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  • 07.10.2022 · IWW-Abrufnummer 231672

    Oberlandesgericht Brandenburg: Beschluss vom 12.09.2022 – 1 OLG 53 Ss-OWi 399/22

    Diese Entscheidung enhält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


    Verfahrensgang

    vorgehendAG Brandenburg, 23. Mai 2022, 21 OWi 4101 Js 17036/21, Beschluss

    Tenor

    DerAntrag der Betroffenen auf Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts gegen denBeschluss des Amtsgerichts Brandenburg an der Havel vom 23. Mai 2022 wird alsunbegründet verworfen.

    EineKostenentscheidung ist nicht veranlasst.

    DieEntscheidung des Senats ist nicht anfechtbar.

     

    Gründe

     

    1

    1. Die Zentrale Bußgeldstelle desZentraldienstes der Polizei des Landes Brandenburg hat mit Bußgeldbescheid vom10. Februar 2021 gegen die Betroffene wegen Verstoßes gegen die Wartepflicht aneinem Bahnübergang als Führerin eines Kraftfahrzeuges gemäß §§ 24, 25 StVG, §§ 19 Abs. 2, 49 StVO, § 4 BKatV, Ziff. 89b2 BKat ein Bußgeld inHöhe von 240,00 € festgesetzt und ein Fahrverbot für die Dauer von einem Monatunter Einräumung der Gestaltungsmöglichkeit des § 25 Abs. 2aStVG angeordnet,wobei die Tat am 9. Dezember 2020 gegen 16:49 Uhr am Bahnübergang Bahnhofstraßein 14822 Brück begangen worden sein soll.

     

    2

    MitSchriftsatz vom 24. Februar 2021 hat sich Rechtsanwalt K... aus L... unterVorlage einer Vollmachtsurkunde vom selben Tag zum Verteidiger bestellt undgegen den Bußgeldbescheid Einspruch eingelegt.

     

    3

    DasAmtsgericht Brandenburg an der Havel hat  durch Urteil vom 4. April2022 den Einspruch der Betroffenen gegen den vorgenannten Bußgeldbescheid vom10. Februar 2021 verworfen, da die Betroffene trotz ordnungsgemäßer Ladungunentschuldigt zur Hauptverhandlung nicht erschienen war; auch der geladeneVerteidiger war zum Hauptverhandlungstermin nicht erschienen.

     

    4

    MitVerfügung vom 4. April 2022 hat die Bußgeldrichterin die förmliche Zustellungdes Verwerfungsurteils an die Betroffene verfügt, nicht hingegen an denbevollmächtigten Rechtsanwalt.

     

    5

    DasVerwerfungsurteil wurde der Betroffenen am 8. April 2022 zugestellt. Mit dembei Gericht am 14. April 2022 eingegangenen Schreiben legte die Betroffenegegen das Verwerfungsurteil vom 4. April 2022 „Beschwerde“ ein.

     

    6

    MitBeschluss vom 23. Mai 2022 verwarf das Amtsgericht Brandenburg an der Havel dasgemäß § 300 StPO iVm. § 79 Abs. 3OWiG alsRechtsbeschwerde ausgelegt Rechtsmittel gemäß § 346 Abs. 1StPO iVm. § 79 Abs. 3OWiG alsunzulässig, da es nicht gemäß innerhalb der Monatsfrist des § 345 Abs. 1, 2 StPO iVm. § 79 Abs. 3OWiG in einer voneinem Verteidiger oder einem Rechtsanwalt unterzeichneten Schrift oder zuProtokoll der Geschäftsstelle mit Anträgen versehen und begründet worden sei.

     

    7

    Gegendiesen dem Verteidiger 15. Juni 2022 förmlich und der Betroffenen formloszugestellten Beschluss hat die Betroffene mit dem am 21. Juni 2022eingegangenen Schreiben „erneute Beschwerde“ eingelegt.

     

    8

    2.a) Die von derBetroffenen erhobene „Beschwerde“ ist gem. § 300 StPO iVm. § 79 Abs. 3OWiG als „Antragauf gerichtliche Entscheidung“ gemäß § 346 Abs. 2StPO, § 79 Abs. 3Satz 2 OWiGals der einzig statthafte Rechtsbehelf auszulegen. Dieser ist im Übrigen form-und fristgerecht eingelegt worden.

     

    9

    b) In der Sache hat der Rechtsbehelfjedoch keinen Erfolg.

     

    10

    aa) Die Frist zur Einlegung derRechtsbeschwerde beträgt bei einem Abwesenheitsurteil ‒ wie im vorliegendenFall ‒ gemäß § 341 Abs. 1, 2 iVm. 79 Abs. 3 OWiG eineWoche ab Zustellung der Entscheidung. Dem schließt sich die Begründungsfristdes § 345 Abs. 1StPO iVm. § 79 Abs. 3OWiG an, die einenMonat beträgt.

     

    11

    Imvorliegenden Fall wurde das Urteil des Amtsgerichts Brandenburg an der Havelvom 4. April 2022 der Betroffenen am 8. April 2022 wirksam förmlich zugestellt.Die Zustellungsurkunde weist dies gem. § 1 Brb VwZG iVm. §§ 23 VwZG und § 182 ZPO nach. Sie ist eineöffentliche Urkunde gem. § 415 ZPO, die volle Beweiskraft gem. § 418 ZPO entfaltet. Soweit nach § 415 Abs. 2ZPO derNachweis der Unrichtigkeit der durch zu Zustellungsurkunde bezeugten Tatsachenmöglich ist, ist ein solcher Nachweis nicht geführt worden. Auch erfolgte dieZustellung auf Anordnung der Gerichtsvorsitzenden (§ 36 Abs. 1S. 1 StPO iVm. § 71 OWiG). Mithin endete die Frist zurEinlegung der Rechtsbeschwerde gemäß § 43 Abs. 1, 2 StPO iVm. § 71 OWiG mit Ablauf des 15. April 2022 unddie Monatsfrist zur Begründung der Rechtsbeschwerde mit Ablauf des 16. Mai2022, da der 15. Mai 2022 auf einen Sonntag fiel.

     

    12

    Zwarerfolgte die Einlegung der Rechtsbeschwerde durch die Betroffene am 14. April2022, fristgerecht, jedoch ist eine Begründung der Rechtsbeschwerde wederfrist- noch formgerecht bei Gericht eingegangen. Das am 21. Juni 2022 beiGericht eingegangene, selbst verfasste Schreiben der Betroffenen erfolgte nichtinnerhalb der Begründungsfrist des § 345 Abs. 1StPO iVm. § 79 Abs. 3OWiG und auchnicht in der Form des § 345 Abs. 2StPO iVm. § 79 Abs. 3OWiG, wonach dieBegründung in einer von einem Verteidiger oder einem Rechtsanwaltunterzeichneten Schrift oder zu Protokoll der Geschäftsstelle erfolgen muss.Zweck dieser Zulässigkeitsvoraussetzung für die Rechtsbeschwerde ist, dass dieAnträge und die Begründung von sachkundiger Seite stammen und daher gesetzmäßigund sachgerecht sind; die Rechtsbeschwerdegerichte, mithin dieOberlandesgerichte, sollen dadurch vor Überlastung durch unsachgemäßesVorbringen Rechtsunkundiger bewahrt werden (vgl. BVerfGE 46, 135, 152; BGHSt 25, 272, 273; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO,65. Aufl., § 345 Rdnr. 10).

     

    13

    bb)Die förmlicheZustellung des Verwerfungsurteils an die Betroffene ist auch wirksam. Zwarhatte der Verteidiger der Betroffenen bereits im Verwaltungsverfahren eineVollmachtsurkunde zu den Akten gereicht, so dass er gemäß § 145a Abs. 1StPO iVm. § 71 OWiG als ermächtigt gilt,Zustellungen im Empfang zu nehmen. Von daher wäre das Bußgeldgericht gehaltengewesen, das Urteil dem Verteidiger zuzustellen und die Betroffene davonformlos zu unterrichten (vgl. § 145a Abs. 3 Satz 1 StPO,Nr. 154 Abs. 1 RiStBV). Die Vorschrift des § 145a Abs. 1StPO istjedoch eine bloße Ordnungsvorschrift und begründet keine Rechtspflicht,Zustellungen für die Betroffene an deren Verteidiger zu bewirken (allgemeineAnsicht, statt vieler: vgl. KG, Beschluss vom 27. November 2020, (5) 161Ss 155/20 (47/20), in: StraFo 2021, 69ff.; OLG Hamm, Beschluss vom8. Mai 2007, 4 Ws 210/07).Daher sind auch an die Betroffene vorgenommene Zustellungen wirksam und setzenRechtsmittelfristen in Gang (vgl. BVerfG NJW 2001, 2532BGHSt 18, 352, 354; BayObLG VRS 76, 307OLG Düsseldorf NStZ1989, 88OLG Frankfurt StV 1986,288; OLG KarlsruheVRS 105, 348; OLG Köln VRS 101, 373; KG a.a.O.; Meyer-Goßner/Schmitt,StPO, 61. Aufl., § 145a Rn 6). Die Rechtsbeschwerde ist daher unzulässig,weil Rechtsbeschwerdebegründung verfristet und nicht formgerecht eingelegtworden ist. Mithin hat das Amtsgericht das Rechtsmittel zu Recht nach § 346 Abs. 1StPO iVm. § 79 Abs. 3OWiG verworfen.


    14

     

    cc) Es besteht auch keineVeranlassung, der Betroffenen von Amts wegen Wiedereinsetzung in den vorigenStand zu gewähren. Zwar kann die unterlassene Zustellung der Entscheidung oderdas Unterlassen einer entsprechenden Benachrichtigung von der Zustellung an denBetroffenen oder Verteidiger die Wiedereinsetzung in den vorigen Standbegründen, wenn die Fristversäumung auf diesem Unterlassen beruht und nichtbesondere Umstände vorliegen, die der Betroffenen Anlass geben mussten, für dieEinhaltung der Frist auch selbst Sorge zu tragen (vgl. KG a.a.O.), jedoch hatteder Verteidiger spätestens mit der Zustellung des Beschlusses vom 23. Mai 2022,die 15. Juni 2022 erfolgt ist, von dem Verwerfungsurteil vom 4. April 2022Kenntnis, was wiederum die Wiedereinsetzungsfrist des § 45 Abs. 1StPO ausgelösthat, innerhalb der gemäß § 45 Abs. 2Satz StPO dieversäumte Handlung in der gesetzlichen Form nachzuholen gewesen wäre, was nichtgeschehen ist.

     

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    3. Eine Kostenentscheidung nichtveranlasst, da das Kostenverzeichnis dafür keine Gebühr vorsieht und Auslagennicht entstehen (vgl. OLG Koblenz VRS 68, 51; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 65.Aufl., § 346 Rdnr. 12 m.w.N.).

     

     

    16

    4. Die Entscheidung ergehtletztinstanzlich und ist nicht anfechtbar.