensregulierung
Gutachten über, Rechnung unter 130 Prozent - dennoch Reparaturkostenersatz
Der Geschädigte kann bei einem Totalschaden ausnahmsweise die voraussichtlichen Reparaturkosten zuzüglich einer etwaigen Wertminderung erstattet verlangen, wenn diese Summe den Wiederbeschaffungswert um nicht mehr als 30 Prozent übersteigt. Dies gilt auch dann, wenn der Geschädigte einen alternativen Reparaturweg mit teilweise gebrauchten Teilen gewählt hat, das Fahrzeug aber dennoch vollständig und fachgerecht wiederhergestellt worden ist (OLG München 13.11.09, 10 U 3258/08, Abruf-Nr. 094051). |
Sachverhalt und Entscheidungsgründe
An dem neunjährigen Mercedes C 220 des Klägers war laut Gutachten ein Schaden mit einem Reparaturaufwand von 15.812 EUR entstanden. Die übrigen Daten: merkantiler Minderwert: keiner; WBW 8.800 EUR plus Handyumbaukosten von 90 EUR, RW 3.300 EUR. Der Kläger ließ den Schaden in einer freien Werkstatt beheben, nachdem man ihm zugesagt hatte, eine ordnungsgemäße und vollständige Reparatur gemäß den SV-Vorgaben werde nur 11.440 EUR kosten. Auch die Rechnung blieb mit 11.526.89 EUR knapp unter der 130-Prozent-Grenze. Der beklagte VR regulierte dennoch auf Totalschaden-Basis. Für ihn war es schon im Ansatz kein 130-Prozent-Fall. Außerdem meinte er, die Reparatur sei nicht ordnungsgemäß. Das LG hat die Klage auf restlichen Fahrzeugschadenersatz abgewiesen. Nach Vernehmung eines Werkstatt-Zeugen und Einholung eines Gutachtens hat das OLG die 130-Prozent-Abrechnung anerkannt.
Maßgeblich sei grundsätzlich die Reparaturkostenkalkulation des SV, nicht der tatsächlich angefallene Reparaturaufwand. Das besondere Integritätsinteresse als Grundlage der 130-Prozent-Rechtsprechung sei nur bei einer fachgerechten Reparatur „im Umfang des Sachverständigengutachtens“ nachgewiesen. Diese Bedingung habe der Kläger erfüllt. Dem stehe nicht entgegen, dass Arbeiten am Frontblech und anderen Stellen zunächst fehlerhaft gewesen seien, denn insoweit sei im Wege der Gewährleistung nachgebessert worden. Dass eine zerstörte Scheinwerfereinheit durch ein Gebrauchtteil ersetzt worden sei, sei gleichfalls unerheblich. Nach Auskunft des Gerichts-SV sei daran technisch nichts zu beanstanden. Reparaturdefizite, soweit nach Nachbesserung noch vorhanden, fielen mit Rücksicht auf den Zustand des Pkw vor dem Unfall nicht ins Gewicht.
Praxishinweis
Beifallswürdig ist, dass das OLG nicht, wie das LG, kurzen Prozess gemacht hat, sondern durch eine gründliche Beweiserhebung reparaturtechnische Details zu klären versucht hat. Wenn es etwas zu kritisieren gibt, dann einige zumindest missverständliche Äußerungen im „allgemeinen Teil“ zum 130er Modus sowie die Nichtzulassung der Revision. Dabei brennt nach Klärung der Stundensatzfrage (VW-Urteil vom 20.10.09, VI ZR 53/09, VA 09, 199) kaum ein Thema so sehr auf den Nägeln wie die hochstrittige Frage, ob der Geschädigte Ersatz von Reparaturkosten verlangen kann, obwohl der von ihm beauftragte Sachverständige die Kosten auf über 130 Prozent geschätzt hat. Zum Meinungsstreit, Vorgehensweisen und Argumentationsmöglichkeiten s. VA 09, 149 ff.
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