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  • 14.10.2014 · IWW-Abrufnummer 142870

    Landgericht Düsseldorf: Urteil vom 18.06.2014 – 23 S 208/13

    Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


    Landgericht Düsseldorf

    23 S 208/13

    Tenor:

    Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Amtsgerichts Düsseldorf vom 24.06.2013, Az. 20 C 82/13, teilweise abgeändert und insgesamt wie folgt neu gefasst:

    Die Beklagte wird verurteilt, an die Firma xxx, auf deren Konto Nr. xxx bei der xxx, BLZ xxx auf die Reparaturkostenrechnung vom 30.05.2012 einen weiteren Betrag in Höhe von € 619,01 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 14.11.2012 zu zahlen.

    Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger einen weiteren Betrag in Höhe von € 105,00 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 14.11.2012 zu zahlen.

    Die Beklagte wird verurteilt, den Kläger von der Begleichung der Kostenrechnung des Herrn Rechtsanwalts xxx vom 07.08.2012, Nr. 07-06-12-1 in Höhe von € 60,33 freizustellen.

    Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

    Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.

    Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits erster und zweiter Instanz.

    Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

    Gründe:

    A.

    Die Parteien streiten um restlichen Schadensersatz aus einem Verkehrsunfall vom 02.04.2012, für den die Beklagte als Haftpflichtversicherer des Unfallverursachers dem Grunde nach unstreitig haftet. Auf die tatsächlichen Feststellungen in dem angefochtenen Urteil wird nach § 540 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 ZPO Bezug genommen.

    Das Amtsgericht hat der Klage nach Einholung eines Sachverständigengutachtens stattgegeben. Der Kläger habe gegen die Beklagten gemäß §§ 7 Abs. 1 StVG, 115 VVG Anspruch auf Ersatz restlicher Reparaturkosten in Höhe von € 619,01 und sei nicht auf die Erstattung des Wiederbeschaffungsaufwands zu verweisen. Nach der durchgeführten Beweisaufnahme stehe zu seiner vollen Überzeugung fest, dass die durchgeführte Reparatur durch die Firma xxx zur vollständigen und fachgerechten Reparatur des Klägerfahrzeugs geführt hat. Die vom Sachverständigen festgestellte zeitwertgerechte Beseitigung der Unfallschäden sei ausreichend. Die „130%-Grenze“ diene der Sicherung des Integritätsinteresses des Geschädigten, welches wiederum auf die Wiederherstellung des Zustandes des Fahrzeuges vor dem Unfallereignis abziele. Dabei müsse auch Berücksichtigung finden, welches Alter und welchen Zustand das Fahrzeug vor dem Unfall aufgewiesen habe. Wenn demnach aufgrund eines hohen Alters oder eines bestimmten Zustandes eine Reparatur ausgeführt wird, die zwar nicht den höchsten Qualitätsstandards entspricht, z.B. weil nicht Neuteile verbaut werden, wird dennoch der ursprüngliche Zustand vor dem Unfallereignis wiederhergestellt. Nur hierauf könne es nach Auffassung des Amtsgerichts ankommen. Die von dem Sachverständigen nach der Reparatur verbliebenen geringen optischen Nachteile seien dagegen nicht erheblich, insbesondere fielen diese bei der Beurteilung, ob eine fachgerechte Reparatur erfolgt ist, nicht ins Gewicht. Ferner seien auch die Ansprüche auf Ersatz des Nutzungsausfalls in Höhe von € 105,00, auf Erstattung der Unkostenpauschale in Höhe von € 25,00 und Erstattung der vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von € 60,33 begründet.

    Hiergegen richtet sich die Berufung der Beklagten, mit der sie das erstinstanzliche Ziel der Klageabweisung weiterverfolgt.

    Von weiteren tatbestandlichen Ausführungen wird gemäß §§ 540 Abs. 2, 313a ZPO i.V.m. § 26 Nr. 8 EGZPO abgesehen.

    B.

    I.

    Die Berufung der Beklagten ist zulässig, insbesondere ist sie form- und fristgerecht eingelegt, §§ 511, 517, 519 ZPO, und ordnungsgemäß begründet worden, § 520 ZPO.

    II.

    In der Sache hat die Berufung nur Erfolg, soweit sich die Beklagte gegen die Erstattung der Unkostenpauschale wendet. Im Übrigen ist die Berufung unbegründet.

    1.

    Das Amtsgericht hat zu Recht festgestellt, dass der Kläger nicht auf die Erstattung des Wiederbeschaffungsaufwands zu verweisen ist. Die Höhe des Schadensersatzanspruchs ist vom Tatrichter im Wege der Schätzung gemäß § 287 ZPO zu ermitteln, dabei hat das Amtsgericht sein tatrichterliches Ermessen nicht fehlerhaft ausgeübt.

    In der Berufungsinstanz findet gemäß § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO nur eine eingeschränkte Überprüfung mit dem Inhalt statt, ob konkrete Anhaltspunkte Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen begründen und deshalb eine erneute Feststellung gebieten. Konkrete Anhaltspunkte können sich insbesondere aus Verfahrensfehlern ergeben, die dem erstinstanzlichen Gericht bei der Feststellung des Sachverhalts unterlaufen sind. Ein solcher Verfahrensfehler liegt insbesondere vor, wenn die Beweiswürdigung im angefochtenen Urteil nicht den Anforderungen genügt, die von der Rechtsprechung zu § 286 Abs. 1 ZPO entwickelt worden sind. So liegt eine fehlerhafte Beweiswürdigung vor, wenn sie unvollständig oder in sich widersprüchlich ist, oder wenn sie gegen Denkgesetze oder Erfahrungssätze verstößt (Zöller-Greger, ZPO, 30. Aufl., § 286 Rz. 13).

    Diese Grundsätze gelten entsprechend für eine Schadenberechnung nach § 287 ZPO. Diese Vorschrift sieht eine Schätzung „unter Würdigung aller Umstände nach freier Überzeugung“ vor. Die Schadenhöhe darf dabei nicht auf der Grundlage falscher oder offenbar unsachlicher Erwägungen festgesetzt werden. Auch dürfen wesentliche, die Entscheidung bedingende Tatsachen nicht außer Acht bleiben (vgl. BGH, Urteil vom 14.12.2010, Az. VI ZR 231/09, Rz. 10 zitiert nach juris).

    Dies ist indes vorliegend nicht der Fall. Weder hat das Amtsgericht erhebliches Vorbringen der Parteien unberücksichtigt gelassen, Rechtsgrundsätze der Schadensbemessung verkannt, wesentliche Bemessungsfaktoren außer Acht gelassen noch der Schätzung unrichtige Maßstäbe zugrunde gelegt. Vielmehr hat der Kläger nach dem Ergebnis des erstinstanzlich eingeholten Sachverständigengutachtens bewiesen, dass die tatsächlich durchgeführte Reparatur fachgerecht und den Vorgaben des Gutachtens entsprechend ausgeführt worden ist und wirtschaftlich nicht unvernünftig war. Entgegen der Ansicht der Beklagten besteht keine Bindung des Klägers an die ursprüngliche Schadenskalkulation des DEKRA-Mitarbeiters xxx vom 09.04.2012 (Bl. 38 ff. d.A.) Diese ursprüngliche Schätzung legte zwar voraussichtliche Kosten der Reparatur fest, welche einen Wiederbeschaffungswert um mehr als 30% überstiegen. An dieser Schätzung hat indes der Sachverständige xxx selbst nicht festgehalten, sondern in der Schätzung vom 09.05.2012 (Bl. 7 ff. d.A.) einen alternativen Reparaturweg für ausreichend erachtet, mit der die 130%-Grenze eingehalten wird. Vor diesem Hintergrund wäre dem Kläger umgekehrt ein Verstoß gegen die Schadensminderungspflicht (§ 254 Abs. 2 BGB) vorzuwerfen, hätte er an der ursprünglichen Schadenskalkulation festgehalten.

    Die Beklagte kann sich auch nicht darauf berufen, bei der zweiten Schadenskalkulation vom 09.05.2012 handele es sich um ein „Gefälligkeitsgutachten“. Die interne Plausibilitätsprüfung des Ingenieur-Büro xxx, welches ergeben haben soll, dass bereits die erste Kalkulation unvollständig und die Reparaturkosten höher anzusetzen seien (Bl. 51 f. d.A.), belegt dies nicht. Die Aussage ist weder nachvollziehbar noch näher erläutert. Insbesondere aber wird sie durch das gerichtlich eingeholte Sachverständigengutachten des Dipl.-Ing. xxx nicht gestützt. Der Sachverständige hat überzeugend und in sich widerspruchsfrei festgestellt, dass die in der Rechnung der Firma xxx aufgeführten Positionen ausreichend sind, um den Unfallschaden vollständig und fachgerecht zu beheben und dass das Fahrzeug entsprechend der Angaben in der Rechnung tatsächlich repariert wurde. Das gerichtliche Gutachten hat dabei entgegen der Ansicht der Beklagten nicht lediglich die zweite Schadenskalkulation mit der tatsächlichen Reparatur verglichen. Eine solche beschränkende Vorgabe enthält weder der Beweisbeschluss vom 14.02.2013 (Bl. 94 f. d.A.) noch hat sich der Sachverständige xxx lediglich mit der zweiten Schadenskalkulation auseinandergesetzt. Vielmehr hat er den Sachverhalt umfassend einschließlich der Argumente der Beklagten gewürdigt, sich ausführlich mit beiden Schadenskalkulationen befasst und ist nach alledem zu dem Ergebnis gelangt, dass die in der Rechnung der Firma xxx aufgeführten Positionen ausreichend sind, um den Unfallschaden vollständig und fachgerecht zu beheben. Der Sachverständige xxx hat sich somit auch mit der von der Beklagten für vorgreiflich gehaltenen Frage, ob die Kalkulation für die Reparatur ausreicht, befasst. Der Erstellung einer neuerlichen Schadenskalkulation einschließlich einer Auflistung, welche Arbeitsschritte insgesamt zur Beseitigung der Schäden erforderlich gewesen wären, bedurfte es hierfür nicht. Streitgegenständlich sind die tatsächlich entstandenen Reparaturkosten, welche der Sachverständige und - ihm folgend - das Amtsgericht auf der Basis des Vorbringens der Parteien umfassend gewürdigt hat. Die Berufung zeigt im Übrigen nicht konkret auf, inwieweit sich bei Erstellung der - nicht erforderlichen - neuen Schadenskalkulation ein abweichendes Ergebnis ergeben hätte, nachdem das Gutachten insgesamt ergeben hat, dass die in der Rechnung der Firma xxx, einer Meisterwerkstatt, ausgewiesenen Positionen ausreichend sind, um den vorliegenden Unfallschaden vollständig und fachgerecht zu beseitigen.

    Angesichts dieses Gutachtenergebnisses kann sich die Beklagte auch nicht darauf berufen, dass der Sachverständige die tatsächliche Reparatur als „zeitwertgerecht“ im Hinblick auf Fahrzeugzustand und Wert bezeichnet hat. Hierbei handelt es sich nicht um einen in der Rechtsprechung anerkannten terminus technicus. Wie der Sachverständige selbst diesen Begriff verstanden haben möchte, ergibt sich im Einzelnen aus dem Gutachten. Danach will er diesen Begriff insbesondere gegen die Abwicklung von Haftpflichtschäden abgegrenzt wissen, bei denen regelmäßig Bauteile zur Erneuerung vorgesehen werden, die durchaus sach- und fachgerecht instandsetzungsfähig sind, oder Demontagetätigkeiten, welche tatsächlich auch mit geringerem Aufwand erfolgen bzw. entfallen können (S. 6 des Gutachtens vom 29.04.2013). Dass das Amtsgericht dies in dieser Auslegung für ausreichend erachtet hat, ist nicht zu beanstanden. Die Kammer schließt sich der Auffassung des Amtsgerichts, dass der Geschädigte auch dann in seinem Integritätsinteresse geschützt sein muss, wenn die Reparatur nach der ursprünglich kalkulierten herkömmlichen Methode unwirtschaftlich wäre, aber eine Reparatur tatsächlich nach einer alternative Methode durchgeführt wurde, welche kostengünstiger aber gleichwertig ist, an (vgl. auch Wern, Smart Repair - Probleme des Schadensersatzrechts bei neuen Reparaturmethoden, JM 2014, 184 ff. (186)). Die gegenteilige Ansicht der Beklagten würde es dem Geschädigten unmöglich machen, den zulässigen Nachweis zu führen, dass bei einer fachgerechten Reparatur tatsächlich geringere Kosten - nämlich innerhalb der 130%-Grenze - angefallen sind (Wern, a.a.O. m.w.N.).

    Diesen Nachweis hat der Kläger mit dem Gutachten des Sachverständigen xxx erbracht, so dass er die restlichen Reparaturkosten ersetzt verlangen kann. Zu Recht hat das Amtsgericht ausgeführt, dass die geringfügige Abweichung der tatsächlich ausgeführten Reparatur (Rammschutzleiste) und die geringfügigen optischen Qualitätsmängel (Mängel im Lack- und Spachtelauftrag) nicht dazu führen, dass die Reparatur insgesamt als unvollständig oder nicht fachgerecht anzusehen ist. Insoweit kann in vollem Umfang auf die zutreffenden Ausführungen des Amtsgerichts im angefochtenen Urteil zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug genommen werden. Insbesondere wird hiermit nicht die 130%-Rechtsprechung „ausgehöhlt“. Der BGH hat bereits mit Urteil vom 14.12.2010 (a.a.O. Rz. 13) festgestellt, dass „dem Geschädigten jedenfalls unter solchen Umständen, bei denen zwar die vom Sachverständigen geschätzten Reparaturkosten über der 130%-Grenze liegen, es dem Geschädigten aber - auch unter Verwendung von Gebrauchtteilen - gelungen ist, eine nach Auffassung des sachverständig beratenen Berufungsgerichts fachgerechte und den Vorgaben des Gutachtens entsprechende Reparatur durchzuführen, deren Kosten den Wiederbeschaffungswert nicht übersteigen, aus dem Gesichtspunkt des Wirtschaftlichkeitsgebots eine Abrechnung der konkret angefallenen Reparaturkosten nicht verwehrt werden kann.“ Genau so liegt auch der Fall hier. Die Bewertung des Amtsgerichts hält sich im Rahmen des Ermessens nach § 287 ZPO und lässt keine Rechtsfehler erkennen.

    2.

    Die Berufung zeigt nicht auf, warum die Feststellung des Amtsgerichts hinsichtlich der zuerkannten Nutzungsausfallentschädigung fehlerhaft sein soll. Die Beklagte hat weder den Tagessatz von € 35,00 bestritten noch die Dauer der tatsächlichen Reparatur von 3 Tagen, welche auch der DEKRA-Mitarbeiter xxx im Rahmen der Nachbesichtigung bestätigt hat (Bl. 21 ff. d.A.), in Abrede gestellt.

    3.

    Entgegen der Feststellung des Amtsgerichts hat die Beklagte allerdings insgesamt einen Betrag von € 1.225,00 inklusive der Unkostenpauschale ausgeglichen. In Höhe von € 25,00 Schadenspauschale hat die Beklagte somit den Anspruch bereits erfüllt. Die Beklagte hat in der Klageerwiderung vorgetragen, dass sie insgesamt € 1.225,00 (und nicht nur € 1.200,00, wie vom Kläger eingeräumt) ausgeglichen hat. Dies ergibt sich auch aus der Abrechnung der Beklagten vom 11.06.2012 (Bl. 57 f. d.A.). Der Klageantrag zu 2) war daher entsprechend abzuändern und die Klage in Höhe von € 25,00 abzuweisen.

    4.

    Schließlich wendet die Beklagte gegen die zuerkannten vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten nichts Erhebliches ein. Da die Hauptforderung des Klägers entgegen der Ansicht der Beklagten begründet ist, besteht auch die Nebenforderung auf Freistellung von den vorgerichtlich entstandenen Rechtsanwaltskosten.

    III.

    Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 92 Abs. 2 Nr. 1, 97 Abs. 1, 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO i. V. m. § 26 Nr. 8 EGZPO. Die Zuvielforderung des Klägers hinsichtlich der Unkostenpauschale war geringfügig und hat keine besonderen Kosten verursacht. Insbesondere ist hierdurch kein Gebührensprung eingetreten.

    IV.

    Die Revision wird nicht zugelassen, weil die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO nicht erfüllt sind. Die Sache hat weder grundsätzliche Bedeutung noch erfordern Belange der Rechtsfortbildung oder der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs. Eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs liegt bereits vor (Urteil vom 14.12.2010, Az. VI ZR 231/09).

    V.

    Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf € 749,01 festgesetzt.