13.11.2018 · IWW-Abrufnummer 205399
Landgericht Darmstadt: Urteil vom 24.10.2018 – 23 O 356/17
Entgegen der Auffassung des BGH (VII ZR 46/17, Urteil vom 22.02.2018) erstreckt sich die dort entschiedene Aufgabe der Zulässigkeit des sogenannten fiktiven Schadensersatzes auf Gutachtenbasis auf sämtliche Sachschadensfälle und damit sowohl auf kauf- oder mietrechtliche Gewährleistung als auch deliktische Ansprüche.
Landgericht Darmstadt
Urt. v. 24.10.2018
Az.: 23 O 356/17
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Dem Kläger wird nachgelassen, die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des aufgrund dieses Urteils vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die Beklagten vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils beizutreibenden Betrages leisten.
Tatbestand
Der Kläger verlangt Schadensersatz aus einem Verkehrsunfall, der sich am 02.05.2017 in [...] im Kreuzungs- oder Einmündungsbereich Bleichstraße/Goethestraße ereignete. Zur Veranschaulichung der Unfallstelle und des näheren Umfeldes wird Bezug genommen auf die von den Beklagten vorgelegten Anlagen B1 bis B3 (Bl.23-26 der Akte).
Unfallbeteiligte sind der Kläger als Fahrer und Eigentümer eines Pkw Mercedes Benz C 250 CDI (Kennzeichen: [...]) und die Beklagte zu 1) als Fahrerin eines Pkw Opel (Kennzeichen: [...]), haftpflichtversichert bei der Beklagten zu 2).
Der Kläger war mit seinem Pkw auf der Bleichstraße aus Richtung Schillerstraße kommend unterwegs und wollte die nach rechts abknickende Bleichstraße weiter befahren. Die Beklagte zu 1) befuhr die Bleichstraße aus der Gegenrichtung kommend. An der genannten Unfallstelle kam es zur Kollision.
Der Kläger behauptet, er habe zum Zeitpunkt der Kollision hinter einem dort geparkten Pkw auf seiner Fahrspur gestanden. Die Beklagte zu 1) sei ihm mit einer Geschwindigkeit von ca. 60 km/h entgegen gekommen, habe die in ihrer Fahrtrichtung verlaufende Linkskurve geschnitten und sei deshalb mit dem stehenden Pkw des Klägers kollidiert. Für ihn sei der Unfall unvermeidbar gewesen.
Der Kläger berechnet den Sachschaden an seinem Pkw fiktiv auf Gutachtenbasis und verlangt gemäß dem als Anlage K1 vorgelegten Privatgutachten [...] vom 03.05.2017 (Einzelheiten Anlagenband Kläger, Bl.1 ff.) Erstattung der dort auf netto € 5.362,61 geschätzten Reparaturkosten. Im Wege der gewillkürten Prozessstandschaft des Sachverständigen [...] werden ferner nach Abtretung des Erstattungsanspruchs Gutachterkosten gemäß Rechnung vom 03.05.2017 in Höhe von u€ 741,37 (Anlage K2 - Anlagenband Kläger, Bl.30) zur Zahlung an den Privatgutachter verlangt, schließlich pauschale Kosten in Höhe von € 30,00 und Erstattung vorgerichtlicher Anwaltskosten in Höhe von € 650,34, wegen deren Berechnung auf Seite 5 der Klageschrift verwiesen wird (Bl.5 der Akte).
Das Gericht hat den Kläger mit Verfügung vom 07.05.2018 auf Bedenken zur Schlüssigkeit der nur fiktiv ermittelten Anspruchshöhe hingewiesen (Bl.62 f. der Akte), zugestellt am 24.05.2018 (Bl.65 der Akte).
Der Kläger hat mit Klageantrag Nr.1 aus der Klageschrift zunächst eine Zahlung von € 6.133,98 begehrt (Bl.2 der Akte), diesen Betrag dann aber unter Hinweis auf ein Fassungsversehen wegen doppelten Ansatzes der Gutachterkosten mit Schriftsatz vom 01.02.2018 auf € 5.392,61 zurückgeführt (Bl.39 der Akte), zugestellt am 05.04.2018 (Bl.60 der Akte).
Der Kläger beantragt nunmehr,
die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen,
1.
an den Kläger einen Betrag in Höhe von € 5.392,61 nebst 5 Prozentpunkten Zinsen über dem Basiszinssatz ab dem 29.07.2017 zu zahlen;
2.
an das Kfz-Sachverständigenbüro [...] einen Betrag in Höhe von € 741,37 aus der Rechnung vom 03.05.2017 (Rechnung-Nr.: 20170503MG354/1) nebst 5 Prozentpunkten Zinsen über dem Basiszinssatz ab dem 28.07.2017 zu zahlen;
3.
an den Kläger außergerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von € 605,34 nebst 5 Prozentpunkten Zinsen über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
Die Beklagten bitten,
die Klage abzuweisen.
Wegen der weiteren Einzelheiten zum Sach- und Streitstand wird ergänzend auf die Gerichtsakte und die nachfolgenden Entscheidungsgründe verwiesen.
Gründe
I. Die Klage ist zulässig.
Soweit der Kläger im Wege gewillkürter Prozessstandschaft Ansprüche des Privatgutachters [...] geltend macht, liegen die prozessualen Voraussetzungen vor. In der Änderung des Klageantrags Nr.1 ist entgegen der Auffassung der Beklagten keine Klagerücknahme zu sehen, sondern eine Korrektur des auf einem offensichtlichen Fassungsversehen beruhenden Betrags zur Hauptforderung. Aus der Klagebegründung ist für jedermann und damit auch die Beklagten ohne weiteres ersichtlich, dass die Gutachterkosten versehentlich doppelt berücksichtigt wurden (§§ 133, 157, 242 BGB analog).
II. Die Klage ist unbegründet.
1. Der Kläger hat gegen die Beklagten weder aus §§ 7, 18 I StVG noch aus § 823 I BGB jeweils in Verbindung mit § 115 I 1 Nr.1 VVG einen Anspruch auf Zahlung von € 5.392,61 sowie Erstattung von Gutachterkosten in Höhe von € 741,37. Sonstige Anspruchsgrundlagen kommen nicht in Betracht.
Es kann dahinstehen und bedarf deshalb keiner weiteren Sachaufklärung, wie sich der Unfall tatsächlich ereignet hat, mithin ob nach Auffassung des Klägers die Beklagte zu 1) das Rechtsfahrgebot missachtet oder gegen eine Wartepflicht verstoßen hat, oder ob nach Auffassung der Beklagten dem Kläger selbst ein Verstoß gegen die Wartepflicht oder gar eine Vorfahrtsverletzung vorzuhalten ist.
Selbst wenn man dem Grunde nach von einer vollen oder auch nur anteiligen Haftung der Beklagten ausgehen wollte, scheitert die Klage bereits daran, dass der Kläger gemäß dem Hinweis des Gerichts vom 7.5.2018 (Bl. 62 der Akte) keinen Anspruch auf Erstattung eines lediglich fiktiv auf Gutachtenbasis berechneten Schadens hat, der Kläger aber trotz Hinweis daran mit Schriftsatz vom 10.7.2018 ausdrücklich weiterhin festhält (Bl.75 f. der Akte).
Die Kammer bleibt bei ihrer in dem Hinweis zum Ausdruck gebrachten Auffassung, dass die vom BGH mit Urteil vom 22.02.2018 für den sogenannten kleinen Schadensersatzanspruch im Bereich von Werkverträgen aufgegebene Abrechnungsmöglichkeit auf fiktiver Basis nicht auf das Werkvertragsrecht beschränkt ist, sondern Schadensersatzansprüche jedweder Art erfasst, gleich, ob es sich um gewährleistungsrechtlich begründete Schadensersatzansprüche handelt oder um solche aus der Beschädigung von Sachen oder Personen und gleich, auf welchem rechtlichen Grund sie beruhen.
Dem Kläger ist zwar zuzugeben, dass der VII. BGH-Senat selbst ausdrücklich erklärt hat, er sehe diese Aufgabe seiner Rechtsprechung den Besonderheiten des Werkvertragsrechts geschuldet und zugleich auf diesen Anwendungsbereich beschränkt. Die Interpretation der fraglichen Entscheidung des BGH lässt indes keine plausible und dogmatisch begründbare Beschränkung der Aufgabe des fiktiven Schadensersatzes auf werkvertragliche Konstellationen erkennen. Soweit der VII. Zivilsenat das in seiner Entscheidung postuliert, dient dies offenkundig allein der Rechtfertigung des Umstandes, dass es zuvor keine Anfrage bei dem V. und VIII. Zivilsenat gegeben hat und eine im Widerspruchsfall an sich nach § 132 II GVG gebotene Vorlage dieser Rechtsfrage an den Großen Senat für Zivilsachen unterblieben ist.
Das erkennende Gericht ist zu der rechtlichen Überzeugung gelangt, dass die in jeder Hinsicht zu begrüßende Aufgabe der fiktiven Schadensberechnung schon aus Gründen der Rechtsvereinheitlichung auf das gesamte Schadensersatzrecht zu übertragen und überdies aufgrund erheblicher Möglichkeiten des Missbrauchs dies auch rechtspolitisch geboten ist.
Völlig zu Recht hat der VII. Zivilsenat zur Begründung seiner Kehrtwende darauf hingewiesen, dass eine Schadensbemessung nach fiktiven Mangelbeseitigungskosten das Leistungsdefizit im Werkvertragsrecht - vor allem im Baurecht - nicht mehr zutreffend abbildet und häufig zu einer nach allgemeinen (!) schadensrechtlichen Grundsätzen nicht mehr zu rechtfertigenden Überkompensation des Geschädigten führt, mithin zu einer Bereicherung, die mit dem das gesamte Schadensersatzrecht prägenden Grundsatz der Restitution in Natura oder in Geld ohnedies nie wirklich in Einklang zu bringen war und es zunehmend weniger ist.
Das ist nun aber keine Problematik, die sich allein aus Besonderheiten des Werkvertragsrechts speist. So wird auch in der Literatur mit Recht darauf hingewiesen, dass zunächst einmal nicht begründbar ist, weshalb diese Grundsätze im Bereich der kaufrechtlichen Gewährleistung nicht gelten sollen und dann konsequenterweise auch dort die Möglichkeit des fiktiven Schadensersatzes beendet wird. Auch der VII. Zivilsenat hat bereits diese mehr als naheliegende Schlussfolgerung nicht verkannt und ist ihr mit dem Hinweis entgegen getreten, dass sich die Problematik der Überkompensation des Geschädigten im Werkvertragsrecht jedenfalls deutlich größer stelle, als im Kaufrecht. Das überzeugt aber nicht. Dass der VII. Zivilsenat dies nicht mit konkreten Tatsachen unterlegen kann, mag den Besonderheiten des BGH als Revisionsgericht geschuldet sein, die eigene Tatsachenfeststellungen an sich ausschließen.
Aus tatrichterlicher Sicht der Instanzgerichte und auch den Erfahrungen des erkennenden Gerichts ist allerdings die Aufgabe des fiktiven Schadensersatzes über das Werkvertragsrecht einschließlich Bau- und Architektenrecht hinaus überfällig, weil sich grundsätzlich bei allen schadensersatzrechtlich geprägten Konstellationen die Problematik der erheblichen Überkompensation des Geschädigten in gleicher Weise stellt.
Sowohl die von vorgelegten Privatgutachten als auch die von gerichtlich bestellten Sachverständigen geschätzten Summen der zu ermittelnden Mangelbeseitigungskosten liegen nahezu durchweg erheblich über denjenigen Beträgen, die ein Geschädigter im Falle der konkreten Schadensberechnung, so diese auf Nachfrage des Gerichts offen gelegt wird, tatsächlich aufwendet, wenn überhaupt eine Mangel- oder Schadensbeseitigung erfolgt. Auch hier muss deshalb der vom VII. Zivilsenat zu Recht aufgestellte Grundsatz gelten, dass derjenige, der Mängel bzw. Schäden nicht beseitigen lässt und sich mit der eingetreten Situation abfinden will, eben auch keinen Vermögensschaden in Höhe von lediglich fiktiven Aufwendungen hat.
Nach Auffassung der Kammer greift diese Erkenntnis auch bei den anderen BGH-Senaten zunehmend um sich, wenn auch eher mit dem schlussendlich freilich untauglichen Versuch punktueller Korrekturen und - noch - ohne die fiktive Schadensberechnung ganz aufzugeben. In diese Kategorie fällt nach hier vertretener Auffassung auch die vom VI. Zivilsenat mit Urteil vom 23.02.2010 (VI ZR 91/09) auf die Grundsätze der Schadenminderungspflicht gestützte Rechtsprechung, wonach bei fiktiver Abrechnung von Fahrzeugschäden nach einem Unfall der Geschädigte unter bestimmten Voraussetzungen auf die Abrechnungssätze eines nicht markengebundenen Fachbetriebes verwiesen werden kann, worauf sich auch die Beklagten vorliegend unter anderem stützen.
Der BGH argumentiert dort mit dem Grundsatz der Erforderlichkeit und führt die durch § 249 II 1 BGB gezogenen Grenzen an. Die Zielsetzung ist klar. Der BGH bemüht sich um eine Begrenzung der in den Sachverständigengutachten enthaltenen Kalkulationsberechnungen, die EDV-gestützt durchweg auf Herstellerpreise und -empfehlungen abstellen, die in der Reparaturpraxis so nicht einmal von den markengebundenen Fachwerkstätten umgesetzt werden und überdies auch den Austausch von Teilen und Komponenten empfehlen, die gar nicht beschädigt sind, was in erster Linie den wirtschaftlichen Interessen der Hersteller dient und die von der Solidargemeinschaft der Haftpflichtversicherer und ihrer Versicherungsnehmer aufzubringenden Kosten nach oben treibt. Tatsächlich vermengt der BGH hier aber die äußerst großzügigen Grundsätze der fiktiven Schadensberechnung mit Elementen der konkreten Schadensberechnung, indem er einzelne Rechnungsposten einer fiktiven und damit per se rein hypothetischen Schadensberechnung durch das dogmatisch unscharfe Kriterium der "Erforderlichkeit" im Sinne von "Wirtschaftlichkeit" bemüht. Gänzlich impraktikabel und für die Instanzgerichte wie auch die rechtssuchenden Parteien über Gebühr belastend wird dieser Ansatz schließlich, wenn der BGH dazu, aus seiner Sicht konsequent, die Beweislast für die angebliche Gleichwertigkeit des günstigeren Referenzbetriebes dem Schädiger zuweist, ohne freilich einmal wenigstens anzudeuten, welche Referenzkriterien denn maßgebend sein sollen. Hier wird - bei teilweise niedrigen Streitwerten und überschaubarem wirtschaftlichen Interesse der Parteien - eine weitere Front für Gutachterschlachten eröffnet, die auf vergleichende Qualitätsaudits zwischen markengebundenen und markenungebundenen Werkstätten hinauslaufen und deren Kosten zumeist in keinem wirtschaftlichen Verhältnis zum Streitwert stehen.
Diese Überlegungen waren es auch, welche die Kammer bislang dazu geführt haben, der Rechtsprechung des VI. Senats nicht zu folgen, worauf es im vorliegenden Rechtsstreit aber nicht mehr ankommt.
Mit der Entscheidung des VII. Zivilsenats hat sich diese Frage aber überholt, weil jetzt auch im Rahmen des § 249 I, II BGB kein Raum mehr für fiktive Schadensabrechnungen besteht und diese bislang auch hier anerkannte Schadensberechnung aufzugeben ist, auch wenn der VII. Senat dem offenbar (noch?) nicht nähertreten will.
Völlig zu Recht wird dazu in der Literatur gerade im Hinblick auf die geänderte Rechtsprechung des VII. Senats von der Vorsitzenden Richterin am Landgericht Berlin Dr. Ulrike Picker in einer Anmerkung zum Urteil des VII. Senats gefordert, das schadensersatzrechtliche Regime nach der Kehrwende des Senats nunmehr einer grundlegenden dogmatischen Neujustierung zu unterziehen und die im Rahmen der fiktiven Schadensberechnung zunehmend ausgeuferten Wucherungen zurückzuschneiden mit der Maßgabe, dass nach dem das Schadensersatzrecht der §§ 249 ff. BGB prägenden Grundsatz der Restitution die Ersatzfähigkeit fiktiver Mangelbeseitigungs- oder sonstiger Restitutionskosten generell auszuschließen ist.
Der Gesetzgeber selbst enthält sich übrigens dazu bewusst einer jeden Initiative und weist bei vollständiger Erfassung der Problemlage die Klärung der Frage, ob fiktive Schadensberechnung zulässig sein soll, schlussendlich ganz bewusst der Judikative zu. So heißt es in der Begründung zur Änderung des § 249 II BGB, die eine Erstattung von USt nur noch bei ihrem tatsächlichen Anfall zulässt, unter anderem:
"Nach derzeitiger Rechtslage (§ 249 BGB) kann der Geschädigte, der einen Körper- oder Sachschaden erlitten hat, frei darüber entscheiden, ob er die Herstellung des ursprünglichen Zustands durch den Schädiger ausführen lässt (das wäre nach § 249 S. 1 BGB der gesetzliche Regelfall, der aber keine praktische Bedeutung mehr hat) oder ob er statt der Herstellung durch den Schädiger den dafür erforderlichen Geldbetrag verlangt.
Dem Gesetzeswortlaut kann nicht eindeutig entnommen werden, ob unter dem "dafür erforderlichen Geldbetrag" der Betrag für eine wirklich durchgeführte oder auch der Betrag für eine nur gedachte Schadensbeseitigung zu verstehen ist. Die höchstrichterliche Rechtsprechung hat sich bei der Abrechnung des reinen Sachschadens, im Unterschied zu der Abrechnung von Personenschäden und Sachfolgeschäden (z.B. sachverständigen Kosten, Kosten für die Anmietung einer Ersatzsache während der Dauer der Schadensbeseitigung), für die zuletzt genannte Betrachtungsweise entschieden und räumt dem Geschädigten insoweit die Möglichkeit einer fiktiven Schadensberechnung ein (...).
Diese Form der abstrakten Schadensberechnung kann insoweit zu einer Überkompensation führen, als dem Geschädigten Schadensposten ersetzt werden, die nach dem von ihm selbst gewählten Weg zur Schadensbeseitigung gar nicht angefallen sind. Das liegt an der Bezugsgröße, die die Rechtsprechung der fiktiven Abrechnung von Sachschäden zugrundelegt, nämlich die "für die Behebung des Schadens üblicherweise erforderlichen Reparaturkosten" (....).
...
Bei Erarbeitung des Gesetzentwurfs ist auch eine noch grundlegendere Reform des Sachschadensrechts erwogen worden. Dabei stellte sich insbesondere die Frage, ob der gedankliche Ausgangspunkt der derzeitigen Schadensersatz Praxis, nach dem die fiktiven Reparaturkosten auch dann den Maßstab für die Berechnung der Schadenshöhe bilden, wenn der Geschädigte eine Reparatur gar nicht vornimmt, sondern einen anderen Weg zur Schadensbeseitigung wählt, ganz aufgegeben werden soll. Man könnte stattdessen überlegen, ob der Maßstab für die Höhe des Sachschadensersatzes nicht in allen Fällen danach bestimmt werden sollte, welche Maßnahmen der Geschädigte konkret zur Schadensbeseitigung ergreift. Im Falle einer durchgeführten Reparatur könnten dies z.B. die tatsächlichen Reparaturkosten, im Falle einer Ersatzbeschaffung die Differenz zwischen dem Wiederbeschaffungswert der Sache vor der Beschädigung und dem Restwert der Sache nach der Beschädigung sein. Und wenn der Geschädigte auf eine Reparatur oder Ersatzbeschaffung ganz verzichtet und sich damit gegen die Wiederherstellung des ursprünglichen Zustands entscheidet, könnte es unter rechtssystematischen Gesichtspunkten konsequenter sein, nur das Wertungen Interesse zu ersetzen, nämlich die Differenz zwischen dem Verkehrswert der Sache im unbeschädigten und im beschädigten Zustand.
Eine derart umfassende Reform des Sachschadens rechts hätte allerdings den Nachteil, dass dadurch eine langjährige und bis ins einzelne ausdifferenzierter Rechtsprechung grundlegend infrage gestellt würde. Für die erreichte Rechtssicherheit in diesem Bereich hätte das kaum abschätzbare Folgen. Dabei war auch zu berücksichtigen, dass das derzeitige System der Schadensabwicklung auf der Grundlage fiktiver Reparaturkosten den Verkehrskreisen wohlvertraut ist und - was seine technische Abwicklung betrifft- -im Wesentlichen reibungslos funktioniert. Vor diesem Hintergrund wurden die Überlegungen für eine umfassende Reform des Sachschadensrechts zurückgestellt. Es empfahl sich vielmehr, mit der Neuregelung zum nicht Ersatz von fiktiver Umsatzsteuer eine behutsame Korrektur an dem bestehenden System vorzunehmen und es im Übrigen der Rechtsprechung zu überlassen, das Sachschadensrecht zu konkretisieren und weiterzuentwickeln."
Und eben diese Weiterentwicklung hat der VII. Zivilsenat des BGH nunmehr angestoßen und es gilt, dies in der Fläche aufzugreifen.
Nach Auffassung der Kammer gebieten schließlich auch zweck- und rechtsfolgenorientierte Erwägungen diesen Schritt. Die Möglichkeit der rein fiktiven Schadensberechnungen ist nämlich, wie tatrichterliche Erfahrungen gerade in den erstinstanzlichen Verfahren zeigen, das Einfallstor für Versicherungsbetrügereien und gestellte, provozierte oder sonst manipulierte Verkehrsunfälle schlechthin, wobei das Gericht dies ausdrücklich nicht auf den hier zu entscheidenden Sachverhalt bezieht. Allgemein aber ist die Möglichkeit der fiktiven Schadensabrechnung die unverzichtbare Geschäftsgrundlage kriminelle Machenschaften im Zusammenhang mit der Regulierung von Sachschäden gerade bei Unfallsachen. Es werden Fahrzeuge der Oberklasse mit hinreichend hohem Wiederbeschaffungswert eingesetzt, beschädigt und dann bei der betreffenden Versicherung zur Regulierung auf der Basis fiktiver Reparaturkosten vorgestellt. Diese Kosten liegen ein Vielfaches über den zumeist nur kosmetisch in Hinterhofwerkstatten mittels "Eigenregie" durchgeführten tatsächlichen Kosten der Beseitigung der Unfallspuren. Es darf auf die mittlerweile unüberschaubare Liste der von den Instanzgerichten aufgestellten Indiztatsachen verwiesen werden. Gibt man freilich mit guten Gründen die Rechtsprechung über die Anerkennung der fiktiven Schadensabrechnung generell auf, ist diesen "Geschäftsmodellen" auf einen Schlag die Grundlage entzogen, weil dann nur noch tatsächlich angefallene Reparaturkosten geltend gemacht werden können, die in jeder Hinsicht überprüfbar sind. Ungeachtet dessen sind die an einer privatrechtlichen Schadensregulierung Beteiligten nicht daran gehindert, sich einvernehmlich auf eine fiktive Schadensregulierung zu verständigen, wenn ihnen dies opportun erscheint. Dies sollte aber nicht mehr gegen den Willen des jeweils anderen Teils durchgesetzt werden können.
Im Zuge der damit einhergehenden Rechtsfortbildung wird man, wie dies der BGH auch bereits früher im Hinblick auf Ersatzvornahmekosten vor der entsprechenden gesetzlichen Regelung getan hat, sicher dem Gedanken nähertreten müssen, ob sich nicht aus den §§ 249 II 1, 250 S.2, 281 BGB in Verbindung mit § 242 BGB ein allgemeiner Rechtsgedanke des Inhalts herleiten lässt, dass der nunmehr auf konkrete Schadensberechnung verwiesene Geschädigte im Fall der beabsichtigten Schadensbeseitigung auf Gutachtenbasis vom Schädiger einen angemessenen Kostenvorschuss verlangen kann, der nach Abschluss der Maßnahme abzurechnen ist mit der Maßgabe, dass entweder der Schädiger nachentrichten oder der Geschädigte unverbrauchten Vorschuss rückerstatten muss. Dass ein solcher Vorschussanspruch de lege lata nur in § 637 III BGB für das Werkvertragsrecht ausdrücklich vorgesehen ist, steht nicht dagegen. Auch diese Vorschrift hat letztlich nur einen Rechtsanspruch festgeschrieben, den die höchstrichterliche Rechtsprechung zuvor bereits aus allgemeinen Rechtsgedanken hergeleitet hatte. Man könnte auf diese Weise einerseits für die Schätzung des Vorschussbetrages nach § 278 ZPO auf die bisherigen Grundsätze der fiktiven Schadensersatzberechnung zurückgreifen. Im Abrechnungsverfahren würden die so hypothetisch entwickelten Beträge aber auf die tatsächlich entstandenen Kosten einer Schadensbeseitigung zurückgeführt. Und nur diese kann der Schädiger auch verlangen. Einer abschließenden Entscheidung darüber bedarf es aber nicht, weil im konkreten Fall kein Anspruch auf Vorschusszahlung verfolgt wird.
Weil der Kläger aus diesen Gründen keinen Anspruch auf Ersatz lediglich fiktiver Reparaturkosten hat und er nach Hinweis des Gerichts die Klage bewusst - und aus seiner Sicht konsequent - auch nicht entsprechend umgestellt hat, schulden die Beklagten auch keine Erstattung von Gutachterkosten oder dem Gesichtspunkt der notwendigen Rechtsverfolgung. Wird das Gutachten nämlich allein zu dem Zweck eingeholt, eine nicht - mehr - zu billigende fiktive Schadensabrechnung durchzusetzen, so verfehlt es den Zweck einer notwendigen Rechtsverfolgung. Nachdem der Kläger einen schlüssigen Schaden aus dem Unfallereignis nicht darlegt, kann er ferner keine pauschalen Kosten verlangen, die er mit € 30,00 ansetzen will.
2. Auf den weiteren Vortrag der Parteien kommt es nicht an. Die geltend gemachten neben Ansprüche wie Verzugszinsen und vorgerichtliche Anwaltskosten teilen das rechtliche Schicksal der unbegründeten Hauptforderung.