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  • 01.03.2005 | Unfallschadensregulierung

    Was bedeutet bei Kraftfahrzeugen, Anhängern und Bahnen „bei dem Betrieb“?

    von VRiOLG Dr. Christoph Eggert, Düsseldorf

    Dass die zentrale Haftungsvoraussetzung „bei dem Betrieb“ in den §§ 7 Abs. 1 StVG, 1 Abs. 1 HPflG nach wie vor „weit“ zu fassen ist, ist jedem Verkehrsrechtler geläufig. Nur: Wie weit geht das Verständnis und wo verläuft die Grenze der Gefährdungshaftung? Diese Frage hat in Fällen nach dem 31.7.02 in dreierlei Hinsicht an praktischer Bedeutung gewonnen: durch den Ersatz des immateriellen Schadens bei bloßer Gefährdungshaftung, durch die Haftungsverschärfung gem. § 7 Abs. 2 StVG und infolge der Privilegierung von Kindern nach § 828 Abs. 2 BGB. Die folgenden Checklisten und Fallbeispiele bringen Sie auf den neuesten Stand.  

     

    Checkliste „Grundwissen in zehn Punkten“
    1. Keine Definition: Die einschlägigen Haftungsnormen (§§ 7 Abs. 1, 18 Abs. 1 StVG, § 1 Abs. 1 HPflG) geben keine Definition des Begriffs „bei dem Betrieb“.

     

    2. Keine maschinentechnische Sicht: An keiner Stelle im Gesetz heißt es, dass ein Unfall „bei dem Betrieb“ nur vorliege, wenn das Fahrzeug in Bewegung sei oder sein Motor laufe. Die per 1.8.02 reformierte Anhängerhaftung – sie greift auch für separat abgestellte Anhänger ein – gilt als Beleg für die „verkehrstechnische Auffassung“.

     

    3. Unfallort nicht entscheidend: Der Betrieb eines Kfz i.S.d. § 7 Abs. 1 StVG erfordert nicht seinen Einsatz auf öffentlicher Verkehrsfläche (BGH NZV 95, 19). Die Frage kann nur sein, ob von einem außerhalb des Verkehrsraums, z.B. auf einem privaten Parkplatz oder in einer Garage, abgestellten Kfz die spezifische Gefahr ausgeht, vor der die Gefährdungshaftung schützen will. Merksatz: Die völlige Entfernung eines Kfz aus dem Verkehrsbereich beendetet den Betrieb (OLG München NZV 01, 510 unter Hinweis auf BGHZ 29, 163; Brand. OLG DAR 05, 38); zur Vertiefung s. Grüneberg, NZV 01, 109.

     

    4. Schutzzweck der Norm: Ob Kraftfahrzeuge, Anhänger und Bahnen im ruhenden Verkehr und Unfälle mit Beteiligung solcher Fahrzeuge außerhalb des öffentlichen Verkehrsraums unter die Gefährdungshaftung fallen, ist vom Schutzzweck der Norm her zu bestimmen („normativer Betriebsbegriff“).

     

    5. Standardformel des BGH: Für die §§ 7, 18 StVG gilt: Ein Schaden ist bereits dann „bei dem Betrieb“ entstanden, wenn sich von einem Kfz ausgehende Gefahren ausgewirkt haben und das Unfallgeschehen in dieser Weise durch das Kfz (mit-) geprägt wird (st. Rspr., z.B. BGH NJW 91, 2568; NZV 95, 19).

     

    6. Verursachungshaftung: Ob das Merkmal „bei dem Betrieb“ erfüllt ist, hängt nicht davon ab, ob sich der Fahrer des Fahrzeugs verkehrswidrig verhalten hat (BGH NJW 88, 2802). Die bloße Anwesenheit des Fahrzeugs an der Unfallstelle genügt nicht. Vielmehr muss das Fahrzeug durch seine Fahrweise oder – im ruhenden Verkehr – durch sonstige Verkehrsbeeinflussung zur Entstehung des Schadens beigetragen haben (BGH NJW 88, 2802).

     

    7. Kontakt nicht nötig: Der Schaden kann auch dann auf die Betriebsgefahr eines Kfz zurückgeführt werden, wenn es zu keiner Berührung mit ihm gekommen ist (BGH NJW 88, 2802). Selbst ein Unfall infolge einer objektiv nicht erforderlichen Abwehr- oder Ausweichreaktion eines anderen Verkehrsteilnehmers kann dem Betrieb des Kfz zugerechnet werden, das die Reaktion ausgelöst hat (BGH NJW 88, 2802; KG VersR 98, 778 mit Ausführungen zur Darlegungs- und Beweislast; KG VA 00, 88, Abruf-Nr. 001216 = KGR 00, 316; OLG Hamm VA 01, 66, Abruf-Nr. 010513 = DAR 01, 34).

     

    8. Ruhender Verkehr: Von einem im öffentlichen Verkehrsraum ordnungsgemäß geparkten Auto geht zwar eine fortdauernde Betriebsgefahr aus; sie wirkt sich aber nicht aus, wenn z.B. ein Kind mit seinem Fahrrad mit dem Auto kollidiert (BGH, Kinder-Urteile v. 30.11.04, Abruf-Nrn. 043097 und 043098 = VA 05, 1 = NJW 05, 354, 356, und v. 21.12.04, VI ZR 276/03, Abruf-Nr. 050278 = VA 05, 42).

     

    9. Haftungsrechtlicher Zurechnungszusammenhang: Wie bei der deliktischen Haftung muss im Rahmen des § 7 StVG und des § 1 HPflG gefragt werden, ob der geltend gemachte Schaden innerhalb des Schutzzwecks der Norm liegt (BGH NJW 91, 2568). Das ist zu bejahen, wenn der Schaden auf eine Ursache zurückgeht, die zum Betrieb des Kfz als solchen gehört, wobei die Nähe des örtlichen und zeitlichen Zusammenhangs maßgeblich ist (instruktiv BGH NJW 04, 1375 für den Fall eines BAB-Unfalls, der durch einen vorausgegangenen Unfall mitverursacht wurde).

     

    10. Betrieb und Gebrauch: Weiter als der Begriff „bei dem Betrieb“ ist der Begriff des Gebrauchs i.S.d. § 10 AKB (BGH NZV 95, 19). Das heißt: Der Versicherer kann nach § 3 PflVG einstandspflichtig sein, selbst wenn der Halter nicht nach § 7 Abs. 1 StVG haftet (BGH NJW 79, 2408).
    Fallgruppe „bei dem Betrieb“ bejaht

    Sachverhalt  

    Fundstelle  

    Ein auf einem (Lehrer-)Parkplatz abgestellter Motorroller fällt um und beschädigt einen daneben stehenden Pkw.  

    LG Bochum  

    NJW-RR 04, 824; ebenso AG Berlin-Mitte zfs 03, 588  

    Betrunkener Fahrzeuginsasse steigt aus liegengebliebenem Pkw aus; beim Versuch, Hilfe zu holen, kommt es zu einem BAB-Unfall mit einem anderen Kraftfahrer.  

    OLG Frankfurt  

    NJW-RR 04, 172  

    Beim Beladen eines Lkw mit Fässern fallen zwei herunter; durch den Austritt schädlicher Substanzen werden andere Fahrzeuge beschädigt.  

    OLG Hamm  

    R+S 00, 498  

    Bei dem Versuch, einem bei Glatteis schleudernden Pkw auszuweichen, stürzt eine Fußgängerin.  

    OLG Hamm OLGR 96, 207  

    Omnibus und Sattelzug begegnen sich bei Tempo 80 auf schmaler Straße; dass der Omnibus die Mittellinie überfahren hat, ist nicht feststellbar; dennoch „beim Betrieb“ bejaht (Sattelzug kam von der Fahrbahn ab).  

    OLG Schleswig OLGR 98, 4  

    Begegnungsverkehr auf schmaler Straße (Kurve); Kläger mit Pkw kommt ohne Berührung mit einem entgegenkommenden Van von der Fahrbahn ab.  

    OLG Hamm VA 01,  

    66, Abruf-Nr. 010513 = DAR 01, 34; s. auch OLG Karlsruhe SP 04, 221  

    Pkw fährt links blinkend auf mittlerer BAB-Spur, zieht nach links, ohne seine Spur zu verlassen; auf der Überholspur fahrender Pkw-Fahrer vermutet Spurwechsel, weicht aus und verunglückt.  

    KG VA 00, 88, Abruf-Nr. 001216 = KGR 00, 316  

    Entladen eines Lkw auf Betriebsgelände.  

    OLG Celle OLGR 02, 193  

    Abgestelltes Fahrzeug setzt sich infolge Kurzschlusses in der Elektrik von selbst in Bewegung und prallt auf eine Garage.  

    Saarl. OLG  

    OLGR 97, 301; ähnlich OLG D´dorf NZV 96, 113  

    Auf dem Gelände einer Trabrennbahn vorübergehend abgestellter Unimog wurde zum Hindernis für ein ausgebrochenes Rennpferd.  

    BGH NZV 95, 19  

    Beim „Tag der offenen Tür“ wird ein Besucher einer Kaserne von einem Go-Kart verletzt.  

    OLG Hamm OLGR 02, 383  

    Ein als Mähgerät der Straßenbauverwaltung eingesetzter Unimog schleudert beim Mähen eines Grünstreifens einen Gegenstand hoch, wodurch ein Pkw beschädigt wird.  

    OLG Celle SP 04, 294  

    Fallgruppe „bei dem Betrieb“ verneint

    Sachverhalt  

    Fundstelle  

    Ordnungsgemäß im öffentlichen Verkehrsraum (Parkplatz, Straßenrand) geparkte Autos werden von Kindern mit Fahrrad/Kickboard beschädigt; Auswirkung der Betriebsgefahr verneint.  

    BGH VA 05, 1; BGH VA 05, 42, Abruf-Nrn. 043097, 043098, 050278 

    Auf privatem Parkplatz abgestelltes Fahrzeug gerät in Brand, der auf ein Nachbarfahrzeug übergreift.  

    LG Regensburg zfs 04, 11  

    In Kiesgrube aufgebockter Autokran bei „reinem Arbeitseinsatz“.  

    OLG Schleswig  

    28.11.02, 7 U 17/99, Abruf-Nr. 050437 

    In Lagerhalle verbotswidrig abgestellter Pkw setzt sich von selbst in Bewegung, nachdem ein Marder das Anlasserkabel angenagt hatte.  

    OLG München NZV 01, 510  

    Nach einem Unfall bleibt der Pkw – für andere Verkehrsteilnehmer unsichtbar – in einer Wiese liegen; beim Versuch, Hilfe zu holen, wird der Fahrer in einen Unfall verwickelt.  

    OLG Hamm DAR 99, 546  

    Polizeifahrzeug wird nach eigener (!) Kollision auf einem BAB-Standstreifen abgestellt; die Beamten entfernen sich zur Schadensfeststellung, wobei sie einen Kraftfahrer irritieren.  

    OLG Frankfurt OLGR 95, 5  

    Aus einem auf einer Garagenbühne abgestellten Kfz läuft Benzin aus, das anschließend explodiert, wodurch ein Dritter zu Schaden kommt.  

    OLG Nürnberg VersR 98, 648  

    Vermutlich infolge undichter Kraftstoffleitung gerät ein in einer privaten Tiefgarage abgestellter Pkw in Brand, wodurch ein Pkw auf dem Nachbarstellplatz beschädigt wird.  

    OLG München NZV 96, 199  

    In einer Werkstatthalle abgestelltes Wohnmobil löst infolge eines Defekts an der Elektrik einen Brand aus.  

    OLG Düsseldorf  

    VersR 96, 1549  

    Ein in einer Halle abgestellter Pkw geriet nach dem missglückten Versuch unbekannter Dritter, die Zündung kurzzuschließen, in Brand.  

    Brand. OLG DAR 05, 27  

    Quelle: Ausgabe 03 / 2005 | Seite 45 | ID 90756