10.07.2014 · IWW-Abrufnummer 142053
Oberlandesgericht Düsseldorf: Urteil vom 08.10.2013 – I-1 U 226/12
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor: Auf die Berufung des Klägers wird unter Zurückweisung seines weitergehenden Rechtsmittels das am 25. September 2012 verkündete Urteil der Einzelrichterin der 2. Zivilkammer des Landgerichts Wuppertal teilweise abgeändert und insgesamt wie folgt neu gefasst:
Die Beklagten werden verurteilt, als Gesamtschuldner an den Kläger 1.900 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 17. März 2011 zu zahlen.
Die weitergehende Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits werden zu 70 % dem Kläger und zu 30 % den Beklagten als Gesamtschuldnern auferlegt.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
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E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
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Die zulässige Berufung hat nur einen begrenzten Teilerfolg. Unbegründet ist das Rechtsmittel in dem Umfang, in welchem der Kläger sein Begehren auf Ersatz eines Verdienstausfallschadens im Umfang von 4.508,46 € weiterverfolgt.
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Zutreffend hat das Landgericht darauf abgestellt, dass es dem Kläger trotz der zu seinen Gunsten einschlägigen Darlegungserleichterungen nicht gelingt, die unfallbedingte Entstehung eines Erwerbsschadens in der geltend gemachten Höhe schlüssig darzulegen. Auch die Schätzung eines ersatzfähigen Mindestschadens nach Maßgabe des § 287 Abs. 1 ZPO kommt in Anbetracht des lückenhaften und teilweise widersprüchlichen Vorbringens des Klägers zu dem klagegegenständlichen Ausfallschaden in seinem Taxibetrieb nicht in Betracht.
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Die Rechtsmittelangriffe des Klägers erweisen sich jedoch als begründet, soweit er sich dagegen wendet, dass das Landgericht seine Klage auf Zahlung eines restlichen Schmerzensgeldes in Höhe von 1.900 € abgewiesen hat. Die vorprozessual durch die Beklagte zu 3. gezahlte Entschädigungssumme von 600 € wird dem Umfang der unfallbedingten immateriellen Beeinträchtigung des Klägers nicht gerecht. Art und Ausmaß seiner Unfallverletzungen sowie deren Folgen rechtfertigen die Zuerkennung eines Schmerzensgeldes im Gesamtumfang von 2.500 €.
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Im Einzelnen ist Folgendes auszuführen:
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Verdienstausfallschaden
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Zu diesem Punkt hat die klageabweisende Entscheidung des Landgerichts auch unter Berücksichtigung des Berufungsvorbringens des Klägers Bestand. Ihm gelingt es weiterhin nicht, die unfallbedingte Entstehung eines Erwerbsschadens in dem klagegegenständlichen Umfang von 4.508,46 € schlüssig darzulegen. Ebenso wenig kommt nach freier Überzeugung des Senats die Schätzung eines ersatzfähigen Mindestschadens in Betracht. Das anspruchsbegründende Vorbringen des Klägers zeichnet sich durch Unstimmigkeiten und Widersprüche aus, die einer sachverständigen Aufklärung der Streitfrage des Anfalls eines Verdienstausfallschadens im klägerischen Taxibetrieb und ggfs. dessen Höhe entgegenstehen.
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I.
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1 )
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Ebenso wenig wie das Landgericht lässt der Senat außer Betracht, dass zugunsten des Klägers die Darlegungs- und Beweiserleichterungen der §§ 252 BGB, 287 Abs. 1 ZPO einschlägig sind. Unstreitig hat der Kläger infolge des Kollisionsereignisses vom 19. Januar 2011 Körperverletzungen in Form eines erstgradigen Schädel-Hirn-Traumas sowie einer Distorsion der Halswirbelsäule davongetragen mit der Folge einer zeitweisen völligen Arbeitsunfähigkeit. Die Entstehung eines finanziellen Ausfallschadens betrifft somit die haftungsausfüllende Kausalität, in deren Rahmen dem Geschädigten die Darlegungs- und Beweiserleichterungen nach Maßgabe der vorgenannten Bestimmungen zugutekommen. Folglich setzt der Schadensnachweis eine Überzeugungsbildung des Tatrichters voraus, für die eine je nach Lage des Falles „höhere oder deutlich höhere, jedenfalls überwiegende Wahrscheinlichkeit“ genügen kann (Küppersbusch, Ersatzansprüche bei Personenschaden, 10. Aufl., Rdnr. 46 mit Hinweis auf BGH VersR 1995, 422). Danach braucht der Geschädigte nicht zu beweisen, dass und in welcher Höhe Einkünfte ohne den Unfall mit Gewissheit erzielt worden wären; es genügt der Nachweis einer gewissen Wahrscheinlichkeit (Küpperbusch a.a.O. mit Hinweis auf BGH VersR 1970, 766).
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2 )
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Andererseits muss der Geschädigte hinreichende Anhaltspunkte für eine Schätzung nach § 287 ZPO liefern, also auch ausreichende Schätzungsunterlagen vorlegen (Luckey, Personenschaden, Rdnr. 695 mit Hinweis auf BGH VersR 1998, 770, sowie BGH VersR 2004, 874). Er muss die Tatsachen für eine gewisse Wahrscheinlichkeit der Gewinnerwartung darlegen und ggfs. beweisen (Luckey a.a.O. mit Hinweis auf BGH NJW-RR 2006, 243). Unzureichend ist es etwa, nur eine Bescheinigung des Steuerberaters vorzulegen, die den Jahresgesamtverdienst auf die Tage der Krankschreibung umrechnet (Luckey, a.a.O. sowie Jahnke, Der Verdienstausfall im Schadenersatzrecht, 3. Aufl., Kapitel 4, Rdnr. 96 jeweils mit Hinweis auf OLG Koblenz SP 2006, 349). Legt der Geschädigte notwendige Belege für eine Schadensschätzung nicht vor, scheidet eine solche aus (Luckey, a.a.O. mit Hinweis auf BGH VersR 1970, 766 und zahlreichen weiteren Rechtsprechungsnachweisen). Ein Beweisantritt durch Sachverständigengutachten ersetzt in diesem Fall keinen schlüssigen Vortrag, sondern ist als Ausforschungsbeweis unzulässig (Luckey, a.a.O.).
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3 )
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Der Verdienstausfall nach der Beschädigung eines gewerblich genutzten Fahrzeuges ist grundsätzlich konkret zu berechnen; eine – hier ohnehin nicht einschlägige – abstrakte Berechnung der Nutzungsausfallschäden kommt nur ausnahmsweise in Betracht. Der Schaden bemisst sich nach dem entgangenen Gewinn, den Vorhaltekosten eines etwaigen Reservefahrzeuges oder ggfs. der Miete eines Ersatzfahrzeuges. Als Schätzungsgrundlage kann ein Vergleich der Unternehmensabschlüsse der Jahre vor und nach dem Unfall herangezogen werden (Jahnke, a.a.O., 2. Kapitel, Rdnr. 4 mit zahlreichen Rechtsprechungsnachweisen).
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II.
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Gemessen an diesen Maßstäben gelangt auch der Senat zu der Erkenntnis, dass der Kläger die unfallbedingte Entstehung eines ersatzfähigen Verdienstausfallschadens nicht schlüssig darlegt. Es muss folglich bei der klageabweisenden Entscheidung des Landgerichts verbleiben.
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1 )
18
Auffallend ist, dass das Vorbringen des Klägers zu der Entstehung des klagegegenständlichen Verdienstausfallschadens sich schon im Ansatz durch Unstimmigkeiten und Widersprüchlichkeiten auszeichnet.
19
a )
20
In der Klageschrift hat er den Eindruck erweckt, als sei er mit einem Taxi aus seinem eigenen Fahrzeugbestand verunfallt (Bl. 3 d.A.). Auf einen diesbezüglichen Einwand der Beklagten in der Klageerwiderung hat der Kläger dann in seinem Schriftsatz vom 30. Januar 2012 eingeräumt, es sei bei dem Kollisionsereignis vom 19. Januar 2011 nicht sein eigenes Fahrzeug beeinträchtigt worden, sondern ein Taxi, das im Eigentum der Frau XXX als Inhaberin der Firma XXX, XXXstraße X in XXX stehe. Auf die daraufhin durch die Beklagten geäußerten Zweifel hinsichtlich der Aktivlegitimation des Klägers hatte dieser dann unter dem Datum des 25. April 2012 vorgetragen, er habe das durch ihn gesteuerte und verunfallte Taxifahrzeug mit dem Kennzeichen XXX in der Zeit vom 17. bis zum 19. Januar 2011 angemietet gehabt, da eines der eigenen drei Fahrzeuge wegen eines Defektes ausgefallen sei (Bl. 69 d.A.).
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b )
22
Das Vorbringen in der Klageschrift liest sich so, als ob der Kläger den durch den Steuerberater XXX mit Bescheinigung vom 4. Februar 2011 attestierten Gewinn für das Kalenderjahr 2010 von 32.788,12 € (Anlage K 4; Bl. 16 d.A.) mit nur einem Taxifahrzeug erwirtschaftet habe. Denn Gegenstand der Klage ist ein Tagessatzausfall von 136,62 €, welcher sich aus der Division der vorgenannten Gewinnangabe durch 240 Arbeitstage ergibt. Als Reaktion auf das Verteidigungsvorbringen der Beklagten, das Betriebsvermögen des Klägers umfasse drei Taxifahrzeuge, hat der Kläger die Richtigkeit dieses Tatsachenvortrages zugestanden. Er hat erstmals in seiner Anlage zu dem nachgelassenen Schriftsatz vom 11. September 2012 (Anlage K 9; Bl. 89 d.A.) durch eine Bescheinigung des Steuerberaters XXX vom 10. September 2012 eine Aufteilung des erzielten Gewinns auf seine drei Taxifahrzeuge dargelegt – dies allerdings nur isoliert für den unzureichenden Referenzzeitraum Januar 2011.
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2 a )
24
Da der Kläger geltend macht, der betriebsbezogene Erwerbsschaden sei nicht durch den Ausfall des total geschädigten Taxifahrzeuges mit dem amtlichen Kennzeichen XXX entstanden, sondern wegen seiner – streitigen – verletzungsbedingten Arbeitsunfähigkeit in dem klagegegenständlichen Zeitraum 23. Januar bis 25. Februar 2011, kommt es für seine Anspruchsberechtigung dem Grunde nach in der Tat nicht entscheidend darauf an, dass der Kläger nicht mit einem PKW aus seinem eigenen Fahrzeugbestand verunfallt ist. Dieser Umstand ist indes in der weiteren Konsequenz von maßgeblicher Bedeutung für die Höhefrage ob und ggfs. in welchem Umfang dem Kläger ein ersatzfähiger Verdienstausfallschaden entstanden ist.
25
b )
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Denn nach dem Vorbringen des Klägers in seinem Schriftsatz vom 25. April 2012 in Verbindung mit der Rechnung der XXX vom 28. Januar 2011 will er das verunfallte „Leihtaxi“ mit dem amtlichen Kennzeichen XXX in der Zeit vom 17. bis zum 19. Januar 2011 zu einem täglichen Entgelt von 160 € brutto „geliehen“ haben (Bl. 69-71 d.A.). Hintergrund der Gebrauchsüberlassung soll die Tatsache gewesen sein, dass „eines der eigenen Fahrzeuge wegen eines Defektes ausgefallen war“ (Bl. 69 d.A.). Der Kläger macht aber keine Angaben dazu, wie lange das Taxifahrzeug aus dem eigenen Wagenpark – vermutlich das Taxi 05 (vgl. Bl. 89 d.A.) – gebrauchsuntauglich gewesen sein soll. In Betracht kommen zwei Sachverhaltsmöglichkeiten:
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aa )
28
Entweder war der angebliche Mietvertrag von vornherein auf drei Kalendertage begrenzt, weil der Ausfall des eigenen Taxifahrzeuges nur bis zum 19. Januar 2011 währte und der Kläger es am Folgetag wieder für eigene Personenbeförderungsfahrten hätte nutzen können, wenn er nicht verletzungsbedingt daran gehindert gewesen wäre.
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bb )
30
Wahrscheinlicher ist allerdings die Annahme, dass die Gebrauchsüberlassungsvereinbarung am 19. Januar 2011 aufgrund des Umstandes endete, dass an diesem Tag das Taxifahrzeug mit dem amtlichen Kennzeichen XXX an dem klagegegenständlichen Unfall mit Totalschadenfolge beteiligt war. Wäre das Kollisionsereignis also nicht eingetreten und der Kläger unverletzt geblieben, wäre er wegen des zeitlich nicht konkretisierten Ausfalls des eigenen Wagens auf eine Fortsetzung des Mietvertrages betreffend das „Leihtaxi mit amtl. Kennzeichen XXX“ angewiesen gewesen. Er hätte also nach dem 19. Januar 2011 während der Dauer des Ausfalls seines eigenen Taxifahrzeugs kalendertäglich einen Mietzins von 160 € brutto abführen müssen, der sich zwangsläufig gewinnmindernd ausgewirkt hätte. Da der Berechnung des Erwerbsschadens jedoch nur ein Tagesgewinn von 136,62 € zugrunde liegt, hätte die unfallunabhängig notwendig gewesene Anmietung eines Ersatzfahrzeuges für den klagegegenständlichen Zeitraum während der Dauer des Ausfalls des eigenen Taxifahrzeuges des Klägers zwingend ein negatives Betriebsergebnis mit sich gebracht. Ein ersatzfähiger Verdienstausfallschaden ließe sich im Ergebnis somit nicht feststellen. Die inhaltlich sehr knapp abgefasste „Einkommensbescheinigung“ des Steuerberaters XXX vom 4. Februar 2011 (Anlage K 4; Bl. 16 d.A.), die aus dem Jahresgewinn für das Kalenderjahr 2010 einen Tagessatz von 136,62 € belegen soll, kann naturgemäß keine Mietaufwendungen berücksichtigen, die erst im Januar des Folgejahres entstanden sind.
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III.
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Obwohl es keine stichhaltigen Gründe für die Richtigkeit einer solchen Annahme gibt, unterstellt der Senat einmal zu Gunsten des Klägers, dass der defektbedingte Ausfall des eigenen Taxifahrzeuges von vornherein nur bis zum Unfalltag, also bis zum 19. Januar 2011, währte und er hypothetisch ab dem 20. Januar 2011 wieder auf das Taxi aus dem eigenen Fahrzeugbestand für die Personenbeförderung hätte zurückgreifen können, wenn dem nicht seine Unfallverletzung entgegengestanden hätte. Eine solche Unterstellung änderte im Ergebnis indes nichts an der Richtigkeit der klageabweisenden Entscheidung des Landgerichts. Denn auch für diese Fallalternative fehlt es an der schlüssigen Darlegung eines ersatzfähigen Verdienstausfallschadens. Insbesondere gestatten die durch den Kläger vorgelegten Bescheinigungen und sonstigen Belege seines Steuerberaters Berlin trotz der zu seinen Gunsten einschlägigen Darlegungserleichterungen nicht die Bestimmung irgendeines ersatzfähigen Verdienstausfallschadens auf der Schätzungsgrundlage des § 287 Abs. 1 ZPO.
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1 )
34
Für die Ermittlung des Erwerbsschadens eines Selbstständigen ist von dem Gewinn auszugehen, der vor dem Unfall erzielt wurde. Als Nachweisunterlagen kommen vor allem in Betracht Bilanzen, Gewinn- und Verlustrechnungen, Einkommensteuerbescheide und –erklärungen sowie Umsatzsteuervoranmeldungen und –bescheide (Luckey, a.a.O., Rdnr. 698; Küppersbusch a.a.O., Rdnr. 146). Zwar gibt es nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs für die Bestimmung des Referenzzeitraumes keine festen Regeln (Küppersbusch a.a.O., Rdnr. 145 mit Hinweis auf BGH NZV 2004, 344). Die Unterlagen sollten jedoch einen Zeitraum vor dem Unfall von mindestens drei Jahren abdecken (Luckey a.a.O., Rdnr. 698 sowie Küppersbusch a.a.O., Rdnr. 146). Der Kläger beschränkt sich indes darauf, „Einkommensbescheinigungen“ seines Steuerberaters vorzulegen, welche nur ein Kalenderjahr, nämlich das Jahr 2010, sowie den Monat Januar 2011 erfassen (Bl. 16, 89, 90). Zu Recht hat das Landgericht diese Unterlagen als nicht hinreichend aussagekräftig erachtet und richtigerweise u.a. beanstandet, insbesondere die auf einen Monat beschränkte Gewinnermittlung habe keinen hinreichenden Referenzzeitraum zum Gegenstand (Bl. 5 UA; Bl. 96 d.A.). Ausweislich der vorgelegten Genehmigungsurkunde ist der Kläger seit Februar 2008 als selbstständiger Taxiunternehmer tätig (Bl. 61 d.A.). Ihm ist es deshalb ohne Weiteres möglich, etwa einen dreijährigen Referenzzeitraum für eine realitätsnahe Ermittlung eines Verdienstausfallschadens durch hinreichend aussagekräftige Unterlagen zu belegen.
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2 )
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Die Auswertung der durch ihn vorgelegten Bescheinigungen seines Steuerberaters unterstreicht die Notwendigkeit einer solchen längerfristigen Erfassung der Betriebsergebnisse.
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a )
38
So verhält sich etwa die ,,Einkommensbescheinigung‘‘ vom 4. Februar 2011 (Anlage K 4; Bl. 16 d.A.) für das Kalenderjahr 2010 über einen Gewinn von 32.788,12 €. Die unter dem Datum des 10. September 2012 erstellte ,,Einkommensbescheinigung‘‘ attestiert dem Taxibetrieb des Klägers allein für den Monat Januar 2011 mit dem Einsatz von drei Taxifahrzeugen bereits einen Gewinn von 9.330,50 € (Anlage K 9; Bl. 89 d.A.). Dabei ist noch zu berücksichtigen, dass im Monat Januar 2011 eines der drei Taxifahrzeuge, mutmaßlich der Wagen 05, wegen eines Defektes über einen unbekannten Zeitraum nicht einsatzfähig war. Rechnet man das Betriebsergebnis aus dem Monat Januar auf das Kalenderjahr 2011 hoch, ergibt sich ein Gewinnertrag von 111.966,-- €. Auch wenn man berücksichtigt, dass nicht alle Monate eines Jahres für ein Taxiunternehmen in gleicher Weise umsatzstark sind und die Einkünfte aus der Personenbeförderung zu Beginn eines Jahres wahrscheinlich höher ausfallen als etwa in den Monaten der Sommerferien, bleibt im Ergebnis doch eine auffällige Diskrepanz zwischen dem attestierten Jahresergebnis 2010 (knapp 33.000 Euro) und dem hochgerechneten Jahresergebnis 2011 (knapp 112.000 Euro).
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b )
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Unabhängig davon wirft auch die durch den Kläger als Anlage K 9 zu seinem Schriftsatz vom 11. September 2012 vorgelegte „kurzfristige Erfolgsrechnung zum 31.01.2011 in Euro“ als betriebswirtschaftliche Auswertung zu der „Einkommensbescheinigung“ des Steuerberaters XXX vom 10. September 2012 ( Bl. 89 – 90 d.A. ) inhaltlich zahlreiche Zweifelsfragen auf. Diese sind in der Berufungserwiderung der Beklagten umfassend angesprochen (Bl. 135/136 d.A.).
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Die „kurzfristige Erfolgsrechnung“ weist für den Monat Januar 2011 ein „vorläufiges Ergebnis“ von 9.330,50 € aus, welches in die „Einkommensbescheinigung“ als Gewinn per 31. Januar 2011 Eingang gefunden hat. Diese Gewinnermittlung ist sachlich nicht nachvollziehbar.
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aa )
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Denn die betriebswirtschaftliche Auswertung zum Stichtag des 31. Januar 2011 liest sich einerseits so, dass der Kläger mit seinem Taxibetrieb in diesem Monat einen betrieblichen Rohertrag von 13.913,02 € erwirtschaftet hat. Demgegenüber stehen indes variable und fixe Betriebskosten im Gesamtumfang von 13.866,89 €. Danach müsste sich der Gewinn aus dem Taxibetrieb als ausgewiesenes „Betriebsergebnis“ auf die Differenz von 46,13 € beschränken. Dass der in der „Einkommensbescheinigung“ ausgewiesene Gewinn gleichwohl die Summe von 9.330,50 € ausmachen soll, erklärt sich daraus, dass in die betriebswirtschaftliche Auswertung „Neutrale Aufwands- und Ertragspositionen“ mit den Zwischensalden von 2.773,11 € bzw. von 6.511,26 € aufgenommen sind (Bl. 90 d.A.). Nicht nachvollziehbar ist, in welchem sachlichen Zusammenhang diese „neutralen“ Schadenpositionen zu dem reinen Personenbeförderungsbetrieb des Klägers stehen sollen. Insbesondere bleibt völlig offen, aus welchem Grund die „neutralen“ Kostenpositionen von dem Ausfall der Arbeitskraft des Klägers negativ betroffen sein sollen. Naheliegenderweise hat sich sein Ausfall zunächst nur auf den ausgewiesenen betrieblichen Rohertrag mindernd ausgewirkt.
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bb )
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Letztlich ist nicht erklärlich, warum der in der betriebswirtschaftlichen Auswertung als Minusposten aufgeführte „neutrale Aufwand“ von 2.773,11 € gleichwohl als Aktivposten bei der Addition des „vorläufigen Ergebnisses“ von 9.330,50 € Berücksichtigung gefunden hat.
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IV.
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Der Kläger kann nichts aus der Tatsache für sich herleiten, dass die Beklagte zu 3. vorprozessual für die Zeitspanne vom 19. bis zum 22. Januar 2011 auf der Basis eines Tagessatzes von 136,62 € den für vier Kalendertage geltend gemachten Verdienstausfall mit insgesamt 546,48 € ausgeglichen hat. Mit dieser Regulierung war weder ein deklaratorisches noch gar ein konstitutives Schuldanerkenntnis der Beklagten zu 3. bezüglich der sachlichen Richtigkeit des durch den Kläger verlangten Gewinnausfallsatzes von 136,62 € verbunden. Nach den Umständen wollte die Beklagte zu 3. mit der Überweisung keine rechtsgeschäftliche Verpflichtung zum Ausdruck bringen, sondern sie wollte damit nur ihre grundsätzliche Erfüllungsbereitschaft im Hinblick auf ihre gesetzliche Einstandspflicht signalisieren. Das begrenzte Regulierungsverhalten der Beklagten zu 3. kann damit rechtlich nur als ein „Zeugnis des Anerkennenden gegen sich selbst“ qualifiziert werden, welches ein Indiz für den Richter bei der Beweiswürdigung darstellt oder weitergehend zu einer Umkehr der Beweislast führen kann (vgl. Palandt/Sprau, Kommentar zum BGB, 71. Aufl., § 781, Rdnr. 6 mit Hinweis auf BGH NJW 2009, 580 und weiteren Nachweisen). Eine derart begrenzte Wirkung hilft dem Kläger indes nicht über die gravierenden Substantiierungsmängel im Zusammenhang mit der Darlegung des geltend gemachten Verdienstausfallschadens hinweg.
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Schmerzensgeld
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Zu diesem Punkt erzielt der Kläger mit seinem Rechtsmittel einen Teilerfolg. Unter Berücksichtigung der maßgeblichen Zumessungsfaktoren hat er auf der Rechtsgrundlage der §§ 7 Abs. 1, 11 Satz 1 StVG, 823 Abs. 1, 253 Abs. 2 BGB einen Anspruch auf Zahlung einer Entschädigung in Höhe von 2.500,-- €. Da die Beklagte zu 3. bereits eine Zahlung von 600,-- € geleistet hat, bleibt zu Gunsten des Klägers ein noch offener Saldo in der klagegegenständlichen Höhe von 1.900,-- €.
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I.
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1 )
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Das Berufungsgericht hat die erstinstanzliche Schmerzensgeldbemessung auf der Grundlage der nach § 529 ZPO maßgeblichen Tatsachen gemäß §§ 513 Abs. 1, 546 ZPO in vollem Umfang darauf zu überprüfen, ob es überzeugt. Es darf sich nicht darauf beschränken, die Ermessensausübung der Vorinstanz auf Rechtsfehler zu überprüfen (BGH VersR 2006, 710).
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2 )
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Die Verletzungen, die der Kläger als Geradeausfahrer bei dem Zusammenstoß mit dem Beklagten zu 2. als Grundstücksabbieger erlitten hat, sind unstreitig. Der Kläger hat ein erstgradiges Schädel-Hirn-Trauma in Verbindung mit einer Distorsionsschädigung der Halswirbelsäule davongetragen. Deswegen musste er sich in der Zeit vom 19. bis zum 22. Januar 2011 in stationärer Krankenhausbehandlung begeben. Unmittelbar an den ersten Krankenhausaufenthalt schloss sich eine weitere dreitägige stationäre Krankenhausbehandlung (23. bis 25. Januar 2011) an, weil sich bei dem Kläger plötzliche Schwindelattacken bemerkbar gemacht hatten. Diese standen in Zusammenhang mit einer nachträglich diagnostizierten Gehirnerschütterung. Zwar wurde der Kläger am 25. Januar 2011 ausweislich eines Berichtes des Städtischen Klinikums XXX vom selben Tag beschwerdefrei entlassen. Daraus kann jedoch nicht auf eine völlige gesundheitliche Wiederherstellung geschlossen werden, da nach dem weiteren Inhalt des Berichtes engmaschige Kontrollen durch den Hausarzt angezeigt waren und der Kläger in weitere ärztliche Behandlung entlassen wurde (Bl. 10, 11 d.A.). Unstreitig war der Kläger in der Zeit vom 19. bis zum 22. Januar 2011 in seiner Erwerbsfähigkeit zu 100 % und in der Zeit danach bis zum 22. Februar 2011 zu 30 % gemindert.
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3 )
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Einerseits ist zu berücksichtigen, dass mangels eines gegenteiligen Vortrages des Klägers davon auszugehen ist, dass seine Unfallverletzungen zwischenzeitlich folgenlos abgeheilt und keine Gesundheitsbeeinträchtigungen verblieben sind. Andererseits darf nicht außer Acht gelassen werden, dass nach der ständigen Rechtsprechung des Senats ein Unfallopfer bereits im Falle einer nur leichten Distorsionsschädigung der Halswirbelsäule einen Anspruch auf Zahlung eines Schmerzensgeldes in der Größenordnung von 750,-- € hat. Im vorliegenden Fall kommen weitere körperliche Beeinträchtigungen in Form des Schädel-Hirn-Traumas sowie der nachträglich diagnostizierten Gehirnerschütterung hinzu. Zieht man schließlich die Notwendigkeit einer zweimaligen stationären Krankenhausaufnahme des Klägers über einen Zeitraum von einer Woche in Betracht, bestehen unter Berücksichtigung der bei Verkehrsunfällen im Vordergrund stehenden Ausgleichsfunktion des Schmerzensgeldes keine Bedenken dagegen, die Beklagten zur Zahlung einer Entschädigung von insgesamt 2.500,-- € für die immateriellen Beeinträchtigungen zu verpflichten.
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II.
58
Eine Kürzung des Schmerzensgeldanspruchs über § 254 Abs. 1 BGB aufgrund des Umstandes, dass der Kläger bei dem Kollisionsereignis den Sicherheitsgurt nicht angelegt hatte, kommt nicht in Betracht. Er beruft sich unwiderlegt darauf, zum Zeitpunkt des Eintritts des Schadensereignisses einen Fahrgast befördert zu haben. Bei dieser Sachlage war er nach Maßgabe des § 21a Abs. 1 Ziff. 1 StVO von der Gurtanlegepflicht befreit. Für ihren gegenteiligen Vortrag, der Kläger habe bei dem Zusammenstoß am 19. Januar 2011 eine Leerfahrt unternommen, bleiben die für den Mitverschuldenseinwand beweisbelasteten Beklagten beweisfällig.
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Nebenentscheidungen
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 Satz 1 zweite Alternative ZPO.
61
Die Anordnung über die vorläufige Vollstreckbarkeit des Urteils hat ihre Grundlage in §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.
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Der Gegenstandswert für den Berufungsrechtszug beträgt 6.408,46 €.
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Zur Zulassung der Revision besteht kein Anlass, weil die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO nicht gegeben sind.