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  • 13.03.2013 · IWW-Abrufnummer 130846

    Amtsgericht Dortmund: Urteil vom 23.03.2012 – 424 C 10112/11

    Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


    Amtsgericht Dortmund

    424 C 10112/11

    Tenor:

    Die Klage wird abgewiesen.

    Die Kosten des Rechtsstreits werden den Klägern auferlegt.

    Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Kläger dürfen die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund dieses Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagten vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leisten.

    Tatbestand

    Die Parteien streiten über Schadensersatzansprüche aufgrund eines Verkehrsunfallereignisses. Der minderjährige Kläger zu 1) befuhr am 27.05.2011 die zweispurig ausgebaute M Straße mit dem Piaggio Typhoon Motorroller. Versicherungskennzeichen XXX XXX, in nördliche Richtung. Die Beklagte zu 1) befuhr mit dem von der Beklagten zu 2) haftpflichtversicherten Pkw VW Fox, amtliches Kennzeichen XXXXXX ebenfalls die M Straße in nördliche Richtung. Weil der klägerische Motorroller auf 25 km/h geschwindigkeitsgedrosselt war, beabsichtigte die Beklagte zu 1) diesen zu überholen. Der Kläger zu 1) beabsichtigte nach links in die U abzubiegen. Im zeitlichen Zusammenhang mit dem Abbiegemanöver kam der Kläger zu 1) zu Fall, ohne dass es zuvor zu einer Berührung zwischen den Fahrzeugen gekommen war. Ob der Kläger zu 1) vor dem beabsichtigten Abbiegevorgang sich nach links in Richtung Mittelstreifen orientiert und ob er den Fahrtrichtungsanzeiger betätigt hatte, ist zwischen den Parteien streitig. Der Kläger zu 1) erlitt bei dem Unfallgeschehen Verletzungen in Form von Schürfwunden am linken Knie und am linken Außenknöchel, 2 cm groß, sowie ein handtellergroßes Hämatom am linken Oberschenkel.

    Die Kläger behaupten, dass der Kläger zu 1) sich vor dem Fall nach links in Richtung Fahrbahnmitte orientiert und den linken Blinker betätigt habe. Trotzdem sei die Beklagte zu 1) ausgeschert, um den Kläger zu 1) zu überholen. Dieser habe das Überholmanöver durch einen Blick nach links bemerkt und habe den Lenker nach rechts gezogen, um einen Zusammenstoß zu verhindern. Dabei sei er zu Fall gekommen.

    Der Kläger zu 1) macht gegenüber den Beklagten die Zahlung eines Schmerzensgeldes von mindestens 450,00 EUR geltend. Die Klägerin verlangt von den Beklagten wegen der Beschädigung des Motorrollers die Erstattung des Wiederbeschaffungsaufwands von 1.120,00 EUR, der Gutachterkosten von 376,04 EUR, Kosten für die Schutzbekleidung von 308,00 EUR, der Kosten für die Drosselung des Neufahrzeuges von 210,00 EUR, des Nutzungsausfalls von 240,00 EUR, einer Unkostenpauschale von 25,00 EUR, der Abschleppkosten von 178,50 EUR und der Kosten für die außergerichtliche anwaltliche Vertretung von 383,66 EUR. Zunächst hat die Klägerin zu 2) Heilbehandlungskostenerstattung von 109,51 EUR klageweise geltend gemacht. Im Hinblick auf die Beihilfeberechtigung des Klägers zu 1) in Höhe von 80 % hat sie die Klage teilweise zurückgenommen und macht nunmehr als Erstattungsbetrag 21,90 EUR geltend.

    Die Kläger haben zunächst beantragt,

    die Beklagten gesamtschuldnerisch zu verurteilen, an die Kläger Schadensersatz in Höhe von 2.950,71 EUR und dem Kläger zu 1) ein in das Ermessen des Gerichts gestelltes Schmerzensgeld, mindestens 450,00 EUR nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 15.09.2011 zu zahlen.

    In der mündlichen Verhandlung am 23.03.2012 haben die Kläger die Klage teilweise zurückgenommen und beantragen nunmehr,

    1. die Beklagten gesamtschuldnerisch zu verurteilen, an die Klägerin zu 2) einen Betrag von 2.863,10 EUR nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 15.09.2011 zu zahlen,

    2. die Beklagten gesamtschuldnerisch zu verurteilen, dem Kläger zu 1) ein in das Ermessen des Gerichts gestelltes Schmerzensgeld nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 15.09.2011 zu zahlen.

    Die Beklagten haben der teilweisen Klagerücknahme zugestimmt und beantragen im Übrigen,

    die Klage abzuweisen.

    Sie bestreiten, dass der Kläger zu 1) den linken Blinker gesetzt habe. Der Kläger zu 1) sei auch vor dem Fall eine längere Strecke in der Mitte der Fahrspur gefahren. Zu Fall sei er gekommen, weil er sich als unerfahrener Fahranfänger über das Überholen der Beklagten zu 1) erschrocken habe. Die von den Kläger geltend gemachten Ersatzforderungen werden dem Grunde und der Höhe nach bestritten.

    Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlage Bezug genommen.

    Das Gericht hat in der öffentlichen Sitzung am 23.03.2012 Beweis durch uneidliche Vernehmung der Zeugen S und T3 erhoben. Wegen der Ergebnisse der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschrift vom 23.03.2012 verwiesen.

    Entscheidungsgründe

    Die zulässige Klage ist unbegründet.

    Den Klägern stehen gegenüber den Beklagten keine Schadensersatz- und Schmerzensgeldansprüche gemäß §§ 7 Abs. 1, 17 Abs. 1 und 2, 18 Abs. 1, 11 StVG, 115 VVG, 249 Abs. 2, 253 Abs. 2 BGB aufgrund des Unfallereignisses vom 27.05.2011 zu.

    Für keine der Parteien stellte der Unfall ein Ereignis aufgrund höherer Gewalt gemäß § 7 Abs. 2 StVG dar, weil das Unfallgeschehen aus dem Straßenverkehr herrührte.

    Weder für den Kläger zu 1) noch für die Beklagte zu 1) war der Unfall gemäß §§ 17 Abs. 3 S. 2, 18 Abs. 3 StVG unvermeidbar. Der entsprechende Sachvortrag der Parteien ist im Hinblick auf das sog. Idealfahrerverhalten im Sinne dieser Vorschrift nicht ausreichend genug. Unabwendbar ist ein Ereignis, das durch äußerste mögliche Sorgfalt nicht abgewendet werden kann. Dazu gehört sachgemäßes, geistesgegenwärtiges Handeln über den gewöhnlichen und persönlichen Maßstab hinaus. Zur äußersten Sorgfalt gehört die Berücksichtigung aller möglichen Gefahrenmomente. Der Fahrer muss auch erhebliche fremde Fehler berücksichtigen. Anderseits darf er darauf vertrauen, dass grobe Verstöße durch andere Verkehrsteilnehmer unterlassen werden (vgl. Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 40 Aufl., StVG § 17 Rn. 22 mwN.).

    Der Sachvortrag der Parteien ist hierzu nicht ausreichend, weil eine vorausschauende Fahrweise von keiner Partei im Ansatz dargelegt worden ist.

    Daher war gemäß §§ 17 Abs. 1 und 2, 18 Abs. 3 StVG die Haftungsquoten der Beteiligten anhand der wechselseitigen Betriebsgefahren, ihres eventuellen Verschuldens, sowie der Verursachungsbeiträge zu bestimmen.

    Dies führte zu einer vollständigen Haftungsquote seitens der Kläger. Der Kläger zu 1) hatte als Linksabbieger gemäß § 9 Abs. 1 StVO eine erhöhte Sorgfaltspflicht zu beachten, so dass sich aus dem zeitlich engen Zusammenhang mit dem Unfallgeschehen der Anscheinsbeweis einer schuldhaften Herbeiführung ergibt. Der Kläger zu 1) musste gemäß § 9 Abs. 1 S. 1 StVO rechtzeitig den Fahrtrichtungsanzeiger betätigen, damit sich der Verkehr auf das Abbiegen einstellen kann. Maßgeblich dafür ist weniger die Entfernung vom Abbiegepunkt als vielmehr die Zeit zwischen Anzeigebegin und Abbiegen unter Berücksichtigung der Fahrgeschwindigkeit (vgl. KG Berlin, Beschluss vom 13.08.2009, Az. 12 U 223/08 –juris).

    Der insoweit von den Klägern vorgebrachte entlastende Sachvortrag ist durch die Beweisaufnahme nicht bewiesen worden. Die Zeugen S3 und T3 konnten nicht bekunden, ob der Kläger zu 1) geraume Zeit vor Einleitung des Abbiegevorgangs den linken Blinker betätigt hatte. Das Setzen des Blinkers konnte sie weder bestätigen noch ausschließen.

    Auch konnten die Zeugen nicht genau mitteilen, wann sich der Kläger zu 1) vor dem Abbiegevorgang sich links zur Fahrbahnmitte orientiert hatte. Die Zeugin S2 gab hierzu 1 bis 2 Sekunden an und räumte dabei ein, dass sie nicht durchgehend auf das Geschehen geachtet habe. Der Zeuge T3 hat hingegen bekundet, dass der Kläger zu 1) vor dem Unfall sich im linken Drittel seiner Fahrspur, aber nicht im Bereich der Fahrbahnmitte befunden habe.

    Seitens der Beklagten zu 1) kommt ein Verstoß gemäß § 5 Abs. 3 Nr. 1 StVO wegen Überholens bei unklarer Verkehrslage nicht in Betracht. Eine "unklare Verkehrslage" im Sinne dieser Vorschrift liegt vor, wenn nach allen Umständen mit ungefährdetem Überholen nicht gerechnet werden darf; sie ist insbesondere dann gegeben, wenn sich nicht sicher beurteilen lässt, war Vorausfahrende sogleich tun werden; dies ist der Fall wenn an einem vorausfahrenden Fahrzeug der linke Fahrtrichtungsanzeiger betätigt wird, dies der nachfolgende Verkehr erkennen konnte und dem nachfolgenden überholenden Fahrzeugführer noch ein angemessenes Reagieren –ohne Gefahrbremsung –möglich war. Dagegen liegt eine unklare Verkehrslage nicht schon vor, wenn das vorausfahrende Fahrzeug verlangsamt, selbst wenn es sich bereits etwas zur Fahrbahnmitte eingeordnet haben sollte (vgl. KG Berlin, aaO.).

    Aufgrund der von den Zeugen S3 und T3 mitgeteilten Umstände, konnte keine für die Beklagte zu 1) erkennbare unklare Verkehrslage hergeleitet werden.

    Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91 Abs. 1, 269 Abs. 3 S. 2, 708 Nr. 11, 711 ZPO.