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  • 13.04.2012 · IWW-Abrufnummer 121118

    Landgericht Saarbrücken: Urteil vom 09.03.2012 – 13 S 51/11

    Wird ein Schadensersatzanspruch aus einem Verkehrsunfall, der sich nach ausländischem (hier: französischem) Sachrecht richtet, als Direktanspruch gegen den ausländischen Haftpflichtversicherer vor einem deutschen Gericht geltend gemacht, ist § 287 ZPO bei der Bemessung des Schadens anwendbar.


    13 S 51/11
    9 C 174/10 Amtsgericht St. Ingbert
    verkündet am 09.03.2012

    LANDGERICHT SAARBRÜCKEN

    URTEIL

    Im Namen des Volkes

    In dem Rechtsstreit XXX
    hat die 13. Zivilkammer des Landgerichts Saarbrücken
    auf die mündliche Verhandlung vom 02.03.2012
    durch den Präsidenten des Landgerichts ..., den Richter am Landgericht ... und den Richter am Landgericht ...
    für R e c h t erkannt:

    1. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Amtsgerichts St. Ingbert vom 14.02.2011 – 9 C 174/10 (10) – unter Abweisung der Klage im Übrigen abgeändert und die Beklagte verurteilt, an den Kläger 1.433,- € nebst Zinsen aus diesem Betrag in nachfolgend bestimmter Hohe zu zahlen: 3,79 % in der Zeit vom 11.12.2009 bis 31.12.2009, 0,65 % vom 01.01.2010 bis 31.12.2010, 0,38 % vom 01.01.2011 bis 31.12.2011 und 0,71 % seit dem 01.01.2012. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
    2. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.
    3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
    4. Die Revision wird nicht zugelassen.

    Gründe

    I.

    Der Kläger begehrt von der Beklagten, einem französischen Kfz-Haftpflichtversicherer, restlichen Schadensersatz aus einem Verkehrsunfall, der sich am ... in .../Frankreich ereignet hat.

    Bei dem Verkehrsunfall wurde das damals 11 Jahre alte Fahrzeug des Klägers, ein Opel Astra Caravan Comfort 2.0 D 16 V, der zum Unfallzeitpunkt eine Laufleistung von 225.000 km hatte, von einem in Frankreich zugelassenen und bei der Beklagten versicherten Lkw beschädigt. Der Kläger veräußerte den Wagen nach dem Unfall als Schrottfahrzeug für 100,- €. In der Zeit zwischen dem 19.02.2010 und dem 26.02.2010 nahm der Kläger einen Mietwagen in Anspruch. Die Beklagte, deren Einstandspflicht zwischen den Parteien nicht im Streit steht, hat zur Abgeltung sämtlicher Schäden pauschal 800,- € gezahlt.

    Der Kläger hat erstinstanzlich behauptet, sein Fahrzeug sei bei dem Unfall so schwer beschädigt worden, dass ein Totalschaden eingetreten sei. Ausgehend davon, dass das Fahrzeug im Unfallzeitpunkt einen Wiederbeschaffungswert von 2.100,- € gehabt habe, ergebe sich unter Berücksichtigung des Fahrzeugrestwertes von 100,- € und der außergerichtlichen Zahlung der Beklagten von 800,- € ein noch zu zahlender Betrag von 1.200,- € für den eingetretenen Sachschaden. Zur Ausübung seines Berufs habe er bis zur Anschaffung eines neuen Pkw den Mietwagen in Anspruch nehmen müssen, wofür er 233,- € aufgewendet habe. Der Kläger hat Ersatz dieser Positionen sowie einer Kostenpauschale von 25,- €, mithin insgesamt 1.458,- € nebst Prozesszinsen und Freistellung von außergerichtlichen Anwaltskosten gegenüber der Beklagten geltend gemacht.

    Die Beklagte hat vorgetragen, dass eine Schadensermittlung anhand der heute noch verfügbaren Informationen nicht mehr möglich sei. Der Kläger habe es versäumt, Anknüpfungstatsachen vorzutragen, aus denen sich der behauptete Schaden nachvollziehbar berechnen lasse. Ihn treffe aber nach französischem Recht die Darlegungs- und Beweislast hinsichtlich des geltend gemachten Schadens.

    Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen. Soweit der Kläger Nutzungsentschädigung beanspruche, sei die Klage bereits unschlüssig. Nach Vorlage der Mietwagenrechnung stehe keinerlei Zusammenhang zwischen dem Unfallgeschehen und einem Anschaffungsdatum für einen Ersatz-Pkw fest. Wenn der Kläger zur Ausübung seines Berufs direkt nach dem Unfall einen Ersatzwagen gebraucht hätte, wäre eine Anmietung zeitlich nachfolgend zum Unfalldatum nachvollziehbar gewesen, nicht jedoch eine Anmietung einige Monate später. Im Übrigen könne der Schaden am klägerischen Pkw nachträglich nicht mehr berechnet werden. Die vorgelegten Lichtbilder seien zur Schadensermittlung ungeeignet. Der Kläger übersehe auch, dass er nach französischem Recht verpflichtet sei, den Schaden unter Beweis zu stellen. Sei aber ein Fahrzeug verschrottet, sei dies nur möglich, wenn zuvor ein Schadensgutachten eingeholt worden sei oder aber aussagekräftige Lichtbilder vorlägen, und zwar bezüglich des gesamten Fahrzeuges, die einem Sachverständigen eine Einschätzung nachträglich ermöglichten.

    Mit seiner Berufung verfolgt der Kläger seine Ansprüche aus der Klage weiter. Er meint, das Gericht habe die Klage – soweit Nutzungsentschädigung begehrt werde - nicht als teilweise unschlüssig abweisen dürfen, da ein entsprechender gerichtlicher Hinweis nicht erfolgt sei. Der Kläger hält daran fest, dass er wegen eines erlittenen Totalschadens gehalten gewesen sei, sich ein Ersatzfahrzeug zu besorgen. Deshalb habe er einen Neuwagen bestellt, dessen Auslieferung werkseitig verbindlich erst auf Anfang März 2010 habe festgelegt werden können. In Ausübung seiner Schadensminderungspflicht habe er vom Unfallzeitpunkt bis zur Auslieferung des Ersatzwagens das seiner Ehefrau gehörende Fahrzeug zur eigenen Berufsausübung genutzt. Lediglich im Zeitraum vom 19.02. bis 26.02.2010 habe ihm dieses Fahrzeug nicht zur Verfügung gestanden. Der Kläger meint im Übrigen, dass das Amtsgericht rechtsfehlerhaft die angebotenen Beweise zur Feststellung des Sachschadens an seinem Pkw nicht eingeholt habe. Schließlich habe das Amtsgericht vergessen, über die Kostenpauschale zu entscheiden.

    Die Beklagte verteidigt die Entscheidung des Amtsgerichts und macht im Wege der Widerklage gegen den Kläger einen Anspruch auf Herausgabe der bereits gezahlten 800,- € geltend. Nach den Feststellungen des Amtsgerichts habe kein Rechtsgrund zur Vereinnahmung dieses Betrages bestanden. Sie vertritt die Auffassung, dass sich nicht nur die Darlegungs- und Beweislast vorliegend nach französischem Recht richte, sondern auch die Frage, unter welchen prozessualen Voraussetzungen ein Beweis erbracht sei.

    Die Kammer hat ein Rechtsgutachten nach französischem Recht zu den Fragen eingeholt, ob dem Kläger aus dem Verkehrsunfall ein weiterer Anspruch auf Schadensersatz wegen Beschädigung seines Fahrzeuges in Höhe von 1.200,- € und ein Anspruch auf Ersatz von Mietwagenkosten in Höhe von 233,- € für die Zeit vom 19.02.2010 bis zum 26.02.2010 zusteht. Sie hat im Übrigen Beweis erhoben durch Einholung eines technischen Sachverständigengutachtens über die Höhe des Wiederbeschaffungswertes und des Restwertes des klägerischen Fahrzeugs sowie den unfallbedingten Reparaturaufwand. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Gutachten des ... vom 19.12.2011 (Bl. 153 ff d.A.) und das Sachverständigengutachten des ... vom 02.12.2011 (Bl. 133 ff d.A.) Bezug genommen.

    II.

    A.

    Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig und überwiegend begründet. Das angefochtene Urteil beruht auf einer Rechtsverletzung und die nach § 529 ZPO zugrunde zu legenden Tatsachen rechtfertigen eine andere als die getroffene Entscheidung.

    1. Im Ausgangspunkt zutreffend – wenn auch unausgesprochen – hat das Amtsgericht die internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte, die in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen zu prüfen ist (vgl. BGHZ 153, 82, 84; Urteil vom 16.10.2008 – III ZR 253/07, NJW 2009, 148 mwN.), bejaht. Ist der Anwendungsbereich der EuGVVO – wie hier – eröffnet, kann der Geschädigte eines Verkehrsunfalls, der seinen Wohnsitz in einem Mitgliedstaat hat, nach Art. 9 Abs. 1 b iVm. Art. 11 Abs. 2 EuGVVO vor dem Gericht seines Wohnsitzes eine Klage unmittelbar gegen den Haftpflichtversicherer des Schädigers erheben, sofern eine solche unmittelbare Klage zulässig ist und der Versicherer seinen Wohnsitz im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaates hat (vgl. EuGH, Urteil vom 13.12.2007 – Rs. C-463/06, Slg. 2007, I-11321 = NJW 2008, 819; BGHZ 176, 276). Danach besteht für den Kläger an seinem inländischen Wohnsitz in Deutschland ein Gerichtsstand für die Direktklage gegen die Beklagte. Denn ihm steht als Geschädigter eines Verkehrsunfalls nach Art. 3 der 4. Kraftfahrzeughaftpflicht-Richtlinie in den Mitgliedstaaten der Europäischen Union, also auch in Frankreich, ein Direktanspruch gegen den Haftpflichtversicherer des Schädigers zu (vgl. BGH, Urteil vom 07.12.2010 – VI ZR 48/10, VersR 2011, 774; Palandt/Thorn, BGB, 71. Aufl., Art. 18 Rom II Rn. 3).

    2. Das Amtsgericht hat indes zu Unrecht die Klage abgewiesen. Entgegen der Auffassung des Amtsgerichts steht dem Kläger gegen die Beklagte ein Anspruch auf weiteren Schadensersatz in Höhe von 1.433,- € zu.

    a) Die materiell-rechtlichen Voraussetzungen dieses Anspruchs bestimmen sich nach französischem Recht. Das folgt aus Art. 4 Abs. 1 i.V.m. Art. 18 der Verordnung (EG) Nr. 864/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates über das auf außervertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht, Rom II-VO. Nach Art. 4 Abs. 1 Rom II-VO ist auf ein außervertragliches Schuldverhältnis aus unerlaubter Handlung das Recht des Staates anzuwenden, in dem der Schaden eintritt, unabhängig davon, in welchem Staat das schadensbegründende Ereignis oder indirekte Schadensfolgen eingetreten sind. Die Regelung findet im Streitfall Anwendung, da es sich um einen Anspruch aus einem Verkehrsunfall handelt (vgl. dazu nur Palandt/Thorn aaO Art. 4 Rom II Rn. 18), der nach dem 11.01.2009 entstanden ist (vgl. Art. 32 Rom II-VO). Nach Art. 4 Abs. 1 Rom II-VO ist bei Straßenverkehrsunfällen auf das Sachrecht des Tatortes, also den Unfallort abzustellen (vgl. nur Palandt/Thorn aaO). Dieser liegt aber in Frankreich.

    b) Aus dem zum Zweck der Ermittlung des materiellen französischen Rechts gemäß § 293 ZPO eingeholten Rechtsgutachten des ... ergibt sich, dass dem Geschädigten eines Verkehrsunfalls nach französischem Recht bei einem wirtschaftlichen Totalschaden (Reparaturkosten übersteigen den Wiederbeschaffungswert des Fahrzeugs) grundsätzlich Anspruch auf Ersatz des Wiederbeschaffungswertes zusteht. Behält der Geschädigte das Fahrzeug, muss er sich allerdings dessen Restwert anrechnen lassen (Art. 1382 ff Code civil, Rechtsgutachten S. 7 ff, Bl. 139 ff d.A.). Die Kammer hat keine Bedenken, den eingehenden und in jeder Hinsicht nachvollziehbaren Ausführungen des Sachverständigen in seinem Rechtsgutachten zu folgen, denen auch die Parteien nicht entgegengetreten sind. Ausgehend von den nicht angegriffenen Feststellungen des technischen Sachverständigen ..., der einen Wiederbeschaffungswert des klägerischen Fahrzeugs von 2.100,- € bei voraussichtlichen Reparaturkosten von 5.286,43 € brutto ermittelt hat, liegt im Streitfall ein wirtschaftlicher Totalschaden vor, der den Kläger grundsätzlich zum Ersatz des Wiederbeschaffungswertes berechtigt. Nachdem der Kläger das Fahrzeug behalten bzw. dessen Restwert realisiert hat, muss er sich jedoch den Restwert des Fahrzeugs hierauf anrechnen lassen. Den vom Kläger angesetzten Restwert in Höhe von 100,- € hat der technische Sachverständige dabei nachvollziehbar und von den Parteien unbeanstandet bestätigt.

    c) Dem Kläger steht nach französischem Recht auch ein Anspruch auf Ersatz von Mietwagenkosten für die Zeit vom 19.02.2010 bis zum 26.02.2010 zu. Nach den Ausführungen des Sachverständigen ... ist im französischen Recht anerkannt, dass der Geschädigte ein Ersatzfahrzeug anmieten kann und Schadensersatz in Höhe der tatsächlich entstandenen Mietkosten erhält, unabhängig davon, ob der das Fahrzeug zu beruflichen oder privaten Zwecken nutzt. Solange eine kausale Beziehung zwischen dem Unfallereignis und dem eingetretenen Schaden besteht, was der Sachverständige vorliegend nach französischem Recht bejaht, ist es unschädlich, dass ein Ersatzwagen erst mehrere Wochen nach dem Unfallereignis angemietet wird (Rechtsgutachten S. 15, 16, Bl. 147, 148 d.A.).

    d) Dem Schadensersatzanspruch des Klägers steht nicht entgegen, dass der Kläger die nach französischem Recht zu beachtenden Verfahrensregeln bei der Geltendmachung von Schäden aus Verkehrsunfällen missachtet hat.

    aa) Wie der Sachverständige – auch insoweit unbeanstandet – ausgeführt hat, kann dem Kläger nicht vorgehalten werden, dass er das Unfallfahrzeug eigenmächtig verkauft hat, ohne dem Versicherer zuvor Gelegenheit gegeben zu haben, den Schaden zu evaluieren (Verletzung des sog. Kontradiktionsgrundsatzes). Nach den überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen dient das insoweit nach französischem Recht einzuhaltende Verfahren lediglich dem Schutz des Geschädigten, sieht aber keine Sanktionen zulasten des Geschädigten bei dessen Verletzung vor (Rechtsgutachten S. 12, Bl. 144 d.A.).

    bb) Der Ersatzanspruch des Klägers ist auch nicht wegen Missachtung des Verfahrens zur Abwicklung wirtschaftlicher Totalschäden beschränkt (sog. véhicule écono-miquement irréparable – V.E.I.-Verfahren). Denn nach der einleuchtenden Darstellung des Sachverständigen ist es ausschließliches Ziel des V.E.I.-Verfahrens, die Sicherheit des Straßenverkehrs zu erhöhen und den Handel mit gestohlenen Kraftfahrzeugen und Zulassungen einzudämmen (Rechtsgutachten S. 13, Bl. 145 d.A.).

    e) Der Kläger hat den Kfz-Schaden in dieser Höhe auch zur Überzeugung des Gerichts gemäß § 287 ZPO nachgewiesen.

    aa) Während in Rechtsprechung und Literatur weitgehend anerkannt ist, dass sich die Darlegungs- und Beweislast nach ausländischem Sachrecht (lex causae) bestimmen, mithin im Streitfall nach französischem Recht (vgl. BGHZ 3, 342, 346; Urteil vom 27.04.1977 – VIII ZR 184/75, WM 1977, 793; BGHZ 122, 373; OLG Stuttgart, OLG-Report 2000, 399; Geimer, IZPR, 6. Aufl., Rn. 2340; Schack, Internationales Zivilverfahrensrecht, 5. Aufl., Rn. 752), ist in Rechtsprechung und Literatur umstritten, welches Recht das Beweismaß bestimmt, also die Frage, unter welchen Umständen eine Tatsache als bewiesen anzusehen ist. Teilweise wird in der Rechtsprechung und Literatur vertreten, dass auch insoweit auf das ausländische Recht abzustellen ist. Begründet wird dies vor allem mit den materiell-rechtlichen Wirkungen der Regeln zum Beweismaß (vgl. LG Hanau, Urteil vom 09.06.2011 – 4 O 28/09, juris zu § 287 ZPO; Coester-Waltjen, Internationales Beweisrecht, Rn. 358 ff, 362 ff; vgl. auch die Nachweise bei Schack aaO Rn. 775 Fn. 5).

    bb) Die Kammer vermag sich dieser Auffassung nicht anzuschließen. Sie folgt vielmehr der überwiegenden Meinung in Rechtsprechung und Literatur, wonach sich das Beweismaß nach den Regeln des deutschen Zivilprozessrechts als dem Recht am Ort des angerufenen Gerichts (lex fori) richtet (vgl. BGH, Urteil vom 27.04.1977 aaO zu § 286 ZPO; OLG Koblenz, IPRax 1994, 302, 303 zu § 286 ZPO; OLG Hamm, FamRZ 1987, 1307, 1308; Schack aaO Rn. 776; Nagel/Gottwald, Internationales Zivilprozessrecht, 6. Aufl., § 9 Rn. 51; differenzierend Geimer aaO Rn. 2334 ff). Die Vorzugswürdigkeit dieser Auffassung lässt sich allerdings – anders als teilweise in der Literatur vertreten – weniger mit praktischen Erwägungen begründen (so aber Geimer aaO Rn. 2337 zu § 287 ZPO; Schack aaO Rn. 776). Vielmehr ergibt sich aus der Rechtsnatur der Regeln zum Beweismaß die Anwendbarkeit der lex fori. Anders als die Regeln zur Darlegungs- und Beweislast, die materielle Rechtssätze darstellen (vgl. BGHZ 3, 342, 346; Urteil vom 27.04.1977 aaO; Stein/Jonas/Leipold, ZPO, 22. Aufl., § 286 Rn. 79; Rosenberg/Schwab/Gottwald, Zivilprozessrecht, 17. Aufl., § 115 Rn. 34), handelt es sich bei den Vorschriften, die das Beweismaß regeln, um Normen des Verfahrensrechts. Wie der Bundesgerichtshof in seiner Entscheidung vom 27.04.1977 aaO ausgeführt hat, ist die Beweismaßregel des § 286 ZPO als Norm des Prozessrechts auch dann anwendbar, wenn sich die sachlich-rechtlichen Beziehungen und damit die Frage der Darlegungs- und Beweislast nach ausländischem Recht richten. Der Bundesgerichtshof wendet daher folgerichtig auch § 287 ZPO in Fällen an, in denen – wie hier - ausländisches Sachrecht zu beachten ist (vgl. BGH, Urteil vom 24.03.1987 – VI ZR 112/86, VersR 1987, 818).

    cc) Nach § 287 Abs. 1 ZPO reicht für die richterliche Überzeugung eine überwiegende, allerdings auf gesicherter Grundlage beruhende Wahrscheinlichkeit eines Schadens aus (BGHZ 159, 254, 257; Prütting/Gehrlein/Laumen, ZPO, 3. Aufl., § 287 Rn. 17). Deshalb darf eine Klage solange nicht abgewiesen werden, wie greifbare Anhaltspunkte für eine Schadensschätzung vorhanden sind (vgl. BGH, Urteil vom 01.02.2000 – X ZR 222/98, NJW-RR 2000, 1340; Prütting/Gehrlein/Laumen aaO Rn. 18). Insbesondere hat das Gericht zu prüfen, ob sich nicht zumindest anhand der gegebenen Tatsachen ein Mindestschaden schätzen lässt (vgl. BGH aaO). Ausgehend hiervon liegen im Streitfall genügend Anhaltspunkte vor, die eine Schadensschätzung durch die Kammer ermöglichen. Der Kläger hat den Unfallhergang wie auch die vermeintlichen Schäden im Einzelnen dargestellt. Das beschädigte Fahrzeug ist durch die Vorlage des Kaufvertrages, die Zulassung, die – unstreitige - Laufleistung und die zur Akte gelangten Fotografien der Polizei hinreichend beschrieben, was sich nicht zuletzt in dem Umstand ausdrückt, dass der technische Sachverständige dadurch in die Lage versetzt wurde, eine nachvollziehbare und plausible Schadensermittlung durchzuführen. Der technische Sachverständige hat auch dem Einwand der Beklagten, bei dem Fahrzeug habe es sich um ein älteres Fahrzeug mit hoher Laufleistung gehandelt, bereits Rechnung getragen, indem er bei seiner Wertermittlung entsprechende Abschläge vorgenommen hat (S. 4 des Gutachtens, Bl. 156 d.A.). Wenn die Beklagte darüber hinausgehend behauptet, bei dem Fahrzeug hätten notwendigerweise Alt- oder Vorschäden vorgelegen, so handelt es sich dabei um eine ins Blaue hinein aufgestellte Behauptung. Anhaltspunkte für eine solche Annahme liegen – auch in Anbetracht des entgegenstehenden Vortrags des Klägers – nicht vor, so dass es auch insoweit keiner weiteren Beweiserhebung bedarf.

    f) Danach ergibt sich folgende Schadensabrechnung:
    Wiederbeschaffungswert abzüglich Restwert (2.100,- ./. 100,- €): 2.000,00 €
    Mietwagenkosten: 233,00 €
    Gesamt: 2.233,00 €
    abzüglich gezahlter 800,00 €
    noch zu zahlen: 1.433,00 €

    3. Eine Unkostenpauschale, wie sie im deutschen Recht als Schadensposition anerkannt ist, kann der Kläger nicht verlangen, da diese - wie vom Kläger zuletzt eingeräumt - nach französischem Recht nicht geschuldet ist (vgl. nur Neidhart, Unfall im Ausland, Band 2: West-Europa, 2007, „Frankreich“ Rn. 87;

    4. Dem Kläger steht auch kein Anspruch auf Freistellung von außergerichtlichen Anwaltskosten als Nebenforderung zu. Den Ersatz außergerichtlicher Anwaltskosten sieht das französische Recht unstreitig nicht vor (vgl. nur Neidhart aaO Rn. 25; Backu/Wendenburg, DAR 2006, 541, 545).
    5. Der Kläger kann allerdings Zinsen auf den ausgeurteilten Betrag in Höhe der gesetzlichen Zinsen nach französischem Recht verlangen, wobei die Verzinsung ab dem Unfallzeitpunkt vorzunehmen war (vgl. Cour de Cassation, chambre civile 2, 20.06.1990, Nr. 89-10347; Neidhart aaO Rn. 85). Die Höhe des Zinssatzes folgt aus den décrets no. 2009 – 138 vom 09.02.2009, no. 2010 – 127 vom 10.02.2010, no. 2011 – 137 vom 01.02.2011 und no. 2012 – 182 vom 07.02.2012.

    B.

    1. Die von der Beklagten erstmals in der Berufung erhobene Widerklage ist zulässig, aber unbegründet.

    a) Die internationale Zuständigkeit des Landgerichts Saarbrücken ist gegeben. Dabei kann dahinstehen, ob sich die internationale Zuständigkeit aus Art. 6 Nr. 3 EuGVVO ergibt, wonach eine Person, die ihren Wohnsitz im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats hat, auch vor dem Gericht verklagt werden kann, bei dem die Klage selbst anhängig ist, wenn es sich um eine Widerklage handelt, die auf denselben Vertrag oder Sachverhalt wie die Klage selbst gestützt ist. Denn die internationale Zuständigkeit für die Widerklage ist jedenfalls nach dem allgemeinen Gerichtsstand des Art. 2 Abs. 1 EuGVVO begründet. Danach kann eine Person, die – wie der Kläger – ihren Wohnsitz im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats der Verordnung hat, ohne Rücksicht auf ihre Staatsangehörigkeit vor den Gerichten dieses Mitgliedstaats verklagt werden. Auf die Voraussetzungen des Art. 6 Nr. 3 EuGVVO kommt es in diesen Fällen nicht an (vgl. nur Kropholler, Europäisches Zivilprozessrecht, 8. Aufl., Art. 6 EuGVVO Rn. 39; Geimer/Schütze, Europäisches Zivilverfahrensrecht, 3. Aufl., Art. 6 EuGVVO Rn. 58 f.).

    b) Auch die weiteren Zulässigkeitsvoraussetzungen der Widerklage in der Berufung sind gegeben. Eine wirksame Anschlussberufung nach § 524 ZPO (vgl. dazu Prütting/Gehrlein/Oberheim aaO § 533 Rn. 29 mwN.) und die besonderen Prozessvoraussetzungen der §§ 33, 533 ZPO liegen vor. Insbesondere ist die Widerklage geeignet, einen weiteren Prozess zu vermeiden, also auch in der Berufung sachdienlich (vgl. Prütting/Gehrlein/Oberheim aaO m.w.N.), und die Tatsachen, auf die sie gestützt wird, hat die Kammer ihrer Verhandlung und Entscheidung ohnehin nach § 529 ZPO zugrunde zu legen (§ 533 Nr. 2 ZPO), weil die maßgebliche Tatsache einer außergerichtlichen Zahlung der Beklagten an den Kläger unstreitig ist (vgl. dazu Prütting/Gehrlein/Oberheim aaO mwN.). Auf die streitige Frage, wie die Reichweite der Regelungen der EuGVVO im Hinblick auf die weiteren, im deutschen Prozessrecht bestimmten Zulässigkeitsvoraussetzungen einer Widerklage ist, kommt es danach nicht an (vgl. dazu Kropholler aaO Rn. 40; Geimer/Schütze aaO Rn. 60; MünchKomm-ZPO/Gottwald, 3. Aufl., Art. 6 EuGVVO Rn. 22; Stürner, IPRax 2007, 21, 22).

    2. Ob die Beklagte zur Herausgabe der bereits gezahlten 800,- € berechtigt ist, richtet sich nach französischem Recht. Das folgt aus Art. 10 Abs. 1 Rom II-VO. Ansprüche aus ungerechtfertigter Bereicherung beurteilen sich danach – vorbehaltlich einer anderen Rechtswahl – nach dem Recht, das für ein zwischen den Parteien geltendes Rechtsverhältnis – wie eine unerlaubte Handlung – Anwendung findet. Da für die Beziehungen der Parteien aus dem Verkehrsunfall – wie gezeigt – französisches Sachrecht Anwendung findet, gilt dies auch für den hier geltend gemachten Anspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung (vgl. nur Palandt/Thorn aaO Art. 10 Rom II Rn. 7). Im Hinblick auf die Feststellungen zur Klage ist ein entsprechender Anspruch der Beklagten auf Herausgabe aber nicht gegeben.

    III.

    Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit findet ihre Grundlage in §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO i.V.m. § 26 Nr. 8 EGZPO.
    Die Revision ist nicht zuzulassen. Die Rechtssache erlangt keine grundsätzliche über den konkreten Einzelfall hinausgehende Bedeutung und die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordert nicht die Entscheidung des Revisionsgerichts (§ 543 Abs. 2 ZPO).