23.03.2021 · IWW-Abrufnummer 221323
Bundesgerichtshof: Beschluss vom 17.02.2021 – 4 StR 225/20
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts und nach Anhörung der Beschwerdeführer am 17. Februar 2021 gemäß § 349 Abs. 2 StPO beschlossen:
Tenor:
Die Revisionen der Nebenkläger C. B. , O. B. , G. K. und H. K. gegen das Urteil des Landgerichts Stuttgart vom 15. November 2019 werden verworfen.
Die Beschwerdeführer haben jeweils die Kosten ihrer Rechtsmittel und die dem Angeklagten im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.
Gründe
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Das Landgericht hat den Angeklagten wegen verbotenen Kraftfahrzeugrennens mit Todesfolge in Tateinheit mit vorsätzlicher Gefährdung des Straßenverkehrs zu der Jugendstrafe von fünf Jahren verurteilt. Darüber hinaus hat es dem Angeklagten die Fahrerlaubnis entzogen, den Führerschein des Angeklagten eingezogen und eine Sperre für die Neuerteilung einer Fahrerlaubnis von vier Jahren angeordnet. Mit ihren jeweils auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützten Revisionen erstreben die Nebenkläger eine Verurteilung des Angeklagten wegen tateinheitlich begangenen Mordes.
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Die Rechtsmittel haben keinen Erfolg.
I.
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Nach den Feststellungen mietete der Angeklagte für den Tattag einen Pkw Jaguar F-Type R mit 550 PS, der auf der Internetseite des Autovermieters mit einer Höchstgeschwindigkeit von 300 km/h, einer Beschleunigung von 0 auf 100 km/h in 4,2 Sekunden und einer Klappenauspuffanlage als besonderem Ausstattungsmerkmal beworben worden war. Neben seinen technischen Interessen ging es dem Angeklagten bei der Anmietung darum, mit dem auffälligen Fahrzeug und durch eine Aufmerksamkeit erweckende Fahrweise Freunden und Bekannten, aber auch unbekannten Passanten zu imponieren. Nach der Übernahme des Fahrzeugs am Nachmittag des Tattages unternahm der Angeklagte in der Folgezeit bis kurz vor Mitternacht teils allein, teils mit ihn jeweils als Beifahrer begleitenden Freunden und Bekannten eine Vielzahl von Fahrten ganz überwiegend durch die Innenstadt von Stuttgart. Bei diesen Fahrten fuhr der Angeklagte mehrfach mit überhöhter Geschwindigkeit, beschleunigte und bremste stark ab, gab im Leerlauf Gas und provozierte Fehlzündungen, um den Auspuff des Fahrzeugs zum Knallen zu bringen. Während einer Fahrt auf einem Streckenabschnitt der Autobahn A8 beschleunigte der Angeklagte das Fahrzeug von 194 km/h auf 274 km/h, wobei er die Tachoanzeige mit seinem Smartphone filmte und das Video live über eine Kommunikationsplattform streamte.
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Um 23.37 Uhr holte der Angeklagte einen Bekannten an dessen in Stuttgart in der R. straße gelegener Wohnung ab, um mit ihm „noch eine Runde durch Stuttgart zu drehen“. Nach dem Zusteigen des Bekannten steuerte der Angeklagte den Pkw Jaguar auf der R. straße, auf der die innerorts zulässige Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h gilt, zunächst mit angepasster Geschwindigkeit stadteinwärts bis zu einem ca. 500 Meter vor der späteren Unfallstelle befindlichen Einkaufsmarkt. Zwischen dem Einkaufsmarkt und der Unfallkreuzung verläuft die vorfahrtsberechtigte R. straße in einer langgezogenen Rechtskurve. Die bei Dunkelheit durch eine Straßenbeleuchtung erhellte Fahrbahn ist bis kurz vor der Unfallstelle insgesamt neun Meter breit und verfügt über je eine Fahrspur in jede Fahrtrichtung. Neben der Fahrbahn befindet sich ein etwa vier Meter breiter Grünstreifen, in welchem teilweise Parkbuchten eingelassen sind, in denen auch zur Nachtzeit geparkt wird. Aus der Fahrtrichtung des Angeklagten gesehen münden von rechts mehrere Stichstraßen in die R. straße ein. Im Bereich der Unfallkreuzung sind auf der Fahrbahn in beiden Fahrtrichtungen mittig jeweils Abbiegespuren markiert, die das Linksabbiegen in die Stichstraße zwischen den Gebäuden R. straße 23 und 25 beziehungsweise in eine aus Fahrtrichtung des Angeklagten links der Fahrbahn gelegene Parkplatzausfahrt ermöglichen. An der Kreuzung befindet sich ein Kinopalast, in der näheren Umgebung gibt es mehrere auch abends frequentierte Gastronomiebetriebe.
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Nach dem Erreichen des Einkaufsmarktes gab der Angeklagte ‒ wie von Beginn an beabsichtigt ‒ Vollgas, um die maximal mögliche Geschwindigkeit zu erreichen. Der ortskundige Angeklagte, dem aufgrund seiner Kenntnis der örtlichen Gegebenheiten klar war, dass auch zur Nachtzeit mit Fußgängern und Fahrzeugverkehr zu rechnen war, hatte vor, die R. straße unter bewusster Missachtung der innerorts geltenden Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h mit der maximal zu erreichenden Geschwindigkeit entlang zu fahren. Auf diese Weise wollte er seinen Beifahrer beeindrucken und gleichzeitig seine Fähigkeiten demonstrieren, mit dem Fahrzeug auch gefährliche Situationen zu meistern. Andere Verkehrsteilnehmer, seien es Autofahrer oder Fußgänger, waren ihm dabei völlig gleichgültig. Ihre Gefährdung erkannte der Angeklagte und nahm diese zumindest billigend in Kauf. Kurz vor den Einmündungen der nach rechts abgehenden Stichstraßen drückte der Angeklagte trotz der für ihn unübersichtlichen Rechtskurve das Gaspedal des Fahrzeugs weiterhin voll durch. Etwa 100 Meter von der späteren Unfallstelle entfernt erreichte er bei vollständig durchgedrücktem Gaspedal eine Geschwindigkeit von mindestens 163 km/h. Ohne Veranlassung durch andere Verkehrsteilnehmer entschloss sich der Angeklagte nunmehr zu einer Bremsung des Fahrzeugs, um seine Geschwindigkeit etwas zu verringern. Ihm war in diesem Zeitpunkt klar, dass er bei der von ihm gefahrenen Geschwindigkeit nicht rechtzeitig auf in die R. straße ein- bzw. von ihr abbiegende Fahrzeuge werde reagieren können und deshalb mit letztlich unkalkulierbarer Wahrscheinlichkeit die Gefahr bestand, mit einem ein- oder abbiegenden Fahrzeug zu kollidieren. Dabei hielt er es für möglich, dass ein solcher Zusammenstoß zum Tod eines oder mehrerer Unfallbeteiligten führen könnte. Der Angeklagte, der ‒ wenn auch in völliger Überschätzung seiner Möglichkeiten und Fähigkeiten ‒ davon überzeugt war, das Fahrzeug auch bei hohen Geschwindigkeiten in gefährlichen Situationen sicher beherrschen zu können, vertraute aber nicht ausschließbar auf das Ausbleiben eines tödlichen Erfolgs.
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Als sich der Angeklagte mit einer Geschwindigkeit von mindestens 163 km/h ca. 100 Meter vor der Unfallkreuzung befand, erkannte er den ihm auf der R. straße entgegenkommenden Pkw Ford S-Max des Z. . Dieser war in der Absicht, von der R. straße nach links in die Stichstraße zwischen den Anwesen R. straße 23 und 25 abzubiegen, aus seiner Fahrtrichtung auf der dortigen Linksabbiegerspur bis zur Kreuzung vorgefahren und hatte, da er kein entgegenkommendes Fahrzeug wahrgenommen hatte, damit begonnen, nach links abzubiegen und die Fahrspur des Angeklagten zu queren. Um einen ‒ objektiv auch durch eine Gefahrenbremsung nicht mehr vermeidbaren ‒ Zusammenstoß mit dem abbiegenden Fahrzeug zu verhindern, entschloss sich der Angeklagte unter Aufrechterhaltung der gerade erst wirksam gewordenen Bremsung dazu, auf die Gegenfahrspur auszuweichen. Bei einer noch gefahrenen Geschwindigkeit von 150 km/h schlug er das Lenkrad nach links ein, wodurch das Fahrzeug bei einer Geschwindigkeit von noch 138 km/h nach links einlenkte und anschließend über die Abbiegespur und die Gegenfahrspur fuhr. Als der Angeklagte das Fahrzeug durch eine starke Lenkung nach rechts auf der Fahrbahn halten wollte, bewegte sich der Pkw Jaguar trotz nach rechts eingeschlagener Räder geradeaus weiter, prallte mit beiden linken Rädern gegen den Bordstein, überfuhr den Grünstreifen und fuhr auf der sich anschließenden Parkplatzausfahrt mit einer Kollisionsgeschwindigkeit von mindestens 90 km/h frontal in die Beifahrerseite des von Ri. K. gesteuerten Pkw Citroën C1. Ri. K. stand mit dem Fahrzeug in der Parkplatzausfahrt oder bewegte sich mit minimaler Geschwindigkeit, um nach rechts in die R. straße einzubiegen, hatte mit dem Abbiegevorgang aber noch nicht begonnen. Infolge der Kollision, die zu einer vollständigen Zerstörung des Pkw Citroën C1 führte, erlitten Ri. K. und seine auf dem Beifahrersitz sitzende Lebensgefährtin J. B. jeweils schwerste Verletzungen, die noch an der Unfallstelle zum Tod der beiden führten.
II.
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Die Revisionen der Nebenkläger sind unbegründet.
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Die Ablehnung eines bedingten Tötungsvorsatzes im angefochtenen Urteil lässt aus den im Verwerfungsantrag des Generalbundesanwalts zutreffend dargelegten Erwägungen keinen Rechtsfehler zum Vorteil des Angeklagten erkennen. Das Landgericht hat das voluntative Element eines bedingten Tötungsvorsatzes unter anderem deshalb verneint, weil der Angeklagte nicht ausschließbar darauf vertraute, das Fahrzeug in gefährlichen Situationen auch bei hohen Geschwindigkeiten jederzeit sicher beherrschen zu können. Entgegen der Ansicht der Beschwerdeführer steht diese Annahme zu der weiteren Feststellung der Strafkammer, wonach der Angeklagte die mit einer nur vom Zufall abhängigen Wahrscheinlichkeit drohende Gefahr eines Zusammenstoßes mit ein- oder abbiegenden Fahrzeugen erkannte, schon deshalb nicht in Widerspruch, weil sich die konkrete zum Tod der beiden Tatopfer führende Kollision außerhalb der Fahrbahn ereignete, nachdem der Angeklagte infolge des Ausweichmanövers die Herrschaft über das Fahrzeug verloren hatte.
III.
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Die bei Rechtsmitteln von Nebenklägern in entsprechender Anwendung des § 301 StPO veranlasste Prüfung des angefochtenen Urteils auf Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten hat keine solchen Rechtsfehler ergeben.
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Der durch § 301 StPO in Verbindung mit § 400 Abs. 1 StPO eröffnete Prüfungsumfang erfasst jedenfalls das der Nebenklagebefugnis nach § 395 Abs. 2 Nr. 1 StPO unterliegende Delikt des verbotenen Kraftfahrzeugrennens mit Todesfolge gemäß § 315d Abs. 5 StGB . Ob auch die tateinheitlich begangene, nicht zum Anschluss als Nebenkläger berechtigende Tat der vorsätzlichen Gefährdung des Straßenverkehrs sowie der Rechtsfolgenausspruch der revisionsgerichtlichen Kontrolle nach § 301 StPO unterliegen, erscheint dagegen zweifelhaft. Denn es liegt nahe, dass die sich lediglich als Annex aus der Nebenklagerevision ergebende Prüfung auf Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten in ihrer Reichweite nicht über den durch die Regelung des § 400 Abs. 1 StPO auf Nebenklagerevision hin eröffneten Kontrollumfang hinausgeht (vgl. BGH, Urteil vom 30. Juli 2015 ‒ 4 StR 561/14, BGHR StPO § 400 Abs. 1 Prüfungsumfang 5 ). Die Frage kann indes dahingestellt bleiben, weil das angefochtene Urteil auch insoweit keinen rechtlichen Bedenken begegnet.
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1. Der Schuldspruch wegen tateinheitlich begangenen verbotenen Kraftfahrzeugrennens mit Todesfolge gemäß § 315d Abs. 5 StGB ist rechtlich nicht zu beanstanden. Auf der Grundlage der rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen hat der Angeklagte den Grundtatbestand des § 315d Abs. 1 Nr. 3 StGB verwirklicht und weiter die einen vorsätzlichen konkreten Gefahrenerfolg voraussetzende Qualifikationsnorm des § 315d Abs. 2 StGB sowie die daran anknüpfende Erfolgsqualifikation des § 315d Abs. 5 StGB erfüllt.
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a) Die Tatbestandsalternative des § 315d Abs. 1 Nr. 3 StGB ist erst im Zuge der Gesetzesberatungen in die zur Pönalisierung verbotener Kraftfahrzeugrennen neu geschaffene Strafvorschrift des § 315d StGB eingefügt worden. Der Gesetzgeber wollte neben den Rennen mit mehreren Kraftfahrzeugen auch Fälle des schnellen Fahrens mit nur einem einzigen Kraftfahrzeug strafrechtlich erfassen, die über den Kreis alltäglich vorkommender, wenn auch erheblicher Geschwindigkeitsüberschreitungen hinausragen, weil der Täter mit einem Kraftfahrzeug in objektiver und subjektiver Hinsicht ein Kraftfahrzeugrennen nachstellt (vgl. Bericht des Ausschusses für Recht und Verbraucherschutz [6. Ausschuss], BT-Drucks. 18/12964, S. 5 f.). Nach der als abstraktes Gefährdungsdelikt ausgestalteten Begehungsalternative des § 315d Abs. 1 Nr. 3 StGB macht sich strafbar, wer im Straßenverkehr sich als Kraftfahrzeugführer mit nicht angepasster Geschwindigkeit und grob verkehrswidrig und rücksichtslos fortbewegt, um eine höchstmögliche Geschwindigkeit zu erreichen.
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aa) Objektive Tathandlung ist das Sich-Fortbewegen als Kraftfahrzeugführer mit nicht angepasster Geschwindigkeit. Mit dem Erfordernis der nicht angepassten Geschwindigkeit hat sich der Gesetzgeber begrifflich an die straßenverkehrsrechtliche Regelung in § 3 Abs. 1 StVO angelehnt, ohne indes gesetzestechnisch auf diese Norm zu verweisen. Das Merkmal der unangepassten Geschwindigkeit ist daher ähnlich wie die Begriffe der Vorfahrt und des Überholens in § 315c Abs. 1 Nr. 2a und b StGB (vgl. zum Überholen BGH, Beschluss vom 15. September 2016 ‒ 4 StR 90/16, BGHSt 61, 249 Rn. 8; zum sogenannten erweiterten Vorfahrtsbegriff BGH, Beschluss vom 5. Februar 1958 ‒ 4 StR 704/57, BGHSt 11, 219 ; vgl. Ernemann in Satzger/Schluckebier/Widmaier, StGB, 5. Aufl., § 315c Rn. 15 f. mwN) maßgeblich durch Auslegung des Regelungsgehalts der Strafnorm zu bestimmen. Ausgehend von der Wortbedeutung meint unangepasste Geschwindigkeit jede der konkreten Verkehrssituation nach den straßenverkehrsrechtlichen Vorschriften nicht mehr entsprechende Geschwindigkeit. Tatbestandlich erfasst werden danach im Einklang mit den Gesetzesmaterialien (vgl. BT-Drucks. 18/12964, S. 5) nicht nur Verstöße gegen die Gebote des § 3 Abs. 1 StVO , sondern auch Überschreitungen der in § 3 Abs. 3 StVO geregelten allgemeinen Höchstgeschwindigkeiten (vgl. König in LK-StGB, 13. Aufl., § 315d Rn. 24; Zieschang, NZV 2020, 489, 490).
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bb) Der Tatbestand des § 315d Abs. 1 Nr. 3 StGB setzt weiter ein grob verkehrswidriges und rücksichtsloses Verhalten des Täters voraus. Damit knüpft die Vorschrift ausweislich des Ausschussberichts (vgl. BT-Drucks. 18/12964, aaO) an die Umschreibung des strafbaren Verhaltens in § 315c Abs. 1 Nr. 2 StGB an, so dass für das inhaltliche Verständnis dieser einschränkenden Tatbestandsmerkmale auf die zu § 315c Abs. 1 Nr. 2 StGB ergangene Judikatur zurückgegriffen werden kann (vgl. König, aaO, § 315c Rn. 131 ff. mwN). Ungeachtet der durch die Verwendung des Verbindungswortes „und“ von § 315c Abs. 1 Nr. 2 StGB abweichenden Formulierung der Vorschrift beziehen sich die Merkmale grob verkehrswidrig und rücksichtslos ‒ wie bei der Strafnorm des § 315c Abs. 1 Nr. 2 StGB ‒ auf die objektive Tathandlung, mithin auf das Fahren mit nicht angepasster Geschwindigkeit (vgl. König, aaO, § 315d Rn. 25; Preuß, NZV 2018, 537, 539; Kusche, NZV 2017, 414, 417). Hierfür spricht sowohl der Wortlaut des § 315d Abs. 1 Nr. 3 StGB als auch der im Ausschussbericht ausdrücklich enthaltene Hinweis auf die Strafnorm des § 315c Abs. 1 Nr. 2 StGB . Für die Tatbestandsverwirklichung erforderlich ist daher, dass sich gerade die Fortbewegung des Täters mit nicht angepasster Geschwindigkeit als grob verkehrswidrig und rücksichtslos darstellt. Dabei kann sich die grobe Verkehrswidrigkeit allein aus der besonderen Massivität des Geschwindigkeitsverstoßes (vgl. König, aaO, § 315d Rn. 26 und § 315c Rn. 135 mwN) oder aus begleitenden anderweitigen Verkehrsverstößen ergeben, die in einem inneren Zusammenhang mit der nicht angepassten Geschwindigkeit stehen.
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cc) Das grob verkehrswidrige und rücksichtslose Sich-Fortbewegen mit nicht angepasster Geschwindigkeit muss, um den Tatbestand des § 315d Abs. 1 Nr. 3 StGB zu erfüllen, ferner im Sinne einer überschießenden Innentendenz von der Absicht getragen sein, eine höchstmögliche Geschwindigkeit zu erreichen. Neben den einschränkenden Merkmalen der groben Verkehrswidrigkeit und Rücksichtslosigkeit kommt nach den im Ausschussbericht verlautbarten Intentionen des Gesetzgebers (vgl. BT-Drucks. 18/12964, S. 6) gerade dem Absichtselement die Aufgabe zu, den für das Nachstellen eines Rennens mit einem Fahrzeug kennzeichnenden Renncharakter tatbestandlich umzusetzen und das nach § 315d Abs. 1 Nr. 3 StGB strafbare Verhalten von den alltäglich vorkommenden, auch erheblichen Geschwindigkeitsverletzungen abzugrenzen. Wie die verschiedenen in den Gesetzesmaterialien aufgeführten Parameter zur Bestimmung der höchstmöglichen Geschwindigkeit erkennen lassen (vgl. BT-Drucks. 18/12964, S. 5 f.), muss die nach § 315d Abs. 1 Nr. 3 StGB strafbarkeitsbegründende Absicht darauf gerichtet sein, die nach den Vorstellungen des Täters unter den konkreten situativen Gegebenheiten ‒ wie Motorisierung, Verkehrslage, Streckenverlauf, Witterungs- und Sichtverhältnisse etc. ‒ maximal mögliche Geschwindigkeit zu erreichen (vgl. OLG Köln, NStZ-RR 2020, 224, 226; KG,DAR 2020, 149, 151; OLG Stuttgart, NJW 2019, 2787; Zieschang, NZV 2020, 489, 491 f.; Zopfs,DAR 2020, 9, 11; Jansen, NZV 2019, 285, 286). Da der Gesetzgeber mit dem Absichtserfordernis dem für das Nachstellen eines Rennens kennzeichnenden Renncharakter Ausdruck verleihen wollte, ist für das Absichtsmerkmal weiterhin zu verlangen, dass sich die Zielsetzung des Täters nach seinen Vorstellungen auf eine unter Verkehrssicherheitsgesichtspunkten nicht ganz unerhebliche Wegstrecke bezieht. Während die abstrakte Gefährlichkeit für das Rechtsgut der Sicherheit des öffentlichen Straßenverkehrs (vgl. König, aaO, § 315d Rn. 3) bei Rennen mit mehreren Kraftfahrzeugen im Sinne des § 315d Abs. 1 Nr. 2 StGB maßgeblich aus dem Wettbewerb unter den Teilnehmern resultiert, ergibt sie sich in den Fällen des § 315d Abs. 1 Nr. 3 StGB aus dem unbedingten Willen des Täters, sein Fahrzeug bis zur relativen Grenzgeschwindigkeit zu beschleunigen.
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dd) Die Absicht des Täters, nach seinen Vorstellungen auf einer nicht ganz unerheblichen Wegstrecke die nach den situativen Gegebenheiten maximal mögliche Geschwindigkeit zu erreichen, muss nicht Endziel oder Hauptbeweggrund des Handelns sein. Es reicht vielmehr aus, dass der Täter das Erreichen der situativen Grenzgeschwindigkeit als aus seiner Sicht notwendiges Zwischenziel anstrebt, um ein weiteres Handlungsziel zu erreichen (vgl. OLG Stuttgart, NJW 2019, 2787, 2788; König, aaO, § 315d Rn. 29; Ernemann, aaO, § 315d Rn. 15; Zieschang, NZV 2020, 489, 493; Zopfs,DAR 2020, 9, 11; Jansen, NZV 2019, 285, 287 f.). Dieses Verständnis steht im Einklang mit dem Wortlaut der Norm, der für eine einschränkende Auslegung des Absichtserfordernisses keinen Anhalt bietet, und entspricht der herkömmlichen Interpretation der Vorsatzform des dolus directus 1. Grades (vgl. Sternberg-Lieben/Schuster in Schönke/ Schröder, StGB, 30. Aufl., § 15 Rn. 66 mwN; Momsen in Satzger/ Schluckebier/Widmaier, StGB, 5. Aufl., § 15 Rn. 41), wie etwa bei § 315 Abs. 3 Nr. 1a StGB (vgl. Ernemann, aaO, § 315 Rn. 16 mwN). Da die erforderliche Abgrenzung des als Nachstellen eines Kraftfahrzeugrennens mit einem Fahrzeug tatbestandlich erfassten Verhaltens von alltäglichen, wenn auch erheblichen Geschwindigkeitsverstößen nach den Vorstellungen des Gesetzgebers insbesondere durch das in die Strafvorschrift aufgenommene Absichtserfordernis gewährleistet wird, ergibt sich auch aus der Entstehungsgeschichte der Norm keine Rechtfertigung für eine einschränkende Auslegung des subjektiven Tatbestandsmerkmals.
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Dieses Verständnis des Absichtsmerkmals in § 315d Abs. 1 Nr. 3 StGB hat zur Folge, dass beim Vorliegen der weiteren tatbestandlichen Voraussetzungen auch sogenannte Polizeifluchtfälle (vgl. OLG Köln, NStZ-RR 2020, 224; OLG Stuttgart, NJW 2019, 2787 [BGH 13.02.2019 - 4 StR 555/18] ) von der Strafvorschrift erfasst werden, sofern festgestellt werden kann, dass es dem Täter darauf ankam, als notwendiges Zwischenziel für eine erfolgreiche Flucht über eine nicht ganz unerhebliche Wegstrecke die höchstmögliche Geschwindigkeit zu erreichen. Dabei wird allerdings zu beachten sein, dass aus einer Fluchtmotivation nicht ohne Weiteres auf die Absicht geschlossen werden kann, die gefahrene Geschwindigkeit bis zur Grenze der situativ möglichen Höchstgeschwindigkeit zu steigern (vgl. Jansen, NZV 2019, 285, 288).
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b) Die Bedenken, die in der Rechtsprechung vereinzelt unter Hinweis auf das Bestimmtheitsgebot aus Art. 103 Abs. 2 GG gegen die Verfassungsmäßigkeit der Vorschrift des § 315d Abs. 1 Nr. 3 StGB erhoben worden sind (vgl. AG Villingen-Schwenningen,DAR 2020, 218), teilt der Senat nicht. Die obigen Ausführungen zeigen vielmehr, dass die Norm mit den herkömmlichen Auslegungsmethoden in einer dem Bestimmtheitsgrundsatz gerecht werdenden Weise ausgelegt werden kann.
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c) Von dem dargelegten Auslegungsergebnis ausgehend hat der Angeklagte nach den vom Landgericht rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen den Grundtatbestand des § 315d Abs. 1 Nr. 3 StGB verwirklicht. Indem er die innerorts gelegene R. straße mit einer Geschwindigkeit von bis zu 163 km/h entlangfuhr, bewegte er sich als Kraftfahrzeugführer mit unangepasster Geschwindigkeit fort. Sein Tun stellte sich schon angesichts der massiven Überschreitung der innerorts zulässigen Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h als grob verkehrswidrig dar. Nach den Urteilsausführungen handelte der Angeklagte aus eigensüchtigen Motiven unter bewusster Hinwegsetzung über die berechtigten Belange anderer Verkehrsteilnehmer, mithin rücksichtslos. Schließlich hat das Landgericht festgestellt, dass die unter maximaler Beschleunigung unternommene Fahrt des Angeklagten von der Absicht getragen war, nach seinen Vorstellungen über eine längere Fahrtstrecke die unter den konkreten situativen Gegebenheiten höchstmögliche Geschwindigkeit zu erreichen. Die dieser Feststellung zugrundeliegende Schlussfolgerung des Tatrichters, die maßgeblich auf eine Auswertung der im Crashdatenspeicher des Tatfahrzeugs aufgezeichneten Daten insbesondere zur Geschwindigkeit und zur Benutzung des Gaspedals gestützt ist, lässt keinen Rechtsfehler erkennen. Dass der Angeklagte unmittelbar vor der Kollision bremste, um seine Geschwindigkeit etwas zu verringern, ist entgegen der Ansicht des Verteidigers in der Gegenerklärung angesichts der zuvor bereits eingetretenen vollständigen Erfüllung des Tatbestands des § 315d Abs. 1 Nr. 3 StGB für die rechtliche Beurteilung ohne Bedeutung.
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d) Der Angeklagte hat zudem den Qualifikationstatbestand des § 315d Abs. 2 StGB und die daran anknüpfende Erfolgsqualifikation des § 315d Abs. 5 StGB erfüllt. Mit seiner Tathandlung nach § 315d Abs. 1 Nr. 3 StGB schuf der Angeklagte eine nach den Feststellungen der Strafkammer von seinem Vorsatz umfasste konkrete Gefahrenlage für die Tatopfer, die sich für den Angeklagten vorhersehbar in deren Tod verwirklichte. Der jeweils erforderliche Gefahrverwirklichungszusammenhang zwischen Tathandlung gemäß § 315d Abs. 1 Nr. 3 StGB , Gefahrenerfolg nach § 315d Abs. 2 StGB und qualifizierender Folge nach § 315d Abs. 5 StGB (vgl. König, aaO, § 315d Rn. 36 und 40; BT-Drucks. 18/12964, S. 6) wird durch die wenige Sekunden vor der Kollision vom Angeklagten eingeleitete Bremsung des Tatfahrzeugs nicht in Frage gestellt.
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2. Die Verurteilung wegen tateinheitlich begangener vorsätzlicher Gefährdung des Straßenverkehrs nach § 315c Abs. 1 Nr. 2d StGB lässt ebenfalls keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten erkennen. Die Taten nach § 315c Abs. 1 Nr. 2d StGB und § 315d Abs. 5 , Abs. 2 und Abs. 1 Nr. 3 StGB , die sich ungeachtet der jeweiligen Anknüpfung an die gefahrene Geschwindigkeit in ihren tatbestandlichen Voraussetzungen unterscheiden, stehen zueinander im Verhältnis der Tateinheit.
Sost-Scheible
Bender
Bartel
Lutz
Maatsch