21.09.2016 · IWW-Abrufnummer 188812
Oberlandesgericht Hamm: Beschluss vom 05.07.2016 – 2 Ws 132/16
Strafsache
In pp.
hat der 2. Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 05.07.2016 beschlossen:
Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben.
Die Anklage der Staatsanwaltschaft Hagen vom 12. Februar 2016 (Az.: 200 Js 3315/15) wird zur Hauptverhandlung zugelassen und das Hauptverfahren vor dem Landgericht – 6. große Strafkammer - Hagen eröffnet.
Die Strafkammer ist mit zwei Richtern einschließlich des Vorsitzenden und zwei Schöffen besetzt (§ 76 Abs. 2 S. 1 u. 4 GVG).
Gründe:
I.
Die Staatsanwaltschaft Hagen wirft dem Angeschuldigten mit Anklageschrift vom 12. Februar 2016 vor, am 20. März 2015 in H gemeinschaftlich handelnd tateinheitlich mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge unerlaubt Handel getrieben und dabei eine Schusswaffe mit sich geführt zu haben, die ihrer Art nach zu Verletzungen von Personen geeignet und bestimmt ist, und ohne Erlaubnis nach § 2 Abs. 2 i.V.m. Anl. 2 Abschnitt zwei Unterabschnitt 1 S. 1 des Waffengesetzes eine Schusswaffe geführt zu haben.
Das Landgericht Hagen hat mit dem angefochtenen Beschluss die Eröffnung des Hauptverfahrens abgelehnt und zur Begründung ausgeführt, bereits unter dem 13. Mai 2015 sei von der Staatsanwaltschaft Hagen in dem Verfahren 780 Js 432/15 Anklage gegen den Angeschuldigten wegen Fahrens ohne Fahrerlaubnis, begangen (ebenfalls) am 20. März 2015 in H, erhoben worden. In jenem Verfahren sei gegen den Angeschuldigten vom Amtsgericht Schwelm am 21. September 2015 unter dem Aktenzeichen 49 Ds 780 Js 432/15 – 57/15 ein Strafbefehl erlassen worden, der seit dem 8. Januar 2016 rechtskräftig sei. Da die Tat des Fahrens ohne Fahrerlaubnis dieselbe Tat betreffe wie das vorliegende Verfahren, bestünde keine hinreichende Wahrscheinlichkeit dafür, dass die Beweisaufnahme in der Hauptverhandlung ein Verfahrenshindernis des Strafklageverbrauchs durch den rechtskräftigen Strafbefehl des Amtsgerichts Schwelm vom 21. September 2015 nicht ergeben werde.
Hiergegen richtet sich die sofortige Beschwerde der Staatsanwaltschaft Hagen, mit der geltend gemacht wird, dass weder ein zeitlicher und örtlicher noch ein innerer Zusammenhang zwischen der Tat des Fahrens ohne Fahrerlaubnis und der Tat des bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln bestanden habe, so dass nicht von prozessualer Tatidentität ausgegangen werden könne.
Die Generalstaatsanwaltschaft Hamm ist mit Zuschrift vom 25. Mai 2016 der sofortigen Beschwerde der Staatsanwaltschaft Hagen beigetreten und hat beantragt, den angefochtenen Beschluss aufzuheben und das Hauptverfahren vor dem Landgericht - große Strafkammer - Hagen zu eröffnen. Der Angeschuldigte hat hierauf mit Schriftsatz des Verteidigers vom 14. Juni 2016 erwidert.
II.
Die nach § 210 Abs. 2 StPO statthafte, rechtzeitig erhobene und auch sonst zulässige sofortige Beschwerde der Staatsanwaltschaft Hagen ist in der Sache begründet.
Gemäß § 203 StPO beschließt das Gericht die Eröffnung des Hauptverfahrens, wenn nach den Ergebnissen des vorbereitenden Verfahrens der Angeschuldigte einer Straftat hinreichend verdächtig erscheint. „Hinreichender Verdacht“ besteht bei vorläufiger Tatbewertung in der Wahrscheinlichkeit der späteren Verurteilung (vgl. Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 59. Auflage, 2016, § 203 Rn. 2 mit weiteren Nachweisen).
Der Ansatz des Landgerichts Hagen in der angefochtenen Entscheidung, dass ein Verfahrenshindernis des Strafklageverbrauchs bzw. der anderweitigen Rechtshängigkeit der Wahrscheinlichkeit einer späteren Verurteilung entgegensteht, ist zwar dem Grunde nach nicht zu beanstanden. Allerdings sprechen bei der in diesem Verfahrensstadium vorzunehmenden vorläufigen Tatbewertung keine gewichtigen Anhaltspunkte dafür, dass die Beweisaufnahme in der Hauptverhandlung ein solches Verfahrenshindernis ergeben wird; im Gegenteil erscheint diese Annahme eher fernliegend.
Dabei steht einem etwaigen Strafklageverbrauch durch den Strafbefehl des Amtsgerichts Schwelm vom 21. September 2015 im Verfahren 780 Js 432/15 StA Hagen nicht schon entgegen, dass dieser Strafbefehl aus den von der Generalstaatsanwaltschaft Hamm in ihrer Stellungnahme vom 25. Mai 2016 dargelegten Gründen möglicherweise noch nicht rechtskräftig ist. Da die doppelte Anhängigkeit ein und derselben Sache bei verschiedenen Gerichten zu der durch Art. 103 Abs. 3 GG verbotenen Doppelbestrafung führen kann, ist bereits die – vorliegend dann zumindest unzweifelhaft gegebene – anderweite Rechtshängigkeit ein von Amts wegen zu beachtendes Prozesshindernis (Meyer-Goßner/Schmitt, a.a.O., Einleitung Rn. 145 mit weiteren Nachweisen).
Entscheidend kommt es daher darauf an, ob die in jenem Strafbefehl abgeurteilte Tat des Fahrens ohne Fahrerlaubnis mit der in dem vorliegenden Verfahren angeklagten Tat eine prozessuale Tat im Sinne der §§ 155, 264 StPO bildet. Davon kann nach vorläufiger Bewertung des Tatgeschehens nicht ausgegangen werden. Dies gilt selbst dann, wenn man – was, wie noch auszuführen sein wird, keineswegs zwingend, sondern fernliegend ist - von dem von Staatsanwaltschaft und Landgericht in der Anklage und dem angefochtenen Beschluss zu Grunde gelegten Sachverhalt ausgeht.
Von prozessualer Tatidentität kann ohne weiteres dann ausgegangen werden, wenn mehrere Taten materiell-rechtlich zueinander im Verhältnis der Tateinheit nach § 52 StGB stehen (statt aller: BVerfGE 45, 434). Davon indessen kann im vorliegenden Fall nicht die Rede sein; die objektiven tatbestandlichen Ausführungshandlungen der beiden, in den gesonderten Verfahren verfolgten Delikte, decken sich nicht einmal teilweise. Sie stellen bei natürlicher Betrachtungsweise zwei selbstständige, jeweils auf einem gesondert gefassten Tatentschluss beruhende körperliche Willensbetätigungsakte dar und sind daher sachlich-rechtlich selbstständige Taten im Sinne des § 53 StGB (vgl. BGH NStZ 2004, 694).
Sachlich-rechtlich selbstständige Taten sind grundsätzlich auch prozessual selbstständig (BGH, a.a.O.). Etwas anderes gilt nur dann, wenn die selbstständigen Taten nicht nur in einem engen zeitlichen und örtlichen Zusammenhang, sondern darüber hinaus in einem inneren Beziehungs- oder Bedingungszusammenhang stehen (BGH, NStZ 2012, 709 m.w.N.). An solchen, die beiden dem Angeschuldigten vorgeworfenen Taten zu einem einheitlichen Tatgeschehen im Sinne des § 264 StPO verknüpfenden Umständen fehlt es vorliegend nach dem derzeitigen Ermittlungsstand.
Die dem Vorwurf des bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln zu Grunde liegende Fahrt des Angeschuldigten mit dem PKW Ford Mondeo in dessen Kofferraum eine schwarze Tüte mit insgesamt 186,08 Gramm Mariuhana mit einem THC-Wirkstoffgehalt vom 16,8 % und hinter dessen Beifahrersitz eine geladene PTB-Waffe mit weiterer Munition gefunden wurden, war mit dem – angeblich wegen einer Panne bedingten – Abstellen jenes Fahrzeugs auf dem Parkplatz C an der BAB1 beendet. Da sich der Angeschuldigte und sein Bruder, der anderweitig verfolgte X, nach der Einlassung des Angeschuldigten von jenem Parkplatz aus zunächst nach H hatten begeben müssen, um dort den PKW Ford Fiesta käuflich zu erwerben, mit dem sie dann den Ford Mondeo angeblich abschleppen wollten, fehlt es bereits an dem erforderlichen engen zeitlichen Zusammenhang zwischen dem Transport der Betäubungsmittel in dem Ford Mondeo und dem Führen des Ford Fiesta ohne Fahrerlaubnis durch den Angeschuldigten.
Dasselbe gilt für den räumlichen Zusammenhang. Der Angeschuldigte hatte sich zusammen mit seinem Bruder weit von dem abgestellten Ford Mondeo entfernt, wie sich schon aus dem Hinweis im Schriftsatz des Verteidigers des Angeschuldigten vom 9. März 2016 ergibt, dass der Ford Fiesta von dem Angeschuldigten nicht weniger als 12 km entfernt von dem abgestellten Ford Mondeo geführt wurde. Die Annahme, dass selbst eine solche räumliche Distanz dem „engen räumlichen Zusammenhang“ nicht entgegenstehe, würde im Ergebnis zu einer uferlosen Ausdehnung des Begriffs der einheitlichen Tat im Sinne des § 264 StPO führen, weil es nicht mehr auf den objektiven Geschehensablauf zwischen den beiden Tathandlungen, sondern ausschließlich auf das innere Vorstellungsbild des Tatverdächtigen ankäme.
In dem Zusammenhang weist der Senat darauf hin, dass nahezu sämtliche im Zusammenhang mit dem angeblichen Geschehensablauf stehende Fragen, was den zeitlichen und räumlichen Ablauf anbetrifft, bislang ungeklärt sind. Dies gilt insbesondere für die sich aufdrängenden Fragen, an welchem Tag und zu welcher Uhrzeit der Ford Mondeo auf dem Parkplatz abgestellt worden sein soll, was für eine Art von Panne vorgelegen haben soll, auf welchem Weg der Angeschuldigte und sein Bruder von dem Parkplatz nach H gelangt sein wollen, wie lange dies dauerte und von welcher Person an welchem Ort angeblich der PKW Ford Fiesta käuflich erworben worden sein soll. Für die hier zu entscheidende Rechtsfrage kommt es hierauf nach Auffassung des Senats allerdings nicht entscheidend an, weil angesichts der Vielzahl der zwischen den beiden Tathandlungen erforderlichen weiteren Handlungsschritte der enge räumliche und zeitliche Zusammenhang zwischen den beiden Taten selbst dann nicht mehr gegeben wäre, wenn sich der Angeschuldigte und sein Bruder unverzüglich mithilfe eines motorisierten Transportmittels zu dem angeblichen, unbekannten Verkäufer des Ford Fiesta begeben und dort den Kauf umgehend abgewickelt hätten.
Abgesehen davon sprechen nach derzeitiger vorläufiger Bewertung auch keine gravierenden Anhaltspunkte dafür, dass zwischen den beiden Tathandlungen der geforderte innere Zusammenhang gegeben war. Der einzige Anhaltspunkt für diese Annahme ergibt sich - vorbehaltlich des Ergebnisses der Beweisaufnahme in der Hauptverhandlung - aus den Angaben des Angeschuldigten und des X, man habe den Ford Fiesta deswegen erworben, um den liegen gebliebenen Pkw Ford Mondeo abzuschleppen. Ein solcher Geschehensablauf ist nach dem derzeitigen Ermittlungsstand jedoch fernliegend, inhaltlich nicht plausibel und daher für die Strafkammer bei der Entscheidung über die Eröffnung des Hauptverfahrens nicht zugrundezulegen (vgl. Meyer-Goßner/Schmitt, a.a.O., § 203 Rn. 2; zur Unbeachtlichkeit einer unplausiblen Einlassung auch im Urteil vgl. Meyer-Goßner/Schmitt, a.a.O., § 261 Rn. 6, jeweils m.w.N.). Hinsichtlich der mangelnden Plausibilität jener Sachverhaltsdarstellung weist der Senat an dieser Stelle nur auf zwei der gravierendsten Mängel hin: Zum einen handelt es sich bei dem Ford Fiesta um einen für das Abschleppen des weitaus schwereren Mittelklassefahrzeugs Ford Mondeo von vornherein nicht geeigneten Kleinwagen, wobei der Kaufpreis von nur 100 EUR auf einen beklagenswerten, der Eignung als Zugfahrzeug zusätzlich entgegenstehenden Zustand des Ford Fiesta hindeuten dürfte. Zum anderen hätte ein solches Schleppgespann auf der Autobahn - sofern es sich überhaupt in Bewegung gesetzt hätte – aufgrund seiner Schwerfälligkeit für den Angeschuldigten das hohe Risiko geboten, die Aufmerksamkeit der Polizei auf sich zu ziehen.
Abgesehen von dieser sich schon aus der Darstellung selbst ergebenden mangelnden Plausibilität ist nach derzeitigem Sachstand auch eher anzunehmen, dass eine entsprechende Einlassung des Angeschuldigten der Überprüfung durch andere Beweismittel nicht standhalten würde. Den Stellungnahmen der Polizeibeamten Q und M vom 8. und 9. Oktober 2015 lässt sich nämlich entnehmen, dass der Ford Fiesta bei der Kontrolle durch die Polizeibeamten bereits mit dem Kennzeichen pppp. auf den Angeschuldigten zugelassen war, was mit dem angeblichen am 20. März 2015 erfolgten Spontanerwerb durch den Angeschuldigten nicht in Einklang zu bringen ist. Auf der Grundlage des Haftbefehls des Amtsgerichts Oldenburg vom 7. April 2015 (Az.: 28 Gs 830 Js 20289/15 – 1723/15) besteht außerdem zumindest Grund für die Annahme, dass der Ford Fiesta mit eben diesem Kennzeichen pppp. bereits bei einem Einbruchsdiebstahl in der Nacht vom 17. auf den 18. März 2016 von dem Angeschuldigten verwendet worden war. Darüber hinaus steht zu erwarten, dass die Hauptverhandlung ergeben wird, dass sich in jenem Fahrzeug Ford Fiesta anlässlich der polizeilichen Kontrolle am 20. März 2015 im Fußraum hinter einem Vordersitz ein Mobiltelefon gefunden wurde, das bei einem Einbruch am 11. März 2015 entwendet worden war, für dessen Begehung der Angeschuldigte durch Urteil des Amtsgericht Vechta vom 22. März 2016 (Az.: 13 Ls – 830 Js 20289/15 – 31/15) rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr sieben Monaten verurteilt worden ist.
Vor diesem Hintergrund sprechen zumindest gewichtige Anhaltspunkte dafür, dass der Angeschuldigte den PKW Ford Fiesta schon seit längerem in seinem Besitz hatte und dass dieses Fahrzeug bereits auf ihn zugelassen war. Dies steht in krassem Widerspruch zu den Angaben des Angeschuldigten hinsichtlich des Ankaufs jenes Fahrzeuges am 20. März 2016 und lässt den inneren Zusammenhang zwischen den beiden Tatgeschehen noch fernliegender erscheinen, als dies bereits auf der Grundlage des von Staatsanwaltschaft und Landgericht bislang angenommenen Sachverhalts ohnehin der Fall ist.
Da somit auf der Grundlage einer vorläufigen Tatbewertung der Angeschuldigte der ihm zur Last gelegten Tat hinreichend verdächtig ist und ein Verfahrenshindernis eher fernliegend erscheint, war der angefochtene Beschluss aufzuheben und das Hauptverfahren vor der 6. großen Strafkammer des Landgerichts Hagen zu eröffnen. Von der gemäß § 210 Abs. 3 S. 1 StPO bestehenden Möglichkeit, die Hauptverhandlung vor einer anderen Kammer des Landgerichts Hagen zu eröffnen, hat der Senat keinen Gebrauch gemacht, weil besondere Gründe, die hierfür gegeben sein müssen, nicht ersichtlich sind.
Einer der in § 76 Abs. 2 S. 3 GVG genannten Fälle liegt nicht vor.
In pp.
hat der 2. Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 05.07.2016 beschlossen:
Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben.
Die Anklage der Staatsanwaltschaft Hagen vom 12. Februar 2016 (Az.: 200 Js 3315/15) wird zur Hauptverhandlung zugelassen und das Hauptverfahren vor dem Landgericht – 6. große Strafkammer - Hagen eröffnet.
Die Strafkammer ist mit zwei Richtern einschließlich des Vorsitzenden und zwei Schöffen besetzt (§ 76 Abs. 2 S. 1 u. 4 GVG).
Gründe:
I.
Die Staatsanwaltschaft Hagen wirft dem Angeschuldigten mit Anklageschrift vom 12. Februar 2016 vor, am 20. März 2015 in H gemeinschaftlich handelnd tateinheitlich mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge unerlaubt Handel getrieben und dabei eine Schusswaffe mit sich geführt zu haben, die ihrer Art nach zu Verletzungen von Personen geeignet und bestimmt ist, und ohne Erlaubnis nach § 2 Abs. 2 i.V.m. Anl. 2 Abschnitt zwei Unterabschnitt 1 S. 1 des Waffengesetzes eine Schusswaffe geführt zu haben.
Das Landgericht Hagen hat mit dem angefochtenen Beschluss die Eröffnung des Hauptverfahrens abgelehnt und zur Begründung ausgeführt, bereits unter dem 13. Mai 2015 sei von der Staatsanwaltschaft Hagen in dem Verfahren 780 Js 432/15 Anklage gegen den Angeschuldigten wegen Fahrens ohne Fahrerlaubnis, begangen (ebenfalls) am 20. März 2015 in H, erhoben worden. In jenem Verfahren sei gegen den Angeschuldigten vom Amtsgericht Schwelm am 21. September 2015 unter dem Aktenzeichen 49 Ds 780 Js 432/15 – 57/15 ein Strafbefehl erlassen worden, der seit dem 8. Januar 2016 rechtskräftig sei. Da die Tat des Fahrens ohne Fahrerlaubnis dieselbe Tat betreffe wie das vorliegende Verfahren, bestünde keine hinreichende Wahrscheinlichkeit dafür, dass die Beweisaufnahme in der Hauptverhandlung ein Verfahrenshindernis des Strafklageverbrauchs durch den rechtskräftigen Strafbefehl des Amtsgerichts Schwelm vom 21. September 2015 nicht ergeben werde.
Hiergegen richtet sich die sofortige Beschwerde der Staatsanwaltschaft Hagen, mit der geltend gemacht wird, dass weder ein zeitlicher und örtlicher noch ein innerer Zusammenhang zwischen der Tat des Fahrens ohne Fahrerlaubnis und der Tat des bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln bestanden habe, so dass nicht von prozessualer Tatidentität ausgegangen werden könne.
Die Generalstaatsanwaltschaft Hamm ist mit Zuschrift vom 25. Mai 2016 der sofortigen Beschwerde der Staatsanwaltschaft Hagen beigetreten und hat beantragt, den angefochtenen Beschluss aufzuheben und das Hauptverfahren vor dem Landgericht - große Strafkammer - Hagen zu eröffnen. Der Angeschuldigte hat hierauf mit Schriftsatz des Verteidigers vom 14. Juni 2016 erwidert.
II.
Die nach § 210 Abs. 2 StPO statthafte, rechtzeitig erhobene und auch sonst zulässige sofortige Beschwerde der Staatsanwaltschaft Hagen ist in der Sache begründet.
Gemäß § 203 StPO beschließt das Gericht die Eröffnung des Hauptverfahrens, wenn nach den Ergebnissen des vorbereitenden Verfahrens der Angeschuldigte einer Straftat hinreichend verdächtig erscheint. „Hinreichender Verdacht“ besteht bei vorläufiger Tatbewertung in der Wahrscheinlichkeit der späteren Verurteilung (vgl. Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 59. Auflage, 2016, § 203 Rn. 2 mit weiteren Nachweisen).
Der Ansatz des Landgerichts Hagen in der angefochtenen Entscheidung, dass ein Verfahrenshindernis des Strafklageverbrauchs bzw. der anderweitigen Rechtshängigkeit der Wahrscheinlichkeit einer späteren Verurteilung entgegensteht, ist zwar dem Grunde nach nicht zu beanstanden. Allerdings sprechen bei der in diesem Verfahrensstadium vorzunehmenden vorläufigen Tatbewertung keine gewichtigen Anhaltspunkte dafür, dass die Beweisaufnahme in der Hauptverhandlung ein solches Verfahrenshindernis ergeben wird; im Gegenteil erscheint diese Annahme eher fernliegend.
Dabei steht einem etwaigen Strafklageverbrauch durch den Strafbefehl des Amtsgerichts Schwelm vom 21. September 2015 im Verfahren 780 Js 432/15 StA Hagen nicht schon entgegen, dass dieser Strafbefehl aus den von der Generalstaatsanwaltschaft Hamm in ihrer Stellungnahme vom 25. Mai 2016 dargelegten Gründen möglicherweise noch nicht rechtskräftig ist. Da die doppelte Anhängigkeit ein und derselben Sache bei verschiedenen Gerichten zu der durch Art. 103 Abs. 3 GG verbotenen Doppelbestrafung führen kann, ist bereits die – vorliegend dann zumindest unzweifelhaft gegebene – anderweite Rechtshängigkeit ein von Amts wegen zu beachtendes Prozesshindernis (Meyer-Goßner/Schmitt, a.a.O., Einleitung Rn. 145 mit weiteren Nachweisen).
Entscheidend kommt es daher darauf an, ob die in jenem Strafbefehl abgeurteilte Tat des Fahrens ohne Fahrerlaubnis mit der in dem vorliegenden Verfahren angeklagten Tat eine prozessuale Tat im Sinne der §§ 155, 264 StPO bildet. Davon kann nach vorläufiger Bewertung des Tatgeschehens nicht ausgegangen werden. Dies gilt selbst dann, wenn man – was, wie noch auszuführen sein wird, keineswegs zwingend, sondern fernliegend ist - von dem von Staatsanwaltschaft und Landgericht in der Anklage und dem angefochtenen Beschluss zu Grunde gelegten Sachverhalt ausgeht.
Von prozessualer Tatidentität kann ohne weiteres dann ausgegangen werden, wenn mehrere Taten materiell-rechtlich zueinander im Verhältnis der Tateinheit nach § 52 StGB stehen (statt aller: BVerfGE 45, 434). Davon indessen kann im vorliegenden Fall nicht die Rede sein; die objektiven tatbestandlichen Ausführungshandlungen der beiden, in den gesonderten Verfahren verfolgten Delikte, decken sich nicht einmal teilweise. Sie stellen bei natürlicher Betrachtungsweise zwei selbstständige, jeweils auf einem gesondert gefassten Tatentschluss beruhende körperliche Willensbetätigungsakte dar und sind daher sachlich-rechtlich selbstständige Taten im Sinne des § 53 StGB (vgl. BGH NStZ 2004, 694).
Sachlich-rechtlich selbstständige Taten sind grundsätzlich auch prozessual selbstständig (BGH, a.a.O.). Etwas anderes gilt nur dann, wenn die selbstständigen Taten nicht nur in einem engen zeitlichen und örtlichen Zusammenhang, sondern darüber hinaus in einem inneren Beziehungs- oder Bedingungszusammenhang stehen (BGH, NStZ 2012, 709 m.w.N.). An solchen, die beiden dem Angeschuldigten vorgeworfenen Taten zu einem einheitlichen Tatgeschehen im Sinne des § 264 StPO verknüpfenden Umständen fehlt es vorliegend nach dem derzeitigen Ermittlungsstand.
Die dem Vorwurf des bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln zu Grunde liegende Fahrt des Angeschuldigten mit dem PKW Ford Mondeo in dessen Kofferraum eine schwarze Tüte mit insgesamt 186,08 Gramm Mariuhana mit einem THC-Wirkstoffgehalt vom 16,8 % und hinter dessen Beifahrersitz eine geladene PTB-Waffe mit weiterer Munition gefunden wurden, war mit dem – angeblich wegen einer Panne bedingten – Abstellen jenes Fahrzeugs auf dem Parkplatz C an der BAB1 beendet. Da sich der Angeschuldigte und sein Bruder, der anderweitig verfolgte X, nach der Einlassung des Angeschuldigten von jenem Parkplatz aus zunächst nach H hatten begeben müssen, um dort den PKW Ford Fiesta käuflich zu erwerben, mit dem sie dann den Ford Mondeo angeblich abschleppen wollten, fehlt es bereits an dem erforderlichen engen zeitlichen Zusammenhang zwischen dem Transport der Betäubungsmittel in dem Ford Mondeo und dem Führen des Ford Fiesta ohne Fahrerlaubnis durch den Angeschuldigten.
Dasselbe gilt für den räumlichen Zusammenhang. Der Angeschuldigte hatte sich zusammen mit seinem Bruder weit von dem abgestellten Ford Mondeo entfernt, wie sich schon aus dem Hinweis im Schriftsatz des Verteidigers des Angeschuldigten vom 9. März 2016 ergibt, dass der Ford Fiesta von dem Angeschuldigten nicht weniger als 12 km entfernt von dem abgestellten Ford Mondeo geführt wurde. Die Annahme, dass selbst eine solche räumliche Distanz dem „engen räumlichen Zusammenhang“ nicht entgegenstehe, würde im Ergebnis zu einer uferlosen Ausdehnung des Begriffs der einheitlichen Tat im Sinne des § 264 StPO führen, weil es nicht mehr auf den objektiven Geschehensablauf zwischen den beiden Tathandlungen, sondern ausschließlich auf das innere Vorstellungsbild des Tatverdächtigen ankäme.
In dem Zusammenhang weist der Senat darauf hin, dass nahezu sämtliche im Zusammenhang mit dem angeblichen Geschehensablauf stehende Fragen, was den zeitlichen und räumlichen Ablauf anbetrifft, bislang ungeklärt sind. Dies gilt insbesondere für die sich aufdrängenden Fragen, an welchem Tag und zu welcher Uhrzeit der Ford Mondeo auf dem Parkplatz abgestellt worden sein soll, was für eine Art von Panne vorgelegen haben soll, auf welchem Weg der Angeschuldigte und sein Bruder von dem Parkplatz nach H gelangt sein wollen, wie lange dies dauerte und von welcher Person an welchem Ort angeblich der PKW Ford Fiesta käuflich erworben worden sein soll. Für die hier zu entscheidende Rechtsfrage kommt es hierauf nach Auffassung des Senats allerdings nicht entscheidend an, weil angesichts der Vielzahl der zwischen den beiden Tathandlungen erforderlichen weiteren Handlungsschritte der enge räumliche und zeitliche Zusammenhang zwischen den beiden Taten selbst dann nicht mehr gegeben wäre, wenn sich der Angeschuldigte und sein Bruder unverzüglich mithilfe eines motorisierten Transportmittels zu dem angeblichen, unbekannten Verkäufer des Ford Fiesta begeben und dort den Kauf umgehend abgewickelt hätten.
Abgesehen davon sprechen nach derzeitiger vorläufiger Bewertung auch keine gravierenden Anhaltspunkte dafür, dass zwischen den beiden Tathandlungen der geforderte innere Zusammenhang gegeben war. Der einzige Anhaltspunkt für diese Annahme ergibt sich - vorbehaltlich des Ergebnisses der Beweisaufnahme in der Hauptverhandlung - aus den Angaben des Angeschuldigten und des X, man habe den Ford Fiesta deswegen erworben, um den liegen gebliebenen Pkw Ford Mondeo abzuschleppen. Ein solcher Geschehensablauf ist nach dem derzeitigen Ermittlungsstand jedoch fernliegend, inhaltlich nicht plausibel und daher für die Strafkammer bei der Entscheidung über die Eröffnung des Hauptverfahrens nicht zugrundezulegen (vgl. Meyer-Goßner/Schmitt, a.a.O., § 203 Rn. 2; zur Unbeachtlichkeit einer unplausiblen Einlassung auch im Urteil vgl. Meyer-Goßner/Schmitt, a.a.O., § 261 Rn. 6, jeweils m.w.N.). Hinsichtlich der mangelnden Plausibilität jener Sachverhaltsdarstellung weist der Senat an dieser Stelle nur auf zwei der gravierendsten Mängel hin: Zum einen handelt es sich bei dem Ford Fiesta um einen für das Abschleppen des weitaus schwereren Mittelklassefahrzeugs Ford Mondeo von vornherein nicht geeigneten Kleinwagen, wobei der Kaufpreis von nur 100 EUR auf einen beklagenswerten, der Eignung als Zugfahrzeug zusätzlich entgegenstehenden Zustand des Ford Fiesta hindeuten dürfte. Zum anderen hätte ein solches Schleppgespann auf der Autobahn - sofern es sich überhaupt in Bewegung gesetzt hätte – aufgrund seiner Schwerfälligkeit für den Angeschuldigten das hohe Risiko geboten, die Aufmerksamkeit der Polizei auf sich zu ziehen.
Abgesehen von dieser sich schon aus der Darstellung selbst ergebenden mangelnden Plausibilität ist nach derzeitigem Sachstand auch eher anzunehmen, dass eine entsprechende Einlassung des Angeschuldigten der Überprüfung durch andere Beweismittel nicht standhalten würde. Den Stellungnahmen der Polizeibeamten Q und M vom 8. und 9. Oktober 2015 lässt sich nämlich entnehmen, dass der Ford Fiesta bei der Kontrolle durch die Polizeibeamten bereits mit dem Kennzeichen pppp. auf den Angeschuldigten zugelassen war, was mit dem angeblichen am 20. März 2015 erfolgten Spontanerwerb durch den Angeschuldigten nicht in Einklang zu bringen ist. Auf der Grundlage des Haftbefehls des Amtsgerichts Oldenburg vom 7. April 2015 (Az.: 28 Gs 830 Js 20289/15 – 1723/15) besteht außerdem zumindest Grund für die Annahme, dass der Ford Fiesta mit eben diesem Kennzeichen pppp. bereits bei einem Einbruchsdiebstahl in der Nacht vom 17. auf den 18. März 2016 von dem Angeschuldigten verwendet worden war. Darüber hinaus steht zu erwarten, dass die Hauptverhandlung ergeben wird, dass sich in jenem Fahrzeug Ford Fiesta anlässlich der polizeilichen Kontrolle am 20. März 2015 im Fußraum hinter einem Vordersitz ein Mobiltelefon gefunden wurde, das bei einem Einbruch am 11. März 2015 entwendet worden war, für dessen Begehung der Angeschuldigte durch Urteil des Amtsgericht Vechta vom 22. März 2016 (Az.: 13 Ls – 830 Js 20289/15 – 31/15) rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr sieben Monaten verurteilt worden ist.
Vor diesem Hintergrund sprechen zumindest gewichtige Anhaltspunkte dafür, dass der Angeschuldigte den PKW Ford Fiesta schon seit längerem in seinem Besitz hatte und dass dieses Fahrzeug bereits auf ihn zugelassen war. Dies steht in krassem Widerspruch zu den Angaben des Angeschuldigten hinsichtlich des Ankaufs jenes Fahrzeuges am 20. März 2016 und lässt den inneren Zusammenhang zwischen den beiden Tatgeschehen noch fernliegender erscheinen, als dies bereits auf der Grundlage des von Staatsanwaltschaft und Landgericht bislang angenommenen Sachverhalts ohnehin der Fall ist.
Da somit auf der Grundlage einer vorläufigen Tatbewertung der Angeschuldigte der ihm zur Last gelegten Tat hinreichend verdächtig ist und ein Verfahrenshindernis eher fernliegend erscheint, war der angefochtene Beschluss aufzuheben und das Hauptverfahren vor der 6. großen Strafkammer des Landgerichts Hagen zu eröffnen. Von der gemäß § 210 Abs. 3 S. 1 StPO bestehenden Möglichkeit, die Hauptverhandlung vor einer anderen Kammer des Landgerichts Hagen zu eröffnen, hat der Senat keinen Gebrauch gemacht, weil besondere Gründe, die hierfür gegeben sein müssen, nicht ersichtlich sind.
Einer der in § 76 Abs. 2 S. 3 GVG genannten Fälle liegt nicht vor.