23.08.2010 | Videomessung
Ermächtigungsgrundlage für Videomessung
Es ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, wenn die Fachgerichte die Vorschrift des § 100h Abs. 1 S. 1 Nr. 1 StPO als Rechtsgrundlage für die Anfertigung von Bildaufnahmen zum Beweis von Verkehrsverstößen heranziehen (BVerfG 5.7.10, 2 BvR 759/10, Abruf-Nr. 102416). |
Sachverhalt und Entscheidungsgründe
Der Betroffene wurde wegen fahrlässiger Geschwindigkeitsüberschreitung zu einer Geldbuße verurteilt. Bei der geeichten Geschwindigkeitsmessung wurden Lichtbilder gefertigt, auf denen er zu erkennen war. Das OLG Brandenburg hat die Rechtsbeschwerde des Betroffenen verworfen (VA 10, 85). Seine Verfassungsbeschwerde blieb erfolglos.
§ 100h Abs. 1 S. 1 Nr. 1 StPO erlaubt die Anfertigung von Bildern ohne Wissen des Betroffenen, wenn die Erforschung des Sachverhalts anders weniger Erfolg versprechend oder erschwert wäre. Die Auslegung und Anwendung durch die Fachgerichte zeigt keine Verletzung spezifischen Verfassungsrechts. Eine Aufnahme, bei der Fahrer und Kfz-Kennzeichen identifizierbar sind, ist zwar ein Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht. Die Entscheidung lässt auch keine unverhältnismäßige Beschränkung grundrechtlicher Freiheiten erkennen. Der Zweck der Verkehrsüberwachung (Aufrechterhaltung der Sicherheit des Verkehrs) rechtfertigt eine Beschränkung der grundrechtlichen Freiheiten. Zudem handelt es sich nicht um verdeckte Datenerhebungen. Aufgezeichnet werden nur Vorgänge auf öffentlichen Straßen, die Jedermann wahrnehmen kann. Die Maßnahme zielt zudem ausschließlich auf Fahrer, die selbst Anlass zur Anfertigung der Bilder gegeben haben, da der Verdacht eines bußgeldbewehrten Verkehrsverstoßes besteht. Schließlich entfaltet die Maßnahme über die Ahndung der Verkehrsordnungswidrigkeit hinaus grundsätzlich keine belastenden Wirkungen für den Betroffenen.
Praxishinweis
Seit BVerfG VA 09, 172 (18.8.09, 2 BvR 941/08) ist in der obergerichtlichen Rechtsprechung um die Frage der Ermächtigungsgrundlage für Messungen im Straßenverkehr gestritten worden. Inzwischen ging die h.M. von § 100h StPO als Ermächtigungsgrundlage aus (Rechtsprechungsübersicht in VA 10, 85). Das war jedoch nicht unbestritten (dazu z.B. Meyer-Goßner, StPO, 53. Aufl., § 100h Rn. 1; Roggan NJW 10, 1042; Niehaus DAR 09, 632). Die BVerfG-Entscheidung dürfte jetzt endgültige Klärung in dem Streit und in der Diskussion bringen, obwohl sie zur ESO ES 3.0 ergangen ist. Die AG und auch die OLG werden nun noch weniger als schon in der Vergangenheit das Vorliegen einer Ermächtigungsgrundlage und damit die Annahme eines Beweisverwertungsverbots verneinen. Der Verteidiger wird mit einem Beweisverwertungsverbot kaum noch Erfolg haben. Interessant ist allerdings der Hinweis des BVerfG auf § 101 StPO und die dort normierten Benachrichtigungs-, Kennzeichnungs- und Löschungspflichten. Die Verwaltungsbehörden werden sich freuen, wenn sie die erfüllen dürfen/müssen.
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