01.08.2005 | Unfallschadensregulierung
Was heißt „bei dem Betrieb“?
Ein Schaden ist „bei dem Betrieb“ eines Kfz entstanden, wenn sich von einem Kfz ausgehende Gefahren ausgewirkt haben. Demgemäß kann selbst ein Unfall infolge einer voreiligen – also objektiv nicht erforderlichen – Abwehr- oder Ausweichreaktion dem Betrieb des Kfz zugerechnet werden, das diese Reaktion ausgelöst hat (BGH 26.4.05, VI ZR 168/04, Abruf-Nr. 051783). |
Sachverhalt
Unfallort Tiefgarage: Der Kläger wie der Beklagte zu 1) besitzen dort Stellplätze. Am 8.1.03 fuhr der Beklagte zu 1) mit seinem VW-Bus die Abfahrt zur Tiefgarage herunter. Während der Anfahrt zu seiner Parkbox kam ihm der Kläger mit seinem Pkw entgegen. Er wollte die Tiefgarage verlassen. Als die Fahrzeuge noch drei bis fünf Meter voneinander entfernt waren, lenkte der Kläger plötzlich nach rechts und geriet – ohne den VW-Bus zu berühren – an die Wand der Tiefgarage. Die Ursache dieses Manövers ist streitig. Nach der Darstellung des Klägers ist der Beklagte zu 1) plötzlich über die Trennlinie der beiden jeweils 2.90 m breiten Fahrspuren gefahren. Die Beklagten räumen einen kleinen Schlenker nach links ein, allerdings innerhalb der eigenen Fahrspur. Das Berufungsgericht hat die klageabweisende Entscheidung des AG Berlin-Mitte bestätigt. Auf die zugelassene Revision des Klägers hat der BGH das Berufungsurteil aufgehoben und die Sache zur weiteren Aufklärung an das LG Berlin zurückverwiesen.
Entscheidungsgründe
Nach Ansicht des LG hat sich nicht die typische Betriebsgefahr des VW-Busses verwirklicht. Den Beklagten sei nicht zuzurechnen, dass der Kläger beim Anblick des Fahrzeugs seinen eigenen Pkw aus Panik, jedenfalls grob fehlerhaft gegen die Wand gelenkt habe. Dieser einschränkenden Sicht des Merkmals „bei dem Betrieb“ in § 7 Abs. 1 StVG ist der BGH nicht gefolgt. Unter Wiederholung und Erläuterung seiner umfangreichen Spruchpraxis stellt er die maßgeblichen Wertungsgesichtspunkte für die Fallgruppe „berührungsloser Unfall“ heraus. Die vom LG vorgenommene Einschränkung auf objektiv nachvollziehbare Gefährdungssituationen hält er für unangebracht. Das notwendige Korrektiv für eine sachgerechte Haftungsbegrenzung sei in den Vorschriften der §§ 9, 17, 18 StVG enthalten. Die dort vorgesehene Abwägung der Verursachungs- und Verschuldensanteile müsse nachgeholt werden.
Praxishinweis
Dass der Unfall sich „bei dem Betrieb“ des VW-Busses ereignet hat, war – gemessen an den Kriterien der ständigen BGH-Rspr. (s. NJW 88, 2802) – eigentlich keine ernsthafte Frage. Dennoch ist das Urteil des VI. Senats keineswegs überflüssig, führt es doch allen Instanzrichtern, die sich nur gelegentlich mit Unfallsachen befassen, eindrucksvoll und überzeugend vor Augen, was Gefährdungshaftung nach § 7 StVG richtigerweise bedeutet. Die praxisrelevante Fallgruppe „Unfall ohne Berührung“ wird in der nächsten Ausgabe Gegenstand eines Schwerpunktbeitrags sein. Näheres zum Haftungsmerkmal „bei dem Betrieb“ finden Sie schon jetzt in VA 05, 45 ff.
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