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  • 11.09.2018 · IWW-Abrufnummer 204296

    Oberlandesgericht München: Urteil vom 13.07.2018 – 10 U 1856/17

    Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


    Oberlandesgericht München

    Urt. v. 13.07.2018


    In dem Rechtsstreit
    ...
    - Klägerin und Berufungsklägerin -
    Prozessbevollmächtigter:
    Rechtsanwalt ...
    gegen
    1) ...
    - Beklagte und Berufungsbeklagte -
    2) ...
    - Beklagter und Berufungsbeklagter -
    Prozessbevollmächtigte zu 1 und 2:
    Rechtsanwälte ...

    wegen Schadensersatzes

    erlässt der 10. Zivilsenat des Oberlandesgerichts München durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht ..., die Richterin am Oberlandesgericht ... und den Richter am Oberlandesgericht ... aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 29.06.2018 folgendes

    ENDURTEIL

    Tenor:

    I.
    Die Berufung der Klägerin vom 31.05.2017 gegen das Endurteil des LG München I vom 28.04.2017 (Az. 17 O 19700/15) wird zurückgewiesen.

    II.
    Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

    III.
    Das vorgenannte Urteil des LG München I sowie dieses Urteil sind vorläufig vollstreckbar.

    IV.
    Die Revision wird nicht zugelassen.

    Gründe

    A.

    Von der Darstellung der tatsächlichen Feststellungen wird abgesehen (§§ 540 II, 313 a I 1 ZPO i. Verb. m. § 26 Nr. 8 EGZPO).

    B.

    Die statthafte sowie form- und fristgerecht eingelegte und begründete, somit zulässige Berufung hat in der Sache keinen Erfolg.

    I. Das Landgericht hat nach dem Ergebnis der vom Senat wiederholten und um das erholte Sachverständigengutachten der Dipl.-Ing. Karin K. ergänzten Beweisaufnahme im Ergebnis zu Recht die Klage abgewiesen. Zwar wurde das klägerische Fahrzeug bei einem Zusammenstoß mit dem vom Beklagten zu 2) im Unfallzeitpunkt geführten und bei der Beklagten zu 1) haftpflichtversicherten Kraftfahrzeug beschädigt. Dennoch ergibt sich kein Zahlungsanspruch des Klägers aus §§ 7 I StVG, 18 I StVG i. Verb. m. § 115 I 1 Nr. 1 VVG, 823 BGB.

    1. Der Senat hat zur Aufklärung des Unfallgeschehens erneute und ergänzende Feststellungen (§ 540 I 1 Nr. 1 ZPO) getroffen, die den Sachverhalt vervollständigen. Aufgrund dieser Feststellungen ist der Senat davon überzeugt, dass der streitgegenständliche Unfall in einem unmittelbaren zeitlichen und örtlichen Zusammenhang mit einem Spurwechsel des klägerischen Fahrers steht und die Klägerin daher wegen eines Verstoßes gegen § 7 V StVO in vollem Umfang selbst für ihren Schaden zu haften hat, da ein Verschulden des Beklagten zu 2) nicht ersichtlich ist, eine etwaige Haftung der Beklagten zu 1) aus Betriebsgefahr jedenfalls hinter den schweren Verkehrsverstoß des klägerischen Fahrers zurücktreten würde.

    2. Nach dem von den Beklagten vorgebrachten Unfallhergang versuchte der klägerische Fahrer, der Zeuge Y., mit dem Pkw Porsche der Klägerin, von der Einfädelspur nach links in die rechte Geradeausspur des Mittleren Rings einzufahren, ohne auf den dort fahrenden, vom Beklagten zu 2) gesteuerten Lkw zu achten, weshalb es zur Kollision beider Fahrzeuge gekommen sei. Dabei sei, was dem geschilderten Unfallhergang entspreche, am klägerische Pkw Porsche ein Schaden auf dessen linker Seite hinten entstanden.

    Nach der durchgeführten Beweisaufnahme ist der Senat davon überzeugt, dass diese Unfalldarstellung richtig ist. Die überzeugenden Ausführungen der Sachverständigen Dipl.-Ing. K. bestätigen diese Unfallversion, während die Unfallversion des klägerischen Fahrers unglaubhaft ist.

    a) Eine Anhörung des Beklagten zu 2) (vgl. hierzu BVerfG NJW 2008, 2170 [BVerfG 27.02.2008 - 1 BvR 2588/06]) durch den Senat konnte nicht erfolgen, da der Beklagte zu 2) inzwischen verstorben ist. Grundsätzlich ist darauf hinzuweisen, dass der Aussage eines Zeugen keine zwingende prozessrechtliche Priorität vor der Anhörung einer Partei im Rahmen des § 141 ZPO oder auch nur dem Prozessvortrag der anderen Seite selbst zukommt (BVerfG NJW 1999, 2531 [2532]; BGH LM § 286 ZPO [B] Nr. 4 und [C] Nr. 64; NJW-RR 1988, 471; 1990, 1061; 1991, 917; BGHZ 122, 115 [121] = NJW 1993, 1638; NJW 1998, 306 [307]; NJW 1999, 363 [364]; KG VersR 2009, 1557; MDR 2009, 680). Die Klägerin selbst nimmt im Schriftsatz vom 05.07.2018 (Bl. 160/162 d.A.) selbst auf die polizeiliche Anhörung des Beklagten zu 2) vom Unfalltag Bezug, wonach dieser angegeben hat, der Zeuge Y. sei ihm mit dem Porsche derartig kurz vor seinen Lkw gefahren, dass er nicht mehr rechtzeitig bremsen habe können (vgl. S. 3 = Bl. 162 d.A.).

    b) Der vom Zeugen M. Y. vorgebrachte Unfallhergang ist nicht glaubhaft.

    Die Angaben des Zeugen Y. waren bereits in wesentlichen Teilen widersprüchlich:

    Bei seiner Aussage vor dem Senat am 08.12.2017 (vgl. Prot. Bl. 114/122 d.A.) gab der Zeuge an, er sei von der Einfädelspur nach links gezogen.

    Da der Lkw des Beklagten zu 2) eine größere Lücke gelassen habe, es habe auf beiden Spuren des Mittleren Rings Stopp-and-Go-Verkehr geherrscht, habe er in einem leicht schrägen Winkel in die rechte Spur einfahren können. Er sei bereits zu 95% in diese Spur eingefahren, habe 1 - 2 Meter hinter einem dann vor ihm stehenden Fahrzeug angehalten. Der Lkw des Beklagten zu 2) habe aufgeschlossen und sei etwa 1 bis 2 Meter hinter dem Porsche zum Stehen gekommen. Ob der Lkw seinerseits die Spur habe wechseln wollen, wisse er nicht, einen Blinker habe er nicht gesehen, der sei Lkw sei in seiner Spur "relativ mittig" gewesen. Er sei dann mit seinem Porsche ca. 2 Meter weitergefahren, als es zur Kollision gekommen sei. Diese Angaben des Zeugen entsprechen der vom Zeugen bei seiner Anhörung vor dem Landgericht gefertigten Skizze, die als Anlage zum Protokoll vom 12.04.2016 (Bl. 23/25 d.A.) genommen wurde. Danach zeichnete der Zeuge sowohl sein Fahrzeug (schräg, noch nicht vollständig) als auch den Lkw des Beklagten zu 2) auf der mittleren Spur (Lkw mittig), dies entspricht der rechten Fahrspur des Mittleren Rings, ein. Durch einen Geradeauspfeil am Lkw wurde dargestellt, dass der Lkw geradeaus auf das klägerische Fahrzeug aufgefahren sei.

    Diese Angaben des Zeugen führten nach unfallanalytischer Prüfung durch die Sachverständige Dipl.-Ing. K. zu dem Ergebnis, dass eine Beschädigung des klägerischen Porsches ausschließlich auf der linken hinteren Seite so nicht hätte erfolgen können, da auf eine Entfernung von 2 Metern nach dem Wiederanfahren der Lkw von einer Position in der Mitte seiner (der rechten) Fahrspur des Mittleren Rings nicht in eine Kollisionsstellung zum Porsche gelangen konnte, die die vorhandenen Schäden links hinten seitlich (und gerade nicht an der hinteren Stoßstange) hervorruft (vgl. Protokoll vom 08.12.2017 S. 6/7 = Bl. 119f. d.A.).

    In Kenntnis dieser Angaben der Sachverständigen (der Zeuge blieb bei der Vernehmung der Sachverständigen im Sitzungssaal anwesend) führte der Zeuge bei der durch Richterwechsel erforderlichen Wiederholung der Beweisaufnahme in der mündlichen Verhandlung vom 29.06.2018 (vgl. Protokoll Bl. 146/159 d.A.) aus, das - genehmigte - Protokoll der Verhandlung vom 08.12.2017 sei unzutreffend. Da der Lkw selbst nach den Angaben des Zeugen Y. die Spur nicht gewechselt hat, die Aussagen bzw. Angaben sowohl in der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht als auch in der ersten Einvernahme vor dem Senat wie teilweise in der zweiten Einvernahme insoweit übereinstimmend waren ("...er war in seiner Spur relativ mittig...", vgl. Protokoll vom 08.12.2017, S. 4 = Bl. 117 d.A.; "Zu dem Zeitpunkt, als ich auf der Einfädelspur an dem Lkw der Beklagtenseite vorbeigefahren bin, war der Lkw auf der rechten Fahrspur des Mittleren Rings und fuhr mit Schritttempo. Der Lkw hat die Spur bis zum Unfall hin nicht gewechselt." - Protokoll vom 29.06.2018, S. 4 = Bl. 149 d.A.; vgl. die oben in Bezug genommene Skizze der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht), hat der Zeuge den Lkw vor dem Wiederanfahren (bei Unterstellung seiner Unfallversion) mittig auf der rechten Fahrspur des Mittleren Rings verortet, weshalb für die Entscheidung davon auszugehen ist.

    In seiner Vernehmung am 29.06.2018 gab der Zeuge Y. an, es sei bezüglich seiner Angaben vor dem Senat am 08.12.2017 ein Irrtum des protokollierenden Vorsitzenden erfolgt. Er habe seine Angaben zum Standort des Lkws vor dem Unfall "auf die linke Fahrbahnspur und nicht auf die rechte Fahrbahnspur" bezogen (Protokoll a.a.O., S. 3 = Bl. 148 d.A.), wobei dem Zeugen seine vor dem Landgericht gefertigte Skizze offenbar entfallen war.

    In der weiteren Vernehmung am 29.06.2018 hat der Zeuge dann eine weitere von ihm gefertigte Skizze vorgelegt und dort einen ausgeschnittenen Lkw so hingelegt, wie und wo er beim Anhaltevorgang direkt vor dem Unfall gestanden sei. Dabei hat der Zeuge den Lkw noch auf der rechten Fahrspur, dort aber ganz links am Rand der Straßenmarkierung zur linken Spur positioniert; die Markierung sei noch berührt worden, der Lkw habe die Markierung aber noch nicht überschritten (vgl. Protokoll a.a.O., S. 4 = Bl. 149 d.A.). Dies entspreche der Wahrnehmung, wie er sie bei seinem Blick in den Spiegel gewonnen habe. Der Lkw sei bis zur Kollision hin noch weiter nach links gefahren.

    Diese Angaben sind in sich widersprüchlich (zunächst war der Lkw mittig in der rechten Spur, dann mittig in der linken Spur, zuletzt links in der rechten Spur; zunächst habe der Lkw von der rechten Fahrspur bis zum Unfall die Fahrspur nicht gewechselt, dann sei er vom äußersten Rand der rechten Spur bis zum Unfall noch weiter nach links, also zwangsläufig in die linke Spur, gezogen).

    Auf Grund der Vorwürfe des Zeugen, dass seine Aussage vor dem Senat am 08.12.2017 teilweise falsch protokolliert worden sei, wurde die Aussage am 29.06.2018 wörtlich diktiert, dem Zeugen seine Angaben am Ende seiner Vernehmung zur Sache vorgelesen, durch ihn gleichzeitig am Monitor mitgelesen und schließlich von diesem genehmigt.

    Die Angaben des Zeugen in der Sitzung vom 29.06.2018 können nur als gescheiterter, weil in sich widersprüchlicher Versuch gewertet werden, vom eindeutigen Ergebnis seiner bisherigen Aussage und den daraus gezogenen Schlussfolgerungen in der Sitzung vom 08.12.2017 wegzukommen.

    Dabei ist darauf hinzuweisen, dass der Zeuge Y. als Fahrer des Klägerfahrzeugs, aber auch als Hauptgesellschafter der Klägerin (zu 75%) ein eigenes persönliches Interesse am Ausgang des vorliegenden Verfahrens hat.

    Auf Grund der eindeutigen Hinweise des Senats in der Beweisverhandlung vom 08.12.2017 (vgl. dortiges Protokoll S. 8 = Bl. 121 d.A.) wusste der (währenddessen anwesende) Zeuge, dass seine Unfalldarstellung vor allem dann unglaubhaft wird, wenn der Lkw vor dem von ihm geschilderten Wiederanfahren vor der Kollision mittig in der rechten Spur war. Deshalb war klar, dass die Schäden an der linken Seite des Porsches nur dann erklärbar wären, wenn sie beim Einfahren des Porsche von der Einfädelspur in die rechte Fahrspur des Mittleren Rings erfolgten (wie die Beklagten vortragen), oder der Lkw weiter links war (oder zumindest die Räder bereits vor dem Wiederanfahren des Lkw nach links eingeschlagen waren, wenn der Lkw nicht mittig, sondern ganz links am Rand der rechten Spur des Mittleren Rings stand). Bei dem Versuch des Zeugen, den Lkw weiter nach links zu positionieren, war die Aussage, wie oben dargestellt, aber erneut unklar und widersprüchlich, wie oben dargestellt, so dass den Angaben des Zeugen in der Sitzung vom 29.06.2018 nicht gefolgt werden kann.

    Nach den überzeugenden Ausführungen der Sachverständigen K. in der mündlichen Verhandlung vom 08.12.2017, die insoweit von der Klägerin in der mündlichen Verhandlung vom 29.06.2018 nicht erfolgreich angegriffen wurden, konnte sich der Unfall nur so ereignet haben, wie von den Beklagten dargestellt. Bei Unterstellung der Geschwindigkeitsangaben des klägerischen Zeugen war der Unfall für den Beklagten zu 2) sogar unvermeidbar (§ 7 StVG).

    c) Aber selbst wenn man die Angaben des Zeugen Y. als richtig unterstellt, dass es vor dem Unfall zu einem Anhalten kam und dabei der Lkw des Beklagten zu 2) am äußerst linken Rand der rechten Fahrspur des Mittleren Rings zum Stehen kam, wäre der vom Zeugen dargestellte Unfallhergang nicht plausibel.

    Die Sachverständige, welche im allseitigen Einverständnis bei der Einvernahme des Zeugen Y. ununterbrochen anwesend war, wurde im Termin vom 29.06.2018 im Rahmen ihrer Anhörung durch den Senat befragt, ob die Unfallschilderung des Zeugen Y. im Rahmen seiner zuvor erfolgten Zeugeneinvernahme hinsichtlich des Bewegungsverhaltens des Lkw nach dem ersten Halt und seinem Fahren in Richtung der linken Fahrspur darstellbar sei (vgl. Protokoll S. 7, Bl. 152 d.A.). Die Sachverständige führte daraufhin aus: "Um die Kollisionsposition zu erreichen, müsste der Lkw schon beim Anfahren sofort nach links gelenkt werden und dann nach rechts. Dieses Fahrverhalten wäre erfolgt, obwohl sich der Pkw im Sichtbereich des Lkw-Fahrers und überwiegend innerhalb der rechten Fahrspur des Lkw befand. Dies wäre auf dieser Gesamtfahrstrecke zwar möglich, inwieweit ein solches Fahrverhalten zu unterstellen wäre, ist ins Ermessen des Senats zu stellen."

    Der Senat gelangt aufgrund der nachfolgenden Erwägungen zu dem Ergebnis, dass ein solches Fahrverhalten des Beklagten zu 2) nicht unterstellt werden kann:

    Dem Zeugen Y. wurde im Rahmen seiner Vernehmung vom 29.06.2018 seine Aussage vor dem Senat vom 08.12.2017 vorgelesen. Der Zeuge erklärte daraufhin wörtlich: "So wie ich das damals gesagt habe, ist der Inhalt weitgehend zutreffend. Ich habe nur einige Ergänzungen zu machen." Eine Ergänzung erfolgte dann nachfolgend nicht zu der Verkehrsdichte am Mittleren Ring zum Unfallzeitpunkt. In der Vernehmung vom 08.12.2017, welche der Zeuge in der letzten Einvernahme am 29.06.2018 ausdrücklich als zutreffend bezeichnet hat, gab der Zeuge hierzu an:

    "Der Stopp-and-go-Verkehr bezieht sich auf beide Spuren des Mittleren Rings in unserer Fahrtrichtung." Ferner führte der Zeuge aus: "Ob der Lkw seinerseits die Spur wechseln wollte, weiß ich nicht, einen Blinker habe ich nicht gesehen, er war in seiner Spur relativ mittig."(siehe schon oben). In seiner Skizze vor dem Landgericht (s.o.) zeichnete der Zeuge den Lkw auf der rechten Fahrspur ein und kennzeichnete die Fahrtrichtung des Lkws mit einem Geradeauspfeil; ein Fahren auf der linken Spur oder in die linke Spur ist dieser Skizze nicht zu entnehmen.

    Weder die Klägerin noch die Beklagten haben (auch schriftsätzlich) behauptet, dass der Beklagte zu 2) den von ihm geführten Lkw seinerseits durch einen Spurwechsel in die linke Fahrspur des Mittleren Rings führen wollte. Unterstellt man die Angaben des Zeugen Y. als richtig, wonach sich zum Zeitpunkt der Kollision sein Fahrzeug kaum mehr schräg zu 95 % bereits in der rechten Spur des Mittleren Rings befunden, und dass der Lkw vor der Kollision mit einem Abstand von 1 bis 2 Metern hinter ihm angehalten habe, so gibt es bei dieser Ausgangsposition keinen Grund für den Beklagten zu 2), welcher nach den Angaben des Zeugen Y. noch zum Stehen gekommen sei, nach links "auszuweichen". Auch schilderte der Zeuge Y. für diesen Zeitpunkt keine Lücke in dem auch auf der linken Fahrspur herrschenden Stopp-and-go-Verkehr. Zuletzt kann der Senat aus eigener Sachkenntnis darauf hinweisen, dass es auch im Hinblick auf die Straßenführung (etwa wegen einer Fahrbahnteilung) keinen Grund für den Beklagten zu 2) gegeben haben kann, die Fahrspur wechseln zu müssen. In der Gesamtschau gibt es vor allem bei Beachtung der vom Zeugen Y. in erster Instanz gefertigten Skizze keinen Anhaltspunkt dafür anzunehmen, der Beklagte zu 2) habe in die linke Fahrspur wechseln wollen.

    3. Dem Führer des klägerischen Fahrzeugs ist nach dem festgestellten Unfallhergang entsprechend dem Vortrag der Beklagten (Spurwechsel von der Einfädelspur in die rechte Fahrbahn des Mittleren Rings trotz des heranfahrenden Beklagten-Lkws) in rechtlicher Hinsicht ein Verstoß gegen § 7 Abs. 5 StVO vorzuwerfen. Steht die Kollision zweier Kfz in einem unmittelbaren zeitlichen und örtlichen Zusammenhang mit dem Wechsel des Fahrstreifens, so spricht der Anscheinsbeweis für die Missachtung der Sorgfaltspflichten, die für den Fahrstreifenwechsler gelten (§ 7 Abs.  5 StVO), wobei die Haftungsabwägung regelmäßig - wie hier - zu dessen Alleinhaftung führt (vgl. König in Hentschel/König/Dauer Straßenverkehrsrecht, 42. Aufl., § 7 StVO Rz. 17). Ein unmittelbarer zeitlicher und örtlicher Zusammenhang mit dem Wechsel des Fahrstreifens ist hier zu bejahen. Der Senat ist zwar in seinem anfänglichen Hinweis vom 22.08.2017 unter Bezug auf die Aktenlage davon ausgegangen, dass weder für die Klagepartei noch für die Beklagtenpartei die Voraussetzungen zur Anwendung eines Anscheinsbeweises vorliegen. Die ergänzend durchgeführte Beweisaufnahme ergab jedoch vor allem durch die Ausführungen der Sachverständigen ein anderes Ergebnis.

    Der Klägerin ist es nicht gelungen, den gegen sie sprechenden Anscheinsbeweis durch Darlegung ernsthafter Möglichkeiten eines anderen als des erfahrungsgemäßen Geschehensablaufs (BGH NJW 1953, 584 [BGH 18.12.1952 - VI ZR 54/52]; NJW 1963, 953 [BGH 12.02.1963 - VI ZR 70/62]; DAR 1985, 316; OLG Nürnberg, Beschl. v. 16.07.2014 - 1 U 2572/13 [juris]), deren Tatsachen unstreitig oder (voll) bewiesen sein müssen, zu erschüttern. Zweifel gehen zu Lasten der Klägerin.

    Die Klägerin führt in ihrer Berufung ins Feld, dass ein Auffahrunfall durch den Beklagten zu 2) vorgelegen habe. In der Rechtsprechung ist allgemein anerkannt, dass derjenige, der mit seinem Kraftfahrzeug auf ein vorausfahrendes oder vor ihm stehendes Kraftfahrzeug auffährt, den Anscheinsbeweis gegen sich hat, wonach er entweder nicht den nötigen Sicherheitsabstand eingehalten hat oder mit unangepasster Geschwindigkeit gefahren ist oder falsch reagiert hat. Hierbei lässt auch eine bloße Teilüberdeckung der Fahrzeugschäden an Heck und Front nicht auf einen atypischen Geschehensablauf schließen. Allerdings liegt hier aufgrund der Schadensbilder kein Auffahrunfall, sondern eine seitliche Streifkollision vor. Spätestens aus den von der Klägerin nunmehr der Sachverständigen kurz vor dem Termin vom 29.06.2018 vorgelegten und von der Sachverständigen mit Schreiben vom 13.11.2017 beim Klägervertreter angeforderten Original-Lichtbildern (vgl. Bild 4 und 5 als Anlage zum Protokoll vom 29.06.2018) ergibt sich eindeutig, dass das Klägerfahrzeug seitlich über dem linken Hinterrad beschädigt wurde. Eine Beschädigung am Heck des Klägerfahrzeugs (wenigstens in Form einer Teilüberdeckung) ist nicht ersichtlich. Demgemäß kann nicht zugunsten der Klägerin ein Anscheinsbeweis gegen den Auffahrenden streiten, da insoweit kein Auffahrunfall vorliegt.

    Das Landgericht hat die Klage daher rechtlich fehlerfrei als unbegründet abgewiesen, weshalb die klägerische Berufung ebenfalls unbegründet ist.

    4. Auf die Frage, ob der klägerische Porsche mit dem Lkw von vorne nach hinten (wie die Sachverständige ausführte) oder von hinten nach vorne (wie die Klägerin meint) kollidiert ist, kommt es für die Entscheidung nicht an. Selbst wenn unterstellt wird, dass der Porsche von hinten nach vorne beschädigt wurde, widerspricht dies gerade nicht der Unfalldarstellung der Beklagten, wie die Sachverständige überzeugend ausführte (vgl. S. 12 des Protokolls vom 29.06.2018 = Bl. 157 d.A.).

    5. Einwendungen gegen die die Entscheidung tragenden Ausführungen der Sachverständigen K. werden von der Klägerin auch im nicht nachgelassenen Schriftsatz vom 05.07.2018 nicht erhoben.

    Die überzeugenden Ausführungen der Sachverständigen K. konnte der von der Klägerin im Termin vom 29.06.2018 mitgebrachte Sachverständige KfZ-Meister Michael F. nicht erschüttern. Auf Nachfrage des Senats ist dieser nach ZAK und IFS zertifiziert für Kfz-Unfallgutachten und -bewertung, er ist nicht öffentlich bestellt und allgemein vereidigt. Der Sachverständige Fleischer ist als Schadensgutachter zur Beurteilung unfallanalytischer Fragen daher nicht sachkompetent. Die für die Unfallanalyse öffentlich bestellte und allgemein vereidigte Sachverständige K.(siehe § 404 III ZPO) konnte die Auffassungen des Sachverständigen F., die sich im Wesentlichen auch auf einen nicht entscheidungserheblichen Bereich erstreckten (siehe oben Ziff. 4), in ausführlicher und anschaulicher Weise entkräften. Der Sachverständige F. hat letztlich (nur) die nicht entscheidungserhebliche Frage der Anstoßrichtung bezweifelt und wollte die Bewertungen der Sachverständigen durch seine eigene, vermeintlich besseren ersetzt wissen.

    Hinsichtlich der für die Entscheidung maßgeblichen Erläuterungen der Sachverständigen hatte die Klägerin schon in der Zeit zwischen erster und zweiter Beweisaufnahme, aber auch in der letzten mündlichen Verhandlung ausreichend Gelegenheit, sich vorzubereiten und hierzu Stellung zu nehmen. Der Klägervertreter hat ausdrücklich erklärt, dass an die Sachverständige keine weiteren Fragen mehr gestellt werden sollen und alle Frage aus dem Schriftsatz vom 25.01.2018 beantwortet sind (vgl. S. 12 Protokoll a.a.O.). Ferner hat der Senat nach § 285 ZPO den Parteien Gelegenheit gegeben, zum Ergebnis der Beweisaufnahme Stellung zu nehmen. Hiervon hat der Klägervertreter Gebrauch gemacht, zu den entscheidungserheblichen Punkten aber nicht Stellung genommen. Die Klägerin hat zu den widersprüchlichen Angaben des Zeugen keine Erklärung abgegeben, sondern ist unreflektiert davon ausgegangen, dass den Angaben des Zeugen gefolgt werden müsse, ohne zu prüfen, ob es überhaupt eine klare und eindeutige Aussage des Zeugen gibt. Weitere Fragen oder zumindest ein Antrag auf Einräumung einer Schriftsatzfrist wurden nicht gestellt. Schließlich haben vor Schluss der mündlichen Verhandlung beide Parteivertreter die in der mündlichen Verhandlung vom 08.12.2017 gestellten Anträge wiederholt. §§ 534, 295 ZPO schließen einen Verfahrensmangel aus, wenn die Partei, deren Interesse die Vorschrift dienen soll, auf deren Beachtung nachträglich verzichtet hat. Hierbei hat ein rügeloses Verhandeln in Kenntnis des Mangels die gleiche Wirkung wie ein Verzicht (vgl. Greger in Zöller, Zivilprozessordnung, 32. Aufl. 2018, § 295 ZPO Rz. 7). Auf einen Verstoß gegen die grundsätzlich unverzichtbare Gewähr rechtlichen Gehörs kann sich die Partei nicht mehr berufen, wenn sie nachträglich Gelegenheit zur Äußerung erhalten, diese aber nicht genutzt hat (BGH MDR 2010, 948; MK/Prütting Rn 31). Hier hat die Klagepartei im Rahmen der Wiederholung der Anträge kein rechtliches Gehör für weitere Fragen aufgrund der Anhörung der Sachverständigen gefordert.

    Im entscheidungserheblichen Bereich, also dass ein Unfallhergang wie vom Zeugen Yilmaz geschildert, nicht erfolgt sein kann, während der von den Beklagten auch nach Auffassung der Sachverständigen vorgetragene Hergang plausibel ist, erfolgten keine neuen oder geänderten Angaben der Sachverständigen, auch war der Befangenheitsantrag gegen die Sachverständige unbegründet (vgl. Beschluss vom 13.07.2018), so dass ein Anlass für eine Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung (§ 156 ZPO) nicht besteht (vgl. hierzu auch BGH NJW-RR 2011, 428 [BGH 30.11.2010 - VI ZR 25/09]).

    Der klägerische Antrag auf Erholung eines weiteren Gutachtens nach § 412 I ZPO ist zurückzuweisen (Antrag gestellt in der Beweisverhandlung [vgl. Protokoll a.a.O. S. 13 = Bl. 158 d.A.] und wiederholt im Schriftsatz vom 05.07.2018 [Bl. 160/162 d.A.).

    Dabei ist zunächst darauf hinzuweisen, dass ein weiteres Gutachten ausdrücklich nur insoweit beantragt wurde, als sich die Ausführungen der Sachverständigen K. und F. widersprechen, was jedoch im entscheidungserheblichen Bereich nicht der Fall ist (s.o.). Daneben zwingen abweichende Auffassungen eines für die hier maßgebliche Unfallanalyse nicht fachkompetenten Sachverständigen nicht dazu, die Erläuterungen der sachkundigen Gutachterin in Zweifel zu ziehen (s.o.). Zuletzt liefert die Klägerin keine überzeugende Darlegung und Begründung, welche besseren oder weiterführenden Erkenntnisse ein weiterer Sachverständiger hätte zu Tage fördern können. Die Beweiserhebung durch einen weiteren Sachverständigen folgt besonderen Regeln (§ 412 I ZPO), deren Voraussetzungen im Streitfall nicht vorliegen (BGH NJW 1999, 1778 [BGH 16.03.1999 - VI ZR 34/98]). Die Klägerin teilt nicht etwa neue gutachterliche Fragestellungen, Befund- oder Anknüpfungstatsachen mit, sondern greift die bisherigen Gutachtensergebnisse als unzutreffend oder nicht ausreichend an. Ihr Beweisziel richtete und richtet sich allein darauf, die Feststellungen und Folgerungen der bisherigen Gutachterin zu überprüfen und zu widerlegen, wobei sie vor allem eine gegenteilige Bewertung des Beweisergebnisses wünscht.

    II. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 I ZPO.

    III. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit des Ersturteils und dieses Urteils beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO i. Verb. m. § 26 Nr. 8 EGZPO.

    IV. Die Revision war nicht zuzulassen. Gründe, die die Zulassung der Revision gem. § 543 II 1 ZPO rechtfertigen würden, sind nicht gegeben. Mit Rücksicht darauf, dass die Entscheidung einen Einzelfall betrifft, ohne von der höchst- oder obergerichtlichen Rechtsprechung abzuweichen, kommt der Rechtssache weder grundsätzliche Bedeutung zu noch erfordern die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts.