23.04.2008 | Unfallschadensregulierung
Reparaturverzögerung durch selbstständiges Beweisverfahren: Verstoß gegen § 254 BGB?
Hat ein Geschädigter berechtigten Grund für die Annahme, nur mithilfe eines Gutachtens im selbstständigen Beweisverfahren seinen Anspruch auf Ersatz seines Unfallschadens durchsetzen zu können, liegt kein Verstoß gegen die Schadenminderungspflicht vor. Die Verzögerung der Reparatur geht in einem solchen Fall zu Lasten des Schädigers (OLG Düsseldorf 7.4.08, I-1 U 212/07, Abruf-Nr. 081130). |
Sachverhalt und Entscheidungsgründe
Bei einem Unfall war schon vor Ort strittig, ob der Lkw zurückgerollt oder der Pkw der Klägerin gegen den Lkw gestoßen war. Neutrale Unfallzeugen gab es nicht. Der Anwalt der Klägerin leitete einen Tag nach dem Unfall ein selbstständiges Beweisverfahren ein und verständigte davon den gegnerischen Versicherer. Nach Freigabe des Pkw durch den Beweissicherungsgutachter erteilte die Klägerin unverzüglich einen Reparaturauftrag. Die strittige Nutzungsausfallentschädigung erkannte das LG nur i.H.v. 928 EUR an (32 Tage zu 29 EUR). Das OLG sprach eine Entschädigung für 98 Tage zu.
Das OLG hat mit 98 Tagen die gesamte Zeit zwischen Unfall und Reparaturende als Ausfallzeitraum anerkannt. Auch hat es für 80 Tage Standgeldkosten zugebilligt. In der Einleitung des Beweisverfahrens sieht der Senat anders als das LG keinen Verstoß gegen die Schadenminderungspflicht. Unter den besonderen Umständen des Streitfalls sei diese Maßnahme aus der Sicht der Klägerin zur Wahrnehmung berechtigter Interessen geboten gewesen. Es habe die begründete Befürchtung bestanden, den Schadenersatzanspruch ohne gerichtliche Beweissicherung nicht durchsetzen zu können. Nur einen Privatgutachter zur Ermittlung der Schadenshöhe einzuschalten, sei hier ausnahmsweise keine sachgerechte Alternative gewesen. Hinzugefügt hat der Senat, dass die beklagte Versicherung sich den langen Ausfallzeitraum ein Stück weit selbst zuzuschreiben habe, denn sie habe trotz rechtzeitiger Information nichts unternommen, um die Reparatur zu beschleunigen.
Praxishinweis
Erneut hat der 1. ZS des OLG Düsseldorf bei ungewöhnlich langer Ausfallzeit dem Geschädigten den Rücken gestärkt (s.a. VA 07, 213). Er hat aber deutlich gemacht, dass die Einleitung des gerichtlichen Beweisverfahrens mit entsprechender Verzögerung der Reparatur nur in engen Grenzen mit § 254 Abs. 2 BGB vereinbar ist. Anwälte auf Geschädigtenseite sollten diesen Schritt gut überlegen und den Versicherer schon vorher darauf ansprechen, bzw. anschließend unverzüglich von der Einleitung des Verfahrens unterrichten, verbunden mit dem Hinweis, dass sich der Nutzungsausfallzeitraum erheblich vergrößern werde und dass weder ein Zweitwagen noch ein „Interimsfahrzeug“ zur Verfügung stehe. Zur Gesamtthematik siehe VA 07, 196 ff. Zur Zulässigkeit, Unfallverletzungen im selbstständigen Beweisverfahren klären zu lassen: OLG Hamm 7.5.07, 13 W 34/07, Abruf-Nr. 081131.
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