24.06.2010 | Unfallschadensregulierung
Stundenverrechnungssätze: BGH bejaht technische Gleichwertigkeit
Der Schädiger darf den Geschädigten im Rahmen der fiktiven Schadensabrechnung unter dem Gesichtspunkt der Schadensminderungspflicht (§ 254 Abs. 2 BGB) auf eine günstigere und vom Qualitätsstandard gleichwertige Reparaturmöglichkeit in einer mühelos und ohne Weiteres zugänglichen „freien Fachwerkstatt“ verweisen, wenn der Geschädigte keine Umstände aufzeigt, die ihm eine Reparatur außerhalb der markengebundenen Fachwerkstatt unzumutbar machen (BGH 23.2.10, VI ZR 91/09, Abruf-Nr. 101686). |
Sachverhalt und Entscheidungsgründe
Nach einem Heckschaden an seinem ca. 8 ½ Jahre alten BMW 520i rechnete der Kl. unter Vorlage eines Gutachtens auf der Basis der Stundenverrechnungssätze einer BMW-Vertragswerkstatt ab. Der VR kürzte die Forderung i.H.v. 4.160,41 EUR um 755,73 EUR. Begründung: Dem Kl. seien gleichwertige, günstigere Reparaturmöglichkeiten ohne Weiteres zugänglich. Benannt wurden drei zertifizierte Meisterbetriebe für Karosserie- und Lackierarbeiten. Von den eingeklagten 755,73 EUR erkannte die Bekl. vor dem AG 217 EUR an, nachdem die Verweiswerkstatt J. für die Lackierarbeiten eine höhere Stundenzahl als zunächst kalkuliert veranschlagt hatte. Die restliche Klage hat das AG abgewiesen. Berufung und Revision blieben erfolglos.
Der BGH hat das vor Erlass des VW-Urteils vom 20.10.09 (VA 09, 199) ergangene Berufungsurteil bestätigt. Bei der von der Bekl. aufgezeigten Reparaturmöglichkeit bei der Fa. J. handele es sich um eine vergleichsweise günstigere, jedoch gleichwertige Möglichkeit der Instandsetzung. Das begründet der VI. ZS mit fünf Positiveigenschaften: (1) zertifizierter Meisterbetrieb, (2) Verbandsmitgliedschaft, (3) Qualitätskontrolle durch TÜV/DEKRA, (4) Verwendung von Originalersatzteilen, (5) 3 Jahre Garantie. Der Kl. habe keinen triftigen Grund, die Fa. J. abzulehnen, weder von der Entfernung her noch mit Blick auf die Preise (keine Sonderkonditionen). Auch unter dem Garantieaspekt habe die Markenwerkstatt keinen Vorsprung (drei Jahre hier wie dort). Nicht gehört wird der Kl. mit dem erst in der Revisionsinstanz vorgebrachten Argument, in „seinem“ BMW-Betrieb habe er den Fünfer nicht nur gekauft, sondern auch warten und instand setzen lassen.
Praxishinweis
Zu seiner BMW-Treue in den Vorinstanzen näher vorzutragen, hatte der Kl. keine hinreichende Veranlassung. Erst das VW-Urteil hat Geschädigten-Anwälte entsprechend sensibilisiert. Mit ca. 8 ½ Jahren gehört der Unfall-BMW zu derjenigen Kategorie, bei der die Verweisungschancen der KH-Versicherer relativ gut sind, vorausgesetzt, sie haben in der (altersunabhängigen) Gleichwertigkeitsfrage die Nase vorn. In diesem zentralen Punkt hilft das jetzige BGH-Urteil zwar ein Stück weiter. Abgeschlossen ist die Diskussion damit noch lange nicht.
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