12.04.2021 · IWW-Abrufnummer 221699
Oberlandesgericht Frankfurt a. M.: Urteil vom 09.03.2021 – 23 U 120/20
Steht fest, dass der Auffahrende gegen § 4 Abs. 3 StVO verstoßen hat, bedarf es keines Rückgriffs mehr auf den gegen den Auffahrenden sprechenden Anscheinsbeweis
OLG Frankfurt
23. Zivilsenat
09.03.2021
Urteil
Tenor
Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main vom 2. Juni 2020 - AZ 2/12 O 49/19 - dahingehend abgeändert, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verurteilt werden, an die Klägerin über den bereits erstinstanzlich ausgeurteilten Betrag hinaus weitere 1.538,40 Euro nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz der EZB seit dem 24. November 2018 sowie weitere außergerichtliche Rechtsverfolgungskosten in Höhe von 182,07 Euro nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz der EZB seit dem 7. März 2019 zu zahlen.
Im Übrigen werden die weitergehende Klage abgewiesen und die weitergehende Berufung zurückgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits erster Instanz werden gegeneinander aufgehoben. Von den Kosten des Rechtsstreits zweiter Instanz haben die Klägerin zwei Drittel und die Beklagten als Gesamtschuldner ein Drittel zu tragen.
Das Urteil und - im Umfang der Zurückweisung der Berufung - auch das angefochtene Urteil sind vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I.
Die Klägerin macht gegen die Beklagten Schadensersatzansprüche aus einem Verkehrsunfall am XX.XX.2017 auf der Bundesautobahn A… in Richtung Stadt1/Stadt2 zwischen der Anschlussstelle Stadt3-Stadtteil1 und dem Westkreuz Stadt3 geltend. Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes im Übrigen wird auf den Tatbestand des landgerichtlichen Urteils Bezug genommen (§ 540 Abs. 1 Satz 1 ZPO).
Das Landgericht hat ausgehend von einer Haftungsquote von 1/3 zu 2/3 zu Lasten der Klägerin der Klage in Höhe von 1.538,39 Euro sowie vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 291,55 Euro stattgegeben und die Klage im Übrigen abgewiesen.
Zur Begründung hat das Landgericht ausgeführt, das Unfallereignis habe nicht auf höherer Gewalt im Sinne des § 7 Abs. 2 StVG beruht. Ebenso wenig lasse sich feststellen, dass ein Fall des § 17 Abs. 3 StVG vorliege. Hinsichtlich des klägerischen Fahrzeugs beruhe der Unfall jedenfalls auch auf einem Versagen des Fahrassistenten, damit auf einem Versagen von Vorrichtungen des klägerischen Fahrzeugs und unterfalle damit nicht § 17 Abs. 3 StVG. Anstelle der Klägerin hätte ein Idealfahrer zudem versucht, den Verkehr hinter sich zu beobachten, sich rechts in Richtung Standstreifen einzuordnen, um dort zum Stehen zu kommen oder zumindest durch rasche Betätigung des Warnblinkers auf die Gefahrensituation aufmerksam zu machen. Weiter hätte ein Idealfahrer anstelle des Beklagten schneller auf den Bremsvorgang des klägerischen Fahrzeugs reagiert und/oder einen größeren Sicherheitsabstand eingehalten und so den Unfall vermieden.
Gemäß § 17 Abs. 1 und 2 StVG hänge der Umfang der Haftung demnach von den Umständen des Einzelfalls ab, insbesondere davon, inwieweit der Unfall vorwiegend von dem einen oder anderen Teil verursacht worden sei. Bei der nach diesen Maßstäben gebotenen Abwägung würden die Verursachungsanteile auf Seiten der Klägerin in einer Weise überwiegen, dass lediglich von einer Haftung zu 1/3 der Beklagten und zu 2/3 der Klägerin für die durch das Unfallereignis verursachten Schäden auszugehen sei.
Zwar spreche gegen die Beklagten der Anscheinsbeweis eines Auffahrenden. Für die Annahme des Anscheinsbeweises genüge es, dass sich beide Fahrzeuge im gleichgerichteten Verkehr bewegt hätten und zumindest eine teilweise Überdeckung der Schäden an Front und Heck vorliege. In einer solchen Situation spreche der erste Anschein dafür, dass der Auffahrende den Unfall schuldhaft dadurch verursacht habe, dass er entweder den erforderlichen Sicherheitsabstand nicht eingehalten habe, unaufmerksam oder aber mit einer den Straßen- und Sichtverhältnissen unangepassten Geschwindigkeit gefahren sei. Denn der Kraftfahrer sei verpflichtet, seine Fahrweise so einzurichten, dass er notfalls rechtzeitig anhalten könne, wenn ein Hindernis auf der Fahrbahn auftauche.
Vorliegend sei der Anscheinsbeweis durch den unstreitigen Vortrag dahingehend erschüttert, dass das klägerische Fahrzeug aufgrund eines fehlerhaften Einsatzes des Collision Prevention Assist bis zum vollständigen Stillstand ohne verkehrsbedingten Anlass abgebremst und damit eine ganz erhebliche Gefahr im Straßenverkehr und damit verbunden einen überwiegenden Verursachungsbeitrag geschaffen habe.
Auf Autobahnen werde, sofern kein Stau, dichter oder gar stockender Verkehr herrsche, regelmäßig zügig mit Geschwindigkeiten von mindestens 100 km/h gefahren. Der fließende Verkehr rechne bei freier Strecke und mäßiger Verkehrsdichte nicht mit derart verlangsamten Fahrzeugen ohne ersichtlichen Grund, erst recht nicht mit vollständigem Abbremsen auf der mittleren von fünf Fahrspuren. Zwar träfe die Klägerin als Fahrerin insoweit kein individuelles Verschulden, wenn bei ihrem neu erworbenen Fahrzeug eine Pkw-Einrichtung, nämlich der Abstandsassistent, bei der ersten Fahrt versage, auf deren ordnungsgemäße Wirkung sie vertrauen durfte. Dennoch müsse sie - abgesehen davon, dass sie wenigstens umgehend die Warnblinkanlage hätte betätigen müssen - sich diese ganz erhebliche Gefahr im Straßenverkehr im Rahmen der verschuldensunabhängigen Halterhaftung bei der Abwägung der Verursachungsbeiträge entgegenhalten lassen.
Bei der Bildung der Haftungsquote sei zu berücksichtigen, dass das klägerische Fahrzeug äußerst scharf bis zum Stillstand des Fahrzeugs auf der rechten der drei Geradeausfahrspuren abgebremst und so eine ganz erhebliche Gefahr in Gestalt eines Hindernisses auf der Fahrbahn der Autobahn begründet habe. Gleichzeitig habe der Beklagte zu 3) einen üblichen Abstand zum Pkw der Klägerin gehalten. Auch eine Unaufmerksamkeit des Beklagten zu 3) habe der Sachverständige nicht festgestellt. Zudem spreche zu seinen Gunsten, dass nur durch seinen rasch eingeleiteten Bremsvorgang verbunden mit seiner geistesgegenwärtigen Reaktion eine weitaus schwerwiegendere Frontalkollision verhindert worden sei. Unter Abwägung der schadensverringernden Verhaltensweisen des Beklagten zu 3) und des Verursachungsbeitrags der sich im Unfall realisierten vom Fahrzeug der Klägerin und dessen fehlerhafter Einrichtung ausgehenden Gefahr sei der Klägerin eine Mitverursachungsquote von 2/3 und den Beklagten von 1/3 aufzuerlegen.
Der Höhe nach sei ein tatsächlicher Schaden am klägerischen Fahrzeug von 2.960,15 Euro netto zugrunde zu legen. Hinsichtlich des von der Klägerin geltend gemachten Wertminderungsbetrags sei lediglich ein Minderwert von 800,00 Euro angemessen. Damit betrage der Schaden der Klägerin insgesamt 4.615,18 Euro, von dem die Beklagten ein Drittel, damit 1.538,39 Euro zu tragen hätten. Der Anspruch auf Erstattung vorgerichtlicher Anwaltskosten stehe der Klägerin aus dem Gesichtspunkt des Verzugs in Höhe von 291,55 Euro zu.
Hiergegen wendet sich die Klägerin mit ihrer Berufung, mit der sie ihr erstinstanzliches Begehren in vollem Umfang weiterverfolgt.
Unzutreffend habe das Landgericht in der Tatsache, dass das klägerische Fahrzeug selbständig eine Notbremsung ausgeführt habe, einen überwiegenden Verursachungsbeitrag, welcher geeignet sei, den Anscheinsbeweis zu erschüttern, gesehen. Zwar sei unstreitig, dass das klägerische Fahrzeug grundlos durch eine technische Fehlfunktion abgebremst habe, jedoch sei dies kein feststehender Umstand, welcher geeignet sei, den Anscheinsbeweis zu erschüttern. Der Bundesgerichtshof gehe in ständiger Rechtsprechung davon aus, dass der Anscheinsbeweis nur durch Umstände erschüttert werden könne, welche es dem nachfolgenden Fahrzeugführer grundsätzlich unmöglich machten, bei voller Aufmerksamkeit, ausreichendem Sicherheitsabstand und angemessener Geschwindigkeit den Unfall zu vermeiden. Dies habe jedoch alles nicht vorgelegen, sondern das Fahrzeug der Klägerin sei durch eine Bremsung zum Stillstand gekommen. Bei zutreffender Anwendung des Anscheinsbeweises wäre das Landgericht zu einer Verurteilung der Beklagten gekommen. Unabhängig davon würden die Ausführungen des Gerichts zum Verschulden der Klägerin das Urteil nicht tragen. Das Gericht stelle bei dem Verschulden der Beklagten (gemeint: Verursachung der Klägerin) auf eine Pflicht zum umgehenden Betätigen der Warnblinkanlage ab. Grundsätzlich stelle sich bereits die Frage, ob ein Kraftfahrer in dieser Situation dazu verpflichtet sei und dies überhaupt könne. Im Übrigen habe die Klägerin die Warnblinkanlage betätigt.
Wegen der Einzelheiten wird auf die Berufungsbegründung (Blatt 182ff. der Akten) Bezug genommen.
Die Klägerin beantragt,
unter Abänderung des am 02.06.2020 verkündeten Urteils des Landgerichts Frankfurt AZ 2-12 O 49/19
1. die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an die Klägerin weitere 4.559,72 Euro nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz sei 24.11.2018 zu zahlen.
2. die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an die Klägerin weitere außergerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 469,46 Euro nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
Die Beklagten beantragen,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagten verteidigen das angefochtene Urteil und führen aus, dem vom Landgericht fehlerfrei festgestellten Sachverhalt fehle die notwendige Typizität, aus der sich die gewünschte Anscheinsbeweislage ergebe. Die Frage, ob der gegen den Beklagten zu 3) sprechende Anscheinsbeweis erschüttert sei, stelle sich daher nicht. Der streitgegenständliche Sachverhalt sei derart einzigartig und einmalig, dass jedenfalls aus einer Lebenserfahrung heraus keine Vermutung für ein Fehlverhalten des nachfolgenden Fahrers hergeleitet werden könne. Die Beweisaufnahme habe auch nicht ergeben, dass der Beklagte zu 3) mit unzureichendem Sicherheitsabstand gefahren oder unaufmerksam gewesen sei. Dass ein Idealfahrer den Unfall möglicherweise hätte vermeiden könne, reiche für diese Annahme nicht. Unerheblich für die rechtliche Bewertung des Sachverhalts sei, ob die elektronische Vollbremsung mit aufblinkenden Warnleuchten am Klägerfahrzeug einhergegangen sei.
Wegen der Einzelheiten wird auf die Berufungserwiderung (Blatt 192ff. der Akten) Bezug genommen.
II.
Die zulässige Berufung ist teilweise begründet.
Das Landgericht hat zurecht ausgeführt, dass der Klägerin gegen die Beklagten als Gesamtschuldner dem Grunde nach ein Schadensersatzanspruch aus § 7 Abs. 1, § 17 Abs. 1, 2 StVG, § 115 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, S. 4 VVG aus dem streitgegenständlichen Verkehrsunfall vom XX.XX.2017 auf der BAB … zustehe. Von der Berufung unangegriffen steht fest, dass das Unfallereignis weder auf höherer Gewalt im Sinne des § 7 Abs. 2 StVG beruht noch ein Fall des § 17 Abs. 3 StVG vorliegt, sodass grundsätzlich ein Haftungsausgleich der Beteiligten nach § 17 Abs. 1 und Abs. 2 StVG vorzunehmen ist.
Unstreitig haben die Beklagten den Verkehrsunfall dadurch mitverursacht, dass der Beklagte zu 3) aufgrund des von ihm eingehaltenen zu geringen Sicherheitsabstands zu dem vor ihm fahrenden klägerischen Fahrzeug nicht mehr rechtzeitig abbremsen konnte, sondern das Fahrzeug der Klägerin im Heckbereich noch beschädigt hat. Es kann vorliegend dahinstehen, ob aufgrund des unstreitigen Auslösens des Notfallbremsassistenten im Fahrzeug der Klägerin und des deshalb besonders stark ausgefallenen Abbremsens des Fahrzeugs gegen den Beklagten zu 3) als Auffahrenden noch der Anscheinsbeweis dafür spricht, dass er seine Pflichten nach § 4 Abs. 1 StVO verletzt hat. Nach den von der Rechtsprechung dazu entwickelten Grundsätzen spricht bei einem typischen Auffahrunfall der Beweis des ersten Anscheins dafür, dass der Auffahrende entweder mit zu geringem Abstand, zu schnell oder unaufmerksam gefahren ist. Dies soll allenfalls dann nicht mehr gelten, wenn der Bremsweg für den Hintermann etwa durch eine Kollision ruckartig verkürzt wird (BGH, NJW 1987, 1075), jedoch nicht schon bei einer Vollbremsung oder Notbremsung des Vordermannes (BGH, NJW-RR 2007, 680, 681). Ob hier noch ein „klassischer“ Auffahrunfall im obigen Sinne vorliegt und damit ein Beweis des ersten Anscheins gegen den Beklagten zu 3) spricht, kann indes dahinstehen, da bereits aus anderen Gründen feststeht, dass der Beklagte zu 3) seine einschlägigen Sorgfaltspflichten verletzt hat.
Denn der Beklagte zu 3) hat gegen seine Pflichten aus § 4 Abs. 3 StVO verstoßen. Danach muss, wer einen Lastkraftwagen mit einer zulässigen Gesamtmasse über 3,5 Tonnen führt, auf Autobahnen zu vorausfahrenden Fahrzeugen einen Mindestabstand von 50 Metern einhalten, wenn die Geschwindigkeit mehr als 50 km/h beträgt. Diesen Sicherheitsabstand hat der Beklagte zu 3) mit dem von ihm geführten Lastkraftwagen nicht eingehalten, wie der Sachverständige A in seinem Gutachten vom 2. März 2020 unwidersprochen festgestellt hat. Der Sachverständige hat vielmehr, wie sich aus der Anlage A zum Gutachten (Weg-Zeit-Diagramm) ergibt, den Abstand mit ca. 35 Metern angegeben. Dass hier keine Geschwindigkeit von mehr als 50 km/h gefahren wurde, ist nicht ersichtlich. Aus den von der Klägerin eingereichten Videoaufzeichnungen ergibt sich, dass stauender oder stockender Verkehr nicht geherrscht hat. Auch der Sachverständige geht unwidersprochen von einer Geschwindigkeit von 80 km/h aus. Ein Sicherheitsabstand von mehr als 50 Metern war nach den Feststellungen des Sachverständigen nicht geboten, sodass ein zusätzlicher Verstoß etwa gegen die Vorschrift des § 4 Abs. 1 StVO nicht vorliegt.
Andererseits ist auch der Klägerin ein Verursachungsbeitrag vorzuwerfen. Unstreitig hat sie ohne ersichtlichen Grund ihr Fahrzeug bei freier Fahrstrecke abrupt abgebremst, sodass sie damit gegen die Pflichten aus § 4 Abs. 1 Satz 2 StVO verstoßen hat. Ob sie dabei ein Verschulden trifft, ist zunächst unerheblich.
Wird ein Schaden durch mehrere Kraftfahrzeuge verursacht und sind die beteiligten Fahrzeughalter einem Dritten kraft Gesetzes zum Ersatz des Schadens verpflichtet, so hängt im Verhältnis der Fahrzeughalter zueinander die Verpflichtung zum Ersatz sowie der Umfang des zu leistenden Ersatzes von den Umständen, insbesondere davon ab, inwieweit der Schaden vorwiegend von dem einen oder dem anderen Teil verursacht worden ist Diese Abwägung gilt auch für die Ersatzpflicht des Fahrzeugführers (§ 18 Abs. 3 StVG).
Die nach § 17 Abs. 1 und Abs. 2 StVG gebotene Abwägung der beiderseitigen Verursachungsbeiträge führt zu einer Schadensverteilung von 2/3 zu Lasten der Beklagten und zu 1/3 zu Lasten der Klägerin (vgl. dazu auch Grüneberg, Haftungsquoten bei Verkehrsunfällen, 16.A., Kapitel A, Rdnr. 111ff.). Dabei ist nach den obigen Erwägungen zu Lasten der Beklagten ein Sorgfaltsverstoß gegen § 4 Abs. 3 StVO zu berücksichtigen. Der Beklagte zu 3) mag zwar einen „üblichen“ Sicherheitsabstand eingehalten haben, den erforderlichen Mindestabstand nach § 4 Abs. 3 StVO hat er indes um etwa 30% unterschritten, ohne dass dafür zwingende Gründe erforderlich waren, sodass auch von einem Verschulden des Beklagten zu 3) auszugehen ist. Auf der anderen Seite hat die Klägerin gegen § 4 Abs. 1 Satz 2 StVO verstoßen, ohne dass ihr dabei jedoch ein Verschulden angelastet werden könnte, da das abrupte Abbremsen unstreitig auf einem Versagen der technischen Einrichtungen ihres Kraftfahrzeugs beruhte. Zu Lasten der Beklagten ist ferner die von dem Fahrzeug des Beklagten zu 3) ausgehende erhöhte Betriebsgefahr zu berücksichtigen. Eine erhöhte Betriebsgefahr aufgrund des plötzlichen und grundlosen Abbremsen des klägerischen Fahrzeugs ist hingegen nicht in die Abwägung einzustellen, da dieser Umstand bereits berücksichtigt ist und der Klägerin nicht doppelt angelastet werden kann. Ohne Bedeutung ist ferner der Umstand, dass eine weitaus schwerwiegendere Kollision augenscheinlich nur durch die besonders geistesgegenwärtige und sicher lobenswerte Reaktion des Beklagten zu 3) verhindert wurde. Dies beseitigt den Verursachungsanteil der Beklagten nicht, sondern zeigt gerade, dass der eingehaltene Abstand nicht den Anforderungen des § 4 Abs.3 StVO entsprach. Ob die Klägerin ihrerseits verpflichtet gewesen wäre, die Warnblinkanlage zu betätigen, kann ebenfalls dahinstehen. Denn es ist nicht ersichtlich, dass dies den Beklagten zu 3) zu einer rechtzeitigeren Bremsung hätte veranlassen können.
Der Höhe nach greift die Berufung die entsprechenden Feststellungen des Landgerichts zur Höhe der erforderlichen Reparaturkosten von netto 2.960,15 Euro, des merkantilen Minderwertes von 800,00 Euro, der Sachverständigenkosten von 830,03 Euro sowie der Kostenpauschale von 25,00 Euro, mithin insgesamt 4.615,18 Euro nicht an. Die Beklagten haben somit von dem Gesamtschaden von 4.615,18 Euro 2/3 oder 3.076,79 Euro zu tragen haben. Die Berufung hat damit in Höhe von 1.538,40 Euro Erfolg.
Der Anspruch auf Ersatz der vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten ergibt sich nicht aus Verzug, wie das Landgericht meint, da nicht ersichtlich ist, dass die Beklagten vor der Beauftragung des klägerischen Prozessbevollmächtigten etwa durch ein Privatschreiben der Klägerin in Verzug gesetzt worden wären. Indes ergibt sich dieser Anspruch als weitere Schadensposition direkt aus den oben genannten Normen. Ausgehend von einem Streitwert in Höhe von 3.076,79 Euro errechnen sich ersatzfähige Gebühren der 1,5fachen Geschäftsgebühr in Höhe von 378,00 Euro zuzüglich Auslagenpauschale in Höhe von 20,00 Euro sowie 19% Mehrwertsteuer und betragen mithin insgesamt 473,62 Euro.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 ZPO. Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergeht nach §§ 708 Nr.10, 711, 713 ZPO.
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Sache keine grundsätzliche Bedeutung hat und weder der Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert (§ 543 ZPO).
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