25.01.2010 | Unfallschadensregulierung
Kann einem „Nur- Fahrer“ die Betriebsgefahr zugerechnet werden?
1. Der Fahrer eines Kraftfahrzeugs, der nicht zugleich Halter desselben ist, muss sich die einfache Betriebsgefahr des Fahrzeugs nur dann zurechnen lassen, wenn er seinerseits für Verschulden gemäß § 823 BGB oder für vermutetes Verschulden gemäß § 18 StVG haftet. |
2. Im Fall des gesetzlichen Forderungsübergangs kann die Obliegenheit zur Schadensminderung in entsprechender Anwendung des § 254 Abs. 2 BGB ausnahmsweise den Zessionar treffen, wenn er den rechtlichen und tatsächlichen Einfluss auf die Schadensentwicklung in der Weise erlangt hat, dass die Zuständigkeit für die Schadensminderung weitgehend auf ihn verlagert ist und die Eigenverantwortung des Geschädigten entsprechend gemindert erscheint. |
3. Der Unfallausgleich nach § 35 BeamtVG bezweckt nicht den Ausgleich möglicher Erwerbsschäden, sondern dient der Deckung vermehrter Bedürfnisse. |
(BGH 17.11.09, VI ZR 58/08, Abruf-Nr. 100014). |
Sachverhalt und Entscheidungsgründe
Das Land R.P. macht Ersatzansprüche aus übergegangenem Recht eines Polizeibeamten geltend, der als Motorradstreife bei einem Verkehrsunfall verletzt wurde. Zu dem Unfall kam es, als die beiden alkoholisierten Beklagten eine Straße überqueren wollten. Der Beamte wich mit seinem Krad aus, stürzte und verletzte sich derart, dass er zunächst mehrere Monate dienstunfähig und später nur innendiensttauglich war. Das LG hat der Klage auf Ersatz weitergezahlter Dienstbezüge, Heilbehandlungskosten und einer sog. Unfallausgleichszahlung in vollem Umfang stattgegeben. Auf die Berufung der Beklagten hat das OLG die Klageansprüche nach Grund und Höhe gekürzt. Die Beklagten hafteten nur zu 80 Prozent; 20 Prozent seines Schadens müsse der Beamte selbst tragen. An dem Unfall treffe ihn zwar keine Schuld. Zuzurechnen sei ihm jedoch die einfache Betriebsgefahr des Motorrads. Die Revision des klagenden Landes war teilweise erfolgreich.
Nicht gebilligt hat der BGH die Zurechnung der Betriebsgefahr. Eine Haftung des Polizeibeamten für Verschulden oder nach §18 StVG für vermutetes Verschulden scheide nach den getroffenen Feststellungen aus. Damit fehle die entscheidende Zurechnungsvoraussetzung. Das klagende Land sei zwar Halter, mache aber keine eigenen Ansprüche geltend. Auch die Schadensminderung nach § 254 Abs. 2 S.1 BGB obliege grundsätzlich nur dem Geschädigten persönlich. Ausnahmsweise könne aber auch der Zessionar dazu verpflichtet sein (Leitsatz b). Vorzuwerfen sei dem Kläger, die Weiterverwendung des Beamten im Innendienst um einige Monate hinausgezögert zu haben. Abschließend geht der BGH auf die Klageposition „Unfallausgleich“ (§ 35 BeamtG) ein. Mit dem OLG verneint er einen Anspruch. Begründung: keine sachliche Kongruenz.
Praxishinweis
Von allgemeinem Interesse ist das Urteil nur in puncto Zurechnung der Betriebsgefahr (dazu auch die Parallelentscheidung vom selben Tag, VI ZR 64/08, mit dem Polizisten als Kläger). Wenn selbst einem OLG-Fachsenat in dieser Grundsatzfrage ein Fehler unterläuft, muss das zu denken geben. Breit erörtert wurde das Thema zuletzt anlässlich der Leasingentscheidung BGHZ 173, 182. Geschädigter war dort ein Leasinggeber als Nur-Eigentümer (= Nicht-Halter), hier ist es der Polizeibeamte als Kradfahrer ohne Haltereigenschaft. Der Nur-Führer muss sich die Betriebsgefahr des von ihm gesteuerten Kfz nicht per se zurechnen lassen, entgegen dem OLG auch nicht bereits, wenn der Unabwendbarkeitsbeweis (§ 17 Abs. 3 StVG) misslingt. Voraussetzung einer Zurechnung ist vielmehr, dass der Fahrer seinerseits haftet. Dafür gibt es bei Halterlosigkeit zwei Grundlagen: § 823 BGB und § 18 StVG; § 7 StVG scheidet aus. Hätte das OLG den Entlastungsbeweis nach § 18 StVG als nicht geführt angesehen, wäre die Quote 80 : 20 zumindest vertretbar gewesen. Auch wenn die Entlastungsbeweise nach §§ 17 Abs. 3, 18 StVG in der Praxis meist gleichlaufen, nämlich scheitern, so sind die Anforderungen doch unterschiedlich streng. Der Fahrer (Führer) widerlegt die Verschuldensvermutung durch den Nachweis verkehrsrichtigen Verhaltens. Es gilt der Sorgfaltsmaßstab des § 276 BGB, freilich i.V.m. den einschlägigen §§ der StVO, wobei bei einem Fußgängerunfall, wie hier, an § 3 Abs. 2a zu denken ist. Auch Betrunkene können davon profitieren.
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