Praxiswissen auf den Punkt gebracht.
logo
  • Meine Produkte
    Bitte melden Sie sich an, um Ihre Produkte zu sehen.
Menu Menu
MyIww MyIww
  • 08.07.2020 · IWW-Abrufnummer 216694

    Oberlandesgericht Frankfurt a. M.: Beschluss vom 05.07.2019 – 17 W 20/19

    Unterlässt es die Beklagte, dem Kläger vorgerichtlich auf eine kostengünstigere Reparatur seines Fahrzeuges hinzuweisen, so gibt die Beklagte Veranlassung zur Klageerhebung, so dass sich der Einwand während des Rechtsstreits und das daraufhin erfolgte Anerkenntnis kostenrechtlich gem. § 93 ZPO nicht zum Nachteil des Klägers auswirken kann.


    OLG Frankfurt
    17. Zivilsenat

    05.07.2019


    Tenor

    Die angefochtene Kostenentscheidung in dem am 21. März 2019 verkündeten Urteil des Landgerichts Hanau - 7 O 750/18 - wird abgeändert.

    Der Kläger hat 3/10, die Beklagte hat 7/10 der erstinstanzlichen Kosten des Rechtstreits zu tragen.

    Die Beklagte hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.

    Der Beschwerdewert entspricht dem Kosteninteresse des Klägers.

    Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

    Gründe

    I.

    Nach Maßgabe der für die Beschwerde noch bedeutsamen Feststellungen des Landgerichts machte der Kläger aus einem Verkehrsunfallgeschehen restlichen Schadensersatz gegen die Beklagte als Haftpflichtversicherung in Höhe von 5.189,79 € geltend. Gemäß der vorgerichtlichen Bewertung des Sachverständigen rechnete der Kläger den Fahrzeugschaden auf Wiederbeschaffungsbasis mit 12.500,00 € ab (Wiederbeschaffungswert brutto von 31.500,00 € abzüglich Restwert brutto von 19.000,00 €). Die Reparaturkosten in einer markengebundenen Fachwerkstatt beliefen sich nach dem Sachverständigengutachten auf 13.332,21 €.

    Nach vorgerichtlicher Zahlung der Beklagten machte der Kläger aus dieser Schadensposition noch 4.689,78 € mit der Klage geltend.

    Der Kläger hat die Klage dann um 1.483,94 € zurückgenommen, weil er übersehen hatte, dass die Beklagte diesen Betrag bereits auf den genannten Schadensbetrag gezahlt hatte.

    Die Beklagte verwies den Kläger in der Klageerwiderung wegen des annähernd 4 Jahre alten Fahrzeugs erstmals auf eine nach ihrer Ansicht kostengünstigere markenungebundene Reparaturwerkstatt und stellte die Abrechnung auf der Basis der Wiederbeschaffung deshalb in Abrede, woraufhin der Kläger mit Schriftsatz vom 13. November 2018 durch Vorlage von Belegen die regelmäßige Wartung des Fahrzeugs in einer markengebundenen Werkstatt behauptete. Die Beklagte zahlte deshalb nach Anerkenntnis mit Schriftsatz vom 6. Dezember 2019 den anerkannten Betrag von 2.205,84 € an den Kläger.

    Die Parteien haben den Rechtstreit in Höhe dieses Betrages sodann für teilerledigt erklärt.

    Das Landgericht hat die Beklagte unter Klageabweisung im Übrigen zur Zahlung von 2.200,00 € verurteilt und von den Kosten des Rechtsstreits dem Kläger ¾ und der Beklagten ¼ auferlegt.

    Es hat ausgeführt, der Kläger habe wegen der Teilerledigung die Kosten zu tragen, weil die Beklagte diese Forderung sofort anerkannt habe.

    Hiergegen wendet sich die Beschwerde. Der Kläger habe eine konkrete Abrechnung vorgenommen und könne die Kosten der markengebundenen Werkstatt geltend machen.

    Die Beklagte beruft sich auf das von dem Landgericht angenommene sofortige Anerkenntnis.

    II.

    Die sofortige Beschwerde ist zulässig. Angesichts der Kostenquote in dem Urteil des Landgerichts ist der Beschwerdewert von 200,00 € (§ 567 Abs. 2 ZPO) überschritten.

    Weil das Landgericht infolge der Teilerledigung insoweit gemäß § 91a ZPO über die Kosten des Rechtstreits zu befinden hatte, kann die Kostenentscheidung isoliert mit der sofortigen Beschwerde angefochten werden, wobei sich das Beschwerdegericht auf die Prüfung der aus § 91a ZPO hergeleiteten Kostenfolge zu beschränken hat (vgl. BGH, Beschluss v. 29. Juli 2003 - VIII ZB 55/03 -, Rz. 5, zit. nach juris).

    Das Rechtsmittel hat in der Sache Erfolg. Die angefochtene Entscheidung war abzuändern dahin, dass der Kläger 3/10 und die Beklagte 7/10 der Kosten des Rechtstreits zu tragen haben.

    Wegen der Teilerledigung in Höhe von 2.205,84 € waren die Kosten des Rechtstreits der Beklagten aufzuerlegen, weil dies der Sach- und Rechtslage und billigem Ermessen entspricht.

    Dass dem Kläger aus dem Unfallgeschehen jedenfalls wegen des Fahrzeugschadens weitere 2.205,84 € zustehen, steht zwischen Parteien nicht im Streit. Die Beklagte verweigerte die Zahlung wegen der kostengünstigeren Reparatur in einer nicht markengebundenen Werkstatt. Den Differenzbetrag in Höhe der Teilerledigung hat die Beklagte nach Vorlage der Wartungsbelege durch die Kläger gezahlt. Die Beklagte greift dies mit der Beschwerde nicht an, so dass grundsätzlich die Beklagte die durch die Teilerledigung bedingten Kosten des Rechtstreits zu tragen hat.

    Die reziproke Anwendung des § 93 ZPO bei der Kostenentscheidung gemäß

    § 91a ZPO (vgl. hierzu mit umfangreichen Nachweisen Althammer in Zöller, ZPO, 32. Aufl., Rz. 25, § 91 ZPO) führt vorliegend zu keinem abweichenden Ergebnis zugunsten der Beklagten.

    Der Kläger hatte Veranlassung zur Klageerhebung.

    Die Veranlassung zur Erhebung der Klage ist gegeben, wenn Tatsachen vorliegen, die bei dem Kläger vernünftigerweise die Überzeugung oder Vermutung hervorrufen können, er werde ohne eine Klage nicht zu seinem Recht kommen, wobei diese Schlussfolgerung gerechtfertigt ist, wenn die Beklagte eine fällige Leistung trotz Aufforderung nicht erbringt (vgl. BGH, Beschluss vom 22.Oktober 2015 - V ZB 93/13 -, Rz. 19, zit. nach juris).

    So liegt die Sache hier.

    Der Kläger hat den Schadensersatzanspruch gegenüber der Beklagten (auch) wegen des Fahrzeugschadens in Höhe vom 12.500,00 € vorgerichtlich mit Schreiben vom 7. März 2018 beziffert. Die Beklagte leistete daraufhin eine Zahlung von 7.810,94 € und ferner 1.483,94 €. Erstmals mit der Klageerwiderung hat die Beklagte moniert, dass der Kläger wegen der Reparaturkosten nicht mit den Kosten einer markengebundenen Werkstatt abrechnen könne und den Kläger auf eine ungebundene Werkstatt verwiesen, was die Beklagte zum Anlass nahm, die Berechtigung des Klägers zur Abrechnung auf Basis der Wiederbeschaffung in Abrede zu stellen.

    Der Kläger war vor diesem Hintergrund nicht gehalten, bei der Bezifferung seines Fahrzeugschadens sei es vorgerichtlich oder in der Klagebegründung bereits antizipierend darzulegen, dass er die Kosten der markengebundenen Werkstatt wegen der Reparatur trotz des Fahrzeugalters haftungsausfüllend zugrunde legen dürfe. Wie der Bundesgerichtshof festgestellt hat, ist der Geschädigte berechtigt, konkret oder fiktiv auf der Grundlage eines Sachverständigengutachtens die Kosten der Instandsetzung des Fahrzeugs abzurechnen (BGH, Urteil vom 20. Oktober 2009 - VI ZR 53/09 - Rz. 9, NJW 2010, 606 f.).

    Die Behauptung der Beklagten, der Kläger habe gegen seine Schadensminderungspflicht gemäß § 254 Abs. 2 BGB verstoßen, weil die Reparatur in einer nunmehr von der Beklagten benannten Werkstatt kostengünstiger möglich sei, ist von der Beklagten darzulegen und gegebenenfalls zu beweisen, unterliegt aber nicht der primären Darlegungslast des Klägers (vgl. BGH, aaO). Unterlässt es die Beklagte, den Kläger vorgerichtlich auf eine kostengünstigere Reparatur zu verweisen, so gibt sie jedenfalls Veranlassung zur Klageerhebung, so dass sich der Einwand während des Rechtstreits und das daraufhin erfolgte Anerkenntnis kostenrechtlich gemäß § 93 ZPO nicht zum Nachteil des Klägers auswirken kann.

    Ob und inwieweit sich vorliegend die vermeintlich erst während des Rechtstreits vorgelegte Restwertbewertung des Sachverständigen auf die Kostenfolge auswirken könnte, ist unerheblich, weil die Beklagte das Anerkenntnis ausschließlich auf die Darlegung der Voraussetzungen für die Inanspruchnahme einer markengebundenen Werkstatt gestützt hat.

    Der Gesamtkostenentscheidung beruht danach auf den §§ 92 Abs. 1, 269 Abs. 3 S. 2, 91a ZPO. Die Kostenquote errechnet sich aus dem Wertverhältnis

    3.705,85 € (Erfolg der Klage) zur Klageforderung von ursprünglich 5.189,79 €.

    Die Beklagte hat zudem die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen, weil die Beschwerde Erfolg hatte.

    Die Rechtsbeschwerde war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 574 Abs. 2 ZPO nicht vorliegen.

    RechtsgebietZPOVorschriften§ 91a ZPO, § 93 ZPO