17.01.2013 · IWW-Abrufnummer 130156
Landgericht Saarbrücken: Urteil vom 12.10.2012 – 13 S 100/12
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
13 S 100/12
Amtsgericht Saarbrücken
122 C 508/11 (14)
verkündet am 12.10.2012
LANDGERICHT SAARBRÜCKEN
URTEIL
Im Namen des Volkes
In dem Rechtsstreit XXX
hat die 13. Zivilkammer des Landgerichts Saarbrücken
auf die mündliche Verhandlung vom 5.10.2012
durch den Präsidenten des Landgerichts ..., den Richter am Landgericht ... und den Richter am Landgericht ...
für R e c h t erkannt:
I. Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Amtsgerichts Saarbrücken vom 18.5.2012 – Az. 122 C 508/11 (14) – wird auf seine Kosten zurückgewiesen.
II. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
I.
Die Klägerin verlangt von dem Beklagten Rückzahlung von 1.950,40 €, die sie an den Beklagten als Ersatzleistung für Schäden aus einem Unfallgeschehen ausgezahlt hat, das sich am ... in ... ereignet hat und an dem neben dem Beklagten auch die Versicherungsnehmerin der Klägerin, die Zeugin ..., beteiligt war. Zu dem Unfall war es anlässlich eines Wendemanövers des Beklagten auf der Fahrbahn im Kreuzungsbereich der ... und ... Straße gekommen.
Die Klägerin hatte außergerichtlich aufgrund der Unfallschilderungen der beiden Unfallbeteiligten und des Zeugen ..., des Beifahrers des Beklagten, eine Haftungsteilung angenommen. Dies teilte sie mit Schreiben vom 22.9.2012 dem Beklagten mit und rechnete auf dieser Grundlage den Schaden im Schreiben vom 28.9.2012 ab.
In der damaligen Unfallschilderung des Zeugen ... ist ausgeführt, dass der Beklagte zwar mit seinem Fahrzeug gewendet hatte, aber danach an der Kreuzung gestanden und nach Setzen des Fahrtrichtungsanzeigers links sowie nach Versicherung nach rechts (in Richtung des vorfahrtsberechtigten Verkehrs) in die Kreuzung eingefahren sei, wodurch es mit dem Fahrzeug der Zeugin ... zur Kollision kam.
Im Haftpflichtprozess, den der Beklagte gegen die Klägerin auf Zahlung restlichen Schadensersatzes vor dem Amtsgericht Saarbrücken (Az. 37 C 681/10) erhoben hatte, relativierte der Zeuge ... seine Aussage und gab an, der Beklagte habe allenfalls für den Blick nach rechts angehalten, das Wendemanöver sei ein natürlicher einheitlicher Wendevorgang gewesen und es sei keine typische „Rechts-vor-links-Situation“ gewesen. Der Beklagte selbst hatte in seiner dortigen Vernehmung angegeben, nicht angehalten zu haben. Das erkennende Gericht wies die Klage des hiesigen Beklagten ab mit der Begründung, dieser habe aufgrund des grob fahrlässigen Verhaltens für den Unfall allein zu haften.
Die Klägerin hat vorgetragen, sie habe durch die Zahlung kein Anerkenntnis abgegeben. Im Übrigen sei sie aufgrund der unrichtigen Schilderung des Unfalls durch den Beklagten zu Unrecht von einer teilweisen Einstandspflicht ausgegangen.
Der Beklagte ist dem entgegengetreten. Er meint, die Entscheidung des Erstgerichts sei für den hiesigen Prozess nicht bindend. Überdies ist er der Ansicht, die Klägerin habe ein vorbehaltloses deklaratorisches Schuldanerkenntnis abgegeben und sei deshalb an einer Rückforderung gehindert.
Das Erstgericht, auf dessen Feststellungen ergänzend Bezug genommen wird, hat den Beklagten antragsgemäß auf Zahlung von 1.950,40 € nebst gesetzlichen Zinsen verurteilt. Zur Begründung hat es ausgeführt, ein Anerkenntnis habe die Klägerin nicht abgegeben, so dass sie den Betrag zurückfordern könne. Im Übrigen sei es ebenfalls der Auffassung, dass der Beklagte gegen seine Sorgfaltspflichten nach § 9 Abs. 5 StVO verstoßen und daher für die Unfallfolgen allein einzustehen habe.
Mit seiner Berufung verfolgt der Beklagte seinen Klageabweisungsantrag weiter.
II.
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung hat keinen Erfolg. Zu Recht hat das Erstgericht einen Rückforderungsanspruch der Klägerin aus Bereicherungsrecht (§ 812 Abs. 1 Satz 1 BGB) bejaht. Dem steht insbesondere nicht entgegen, dass die Klägerin den Unfallschaden des Beklagten vorprozessual auf hälftiger Basis reguliert hatte. Ein Schuldanerkenntnis liegt hierin umständehalber nicht.
1. Ob in einer Äußerung eine schuldanerkennende Erklärung liegt und welche Rechtswirkungen von dieser ausgehen, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab. So liegt ein konstitutives Schuldanerkenntnis im Sinne des § 781 BGB vor, wenn der Anerkennende unabhängig vom Schuldgrund eine neue selbstständige Verpflichtung schaffen will, die auch dann ihre Rechtswirksamkeit bewahren soll, wenn der ursprüngliche Anspruch nicht besteht (vgl. BGH, Urteil vom 04.04.2000 – XI ZR 152/99, NJW 2000, 2984; Saarländisches Oberlandesgericht, NJW 2011, 1820 ff; Palandt/Sprau, BGB, 70. Aufl., § 781 Rn. 2). Bei einem deklaratorischen Schuldanerkenntnis will der Anerkennende dagegen eine bereits bestehende Schuld lediglich bestätigen oder in einem bestehenden Schuldverhältnis einzelne Einwendungen dem Streit oder der Ungewissheit entziehen (vgl. BGH, Urteile vom 01.12.1994 - VII ZR 215/93, NJW 1995, 960, vom 10.6.2008, XI ZR 348/07, NJW 2008, 3425; Saarländisches Oberlandesgericht aaO).
2. Ein konstitutives (abstraktes) Schuldanerkenntnis liegt hier nicht vor, weil nicht erkennbar ist, dass die Klägerin mit ihrer Erklärung, sie gehe von einer Haftungsteilung aus, eine selbstständige Verpflichtung begründen wollte. Vielmehr ist davon auszugehen, dass sie ihre Erklärung gerade im Hinblick auf ihr Versicherungsverhältnis mit dem Halter und der Fahrerin des Unfallfahrzeuges, der Zeugin ..., abgegeben hat. Die Erklärung erfolgte daher nicht losgelöst von einem Rechtsgrund, d.h. von den wirtschaftlichen und rechtlichen Zusammenhängen, sondern gerade mit Bezug auf einen solchen (vgl. BGH, Urteil vom 19.11.2008 – IV ZR 293/05, VersR 2009, 106).
3. Aber auch die Annahme eines deklaratorischen Schuldanerkenntnisses kommt vorliegend nicht in Betracht.
a) Durch ein vertraglich bestätigendes (deklaratorisches) Schuldanerkenntnis wollen die Parteien einen bestehenden oder zumindest für möglich gehaltenen Anspruch ganz oder teilweise dem Streit oder der Ungewissheit entziehen und diesen (insoweit) endgültig festzulegen (vgl. BGHZ 66, 250, 253 f.; BGH, Urteile vom 3. Juni 2008 – XI ZR 239/07, ZIP 2008, 1373; vom 1. Dezember 1994 – VII ZR 215/93, MDR 1995, 244, und vom 11. Juli 1995 – X ZR 42/93, ZIP 1995, 1420-1422). In dieser Festlegung besteht der rechtsgeschäftliche Gehalt des Schuldbestätigungsvertrags; der Vertrag wirkt insoweit regelnd auf die Rechtsbeziehungen der Parteien ein, als er die Verwirklichung einer Forderung von möglicherweise bestehenden Einwendungen (oder Einreden) befreit oder sogar ein möglicherweise noch nicht bestehendes Schuldverhältnis begründet, indem nämlich ein nur "möglicherweise" bestehendes Schuldverhältnis "bestätigt" wird.
b) Der Wille der Parteien, eine derart weitgehende rechtliche Wirkung herbeizuführen, kann, wenn dies nicht ausdrücklich erklärt worden ist, nur unter engen Voraussetzungen angenommen werden (vgl. BGH, Urteil vom 3. Juni 2008 aaO; Urteil vom 27. Januar 1988 – IVb ZR 82/86, WM 1988, 794, 795). Der erklärte Wille der Beteiligten muss die mit einem deklaratorischen Schuldanerkenntnis verbundenen Rechtsfolgen tragen. Das setzt insbesondere voraus, dass diese Rechtsfolgen der Interessenlage der Beteiligten, dem mit der Erklärung erkennbar verfolgten Zweck und der allgemeinen Verkehrsauffassung über die Bedeutung eines solchen Anerkenntnisses entsprechen. Die Annahme eines deklaratorischen Schuldanerkenntnisses ist danach nur gerechtfertigt, wenn die Beteiligten dafür unter den konkreten Umständen einen besonderen Anlass hatten, weil zuvor Streit oder zumindest eine (subjektive) Ungewissheit über das Bestehen der Schuld oder über einzelne rechtliche Punkte herrschte (vgl. BGHZ 66, 250, 253 f.; BGH, Urteil vom 3. Juni 2008 aaO).
c) Nach Maßgabe dieser Grundsätze fehlt es hier an einer vertraglichen Schuldbestätigung. Allerdings liegt in einer von einem Haftpflichtversicherer erteilten Regulierungszusage regelmäßig ein deklaratorisches Anerkenntnis gegenüber dem Gesch ädigten (vgl. BGH, Urteil vom 19.11.2008 aaO; Kammerurteil vom 15.6.2012 – 13 S 25/12; Geigel/Bacher, Der Haftpflichtprozess, 26. Aufl., Kap. 38 Rn. 12). Dies gilt insbesondere, wenn eine Haftpflichtversicherung eine Teilzahlung auf eine Schadensersatzforderung erbringt, obwohl zuvor Streit oder zumindest eine (subjektive) Ungewissheit über das Bestehen der Schuld oder über einzelne rechtliche Punkte herrscht, und gleichzeitig in einem Regulierungsschreiben erklärt, sie erkenne ihre Haftung dem Grunde nach ganz oder zum Teil an (vgl. KG, VersR 1999, 504; OLG Koblenz, Urteil vom 10. Juli 2006 – 12 U 449/05, juris; Kammer, Urteil vom 21.10.2011 – 13 S 117/11, NJW-RR 2012, 159; vgl. auch BGHZ 66, 250, 253 f.; BGH, Urteile vom 11.07.1995 aaO; vom 11.01.2007 – VII ZR 165/05, NJW-RR 2007, 530 und vom 03.06.2008 aaO).
d) Der vorliegende Fall liegt indes anders. Zwar hat auch hier die Klägerin auf den Unfallschaden des Beklagten eine Teilzahlung erbracht. Dem Regulierungsschreiben vom 28.9.2010 lässt sich indes aus der insofern maßgeblichen Sicht des Erklärungsempfängers ebenso wenig wie dem vorausgehenden Schreiben vom 22.9.2010 ein rechtsgeschäftlicher Wille entnehmen, auf Einwendungen hinsichtlich der Haftungsquote verzichten zu wollen. Eine ausdrückliche Erklärung, die Haftung dem Grunde nach ganz oder teilweise anzuerkennen, hat die Klägerin nicht abgegeben. Soweit die Klägerin erklärt hat, sie gehe von einer Mithaftung von 50% aus, lässt sich hieraus auch kein stillschweigendes Anerkenntnis entnehmen. Denn aus der für den Geschädigten erkennbaren Interessenlage des Versicherers ergibt sich kein Beweggrund, einen vorbehaltlosen Einwendungsverzicht zu erklären, ohne hiervon einen Vorteil zu erlangen. Ein solcher kann beispielsweise darin bestehen, dass mit dem Einwendungsverzicht der Streit oder die Unsicherheit über die Höhe der Haftung endgültig ausgeräumt wird. Dies mag der Fall sein, wenn die volle Einstandspflicht des Schuldners für den Schaden bei der Regulierung eingeräumt wird (vgl. OLG Koblenz, Urteil vom 10. Juli 2006 – 12 U 449/05, juris; vgl. auch OLG Frankfurt OLGR 2009, 362) oder die Parteien auf der Basis einer zugrunde gelegten Teilhaftung einvernehmlich abrechnen. Widerspricht der Geschädigte indes – wie hier – der Einschätzung des Schädigers zur Höhe der Haftung, droht eine weitere (gerichtliche) Auseinandersetzung über den Umfang der Haftung. Der Streit um die Haftungshöhe ist durch ein Anerkenntnis daher gerade nicht (endgültig) entzogen; vielmehr hätte ein solches Teilanerkenntnis nur
zur Folge, dass eine Mindesthaftung des Schädigers festgestellt wird. Hierfür ist auf Seiten des Schädigers indes regelmäßig kein Interesse erkennbar.
Da sich auch aus den sonstigen Umständen oder Erklärungen kein Hinweis darauf ergibt, dass ein Einwendungsverzicht des Versicherers gewollt war, liegt in der bloßen Regulierung des Versicherers auf der Grundlage einer von ihm angenommenen Haftungsquote kein stillschweigendes Anerkenntnis einer Mindesthaftung (vgl. OLG Koblenz aaO; LG Hildesheim, Schaden-Praxis 2002, 125; a.A. offenbar KG VersR 1999, 504).
4. Soweit das Amtsgericht im Übrigen den Anspruch der Klägerin als gegeben angesehen hat, hat der Angriff der Berufung ebenfalls keinen Erfolg. Dass der Beklagte den Unfall in einem engen zeitlichen und örtlichen Zusammenhang mit seinem Wendemanöver verursacht hat und dass für einen Verstoß gegen die Sorgfaltspflichten des § 9 Abs. 5 StVO daher ein Anscheinsbeweis spricht, den der Beklagten nicht auszuräumen vermochte, ist ebenso wenig zweifelhaft, wie die hieraus resultierende Alleinhaftung des Beklagten für den Unfall. Da auf Seiten der Zeugin ... kein Verkehrsverstoß nachgewiesen werden konnte, tritt die verbleibende Betriebsgefahr hinter das Verschulden des Beklagten zurück. Dass die Klägerin gem. § 814 BGB gehindert wäre, den damit rechtsgrundlos geleisteten Betrag vom Beklagten zurückzuverlangen, hat das Erstgericht ebenfalls zu Recht verneint. Angesichts der im Prozess geänderten Aussagen des Zeugen ... und des Beklagten ergibt sich eine geänderte Bewertung der Haftungsfrage, die der Klägerin im Zeitpunkt ihrer Leistung nicht bekannt sein konnte. Ein Ausschluss der Rückforderung wegen Kenntnis der Nichtschuld i.S.d. § 814 BGB kommt daher nicht in Betracht.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO und die Entscheidung über die Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO, § 26 Nr. 8 EGZPO. Die Revision war nicht zuzulassen, da die Sache keine grundsätzliche Bedeutung hat und sie keine Veranlassung gibt, eine Entscheidung des Revisionsgerichts zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung herbeizuführen (§ 543 Abs. 2 ZPO).