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  • 16.02.2009 · IWW-Abrufnummer 090571

    Oberlandesgericht Düsseldorf: Urteil vom 20.06.2005 – I-1 U 237/04

    Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


    Oberlandesgericht Düsseldorf

    I-1 U 237/04

    Tenor:

    Auf die Berufung des Klägers wird das am 3. November 2004 verkündete Urteil des Einzelrichters der 19. Zivilkammer des Landgerichts Wuppertal unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels teilweise abgeändert und insgesamt wie folgt neu gefasst:

    Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger 18.000,- € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 27. September 2004 zu zahlen.

    Es wird festgestellt, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, dem Kläger 40% der ihm infolge des Unfalls vom 26. März 2001 auf der XXX Straße in W. entstandenen und künftig noch entstehenden materiellen Schäden zu ersetzen, soweit die Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergegangen sind oder übergehen.

    Weiterhin wird festgestellt, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, dem Kläger unter Berücksichtigung eines Mitverschuldensanteils von 60% den ihm infolge des Unfalls vom 26. März 2001 künftig noch entstehenden immateriellen Schaden zu ersetzen.

    Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

    Die Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens tragen der Kläger zu 60% und die Beklagten als Gesamtschuldner zu 40%; die Kosten des Berufungsverfahrens werden dem Kläger zu 59% und den Beklagten als Gesamtschuldner zu 41% auferlegt.Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

    Tatbestand:

    Der Kläger macht Ansprüche aus einem Unfallereignis geltend, das sich am 26.03.2001 auf der XXX Straße in W. ca. 50 Meter westlich der Einmündung der Höhenstraße ereignete und an dem zum einen der zu diesem Zeitpunkt 34-jährige Kläger und zum andern der Beklagte zu 1) mit dem auf ihn zugelassenen und bei der Beklagten zu 2) haftpflichtversicherten Pkw XXX beteiligt waren.

    Der Beklagte zu 1) befuhr mit dem genannten Pkw die XXX Straße aus Richtung XXXstraße kommend in westlicher Richtung. Für ihn galt eine höchstzulässige Geschwindigkeit von 50 km/h. Zu dieser Zeit war es dunkel; die Fahrbahnbeleuchtung war eingeschaltet, die an der Einmündung der XXXstraße befindliche Ampelanlage aber noch außer Betrieb. Auf beiden Seiten der XXX Straße verlaufen Gehwege, die von der Fahrbahn der XXXr Straße durch Kettengeländer abgetrennt sind; diese Abtrennung ist allerdings an mehreren Grundstückseinfahrten unterbrochen.

    Der Kläger befand sich gegen 5.55 Uhr als Fußgänger auf dem nördlich der XXX Straße gelegenen Gehweg und beabsichtigte, die XXX Straße – aus Sicht des Beklagten zu 1) – von rechts nach links zu überqueren, um zu einer auf der gegen-überliegenden Straßenseite gelegenen Bushaltestelle zu gelangen; diese Bushaltestelle wurde zum Unfallzeitpunkt von einem Linienbus angesteuert. Nach Überqueren eines am Fahrbahnrand verlaufenden, etwa 1,2 Meter breiten Radfahrstreifens wurde der Kläger vom Pkw des Beklagten zu 1) erfasst und weggeschleudert, so dass er mit dem Kopf gegen einen der Pfähle des Kettengeländers prallte.

    Durch die Kollision wurde der Kläger schwer verletzt. Er erlitt im Wesentlichen ein Schädel-Hirn-Trauma mit multiplen Frakturen im Kopf- und Gesichtsbereich – unter anderem einem Schädelbasisbruch, einem Bruch des Schädeldaches im Bereich der rechten Schläfenregion, der Kieferhöhle und der inneren Augenhöhlenwand – , eine Hirnschwellung und eine Gehirnblutung links über der Schläfenregion, eine Brustkorbprellung mit Lungenquetschung und Blutung in der Brusthöhle sowie eine offene Unterschenkelfraktur rechts. Diese Verletzungen machten zunächst eine stationäre Behandlung vom 26.03. bis 07.05.2001 (43 Tage) erforderlich, wobei der Kläger während der ersten beiden Wochen in ein künstliches Koma versetzt werden musste. Wegen der weiteren Unfallfolgen wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils (Bl. 330 GA) verwiesen.

    Der Kläger hat behauptet, er habe die XXX Straße in Höhe einer der auf der südlichen Straßenseite liegenden Bushaltestelle nahezu gegenüberliegenden Grundstückseinfahrt überqueren wollen; eine Kettenabsperrung sei dort nicht vorhanden gewesen. Der Beklagte zu 1) sei mit einer Geschwindigkeit von 72,6 km/h gefahren und habe folglich die höchstzulässige Geschwindigkeit deutlich überschritten. Zudem sei der Beklagte zu 1) nicht mit der im Bereich von Bushaltestellen erforderlichen gesteigerten Sorgfalt gefahren und habe verspätet reagiert und zunächst keine Vollbremsung durchgeführt. Der Kläger seinerseits habe ein Reifenquietschen gehört und müsse sich wegen der hiermit verbundenen intuitiven Gefahrerkennung umgedreht haben, um den zuvor benutzten Gehweg zu erreichen. Unter diesen Umständen sei der Unfall für den Beklagten zu 1) bei Einhaltung der höchstzulässigen Geschwindigkeit vermeidbar gewesen, weil der Kläger zu dem Zeitpunkt, an dem der Beklagte zu 1) bei Einhaltung der höchstzulässigen Geschwindigkeit die Kollisionsstelle erreicht hätte, den Gefahrenbereich bereits wieder verlassen gehabt hätte. Jedenfalls aber wären bei einer niedrigeren Kollisionsgeschwindigkeit die Verletzungen des Klägers weniger gravierend ausgefallen.

    Der Kläger hat beantragt,

    1.
    die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an den Kläger ein Schmerzensgeld in Höhe von 45.000,- € nebst Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 27.09.2004 zu zahlen;

    2.
    festzustellen, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, dem Kläger sämtliche materiellen und immateriellen Schäden aus dem Unfall vom 26.03.2001 auf der XXX Straße in W zu ersetzen, soweit die Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergehen.

    Die Beklagten haben beantragt,
    die Klage abzuweisen.

    Sie haben die Auffassung vertreten, der Kläger habe grob fahrlässig gehandelt. Er habe, statt den – im Gegensatz zum weiteren Verlauf der XXX Straße – gut ausgeleuchteten Fußgängerüberweg im Bereich der Einmündung der XXXstraße zu benutzen, die XXX Straße nach dem Passieren des letzten, mit einer Kettenabsperrung versehenen Pfostens in diagonaler Richtung im Laufschritt überqueren wollen, ohne dabei auf den herannahenden Pkw des Beklagten zu 1) zu achten. Obwohl der Beklagte zu 1), nachdem er die Absicht des Klägers erkannt hatte, unverzüglich eine Vollbremsung durchgeführt habe, sei der unmittelbar vor das Fahrzeug des Beklagten zu 1) laufende Kläger von der rechten Frontecke des Pkw erfasst worden. Unzutreffend sei, dass sich der Kläger vor der Kollision umgedreht habe, um zurück auf den Gehweg zu gelangen.

    Die Beklagten haben darüber hinaus behauptet, der Unfall wäre auch bei einer Annäherungsgeschwindigkeit von 50 km/h – die der Beklagte zu 1) auch eingehalten habe – unabwendbar gewesen. Auch die Verletzungen wären bei einem Aufprall mit geringerer Geschwindigkeit nicht weniger gravierend ausgefallen.

    Das Landgericht hat Beweis erhoben durch Beiziehung der Ermittlungsakte XXX StA W. sowie durch Einholung eines unfallanalytischen und eines verkehrsmedizinischen Sachverständigengutachtens.

    Das Landgericht hat die Beklagten sodann zur Zahlung eines Schmerzensgeldes von 8.750,- € verurteilt und festgestellt, dass sie unter Berücksichtigung eines mit drei Vierteln anzusetzenden Mitverschuldens des Klägers verpflichtet seien, diesem noch entstehende materielle und immaterielle Schäden zu ersetzen.

    In tatsächlicher Hinsicht hat das Landgericht dabei unter Bezugnahme auf die von ihm eingeholten Gutachten festgestellt, dass der Kläger versucht habe, dicht vor dem Pkw des Beklagten zu 1) die Fahrbahn zu überqueren, obwohl dieser für ihn erkennbar gewesen sei. Ihn treffe daher der Vorwurf grober Fahrlässigkeit. Dem Beklagten zu 1) sei – unabhängig von der Frage, ob der Kläger vor der Kollision noch eine Kehrtwendung vollzogen habe – eine verspätete oder fehlerhafte Reaktion nicht vorzuwerfen; der Beklagte zu 1) habe jedoch die höchstzulässige Geschwindigkeit von 50 km/h um 21 km/h überschritten. Es lasse sich zwar nicht nachweisen, dass der Beklagte zu 1) bei Einhaltung der höchstzulässigen Geschwindigkeit den Unfall hätte vermeiden können; dies gelte auch dann, wenn man davon ausgehe, dass der Kläger eine Kehrtwendung unternommen habe. Die Einhaltung der höchstzulässigen Geschwindigkeit von 50 km/h hätte jedoch zu einer erheblichen Verminderung der Kollisionsgeschwindigkeit geführt, so dass die Verletzungsfolgen deutlich abgemildert worden wären.

    Diese Umstände rechtfertigten eine Mithaftung des Klägers in Höhe von drei Vierteln und ein Schmerzensgeld von 8750,- €.

    Mit seiner form- und fristgerecht eingelegten und begründeten Berufung rügt der Kläger die vom Landgericht vorgenommene Bemessung des Schmerzensgeldes. Das klägerische Mitverschulden habe nicht quotenmäßig berücksichtigt werden dürfen; ihm komme ohnehin nur eine untergeordnete Bedeutung zu.

    Zum andern habe das Landgericht das Mitverschulden des Klägers zu stark gewichtet. Der Verursachungs- und Verschuldensbeitrag des Beklagten zu 1) sei nach den Feststellungen der Sachverständigen höher zu bewerten als derjenige des Klägers. Die Überschreitung der höchstzulässigen Geschwindigkeit stelle sich als grobe Fahrlässigkeit dar. Darüber hinaus müsse die Betriebsgefahr des vom Beklagten zu 1) gefahrenen Pkw berücksichtigt werden. Schließlich hätte das Landgericht beachten müssen, dass dem Beklagten zu 1) sogar eine alleinige Verantwortung zur Last zu legen wäre, wenn sich feststellen lassen würde, dass der Kläger vor der Kollision noch eine Kehrtwendung unternommen habe. Schließlich sei zu bedenken, dass bei Einhaltung der höchstzulässigen Geschwindigkeit sämtliche durch den Aufprall auf den Pfosten entstandenen Verletzungen vermieden worden wären.

    Der Kläger beantragt,
    unter Abänderung des am 03.11.2004 verkündeten Urteils des Landgerichts Wuppertal

    1.
    die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an ihn 30.000,- € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 27.09.2004 zu zahlen;

    2.
    festzustellen, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, dem Kläger unter Berücksichtigung eines Mitverschuldensanteils von einem Drittel sämtliche infolge des Unfalls vom 26.03.2001 auf der XXX Straße in W. entstandenen und künftig noch entstehenden materiellen Schäden sowie sämtliche künftig noch entstehenden immateriellen Schäden zu ersetzen, soweit die Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergegangen sind.

    Die Beklagten beantragen,
    die Berufung zurückzuweisen.

    Sie verteidigen die vom Landgericht vorgenommene Bemessung des Schmerzensgeldes und die Haftungsverteilung. Der Unfall sei auf das grob fahrlässige Verhalten des Klägers zurückzuführen, der beim Betreten der Fahrbahn nicht auf den fließenden Verkehr geachtet habe. Demgegenüber sei dem Beklagten zu 1) eine verspätete Reaktion oder ein grob fahrlässiges Fehlverhalten nicht vorzuwerfen. Damit komme eine Haftung der Beklagten über die vom Landgericht gebildete Quote von einem Viertel hinaus nicht in Betracht. Im Übrigen behaupten sie erneut, ein Umkehren des Klägers habe nicht stattgefunden.

    Die Ermittlungsakte XXX der Staatsanwaltschaft W. war beigezogen und Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

    Entscheidungsgründe:

    Die Berufung ist zulässig und teilweise begründet.

    I.

    Der Kläger hat gegen die Beklagten Anspruch auf Zahlung eines angemessenen Schmerzensgeldes in Höhe von insgesamt 18.000,- € sowie auf die Feststellung, dass die Beklagten ihm unter Berücksichtigung eines Mitverschuldensanteils von 60% - statt des vom Landgericht angenommenen Anteils von 75% - zum Ersatz der ihm entstandenen und künftig noch entstehenden materiellen Schäden sowie der künftig noch entstehenden immateriellen Schäden verpflichtet sind.

    Die Annahme des Landgerichts, dass die Beklagten dem Grunde nach zum Ersatz des dem Kläger aus dem Unfallereignis vom 26.03.2001 entstandenen materiellen und immateriellen Schadens verpflichtet seien, ist nicht zu beanstanden; gleiches gilt für seine Annahme, dass dem Kläger ein Mitverschulden an der Entstehung des Schadens zur Last fällt. Die die Beklagten treffende Haftungsquote hat das Landgericht nach Einschätzung des Senats mit nur einem Viertel jedoch zu gering bemessen; angemessen ist vielmehr eine Haftungsquote von 60 zu 40 zu Lasten des Klägers. Schließlich erscheint dem Senat auch das vom Landgericht ausgeurteilte Schmerzensgeld untersetzt; der Senat hält unter Berücksichtigung der vom Kläger erlittenen Verletzungen und der beiderseitigen Verursachungs- und Verschuldensbeiträge ein deutlich höheres, auf 18.000,- € zu bemessendes Schmerzensgeld für angemessen.

    II.

    Materielle Schäden:

    Der Kläger hat gegen die Beklagten Anspruch auf Ersatz von zwei Fünfteln der ihm aus dem Unfallereignis vom 26.03.2001 entstandenen und noch entstehenden materiellen Schäden.

    1.
    Die Beklagten sind dem Kläger dem Grunde nach zum Ersatz des ihm infolge des Unfalls vom 26.03.2001 entstandenen materiellen Schadens verpflichtet, weil dieser Schaden beim Betrieb des auf den Beklagten zu 1) zugelassenen, von ihm geführten und bei der Beklagten zu 2) haftpflichtversicherten Pkw XXX entstanden ist (§§ 7 Abs. 1, 18 Abs. 1 StVG a. F., 3 Nr. 1 PflVG). Die Behauptung der Unabwendbarkeit (§ 7 Abs. 2 StVG a. F.) halten die Beklagten im Berufungsverfahren nicht mehr aufrecht.

    2.
    Der Kläger muss sich jedoch, wie das Landgericht zu Recht angenommen hat, ein anspruchsminderndes Mitverschulden zurechnen lassen (§§ 254 Abs. 1 BGB, 9 StVG). Ihm fällt ein unfallursächliches Verschulden zur Last, da er die Vorschrift des § 25 Abs. 3 Satz 1 StVO missachtet hat.

    Hiernach müssen Fußgänger beim Überqueren der Fahrbahn, auf welcher der Fahrzeugverkehr grundsätzlich Vorrang hat, besondere Vorsicht walten lassen. Sie müssen außerhalb von nicht besonders vorgesehenen Überquerungsstellen auf den bevorrechtigten Verkehr Rücksicht nehmen und bei Annäherung eines Fahrzeuges warten. Der Fußgänger darf insbesondere nicht versuchen, noch kurz vor einem herannahenden Kraftfahrzeug die Fahrbahn zu überqueren (BGH NJW 2000, 3069 ff.). Diesen Anforderungen ist der Kläger in fahrlässiger Weise nicht gerecht geworden, indem er nach den insoweit unangefochtenen und für den Senat nach § 529 Abs. 1 ZPO bindenden landgerichtlichen Feststellungen kurz vor dem für ihn erkennbar herannahenden Pkw des Beklagten zu 1) versucht hat, die XXX Straße zu queren.

    3.
    Für die Bemessung der den Kläger treffenden Mithaftung sind die beiderseitigen Verursachungs- und Verschuldensbeiträge gegeneinander abzuwägen, wobei im Rahmen der Abwägung zu Lasten der Beteiligten nur solche Umstände zu berücksichtigen sind, die unstreitig oder bewiesen sind und die nachweislich für die Unfallfolgen kausal geworden sind.

    Diese Abwägung führt im Ergebnis und abweichend von der vom Landgericht vorgenommenen Haftungsverteilung dazu, dass der Kläger drei Fünftel seines materiellen Schadens selbst zu tragen hat.

    a)
    Den dem Kläger zur Last fallenden Verstoß gegen § 25 Abs. 3 Satz 1 StVO bewertet der Senat als schwerwiegend und gravierend, jedoch noch nicht als grob fahrlässig.

    Der Kläger hat – wie bereits ausgeführt – entgegen § 25 Abs. 3 Satz 1 StVO den Versuch unternommen, trotz des für ihn erkennbar von links herannahenden Pkw des Beklagten zu 1) die XXX Straße zu überqueren. Dies beruhte allerdings nicht etwa darauf, dass er etwa die überhöhte Annäherungsgeschwindigkeit des Pkw unterschätzt hätte; der Kläger hat es vielmehr unterlassen, unmittelbar vor dem Betreten der Fahrbahn überhaupt auf herannahende Kraftfahrzeuge zu achten. So will er nach seinem eigenen Vortrag in der Klageschrift ein Fahrzeug passieren lassen haben, behauptet jedoch selbst nicht, danach noch einmal auf den Kraftfahrzeugverkehr geachtet zu haben, obwohl andererseits die Beklagten ausdrücklich vorgetragen haben, er habe sich nicht über die Verkehrsvorgänge auf der XXX Straße informiert.

    Das dem Kläger zur Last zu legende Verschulden wird noch dadurch gesteigert, dass er zum Überqueren der XXX Straße nicht die Markierungen benutzt hat, die auf der Fahrbahn im Bereich der an der Einmündung der XXXstraße installierten Lichtzeichenanlagen angebracht sind. Die Benutzung der dort eingerichteten, vom Unfallort etwa 50 Meter entfernten Überquerungshilfen hätte das Risiko, von einem herannahenden Fahrzeugführer übersehen zu werden, erkennbar minimiert und wäre dem Kläger im Übrigen auch durchaus zumutbar gewesen.

    So hat der BGH entschieden, dass es ein Mitverschulden des Fußgängers begründen kann, wenn er einen in einer Entfernung von 39 bis 43 Metern entfernten Fußgängerüberweg nicht benutzt hat (BGH, NJW 2000, 3069 ff.). Im vorliegenden Fall verhält es sich nicht anders. Zwar betrug die Entfernung zwischen Fußgängerüberweg und späterer Unfallstelle hier etwa 50 Meter; zu berücksichtigen ist jedoch, dass der Kläger keinen Umweg gehen, sondern den Einmündungsbereich der XXXstraße auf dem Weg von seiner Wohnanschrift zur Bushaltestelle ohnehin passieren musste. Statt dessen begann der Kläger nach den auch insoweit nicht angegriffenen Feststellungen des unfallanalytischen Sachverständigen H. die Überquerung der XXX Straße an einer Stelle, an der er hieran zwar durch die im Bereich der Einmündung der XXXstraße und beiderseits der XXX Straße installierten Kettengeländer technisch nicht gehindert war, weil die Kettengeländer an der betreffenden Stelle durch eine Grundstückseinfahrt unterbrochen waren und im weiteren Straßenverlauf sogar fehlten, an der sich dem Kläger aber allein schon wegen der installierten Absperrungen die besondere Gefährlichkeit seines Handelns hätte erschließen müssen.

    Bei der Bewertung seines Mitverschuldensanteils außer Betracht zu bleiben hat demgegenüber, dass der Kläger möglicherweise beabsichtigte, die Fahrbahn diagonal zu überqueren.

    Allerdings geht der Senat davon aus, dass der Kläger entgegen seiner Darstellung die XXX Straße nicht auf kürzestem Weg quer zur Fahrtrichtung, sondern entgegen § 25 Abs. 3 Satz 1 StVO diagonal überqueren wollte. Dies ergibt sich daraus, dass der auf der südlichen Seite der XXX Straße befindliche Bürgersteig im Bereich der Unfallstelle bis zur Bushaltestelle hin durch das bereits erwähnte Kettengeländer von der Fahrbahn getrennt ist, so dass der Kläger zum Betreten des Gehwegs selbiges hätte übersteigen müssen. Die Annahme, dass er dies beabsichtigte, wäre lebensfremd; anzunehmen ist vielmehr, dass der Kläger schräg in Richtung der Bushaltestelle gehen wollte.

    Es steht jedoch – schon aufgrund fehlender Anhaltspunkte zum übrigen Bewegungsverhalten des Klägers – nicht fest, ob und in welcher Weise sich ein etwaiges diagonales Überqueren der Fahrbahn auf den Hergang des Unfalls oder die daraus entstehenden Folgen ausgewirkt hat.

    Unter Berücksichtigung der vorgenannten Erwägungen ist das Fehlverhalten des Klägers als gravierend, jedoch noch nicht als grob fahrlässig zu bewerten.

    Grobe Fahrlässigkeit liegt vor, wenn die verkehrserforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt wird, schon einfachste, ganz naheliegende Überlegungen nicht angestellt werden und das nicht beachtet wird, was im gegebenen Fall jedermann einleuchten müsste (Palandt/Heinrichs, BGB, 63. Aufl., § 277, Rn. 5). Schon das achtlose Betreten der Fahrbahn kann daher unter Umständen den Vorwurf der groben Fahrlässigkeit begründen (Hentschel, Straßenverkehrsrecht, 37. Aufl., § 25 StVO, Rn. 53). Im vorliegenden Fall muss jedoch trotz aller objektiv gegen den Kläger sprechenden Faktoren zu seinen Gunsten der von den Beklagten selbst vorgebrachte Umstand berücksichtigt werden, dass – wie dies in der Nähe von Bushaltestellen regelmäßig vorkommt – die Aufmerksamkeit des Klägers durch den die gegenüberliegende Haltestelle anfahrenden Linienbus abgelenkt worden sein mag, so dass er dem auf der XXX Straße herannahenden Verkehr nicht diejenige Beachtung schenkte, die an sich erforderlich gewesen wäre. Dies lässt es letztlich nicht gerechtfertigt erscheinen, sein Fehlverhalten als grob fahrlässig zu bewerten.

    b)
    Zu Lasten der Beklagten ist demgegenüber zum einen die Betriebsgefahr des vom Beklagten zu 1) geführten Pkw XXX zu berücksichtigen, die durch die vom Landgericht festgestellte und von den Beklagten in der Berufungsinstanz nicht mehr bestrittene Überschreitung der an der Unfallstelle höchstzulässigen Geschwindigkeit von 50 km/h um mindestens 21 km/h deutlich gesteigert war.

    Zum andern fällt auch dem Beklagten zu 1) ein in die Abwägung einzustellendes Verschulden zur Last, weil er mit der Überschreitung der an der Unfallstelle höchstzulässigen Geschwindigkeit fahrlässig gegen § 3 Abs. 3 Nr. 1 StVO verstoßen hat.

    Dieser Verstoß war ursächlich für einen Teil des dem Kläger entstandenen Schadens.

    (1) Allerdings hat das Landgericht festgestellt, dass die Kollision als solche auch bei Einhaltung der höchstzulässigen Geschwindigkeit von 50 km/h nicht räumlich oder zeitlich vermeidbar gewesen wäre. Diese – von den Parteien unbeanstandete – Feststellung ist für den Senat gemäß § 529 Abs. 1 ZPO bindend, weil keine konkreten Anhaltspunkte bestehen, die Zweifel an ihrer Richtigkeit oder Vollständigkeit begründen könnten.

    (aa) Der rechtliche Ursachenzusammenhang zwischen Geschwindigkeitsüberschreitung und Unfall ist zu bejahen, wenn bei Einhaltung der zulässigen Geschwindigkeit zum Zeitpunkt des Eintritts der kritischen Verkehrssituation der Unfall vermeidbar gewesen wäre. Die kritische Verkehrslage beginnt für einen Verkehrsteilnehmer dann, wenn die ihm erkennbare Verkehrssituation konkreten Anhalt dafür bietet, dass eine Gefahrensituation unmittelbar entstehen kann. Für einen bevorrechtigten Verkehrsteilnehmer ist dies in Bezug auf seinen Vorrang zwar nicht bereits der Fall, wenn nur die abstrakte, stets gegebene Gefahr eines Fehlverhaltens anderer besteht, vielmehr müssen erkennbare Umstände eine bevorstehende Verletzung seines Vorrechts nahe legen. Von Bedeutung sind hierbei neben der Verhaltensweise des Wartepflichtigen alle Umstände, die sich auf dessen Verhalten auswirken können, also auch die Fahrweise des Bevorrechtigten selbst. Gibt er dem Wartepflichtigen durch einen Verkehrsverstoß Anlass, die Wartepflicht - namentlich infolge einer Fehleinschätzung der Verkehrslage - zu verletzen, so kann die kritische Verkehrslage bereits vor der eigentlichen Vorrangsverletzung eintreten (BGH, NZV 2004, 21 ff.; Senatsurteil vom 30.06.2003, Az. 1 U 186/01).

    Unter diesen Voraussetzungen ist für den Eintritt der kritischen Verkehrslage auf den Zeitpunkt abzustellen, an dem der Kläger über den Bordstein hinweg vom Gehweg auf den am rechten Fahrbahnrand befindlichen Radfahrstreifen trat, da in diesem Moment für den Beklagten zu 1) konkret erkennbar wurde, dass eine Verletzung seines Vorrangs drohen könnte.

    Für einen früheren Eintritt der kritischen Verkehrslage sieht der Senat dagegen keine hinreichenden Anhaltspunkte. Dabei verkennt er nicht, dass der Beklagte zu 1) hier nicht etwa darauf vertrauen durfte, dass der Kläger nicht ohne Beachtung des Vorrangs des fließenden Verkehrs auf die Straße treten würde. Denn der Vertrauensgrundsatz kommt regelmäßig demjenigen nicht zugute, der sich selbst – wie der Beklagte zu 1) – über die Verkehrsregeln hinwegsetzt (vgl. BGH, NZV 2004, 21 ff.; Senatsurteil vom 30.06.2003, 1 U 186/01; Hentschel, Straßenverkehrsrecht, 37. Aufl., § 25 StVO, Rn. 39). Dennoch brauchte der Beklagte zu 1) bis zu dem Moment, als der Kläger den Bordstein überquerte, nicht ohne weitere Anhaltspunkte oder Auffälligkeiten damit zu rechnen, dass dieser den Gehweg ohne Beachtung des fließenden Verkehrs verlassen würde. Das Herantreten an den Bordstein stellte einen solchen Anhaltspunkt noch nicht dar, weil dies Voraussetzung für jedes Überqueren einer Fahrbahn ist und noch nicht auf eine drohende Missachtung des Vorrangs des fließenden Verkehrs hindeutet. Anders verhielte es sich dann, wenn der Kläger seinen Schritt bereits zuvor erkennbar beschleunigt hätte, so dass der Beklagte zu 1) deswegen ein achtloses Betreten der Fahrbahn hätte befürchten müssen. Es liegen jedoch keine Erkenntnisse darüber vor, ob der Kläger seine Gehgeschwindigkeit erhöht hat und ob – und vor allem wann – dies für den Beklagten zu 1) ggf. erkennbar war.

    (bb) Hiernach muss zugunsten des Beklagten zu 1) zugrunde gelegt werden, dass die kritische Verkehrslage, auf die bei der Prüfung der Ursächlichkeit abzustellen ist, nicht früher als 1 Sekunde vor der Kollision und damit zu einem Zeitpunkt eintrat, als der Pkw des Beklagten zu 1) nur noch etwa 20 Meter von dem späteren Kollisionsort entfernt war.

    Nach den Feststellungen des Sachverständigen H. ereignete sich die Kollision zwischen dem Kläger und dem Pkw des Beklagten zu 1) in einer Entfernung von etwa 1,5 Metern zum – durch den Bordstein gebildeten – Fahrbahnrand der XXX Straße, so dass der Kläger selbst bei nicht rechtwinkliger, sondern diagonal zur Fahrbahn verlaufender Gehrichtung vom Überschreiten des Bordsteins bis zur Kollision nicht mehr als 2 Meter zurückzulegen hatte. Diese Entfernung konnte der Kläger bei schnellem Gehen – hierfür hat der Sachverständige H. nachvollziehbar und von den Parteien unbeanstandet eine Gehgeschwindigkeit von 2 m/s angesetzt – ohne weiteres in der Zeit von 1 Sekunde zurücklegen; für eine deutlich langsamere Fortbewegung des Klägers, bei der die Reaktionsaufforderung zwangsläufig in größerem zeitlichen Abstand zur Kollision erfolgt wäre, liegen keine Anhaltspunkte vor.

    (cc) Ist folglich – jedenfalls zugunsten des Beklagten u 1) – davon auszugehen, dass zwischen dem Eintritt der kritischen Verkehrslage und der Kollision (nur) ein zeitlicher Abstand von 1 Sekunde lag und der Pkw des Beklagten zu 1) sich in einer Entfernung zum späteren Kollisionsort von 20 Metern befand, wie der Sachverständige H. aus der Annäherungsgeschwindigkeit von 71 km/h errechnet hat, wäre der Unfall als solcher bei Einhaltung einer Geschwindigkeit von 50 km/h weder räumlich noch zeitlich vermeidbar gewesen.

    Der Beklagte zu 1) hätte den von ihm geführten Pkw nicht vor der Kollisionsstelle zum Stehen bringen können (örtliche Vermeidbarkeit), weil er auch bei einer Geschwindigkeit von 50 km/h hierfür mehr als 20 Meter (nach den Feststellungen des Sachverständigen Harz 25,5 Meter) benötigt hätte.

    Es kann auch nicht angenommen werden, dass der Beklagte zu 1) den Kollisionsort erst erreicht hätte, nachdem der Kläger ihn schon wieder verlassen hatte. Zwar hätte der Beklagte zu 1) bei Einhaltung einer Geschwindigkeit von 50 km/h den Kollisionsort nach den Feststellungen des Sachverständigen H. etwa 0,5 Sekunden später erreicht. In diesem Zeitraum wäre es dem vom rechten Frontbereich des Pkw erfassten Kläger – unterstellt, er befand sich aus Sicht des Beklagten zu 1) in einer Bewegung nach links – bei einer Geh-/Laufgeschwindigkeit von 2 m/s oder weniger ersichtlich nicht möglich gewesen, den Profilraum des herannahenden Pkw aus Sicht des Beklagten zu 1) nach links hin zu verlassen; er hätte sich immer noch vor der Fahrzeugfront befunden. Anders könnte es sich verhalten, wenn der Kläger gelaufen wäre und sich folglich mit höherer Geschwindigkeit bewegt hätte. Hierfür finden sich jedoch keine hinreichenden Anhaltspunkte, es kann daher zuungunsten der Beklagten nicht unterstellt werden.

    Nichts anderes gälte auch dann, wenn sich der Kläger – wie er behauptet hat – vor der Kollision umgedreht und den Versuch einer Fluchtbewegung zurück auf den Bürgersteig – aus Sicht des Beklagten zu 1) also nach rechts hin – unternommen hätte. Mangels näherer Anhaltspunkte zum Bewegungsverhalten des Klägers lässt sich nicht zum Nachteil des Beklagten feststellen, dass es dem Kläger auf diese Weise gelungen wäre, sich innerhalb der ihm bei einer Annäherungsgeschwindigkeit des Pkw von 50 km/h zusätzlich zur Verfügung stehenden 0,5 Sekunden aus dem Gefahrenbereich hinauszubegeben.

    Im Übrigen hat das Landgericht aufgrund der unfallanalytischen und medizinischen Sachverständigengutachten festgestellt, dass sich eine solche "Kehrtwendung" des Klägers nicht nachweisen lasse, insbesondere auch nicht aufgrund der vom Kläger erlittenen Verletzungen. Diese Feststellung wird von den Parteien im Berufungsverfahren nicht mehr angegriffen; der Kläger nimmt sie mit der von ihm in seiner Berufungsbegründung gewählten Formulierung "wenn sich feststellen lassen würde, dass der Kläger ... sich unmittelbar vor der Kollision umgedreht habe", sogar hin. Auch der Senat sieht keine konkreten Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit dieser Feststellung (§ 529 Abs. 1 ZPO).

    (2)
    Der Senat hat allerdings erwogen, ob bei der Prüfung der Ursächlichkeit überhaupt auf die an der Unfallstelle höchstzulässige Geschwindigkeit von 50 km/h abgestellt werden kann, oder ob dieser vom Landgericht gewählte Ansatz schon deshalb nicht zutrifft, weil der Beklagte zu 1) im Hinblick auf besondere Umstände diese Geschwindigkeit nicht hätte ausnutzen dürfen, sondern sich mit einer geringeren Geschwindigkeit hätte begnügen müssen.

    Die innerorts zulässige Höchstgeschwindigkeit nach § 3 Abs. 3 Nr. 1 StVO gilt nach dem Wortlaut der genannten Vorschrift nur "unter günstigsten Umständen". Die Regelung des § 3 Abs. 3 StVO entbindet also nicht von der Beachtung der Grundregeln des § 3 Abs. 1 StVO, wonach die Geschwindigkeit insbesondere den Straßen-, Verkehrs- und Sichtverhältnissen anzupassen ist (vgl. auch Hentschel, aaO, § 3 StVO, Rn. 49).

    Für den vorliegenden Fall war daher zu berücksichtigen, dass sowohl der Fahrbahnverlauf als auch die Sichtverhältnisse eine angepasste Fahrweise erforderten. Wie sich aus den vom Sachverständigen Harz gefertigten Lichtbildern und aus dessen Gutachten ergibt, beschreibt die XXX Straße in Fahrtrichtung des Beklagten zu 1) zunächst eine Linkskurve, bevor sie über eine Kuppe hinwegführt und sodann mit einem Gefälle von 2-4% in einer Rechtskurve verläuft. Auch wenn die Unfallstelle nach den Ermittlungen des Sachverständigen bereits aus einer Entfernung von 100 Metern sichtbar war, war der Fahrbahnverlauf aus Sicht eines herannahenden Fahrzeugführers alles andere als übersichtlich und hätte dem Beklagten zu 1) Anlass geben müssen, seine Geschwindigkeit unter die höchstzulässige Geschwindigkeit von 50 km/h zurückzunehmen. Darüber hinaus waren auch die Sichtverhältnisse nicht optimal. Wie die Beklagten selbst vorgetragen haben, stellte sich der in Fahrtrichtung des Beklagten zu 1) hinter der Einmündung der Höhenstraße liegende Teil der XXX Straße nach dem Passieren des verhältnismäßig gut beleuchteten Einmündungsbereichs als "dunkel erscheinendes Loch" dar. Auch dies hätte den Beklagten zu 1) im Hinblick auf die mit dem Hineinfahren in einen schlechter beleuchteten Straßenabschnitt verbundenen Gefahren (verzögerte Hell-Dunkel-Adaptation) veranlassen müssen, seine Geschwindigkeit unter die Grenze von 50 km/h zu reduzieren.

    Schließlich befanden sich im Bereich der Unfallstelle beidseitig der XXX Straße Bushaltestellen, die für den herannahenden Beklagten zu 1) allein schon wegen der auf beiden Straßenseiten angelegten Haltebuchten und zudem linksseitig durch das Zeichen 224 der StVO und das Haltestellenhäuschen erkennbar waren. Zudem war ein Linienbus im Begriff, an der linksseitig gelegenen Haltestelle anzuhalten, so dass der Beklagte zu 1) zum Schutz der Fahrgäste und anderer im Haltestellenbereich befindlicher Fußgänger zu angepasster und besonders aufmerksamer Fahrweise verpflichtet war (vgl. § 20 Abs. 1 StVO). Im Bereich von Bushaltestellen ist nämlich allgemein mit einem erhöhten Fußgängeraufkommen zu rechnen, wobei herannahende Kraftfahrer einkalkulieren müssen, dass Fußgänger dem fließenden Verkehr nicht die an sich notwendige Aufmerksamkeit zukommen lassen (OLG Köln, VersR 2002, 998 f.; Hentschel, aaO, § 20 StVO, Rn. 7). Dies galt auch im Bereich der Unfallstelle, an der gerade auch zur Unfallzeit in Anbetracht der nahen Wohnbebauung mit potentiellen (berufstätigen) Fahrgästen zu rechnen war.

    Hiernach dürfte der Beklagte zu 1) verpflichtet gewesen sein, seine Geschwindigkeit unter die höchstzulässige Geschwindigkeit von 50 km/h herabzusetzen. Allerdings ändert dies nichts daran, dass der Senat auch unter dieser Voraussetzung nicht zu Lasten der Beklagten feststellen kann, dass der Beklagte zu 1) die Kollision als solche zeitlich oder örtlich hätte vermeiden können.

    Selbst wenn man den Beklagten zu 1) für verpflichtet halten wollte, seine Geschwindigkeit gegenüber der höchstzulässigen Geschwindigkeit um etwa 10% zu reduzieren und folglich eine Geschwindigkeit von etwa 45 km/h einzuhalten, hätte er die Kollision als solche örtlich nicht vermeiden können. Sein Anhalteweg, den der Senat mit Hilfe der üblichen Berechnungsformeln und unter Zugrundelegung einer Reaktionszeit von 0,8 Sekunden und der vom Sachverständigen H. angenommenen Bremsverzögerung von 6,7 m/s² selbst berechnen kann, hätte auch bei einer Geschwindigkeit um 45 km/h nicht unterhalb der Grenze von 20 Metern gelegen, die dem Beklagten zu 1) zum Anhalten zur Verfügung standen.

    Auch eine zeitliche Vermeidbarkeit lässt sich nicht feststellen. Zwar hätte der Beklagte zu 1) den Kollisionsort noch 0,16 Sekunden später erreicht, wenn er bei Eintritt der kritischen Verkehrslage 20 Meter vor der Kollision nicht 50 km/h, sondern nur etwa 45 km/h gefahren wäre. Ob dies jedoch dem Kläger genügt hätte, sich aus dem Gefahrenbereich zu entfernen, kann mangels näherer Anhaltspunkte zu seinem Bewegungsverhalten wiederum nicht festgestellt werden.

    Diese Vermeidbarkeitsbeurteilung gilt im Ergebnis auch für eine Annäherungsgeschwindigkeit in der Größenordnung zwischen 40 km/h und 45 km/h.

    (3)
    Ein für die Kollision als solche ursächliches Aufmerksamkeits- oder Reaktionsverschulden des Beklagten zu 1) lässt sich ebenfalls nicht feststellen.

    Entgegen der erstinstanzlich geäußerten, in der Berufungsinstanz allerdings nicht ausdrücklich wiederholten Behauptung des Klägers kann dem Beklagten zu 1) nicht vorgeworfen werden, verspätet reagiert bzw. zunächst keine Vollbremsung durchgeführt zu haben.

    Nach den Feststellungen des unfallanalytischen Sachverständigen Harz, die er aufgrund des am Unfallort gesicherten Spurenmaterials getroffen hat, hat der Beklagte zu 1) eine Vollbremsung eingeleitet und sich nicht etwa auf eine Teilbremsung beschränkt. Dies geschah auch nicht verspätet. Der Sachverständige H. hat festgestellt, dass die Spurzeichnung bereits 4 Meter vor dem Kollisionsort begann, und daraus geschlossen, dass der Beklagte zu 1) die Bremsung 0,2 Sekunden vor der Kollision begonnen haben müsse. Berücksichtigt man nunmehr, dass nach den voranstehenden Ausführungen zugunsten des Beklagten zu 1) anzunehmen ist, dass er erst 1 Sekunde vor der Kollision durch das Verhalten des Klägers zu einer Reaktion aufgefordert worden ist, wird deutlich, dass er innerhalb der ihm jedenfalls zuzubilligenden Reaktionszeit von 0,8 Sekunden mit der Einleitung der Bremsung reagiert hat.

    Auch auf das Unterlassen einer Ausweichlenkung kann ein Verschuldensvorwurf nicht gestützt werden.

    Dabei mag dahinstehen, ob durch ein Ausweichmanöver die Kollision überhaupt hätte vermieden oder ihre Folgen abgemildert werden können, das Unterlassen eines solchen Manövers also unfallursächlich war. Jedenfalls ist das Unterlassen einer Ausweichlenkung dem Beklagten zu 1) subjektiv nicht vorwerfbar.

    Dies folgt allerdings nicht schon daraus, dass der Beklagte zu 1) mittels eines Bremsmanövers tatsächlich und an sich rechtzeitig auf die Gefahrensituation reagiert hat. Zwar kann es einem Kraftfahrer unter Umständen nicht zum Vorwurf gereichen, wenn er in einer plötzlichen Gefahrenlage nicht die bestmögliche Reaktion zeigt. Dies gilt jedoch nur dann, wenn sich der Kraftfahrer in einer unverschuldeten Gefahrenlage befindet (BGH NJW 2004, 772 ff.; VersR 1988, 291), was hier schon wegen der Überschreitung der höchstzulässigen Geschwindigkeit nicht der Fall war. Den Beklagten zu 1) entlastet jedoch insoweit, dass es ihm innerhalb der gegebenen Reaktionszeit von nur 1 Sekunde schwerlich möglich war, die weitere Entwicklung der Gefahrensituation zu erfassen und vorherzusehen, ob eine Ausweichlenkung – sei es nach rechts, um den weitergehenden bzw. –laufenden Fußgänger rechts zu passieren, sei es nach links, um den ggf. stehenbleibenden oder sich umwendenden Fußgänger links zu passieren – größere Aussicht auf Erfolg haben könnte als eine sofortige Vollbremsung unter Beibehaltung der Fahrtrichtung. Hierfür wäre es erforderlich gewesen, nicht nur die eigene Fahrgeschwindigkeit zu realisieren, sondern auch das Bewegungsverhalten des Fußgängers zu erfassen. Dies konnte der Beklagte zu 1) innerhalb des Zeitraums von 1 Sekunde nicht leisten.

    (4)
    Der Umstand, dass die Ursächlichkeit des dem Beklagten anzulastenden Verschuldens für die Kollision als solche nicht feststeht, führt allerdings nicht dazu, dass der ursächliche Zusammenhang zwischen Verkehrsverstoß und eingetretenem Schaden vollständig entfiele.

    Ein solcher Zusammenhang besteht schon dann, wenn feststeht, dass der Schaden bei Hinwegdenken des Verkehrsverstoßes zwar nicht vollständig entfallen, aber in geringerem Umfang eingetreten wäre (vgl. etwa BGH, NZV 2004, 187 ff.; NJW 2002, 2324 ff.; NJW 2000, 3069 ff.; Hentschel, Straßenverkehrsrecht, 37. Aufl., Einleitung, Rn. 102). So verhält es sich hier.

    Das Landgericht hat festgestellt, dass die Verletzungsfolgen bei Einhaltung der höchstzulässigen Geschwindigkeit von 50 km/h deutlich abgemildert worden wären. Dies nehmen die Beklagten hin; auch der Senat sieht keinen Anlass, diese auf den unfallanalytischen und medizinischen Sachverständigengutachten beruhenden Feststellungen anzuzweifeln.

    So hat der medizinische Sachverständige ausgeführt, er halte es aus seiner rechtsmedizinischen Erfahrung heraus für wahrscheinlich, dass bei einer Verringerung der Kollisionsgeschwindigkeit – bei Einhaltung einer Ausgangsgeschwindigkeit von 50 km/h ergäbe sich statt einer Kollisionsgeschwindigkeit von 66 km/h eine solche im Bereich von 32 km/h – die Verletzungen des Klägers deutlich abgemildert worden wären. Andererseits könne das Maß der Verminderung der Verletzungen nicht exakt angegeben werden. Auch bei geringeren Kollisionsgeschwindigkeiten könnten schwere Schädel-Hirn-Verletzungen bei Fußgängern verursacht werden; auch Unterschenkelverletzungen könnten schon bei geringen Kollisionsgeschwindigkeiten im Bereich von 30 km/h auftreten, es sei lediglich "möglich", dass der Bruch nicht offen und daher weniger kompliziert gewesen wäre.

    Nach den Feststellungen des unfallanalytischen Sachverständigen wäre jedoch der Kläger bei Einhaltung einer Geschwindigkeit von 50 km/h durch den Beklagten zu 1) nicht gegen den Pfahl des Kettengeländers geprallt, so dass die auf diesem Aufprall beruhenden Kopf- und Gesichtsverletzungen – der medizinische Sachverständige nennt hier insbesondere den Bruch des Schädeldaches im Bereich des rechten Schläfenbeins und die Mittelgesichtsfrakturen – nicht eingetreten wären. Der Senat geht daher mit dem Landgericht und dem medizinischen Sachverständigen davon aus, dass der Kläger bei einer geringeren Kollisionsgeschwindigkeit weder die schweren Gesichtverletzungen noch den Bruch des Schädeldaches im Bereich des rechten Schläfenbeines erlitten hätte und demnach auch die hierauf beruhenden Folgen entfallen wären. Anders verhält es sich dagegen mit den übrigen Kopfverletzungen (etwa dem Schädelbasisbruch), den Verletzungen im Brustbereich und der Unterschenkelverletzung, bei denen sich auch nach Überzeugung des Senats nicht feststellen lässt, dass sie bei einer geringeren Geschwindigkeit entfallen wären.

    c)
    Die Abwägung der beiderseitigen Verursachungs- und Verschuldensbeiträge führt dazu, dass der Beitrag des Klägers denjenigen des Beklagten zu 1) überwiegt, so dass eine Mithaftung von drei Fünfteln gerechtfertigt erscheint.

    Einerseits stellt sich der Verkehrsverstoß des Klägers – wie ausgeführt – als gravierendes Fehlverhalten dar. Andererseits gilt für die unfallursächliche Geschwindigkeitsüberschreitung des Beklagten zu 1) nichts anderes.

    Ungeachtet des Umstandes, ob der Beklagte zu 1) die höchstzulässige Geschwindigkeit von 50 km/h überhaupt ausschöpfen durfte, hat er sie um immerhin 21 km/h = 42% überschritten. Dies geschah nicht etwa auf freier, übersichtlicher Strecke, sondern innerorts und bei Dunkelheit; schon dies lässt auch den Verkehrsverstoß des Beklagten zu 1) als vergleichsweise schwerwiegend erscheinen. Die an der Unfallstelle und zur Unfallzeit herrschenden Straßen- und Sichtverhältnisse – der kurvige, über eine Kuppe führende Fahrbahnverlauf, die unterschiedliche Straßenbeleuchtung und die Tatsache, dass sich an beiden Straßenseiten Bushaltestellen befanden, von denen die an der südlichen Seite der XXX Straße gelegene gerade von einem Linienbus angefahren wurde – erforderten darüber hinaus, wie bereits oben erörtert, eine besonders zurückhaltende und vorsichtige Fahrweise. Unter diesen Umständen stellt sich die Geschwindigkeitsüberschreitung durch den Beklagten zu 1) als erheblicher Verkehrsverstoß dar, dem im Rahmen der gebotenen Abwägung gesteigerte Bedeutung zukommt.

    Unter Abwägung aller vorab erörterten Gesichtspunkte wird die Quotelung des Landgerichts – drei Viertel zu Lasten des Klägers – den beiderseitigen Verursachungs- und Verschuldensbeiträgen nicht vollständig gerecht. Einerseits hat die Rechtsprechung in Fällen, in denen ein Fußgänger bei Dunkelheit unmittelbar vor einem Kfz auf die Fahrbahn tritt, dessen überwiegende oder sogar seine Alleinhaftung angenommen (vgl. Grüneberg, Haftungsquoten bei Verkehrsunfällen, 8. Aufl., Rn. 413); dies muss insbesondere dann gelten, wenn sich der Verkehrsverstoß des Fußgängers – wie hier – als besonders gravierend darstellt. Andererseits kann eine Überschreitung der höchstzulässigen Geschwindigkeit, der wie im vorliegenden Fall besonderes Gewicht zukommt, zu einer überwiegenden Haftung des Kfz-Führers bzw. des Halters führen (Grüneberg, aaO, Rn. 429, 433).

    Im vorliegenden Falle ist zudem bei der Bewertung der beiderseitigen Verursachungsbeiträge zu bedenken, dass verkehrsgerechtes Verhalten des Klägers den Unfall vermieden hätte, normgerechtes Verhalten des Beklagten zu 1) dagegen nur zu einer Verminderung der eingetretenen Verletzungen geführt, nicht aber die Kollision als solche vermieden hätte. Während die durch die Betriebsgefahr des Pkw des Beklagten zu 1) begründete Haftung der Beklagten hierdurch nicht eingeschränkt wird, weil der Betrieb des Pkw insgesamt unfallursächlich geworden ist (vgl. Wussow/Baur, Unfallhaftpflichtrecht, 15. Aufl., Kapitel 17, Rn. 38), ist das den Verursachungs- und Verschuldensbeitrag erhöhende Verschulden des Beklagten zu 1) bei der gebotenen Abwägung nicht mit seinem vollen Gewicht zu berücksichtigen, sondern nur insoweit, als es sich nachweislich auf die Unfallfolgen ausgewirkt hat. Dies jedoch lässt sich – wie bereits ausgeführt – nur für einen Teil der Kopf- und Gesichtsverletzungen und der auf ihnen beruhenden Folgen, nicht jedoch für alle übrigen und insbesondere auch nicht für die vom Kläger erlittene Unterschenkelfraktur bejahen, da letztere und ein Teil der Kopfverletzungen möglicherweise auch bei Einhaltung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit eingetreten wären.

    Ob sich – worauf der Kläger in seiner Berufungsbegründung abstellt – ein anderes Ergebnis ergäbe, wenn andere Feststellungen zur Vermeidbarkeit getroffen werden könnten, mag dahinstehen, da diese Feststellungen eben nicht getroffen und daher auch nicht zu Lasten der Beklagten berücksichtigt werden können.

    Der nach den einzelnen Verletzungsfolgen zu differenzierende Verursachungsbeitrag des Beklagten zu 1) wirkt sich allerdings nicht in der Weise aus, dass die Beklagten für die Folgen der unterschiedlichen Verletzungen auch in unterschiedlichem Umfang haften würden. Vielmehr hält es der Senat für angezeigt, im Rahmen der Abwägung zwar den Umstand zu berücksichtigen, dass sich das Verschulden des Beklagten zu 1) in differenzierter Weise ausgewirkt hat, dennoch aber eine einheitliche Haftungsquote zu bilden. Der Bundesgerichtshof hat in Fällen, in denen das Mitverschulden des Geschädigten aufgrund unterlassenen Anlegens des Sicherheitsgurtes zu bemessen war, entschieden, dass auch dann, wenn sich dieses Mitverschulden auf verschiedene Verletzungen unterschiedlich ausgewirkt hat, eine einheitliche Mitverschuldensquote zu bilden ist (BGH, NJW 1980, 2125 ff.; NJW 1981, 287 ff.). Im vorliegenden Fall hat sich zwar nicht das Mitverschulden des Geschädigten, sondern der Verschuldensbeitrag des Schädigers unterschiedlich ausgewirkt; nach Auffassung des Senats sind beide Fallgestaltungen jedoch durchaus vergleichbar, so dass der Senat keinen Anlass sieht, die zitierte Rechtsprechung des BGH nicht auf den vorliegenden Fall zu übertragen.

    Berücksichtigt man dementsprechend die je nach Verletzung unterschiedlichen Auswirkungen des Verschuldensbeitrages des Klägers, so wird deutlich, dass zwar wesentliche Teile der Verletzungen und ihrer Folgen auf das Verschulden des Beklagten zu 1) zurückzuführen sind, andererseits jedoch maßgebliche Teile zwar durch den Betrieb des Pkw, nicht jedoch vom Verschulden des Beklagten zu 1) verursacht worden sind. Hierzu zählen insbesondere die Unterschenkelverletzung mit ihren Folgen (vor allem Bewegungseinschränkungen und Verkürzung des Beins), die – offenbar ausgeheilten – Verletzungen im Brustbereich sowie der Schädelbasisbruch mit Gehirnblutung, die nach den Ausführungen des medizinischen Sachverständigen auch bei einem Aufprall mit geringerer Kollisionsgeschwindigkeit entstanden sein könnten.

    Unter Berücksichtigung sämtlicher vorab dargestellten Umstände ist der Senat der Auffassung, dass der Verursachungs- und Verschuldensbeitrag des Klägers denjenigen des Beklagten zu 1) überwiegt, andererseits jedoch selbiger nicht so gering zu bewerten ist, dass dem Kläger eine Mitverschuldensquote von drei Vierteln aufzuerlegen wäre. Angemessen erscheint hiernach vielmehr eine Haftungsverteilung von drei Fünfteln zu zwei Fünfteln zu Lasten des Klägers.

    III.

    Immaterielle Schäden:

    Nach den voranstehenden Ausführungen sind die Beklagten dem Kläger auch zum Ersatz der ihm entstandenen immateriellen Schäden verpflichtet, weil die Verletzungen und gesundheitlichen Beeinträchtigungen des Klägers (teilweise) auf schuldhaftes Verhalten des Beklagten zu 1) zurückzuführen sind (§§ 823 Abs. 1 BGB, 3 Nr. 1 PflVG).

    1.
    Der Kläger hat dementsprechend nach § 847 BGB a. F. Anspruch auf Zahlung eines Schmerzensgeldes, welches der Senat – von der Bemessung des Landgerichts abweichend – mit 18.000,- € ansetzt. Insoweit ist die Rüge des Klägers, das ihm zuerkannte Schmerzensgeld sei untersetzt, gerechtfertigt.

    Dabei verkennt der Senat nicht, dass die Bestimmung des Schmerzensgeldes dem Ermessen des erstinstanzlichen Gerichts unterliegt und das Berufungsgericht nicht ohne weiteres berechtigt ist, sein Ermessen an die Stelle der Bestimmung der Vorinstanz zu setzen. Dies ist ihm vielmehr nur dann erlaubt, wenn dem erstinstanzlichen Gericht Rechtsfehler bei der Ausübung des Ermessens unterlaufen sind, etwa weil sich die Vorinstanz nicht mit allen in Betracht kommenden Umständen auseinandergesetzt hat oder sich nicht nachvollziehbar an vergleichbaren Entscheidungen anderer Gerichte orientiert hat (vgl. OLG Hamm, NZV 2003, 584 f.; Senatsurteil vom 06.06.2005, Az. I - 1 U 218/04; Wussow/Kürschner, Unfallhaftpflichtrecht, 3. Aufl., Kapitel 54, Rn. 35/36 m.w.N.).

    Vorliegend muss schon die von der landgerichtlichen Würdigung abweichende Bewertung des Mitverschuldensanteils des Klägers zu einer Neubemessung des Schmerzensgeldes führen.

    Bei der Bemessung der Höhe des nach § 847 BGB a. F. geschuldeten angemessenen Schmerzensgeldes ist grundsätzlich die Doppelfunktion des Anspruchs zu berücksichtigen. Er soll dem Geschädigten einen angemessenen Ausgleich für die erlittenen immateriellen Schäden sowie die Genugtuung für das erlittene Unrecht verschaffen. Dabei steht bei Straßenverkehrsunfällen die Ausgleichsfunktion des Schmerzensgeldes im Vordergrund. Der für einen Ausgleich erforderliche Geldbetrag hängt in erster Linie von der Schwere der Verletzungen, dem Ausmaß, der Heftigkeit und Dauer der Schmerzen, Leiden, Entstellungen und sonstigen Beschwernisse, dem Alter des Verletzten, der Dauer der stationären Behandlung und der Arbeitsunfähigkeit, der Unübersehbarkeit des weiteren Krankheitsverlaufs und der Fraglichkeit der endgültigen Heilung sowie dem Grad der Verursachungs- und Verschuldensbeiträge ab (BGH, NJW 1998, 2741ff.; Senatsurteile vom 13.12.2004, I -1 U 62/04, vom 07.01.2002, 1 U 71/01, und vom 18.02.2002, 1 U 90/01; st. Rspr.).

    Unter diesen Voraussetzungen und unter Berücksichtigung von Entscheidungen anderer Gerichte erscheint das dem Kläger vom Landgericht zuerkannte Schmerzensgeld untersetzt.

    So haben verschiedene Gerichte für Schädel-Hirn-Traumata, die mit Gesichtsverletzungen und weiteren Frakturen verbunden waren und – wie hier – nicht unerhebliche Spätfolgen mit sich brachten, Beträge von 45.000,- € zuerkannt. Hinzuweisen ist insoweit auf die Entscheidungen des OLG Hamm, VersR 2001, 1257 (vgl. Hacks/Ring/ Böhm, Schmerzensgeldbeträge, 23. Aufl., Nr. 2719), des OLG Koblenz vom 24.06.1991, Az. 12 U 237/90 (Hacks/Ring/Böhm, aaO, Nr. 2721), des OLG Naumburg vom 13.11.2003, Az. 4 U 136/03 (Hacks/Ring/Böhm, aaO, Nr. 2724) und des OLG Schleswig vom 11.11.1992, Az. 9 U 11/92 (Hacks/Ring/ Böhm, aaO, Nr. 2728). Teilweise wurden in ähnlich liegenden Fällen sogar Beträge von 50.000,- € für angemessen erachtet (vgl. etwa OLG Nürnberg, Urteil vom 25.10.2002, Az. 6 U 2114/02 (Hacks/Ring/Böhm aaO, Nr. 2761) und OLG Oldenburg, DAR 1991, 302 (Hacks/Ring/Böhm aaO, Nr. 2762)).

    Unter Berücksichtigung dieser Entscheidungen muss dem Kläger ein höherer als der vom Landgericht für angemessen erachtete Schmerzensgeldbetrag zuerkannt werden; dieser Betrag ist auf 18.000,- € zu bemessen.

    Hierbei waren zunächst die vom Kläger erlittenen, erheblichen unmittelbaren Verletzungen im Kopf- und Gesichtsbereich zu berücksichtigen, wobei allerdings zu bedenken war, dass sich der Verschuldensbeitrag des Beklagten zu 1) – wie bereits ausgeführt – hinsichtlich eines Teils der Verletzungen nicht ursächlich ausgewirkt hat. Bei der Bemessung des allein auf dem Verschuldensvorwurf beruhenden Schmerzensgeldanspruchs mussten diese Verletzungen und ihre Folgen also außer Betracht bleiben (vgl. Wussow/Baur, aaO, Kapitel 17, Rn. 38). Für die Bemessung des Schmerzensgeldes konnte der Senat daher nur auf die Gesichtsverletzungen und die Verletzungen des Schädeldaches im Bereich des Schläfenbeins abstellen, die ohne das schuldhafte Verhalten des Beklagten zu 1) nicht entstanden wären; die übrigen Kopfverletzungen hatten demgegenüber bei der Bemessung des Schmerzensgeldes ebenso außer Betracht zu bleiben wie die Unterschenkelverletzung.

    Ferner waren insbesondere zu bedenken die Dauer der stationären Behandlung (insgesamt 56 Tage, davon 14 Tage künstliches Koma), das noch verhältnismäßig geringe Alter des Klägers (zum Unfallzeitpunkt 34 Jahre), die auf das Verschulden des Beklagten zu 1) zurückzuführenden weiteren Verletzungsfolgen (etwa die nach den unangefochtenen tatbestandlichen Feststellungen des Landgerichts auf die Gesichtsverletzungen zurückzuführende leichte Augenmuskellähmung, Gesichtsnervlähmung mit Tränenträufeln und Speichelfluss sowie Geruchs-, Geschmacks- und Gefühlsstörung im Bereich des rechten Oberkiefers, und die hiernach auf den Bruch des Schädeldachs zurückzuführende zentral vegetative Störung mit migräneartigen Kopfschmerzen), die Notwendigkeit verschiedener Rehabilitationsmaßnahmen und die verbleibende Erwerbsminderung sowie schließlich auch das Gewicht des beiderseitigen Verschuldens, soweit es sich auf die Unfallfolgen ausgewirkt hat.

    Unter Berücksichtigung sämtlicher Umstände erscheint dem Senat ein Schmerzensgeld in Höhe von 18.000,- € angemessen, aber auch ausreichend, um sowohl der Ausgleichs- als auch der Genugtuungsfunktion gerecht zu werden.

    2.
    Schließlich hat der Kläger hiernach gemäß § 847 BGB a. F. Anspruch auf Ersatz der ihm künftig noch entstehenden immateriellen Schäden, wobei insoweit anspruchsmindernd ein mit drei Fünfteln zu berücksichtigendes Mitverschulden zu berücksichtigen sein wird, § 254 BGB.

    IV.

    1.
    Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 92 Abs. 1, 97 Abs. 1, 708 Nr. 10 und 713 ZPO.

    2.
    Der Streitwert für die 1. Instanz wird unter Abänderung der im landgerichtlichen Urteil vorgenommenen Streitwertfestsetzung wie folgt festgesetzt:

    - für die Zeit bis zum 26.09.2004 auf 48.000,- € (Zahlungsantrag 13.000,- €, Feststellungsantrag materielle Schäden 20.000,- €, Feststellungsantrag immaterielle Schäden 15.000,- €)
    - für die Zeit ab dem 27.09.2004 auf 70.000,- € (Zahlungsantrag 45.000,- €, Feststellungsantrag materielle Schäden 20.000,- €, Feststellungsantrag immaterielle Schäden 5.000,- €).

    Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird unter Abänderung des Streitwertbeschlusses vom 04.03.2005 wie folgt festgesetzt:
    - Zahlungsantrag: 30.000,- € abzüglich 8.750,- € = 21.250,- €
    - Feststellungsantrag materielle Schäden (2/3): 13.333,33 € abzüglich 5.000,- € = 8.333,33 €
    - Feststellungsantrag immaterielle Schäden (2/3): 3.333,33 € abzüglich 1.250,- € = 2.083,33 €
    - insgesamt folglich: 31.667,- €

    3.
    Die Beschwer des Klägers beträgt 18.667,- €, diejenige der Beklagten 13.000,- €.

    4.
    Zur Zulassung der Revision besteht kein Anlass, weil die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO nicht gegeben sind.