13.11.2014 · IWW-Abrufnummer 143229
Oberlandesgericht Düsseldorf: Urteil vom 22.07.2014 – I-1 U 152/13
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Oberlandesgericht Düsseldorf
I-1 U 152/13
Tenor:
Die Berufung des Klägers gegen das am 23.08.2013 verkündete Urteil der Einzelrichterin der 2b. Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens fallen dem Kläger zur Last.
Dieses Urteil und das angefochtene Urteil sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
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Der Kläger macht restlichen Schadensersatz aus einem Verkehrsunfall geltend, der sich am 13.12.2011 auf der XXXstraße in XXX ereignet hat. An dem Unfall beteiligt waren der Kläger mit seinem Pkw BMW, amtliches Kennzeichen: XXX, und der im Zeitpunkt des Unfalls von dem Zeugen XXX gesteuerte Lkw Volvo mit dem niederländischen Kennzeichen: XXX, für den der beklagte Verein nach dem Auslandspflichtversicherungsgesetz eintrittspflichtig ist.
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Am 13.12.2011 gegen 09:35 Uhr befuhr der Kläger mit seinem Pkw BMW die XXXstraße in Richtung der Kreuzung XXX Straße/XXXstraße auf der rechten der beiden Richtungsfahrspuren. Zur gleichen Zeit stand der Zeuge XXX mit dem Lkw Volvo in einer Kolonne auf dem linken der beiden Fahrstreifen hinter 2 bis 3 weiteren Fahrzeugen wegen Rotlichts an der Kreuzung. Zwischen dem Lkw Volvo und dem vor ihm stehenden Fahrzeug befand sich eine Lücke, deren Größe zwischen den Parteien streitig ist. Schräg rechts vor dem Lkw Volvo stand auf der rechten Fahrspur ein anderer Lkw, der gerade entladen wurde. Aufgrund dieses Lkw konnte der Kläger auf der rechten Spur nicht weiterfahren. Als die Lichtzeichenanlage auf Grün umschaltete, fuhr der Zeuge XXX mit seinem Lkw Volvo an und stieß mit der vorderen rechten Seite seines Lkw gegen den linken hinteren Kotflügel des klägerischen Fahrzeugs, das ebenfalls gerade anfuhr und dabei nach links blinkte.
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Mit Anwaltsschreiben vom 14.02.2012 (Anlage K7) machte der Kläger folgende Schadenspositionen geltend:
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- Reparaturkosten: 9.539,31 Euro
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- Sachverständigenkosten: 970,62 Euro
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- Wertminderung: 500,00 Euro
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- Mietwagenkosten v. 13.12.2011 - 26.01.2012 (45 Tage): 5.445,25 Euro
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- Nebenkostenpauschale: 30,00 Euro
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- Gesamt: 16.485,18 Euro
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In dem Schreiben wurde zudem die Zahlung von Rechtsanwaltsgebühren in Höhe von insgesamt 1.105,51 Euro unter Zugrundelegung einer 1,5 Geschäftsgebühr ausgehend von dem Gesamtschadensbetrag gefordert.
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Die Regulierungsbeauftragte XXX Versicherung AG erkannte mit Schreiben vom 16.04.2012 (Anlagen K6) von den Mietwagenkosten nur 3.025,12 Euro für 25 Tage an und nahm von den Reparaturkosten gemäß den entsprechenden Feststellungen des von dem Kläger eingeholten Sachverständigengutachtens einen Abzug Neu für Alt in Höhe von 130,90 Euro vor. Unter Zugrundelegung einer Mithaftung des Klägers von 50 % wurden 6.967,08 Euro von ihr reguliert. Die geltend gemachten vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten wurden nicht beglichen.
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Mit der Klage begehrt der Kläger den Rest seiner behaupteten Ansprüche, wobei er von den Mietwagenkosten einen Abzug von (5.445,25 ./. 4.970,05 =) 475,20 Euro vornimmt und insoweit daher nur noch 4.970,05 Euro zu Grunde legt. Seine Restforderung beziffert er folglich auf (16.485,18 ./. 475,20 = 16.009,98 ./. 6.967,08 =) 9.042,90 Euro.
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Der Kläger hat die Ansicht vertreten, dass der Zeuge XXX für den Unfall allein verantwortlich sei und der beklagte Verein daher für den Schaden zu 100 Prozent hafte. Hierzu hat der Kläger behauptet, dass er aufgrund des seinen Fahrstreifen blockierenden Lkw nach links gesehen und dort das Beklagtenfahrzeug sowie den Kopf des Zeugen XXX gesehen habe. Sodann sei er langsam in die Lücke vor dem Beklagtenfahrzeug eingefahren. Die Lücke sei ca. 1,5 Fahrzeuglängen zu dem davor stehenden Fahrzeug groß gewesen. Er habe dann mit seinem Fahrzeug leicht schräg zu 2/3 auf dem linken Fahrstreifen gestanden. Als die Lichtzeichenanlage 15 bis 30 Sekunden später auf Grün umgeschaltet habe, sei der Zeuge XXX mit seinem Lkw angefahren und gegen sein Fahrzeug gestoßen, das ebenfalls gerade angerollt sei. Bei Anwendung der erforderlichen Sorgfalt habe der Zeuge XXX das vor ihm stehenden Klägerfahrzeug wahrnehmen und die Kollision vermeiden können. Zu den Mietwagenkosten hat der Kläger unter Bezugnahme auf den Reparaturablaufplan (Anlage K4) vorgetragen, dass die Reparaturdauer von 45 Tagen im Hinblick auf das zunächst zu erstellende Schadensgutachten und die Weihnachtsfeiertage erforderlich gewesen seien. Für Verzögerungen bei der Erstellung des Schadensgutachtens und der Ersatzteilbestellung bzw. Reparatur sei er nicht verantwortlich.
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Der Beklagte hat die Ansicht vertreten, dass den Kläger die Alleinschuld an dem Unfall treffe. Der Zeuge XXX habe den Unfall nicht verhindern können. Der Kläger habe daher bereits mehr erhalten, als ihm zustehe. Hierzu hat der Beklagte behauptet, dass der Zeuge XXX mit dem Lkw etwa in Höhe der heruntergelassenen Ladebühne des auf dem rechten Fahrstreifen stehenden Lkw gestanden habe. Der Anstoß mit dem Klägerfahrzeug habe sich ereignet, weil der Kläger vom rechten Fahrstreifen aus sich vorne rechts vor das Führerhaus des Beklagten-Lkw gequetscht habe. Dabei habe sich das Klägerfahrzeug teilweise auf dem linken und teilweise noch auf dem rechten Richtungsfahrstreifen befunden. Der Kläger müsse über die heruntergelassene Ladebühne des die rechte Fahrspur blockierenden Lkw gefahren sein. Dabei habe sich das Klägerfahrzeug im toten Winkel des Führerhauses befunden. Das Klägerfahrzeug sei daher für den Zeugen XXX nicht zu erkennen gewesen. Der Zeuge XXX habe auch nicht damit gerechnet, dass sich der Kläger vor seinen Lkw quetschen würde. Die geltend gemachten Mietwagenkosten seien nicht angemessen. Der Sachverständige XXX gehe – für sich unstreitig – von einer erforderlichen Reparaturdauer von 5 bis 6 Arbeitstagen aus. Angesichts dessen sei bei einer Reparaturdauer von 45 Tagen ein nachvollziehbares Maß überschritten.
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Das Landgericht hat Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugen XXX und XXX sowie durch Einholung eines von dem Sachverständigen Dipl.-Ing. XXX mündlich erstatteten unfallanalytischen Gutachtens. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Sitzungsprotokoll vom 16.07.2013 (Bl. 91 ff. d. A.) verwiesen.
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Das Landgericht hat die Klage bis auf einen Teil der geltend gemachten vorgerichtlichen Rechtsanwaltsgebühren in Höhe von 603,93 Euro abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, der Kläger habe nicht bewiesen, dass den Fahrer des Beklagtenfahrzeuges ein mehr als 50%iger Verursachungsbeitrag vorzuwerfen sei. Zunächst habe der Kläger nicht schlüssig vorgetragen, dass der Unfall für ihn ein unabwendbares Ereignis im Sinne des § 17 Abs. 3 StVG gewesen sei. Denn dem Kläger sei es unstreitig nicht gelungen, während der Rotlichtphase sein Fahrzeug vollständig auf den linken Fahrstreifen zu wechseln und damit jegliche Gefährdung des nachfolgenden Verkehrs auszuschließen. Ein Idealfahrer hätte in dieser Situation auf den Spurwechsel verzichtet. Obwohl der Zeuge XXX auf das Klägerfahrzeug aufgefahren sei, spreche für den Kläger kein Anscheinsbeweis, weil dem Auffahren ein nicht vollendeter Fahrstreifenwechsel des Klägers vorausgegangen sei und es daher an der Typizität der Unfallkonstellation fehle.
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Die erhöhte Betriebsgefahr des Beklagtenfahrzeugs von 30 % sei aufgrund des Verursachungsbeitrages des Zeugen XXX um weitere 20 % erhöht. Der Zeuge XXX habe fahrlässig gehandelt, weil er beim Anfahren nicht ausreichend den Raum rechts von seinem Lkw beobachtet habe. Nach den Feststellungen des Sachverständigen Dipl.-Ing. XXX sei es dem Zeugen XXX möglich gewesen, das Klägerfahrzeug entweder durch die Frontscheibe oder durch den Rampenspiegel zu erkennen. Aufgrund des auf dem rechten Fahrstreifen haltenden Lkw habe der Zeuge XXX auch mit Fahrzeugen, die das Hindernis umfahren wollen, rechnen und daher entsprechend Ausschau halten müssen.
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Dieser Sorgfaltsverstoß des Zeugen XXX begründe indes keine über 50 % hinausgehende Haftung. Der Kläger habe nämlich nicht schlüssig vorgetragen, dass er entsprechend § 6 Satz 2 StVO beim Vorbeifahren an dem Hindernis auf den nachfolgenden Verkehr geachtet und sein Ausscheren rechtzeitig durch Nutzung des Fahrtrichtungsanzeigers angekündigt habe. Entgegen der Ansicht des Klägers habe sich der Unfall auch trotz des längeren Stilstandes im Zusammenhang mit dem Fahrstreifenwechsel ereignet. Denn nach den überzeugenden Feststellungen des Sachverst ändigen Dipl.-Ing. XXX sei auszuschließen, dass sich der Kläger vor dem Wiederanfahren bei Grün mit mehr als der Hälfte seines Fahrzeuges bereits auf der linken Fahrspur befunden habe. Der Kläger habe zudem gegen § 7 Abs. 4 Satz 1 StVO verstoßen, weil er sich an der Engstelle unter Vortritt des ersten Linksfahrers – hier des Beklagtenfahrzeugs – ohne Überholversuch nach links habe einordnen müssen.
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Der Kläger habe auch keinen Anspruch auf die geltend gemachten restlichen Mietwagenkosten. Die über die regulierten Mietwagenkosten für eine Reparaturdauer von 25 Tagen geltend gemachten weiteren Mietwagenkosten für einen Zeitraum von 45 Tagen seien nicht erforderlich im Sinne des § 249 BGB. Nach dem Schadensgutachten betrage die Reparaturdauer 5 bis 6 Arbeitstage. Der Kläger habe nicht schlüssig dargelegt, warum die Reparatur demgegenüber 45 Tage gedauert habe. Der Reparaturauftrag sei nach der Reparaturfreigabe noch am Schadenstag (13.12.2011) erfolgt. Die Werkstatt habe die Ersatzteile aber erst am 03.01.2012 bestellt. Dem Kläger habe es oblegen, auf eine umgehende Ersatzteilbestellung hinzuwirken. Nach Eingang der Ersatzteile am 04.01.2012 habe sich die Reparatur zudem über 16 Arbeitstage bis zum 26.01.2012 hingezogen. Da dem Kläger in dieser Zeit das Schadensgutachten und damit die gewöhnliche Reparaturdauer von 5 bis 6 Arbeitstagen bekannt gewesen sei, hätte es dem Kläger entweder oblegen, auf eine schnelle Reparatur hinzuwirken, oder eine andere Werkstatt mit eigenem Karosseriebetrieb und eigener Lackiererei zu beauftragen.
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Die vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten seien ausgehend von einem Streitwert in Höhe von 6.967,08 Euro und einer 1,3 Geschäftsgebühr in Höhe von 603,93 Euro ersatzfähig. Da die Angelegenheit weder umfangreich noch schwierig gewesen sei, bestehe kein Ersatzanspruch hinsichtlich einer erhöhten Geschäftsgebühr von 1,5.
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Gegen dieses Urteil wendet sich der Kläger mit der form- und fristgerecht eingelegten und begründeten Berufung. Er ist der Ansicht, dass die vom Landgericht angenommene Haftungsverteilung von 50 zu 50 dem Unfallgeschehen nicht gerecht werde. Entscheidend sei, dass der Kläger mit seinem Fahrzeug problemlos und ohne Gefährdung des Beklagtenfahrzeugs an dem Beklagtenfahrzeug rechts habe vorbeifahren und vor diesem habe einscheren können. Im Rahmen dieses Fahrmanövers sei es zu keinem Unfall gekommen. Die typische Gefährdung des Umfahrens habe sich gerade nicht verwirklicht. Der zeitliche Zusammenhang zwischen dem Fahrstreifenwechsel und dem Unfall sei dadurch, dass die Fahrzeuge rund 30 Sekunden vor der roten Ampel standen, unterbrochen worden. Zwar habe der Kläger den Fahrstreifenwechsel vor der Kollision noch nicht vollständig vollzogen. Das Landgericht sei jedoch zu Unrecht davon ausgegangen, dass die Lücke vor dem Beklagtenfahrzeug für einen vollständigen Fahrstreifenwechsel des Klägers zu klein und daher ungeeignet gewesen sei. Denn der Zeuge XXX habe ausgesagt, dass das Beklagtenfahrzeug eine „größere Lücke“ gelassen habe. Der Zeuge XXX habe die ihm obliegende Sorgfaltspflicht massiv verletzt, indem er angefahren sei, ohne sich über den vor ihm befindlichen Verkehr zu vergewissern. Angesichts dessen sei von einer Haftung des beklagten Vereins in Höhe von zumindest 70 % auszugehen. Der Beklagte schulde auch die Mietwagenkosten für die gesamte Reparaturdauer von 45 Tagen. Von ihm könne nicht mehr verlangt werden, als dass er den Gutachten- und den Reparaturauftrag erteile. Er müsse sich nicht fortwährend über den Reparaturzustand vergewissern und auf die Ersatzteilbeschaffung hinwirken. Hinsichtlich der geltend gemachten vorgerichtlichen Rechtsanwaltsgebühren sei eine Geschäftsgebühr von 1,5 angemessen, wobei auch die Toleranzgrenze von 20 % zu berücksichtigen sei.
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Der Kläger beantragt:
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Unter Abänderung des Urteils des LG Düsseldorf vom 23.08.2013, Az. 2b O 112/12, wird der Beklagte verurteilt, an den Kläger 9.042,90 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 29.02.2012 zu bezahlen.
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Unter Abänderung des Urteils des LG Düsseldorf vom 23.08.2013, Az. 2b O 112/12, wird der Beklagte verurteilt, an den Kläger vorgerichtlich entstandene Rechtsanwaltskosten in Höhe von 1.105,51 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 29.02.2012 zu bezahlen.
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Der Beklagte beantragt,
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die Berufung zurückzuweisen.
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Der Beklagte hält die Entscheidung des Landgerichts für zutreffend. Zwar sei § 6 Satz 2 StVO nicht einschlägig, weil diese Vorschrift Fahrbahnen mit nur einer Richtungsfahrspur betreffe. Allerdings hätten für den Kläger die Sorgfaltsanforderung des § 7 Abs. 5 StVO gegolten, der auch in Fällen des § 7 Abs. 4 StVO anwendbar sei. Entgegen § 7 Abs. 5 StVO habe der Kläger durch den Fahrstreifenwechsel eine gefährliche Situation geschaffen, die eine Verständigung mit dem Zeugen XXX notwendig gemacht habe. Eine solche Verständigung sei indes nicht erfolgt. Auch die Entscheidung des Landgerichts hinsichtlich der Mietwagenkosten sei zutreffend. Die Verzögerung bei der Ersatzteilbestellung sei nur erklärlich, wenn besondere, möglicherweise in der Person des Klägers liegende Gründe vorlagen, den Eingang des Gutachtens abzuwarten. Hierfür würde der Vortrag des Klägers indes keine Erläuterung geben, so dass von einem Verschulden des Klägers auszugehen sei.
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Entscheidungsgründe
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Die zulässige Berufung hat in der Sache keinen Erfolg.
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Das Landgericht hat das Bestehen eines weiteren Schadensersatzanspruchs des Klägers im Ergebnis zu Recht verneint. Im Einzelnen ist hierzu Folgendes auszuführen:
32
I.
33
Der Unfall hat sich beim Betrieb der beteiligten Kraftfahrzeuge ereignet, § 7 Abs. 1 StVG. Es kann nicht festgestellt werden, dass es sich bei dem Unfall für einen der beiden Kraftfahrzeugführer um ein unabwendbares Ereignis im Sinne von § 17 Abs. 3 StVG handelte. Unabwendbar ist ein Ereignis, das durch äußerste mögliche Sorgfalt nicht abgewendet werden kann. Abzustellen ist insoweit auf das Verhalten des sog. „Idealfahrers“ (König in Hentschel/König/Dauer, § 17 StVG Rn. 22). Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass ein solcher „Idealfahrer“ die Kollision verhindert hätte. Die Unabwendbarkeit des Unfalls macht in zweiter Instanz auch keine Partei mehr geltend.
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Die Verpflichtung zum Schadensersatz sowie deren Umfang hängen somit nach § 17 Abs. 1 und Abs. 2 StVG bzw. nach § 254 Abs. 1 BGB von den Umständen, insbesondere davon ab, inwieweit der Schaden vorwiegend von dem einen oder dem anderen Teil verursacht worden ist. Die danach gebotene Abwägung der wechselseitigen Verursachungsbeiträge ist aufgrund aller festgestellten, d. h. unstreitigen, zugestandenen oder nach § 286 ZPO bewiesenen Umstände des Einzelfalls vorzunehmen, wenn sie sich auf den Unfall ausgewirkt haben; in erster Linie ist hierbei das Maß der Verursachung von Belang, in dem die Beteiligten zur Schadensentstehung beigetragen haben; das beiderseitige Verschulden ist nur ein Faktor der Abwägung (BGH NJW 2012, 1953).
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1)
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Der Kläger hat den Unfall dadurch verursacht, dass er mit seinem Pkw vom rechten Fahrstreifen aus teilweise auf den linken Fahrstreifen gewechselt ist, weil sich auf dem rechten Fahrstreifen ein Hindernis in Form eines haltenden Lkw befand. Nach den überzeugenden und auch von dem Kläger nicht angegriffenen Feststellungen des Sachverständigen Dipl.-Ing. XXX befand sich das Klägerfahrzeug zum Anprallzeitpunkt in einem spitzen Winkel von 12 Grad schräg links mit der Mitte seiner Front und seiner hinteren linken Ecke auf der linken Fahrspur. Der Sachverständige Dipl.-Ing. XXX hat auch unter Berücksichtigung von Toleranzen ausgeschlossen, dass sich das Fahrzeug des Klägers zum Anprallzeitpunkt mit mehr als seiner linken Diagonalen innerhalb des linken der beiden Richtungsfahrstreifen befunden hat. Auch der Kläger selbst hat nicht behauptet, den Fahrstreifenwechsel im Zeitpunkt der Kollision bereits vollständig abgeschlossen zu haben. Vielmehr hat er vorgetragen, sich mit seinem Fahrzeug erst zu 2/3 auf der linken Fahrspur befunden zu haben. Somit steht fest, dass sich die Kollision im Zusammenhang mit einem Spurwechsel des klägerischen Fahrzeugs ereignet hat.
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a)
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Entgegen der Ansicht des Landgerichts fällt dem Kläger bei dem Spurwechsel kein Verstoß gegen § 6 Satz 2 StVO zur Last. Eine Engstelle im Sinne von § 6 StVO besteht lediglich, wenn am Hindernis nur links vorbeigefahren werden kann und dabei für unbehinderten Gegenverkehr kein Raum bleibt (Heß in: Burmann/Heß/Jahnke/Janker, Straßenverkehrsrecht, 23. Aufl. 2014, § 6 StVO Rn. 2; OLG Karlsruhe DAR 2004, 648; OLG Schleswig, VersR 1982, 1106). § 6 StVO betrifft somit nicht die vorliegende Verkehrssituation, in welcher die rechte von zwei Richtungsfahrbahnen durch ein Hindernis blockiert ist.
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b)
40
Der Kläger hat bei dem Spurwechsel jedoch gegen § 7 Abs. 5 Satz 1 StVO verstoßen. Nach dieser Vorschrift darf ein Fahrstreifen nur gewechselt werden, wenn eine Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer ausgeschlossen ist. Dies gilt auch dann, wenn – wie hier – eine Reißverschlusssituation gemäß § 7 Abs. 4 StVO vorliegt (König in: Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 41. Aufl. 2011, § 7 StVO Rn. 17). Der auf dem durchgehenden Fahrstreifen Fahrende hat grundsätzlich Vortritt. Wer bei Reißverschlussbildung die Spur wechselt, darf – anders als es der Kläger getan hat - nicht darauf vertrauen, dass ihm dies ermöglicht wird (König, a. a. O., § 7 Rn. 20 m. N.). Unbeschadet dessen war der Kläger nach § 7 Abs. 4 StVO auch nicht dazu berechtigt, sich vor dem Beklagtenfahrzeug auf die durchgehende linke Fahrspur einzuordnen. Denn nach dem Wortlaut des § 7 Abs. 4 StVO haben sich bei einer Verengung rechts die Rechtsfahrenden unter Vortritt des ersten Linksfahrers nach links hin einzuordnen (König, a. a. O., § 7 Rn. 20 m. N.). Demnach hätte sich der Kläger erst hinter dem Beklagtenfahrzeug, welches das erste Fahrzeug auf der linken Fahrspur hinter der Engstelle gewesen ist, einordnen dürfen.
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In diesem Zusammenhang kommt es nicht darauf an, ob die Lücke vor dem Beklagtenfahrzeug für einen vollständigen Fahrstreifenwechsel groß genug gewesen ist. Denn auch in diesem Falle hätte der Kläger beim Einfahren in die Lücke gemäß § 7 Abs. 5 Satz 1 StVO eine Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer ausschließen müssen. Unbeschadet dessen ist offenkundig, dass die Lücke vor dem Beklagtenfahrzeug nicht dazu geeignet war, den Fahrstreifenwechsel vollständig zu vollziehen. Denn anderenfalls ist davon auszugehen, dass sich der Kläger vollständig vor den Beklagtenfahrzeug auf dem linken Fahrstreifen eingeordnet hätte, was er jedoch unstreitig nicht getan hat.
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aa)
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Die Anwendbarkeit des § 7 Abs. 5 StVO scheitert nicht daran, dass das Beklagtenfahrzeug vor der Kollision eine längere Zeit vor der Lichtzeichenanlage gestanden hat. Zwar gilt § 7 Abs. 5 StVO nicht im Verhältnis zwischen fließendem und ruhendem Verkehr (König, a. a. O., § 7 StVO Rn. 17). Entgegen der Ansicht des OLG Köln (VersR 2003, 1186) ist § 7 Abs. 5 StVO aber auch gegenüber einem nur l– wie hier – verkehrsbedingt wartenden Fahrzeugführer zu beachten (OLG Hamm, Urteil vom 30.10.2012, Az. 9 U 5/12; König, a. a. O., § 7 StVO Rn. 17). Unbeschadet dessen findet § 7 Abs. 5 StVO vorliegend auch deshalb Anwendung, weil eine Reißverschlusssituation gemäß § 7 Abs. 4 StVO vorgelegen hat, für die § 7 Abs. 5 StVO bereits seinem Wortlaut nach Anwendung findet („In allen Fällen…“).
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bb)
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Entgegen der Ansicht des Klägers ist der Zusammenhang zwischen dem Fahrstreifenwechsel und dem Unfall nicht dadurch unterbrochen worden, dass das Klägerfahrzeug vor der Kollision für rund 30 Sekunden teilweise auf der linken Fahrspur vor dem ebenfalls stehenden Beklagtenfahrzeug gestanden hat.
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Dieser von dem Kläger behauptete Sachverhalt ist zunächst weder unstreitig noch erwiesen. Der Beklagte hat stets behauptet, dass sich der Kläger erst vor das Beklagtenfahrzeug „gequetscht“ habe, als die Lichtzeichenanlage auf Grün gewechselt habe. Die entgegenstehende Behauptung des Klägers steht nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme nicht fest. Der Sachverständige Dipl.-Ing. XXX konnte anhand der zur Verfügung stehenden Anknüpfungstatsachen aus unfallanalytischer Sicht nicht aufklären, in welcher Konfiguration sich die beiden Fahrzeuge während des letzten vorkollisionären Zwischenhaltes relativ zueinander befunden haben. Nach den Feststellungen des Sachverständigen Dipl.-Ing. XXX muss sich das Klägerfahrzeug indes während des Zwischenhaltes zumindest noch etwas weiter rückwärts und etwas weiter rechts als in der Anprallsituation befunden haben. Dies schließt der Sachverständige aus dem Umstand, dass sich das Klägerfahrzeug im Zeitpunkt der Kollision in einer Vorwärtsbewegung befunden hat, die schneller als jene des Beklagtenfahrzeugs gewesen sein muss. Der Sachverständige konnte daher ausschließen, dass sich das Klägerfahrzeug während des Zwischenhaltes komplett oder auch nur weit überwiegend bereits auf der linken Fahrspur befunden hat. Damit ist die Behauptung des Klägers, er habe bereits zu 2/3 schräg auf der linken der beiden Fahrstreifen gestanden, widerlegt.
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Die Behauptung des Klägers, er habe sich bereits während des Zwischenhaltes teilweise auf dem linken Fahrstreifen befunden, steht auch nicht aufgrund der Aussagen der Zeugen XXX und XXX fest. Der Zeuge XXX hat ausgesagt, dass er das klägerische Fahrzeug vor der Kollision nicht wahrgenommen habe. Dies spricht dafür, dass sich der Kläger während des Zwischenhaltes mit seinem Fahrzeug noch nicht schräg vor dem Beklagtenfahrzeug befunden hat. Denn es ist davon auszugehen, dass der Zeuge XXX den Pkw BMW des Klägers bemerkt hätte, wenn dieser über den verhältnismäßig langen Zeitraum von etwa 30 Sekunden schräg vor seinem Lkw gestanden hätte. Die Aussage des Zeugen XXX, der Kläger habe mit seinem Pkw bereits zu ¾ auf der linken Spur gestanden, ist unglaubhaft. Sie steht im Widerspruch zu der überzeugenden Feststellung des Sachverständigen Dipl.-Ing. XXX, wonach sich der Kläger mit seinem Fahrzeug während des Zwischenhaltes nicht weit überwiegend auf der linken Fahrspur befunden haben kann. Auch die weitere Aussage des Zeugen XXX, wonach die Lücke, in die der Kläger eingeschert sei, so groß gewesen sei, dass ein Lkw hindurch gepasst hätte, ist unglaubhaft. Denn wenn die Lücke tatsächlich so groß gewesen wäre, ist nicht erklärlich, warum der Kläger den Spurwechsel nicht bereits während der Rotphase vollständig vollzogen hat. Insgesamt vermittelt die Aussage des Zeugen XXX den Eindruck, dass es sich bei ihm um einen sogenannten „Knallzeugen“ handelt, der aus der Stellung der Fahrzeuge nach der Kollision subjektiv Rückschlüsse auf deren vorkollisionären Standort gezogen hat.
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Aber selbst wenn der Kläger sich bereits während des Zwischenhaltes teilweise schräg auf der linken Fahrspur befunden haben sollte, was aus den genannten Gründen nicht bewiesen ist, besteht ein Zusammenhang zwischen dem Fahrspurwechsel des Klägers und dem Unfall. Denn der während der Rotphase eingeleitete Fahrstreifenwechsel des Klägers war im Zeitpunkt der Kollision noch nicht abgeschlossen, sondern wurde von dem Kläger fortgesetzt, nachdem die Lichtzeichenanlage auf Grün umgeschaltet hatte. Der Kläger hat selbst vorgetragen, dass er mit seinem Fahrzeug anrollte, als die Lichtzeichenanlage auf Grün schaltete. Dies deckt sich mit der Feststellung des Sachverständigen Dipl.-Ing. XXX, dass sich das Klägerfahrzeug im Zeitpunkt der Kollision in einer Vorwärtsbewegung befunden hat.
49
cc)
50
Der Kläger hat auch schuldhaft gehandelt. Gegen den Kläger spricht zum einen der gegen den Spurwechsler regelmäßig sprechende Anscheinsbeweis (vgl. Heß, a. a. O., § 7 StVO Rn. 25 m. N.). Zum anderen resultiert der Verschuldensvorwurf gegen den Kläger daraus, dass er den Umständen nach den Spurwechsel nur nach vorheriger Verständigung mit dem Zeugen XXX hätte durchführen dürfen. Aufgrund der unterschiedlichen Größenverhältnisse des Lkw der Beklagten und des Pkw BMW des Klägers hätte der Kläger damit rechnen müssen, dass er in den toten Winkel des Lkw einfährt oder zumindest für den Fahrer des Lkw nur schwer zu erkennen ist. Dies gilt zumal vor dem Hintergrund, dass sich der Kläger dem Lkw in einem spitzen Winkel auf der für den Fahrer des Lkw schwerer einsehbaren Beifahrerseite des Lkw genährt hat. Die erforderliche Verständigung (§ 11 Abs. 3 Hs. 2 StVO) - oder zumindest ein Blickkontakt - zwischen dem Kläger und dem Zeugen XXX hat jedoch unstreitig nicht stattgefunden. Der Kläger hat seinem eigenen Vorbringen nach lediglich den Kopf des Lkw-Fahrers gesehen und sich von diesem ebenfalls „gesehen gefühlt“. Der Verkehrsverstoß des Klägers war auch unfallursächlich. Denn wenn er auf den Fahrstreifenwechsel verzichtet oder sich mit dem Zeugen XXX verständigt hätte, wäre es zu dem Unfall nicht gekommen.
51
b)
52
Selbst wenn man der Ansicht des Klägers folgt, dass § 7 Abs. 5 StVO aufgrund eines fehlenden zeitlichen Zusammenhangs zwischen Spurwechsel und Unfall nicht anwendbar ist, fällt dem Kläger jedenfalls ein unfallursächlicher und schuldhafter Verstoß gegen § 1 Abs. 2 StVO zur Last, der nach den Umständen des vorliegenden Einzelfalls ebenso schwer wiegt wie ein Verstoß gegen § 7 Abs. 5 StVO. Nach § 1 Abs. 2 StVO hat sich jeder Verkehrsteilnehmer so zu verhalten, dass kein Anderer geschädigt, gefährdet oder mehr, als nach den Umständen unvermeidbar, behindert oder belästigt wird. Demgegenüber ist der Kläger schräg in die Lücke vor das Beklagtenfahrzeug gefahren, obwohl er aus den bereits genannten Gründen nicht sicher darauf vertrauen konnte, dass der Fahrer des Lkw ihn sehen würde (vgl. OLG Hamm, RuS 2013, 147).
53
2)
54
Auch wenn das Beklagtenfahrzeug gegenüber dem Klägerfahrzeug den Vorrang hatte, trifft auch den Zeugen XXX als Fahrer des Lkw Volvo ein Mitverschulden an dem Verkehrsunfall. Denn wenn auch im mehrreihigen Verkehr gemäß § 7 Abs. 5 StVO die Verantwortung auf denjenigen verlagert wird, der die Fahrspur wechseln will, so trifft doch auch den Nachfolgenden eine Pflicht zur Gefahrenabwehr. Er muss die vor und neben ihm befindlichen Fahrzeuge ständig beobachten (Heß, a. a. O., § 7 StVO Rn. 24 m. N.). Dementsprechend darf in einer Reißverschlusssituation der auf der bevorrechtigten Fahrspur Fahrende bei angezeigtem Wechselwillen des auf der nicht mehr freien Fahrspur Fahrenden nicht sein Vorrangrecht in jedem Fall durchsetzen. Vielmehr muss er ein Überwechseln auf seine Fahrspur ermöglichen (Senat, Urteil vom 24.05.2011, Az. I – 1 U 180/10 m. N.). In einer Reißverschlusssituation ist daher von einem Verstoß des Bevorrechtigten gegen §§ 1 Abs. 2, 11 Abs. 3 StVO auszugehen, wenn er die Gefahr der Kollision auf sich hätte zukommen sehen müssen, er also hätte erkennen müssen, dass der Einfädelnde ihm den Vortritt nicht gewähren würde (vgl. KG, NJW-RR 2010, 1113).
55
Für den Zeugen XXX war die Gefahr einer Vorrangrechtsverletzung und damit einer Kollision erkennbar. Denn nach den überzeugenden Feststellungen des Sachverständigen Dipl.-Ing. XXX war das Klägerfahrzeug für den Zeugen XXX in der Phase der Unfallentwicklung entweder direkt durch die Windschutzscheibe oder über den rechten Rampenspiegel wahrnehmbar. Angesichts des Hindernisses auf der rechten Fahrspur und der unstreitig vorhandenen Lücke vor dem Beklagten-Lkw musste der Zeuge XXX auch damit rechnen, dass Verkehrsteilnehmer das Hindernis umfahren und daher von rechts in die Lücke vor seinem Lkw einfahren. Zudem hat der Zeuge XXX selbst ausgesagt, dass er vor dem Anfahren in den rechten Außenspiegel gesehen habe, weil sich ein Radfahrer in die Lücke hätte schieben können. Der Zeuge XXX hat somit fahrlässig gehandelt, indem er sich vor dem Anfahren nicht durch einen Blick nach vorne rechts unten bzw. einen Blick in den rechten Rampenspiegel davon überzeugt hat, dass kein Verkehrsteilnehmer versucht, in die Lücke vor seinem Fahrzeug einzufahren. Die Sorgfaltspflichtverletzung des Zeugen XXX war auch unfallursächlich. Denn wenn der Zeuge XXX vor dem Anfahren ordnungsgemäß auf den Verkehr auf dem rechten Fahrstreifen geachtet hätte, so hätte er das klägerische Fahrzeug bemerkt und wäre infolgedessen erst gar nicht angefahren bzw. hätte sofort wieder abgebremst. In diesem Falle wäre es zu der Kollision mit dem Klägerfahrzeug nicht gekommen.
56
3)
57
Bei der Abwägung der wechselseitigen Verursachungsbeiträge überwiegt das Verschulden des Klägers. Der Kläger hat den Unfall wesentlich dadurch verursacht, dass er unter Verletzung des Vorrangs des Beklagtenfahrzeugs und unter Außerachtlassung der Pflicht zur besonderen Vorsicht beim Fahrstreifenwechsel gemäß § 7 Abs. 5 StVO auf die linke Fahrspur wechselte. Erschwerend kommt hinzu, dass er aufgrund der Umstände damit rechnen musste, von dem Fahrer des Beklagtenfahrzeuges übersehen zu werden. Der Kläger ist hierdurch ein nicht unbeträchtliches Risiko eingegangen, welches sich durch den Unfall auch verwirklicht hat.
58
Demgegenüber wiegt das Verschulden des Zeugen XXX als Fahrer des Beklagtenfahrzeugs weniger schwer. Zwar musste der Zeugen XXX aus den genannten Gründen grundsätzlich mit der Fahrweise des Klägers rechnen. Zu Gunsten des Zeugen XXX ist aber zu berücksichtigen, dass die Fahrweise des Klägers den Umständen nach riskant und daher überraschend gewesen ist. Zudem war nach den Feststellungen des Sachverständigen Dipl.-Ing. XXX der Fahrspurwechsel des Klägers für den Zeugen XXX aufgrund der räumlichen Situation nur schwer rechtzeitig zu erkennen.
59
Gleichwohl ist aufgrund des Mitverschuldens des Zeugen XXX ein Zurücktreten der Betriebsgefahr des Lkw der Beklagten nicht angemessen. Angesichts der wegen seiner Größe und Masse von vornherein höheren Betriebsgefahr des Lkw, die sich vorliegend aufgrund der schlechteren Sichtverhältnisse auch unfallursächlich ausgewirkt hat, ist eine Haftungsverteilung von 60 zu 40 zu Lasten des Klägers gerechtfertigt.
60
II.
61
1)
62
Der Kläger hat insgesamt einen Schaden in Höhe von 16.009,98 Euro geltend gemacht. Ausgehend von einer Haftungsquote des Beklagten in Höhe von 40 Prozent resultiert hieraus ein ersatzfähiger Schaden in Höhe von 6.403,99 Euro. Der beklagte Verein hat indes bereits einen Schaden des Klägers in Höhe von 6.967,08 Euro reguliert, so dass dem Kläger keine weiteren Ansprüche mehr zustehen.
63
Dieser Annahme steht kein Anerkenntnis einer Haftungsquote von 50 % seitens des beklagten Vereins entgegen. Im Einzelnen ist hierzu das Folgende auszuführen:
64
a)
65
Ein konstitutives (abstraktes) Schuldanerkenntnis liegt nicht vor, weil nicht erkennbar ist, dass die für den Beklagten handelnde XXX Versicherung AG mit ihrer Erklärung in dem Regulierungsschreiben vom 16.04.2012 (Anlage K6), die „XXX“, d.h. die niederländische Haftpflichtversicherer des Beklagtenfahrzeuges, wünsche hier eine Regulierung mit einer Quote von 50 %, eine selbstständige Verpflichtung begründen wollte.
66
b)
67
Auch die Annahme eines deklaratorischen Schuldanerkenntnisses kommt vorliegend nicht in Betracht. Zwar liegt in einer von einem Haftpflichtversicherer erteilten Regulierungszusage regelmäßig ein deklaratorisches Anerkenntnis gegenüber dem Geschädigten (vgl. BGH VersR 2009, 106 Rn. 10 – zitiert nach juris). Dies gilt insbesondere, wenn eine Haftpflichtversicherung eine Teilzahlung auf eine Schadensersatzforderung erbringt, obwohl zuvor Streit oder zumindest eine (subjektive) Ungewissheit über das Bestehen der Schuld oder über einzelne rechtliche Punkte herrscht, und gleichzeitig in einem Regulierungsschreiben erklärt, sie erkenne ihre Haftung dem Grunde nach ganz oder zum Teil an (vgl. LG Saarbrücken, NJW 2013, 87 Rn. 15 m. N. – zitiert nach juris).
68
Der vorliegende Fall liegt indes anders. Zwar hat auch hier die XXX Versicherung AG im Auftrag des Beklagten auf den Unfallschaden des Klägers eine Teilzahlung erbracht. Dem Regulierungsschreiben vom 16.04.2012 (Anlagen K6) lässt sich indes aus der insofern maßgeblichen Sicht des Erklärungsempfängers kein rechtsgeschäftlicher Wille entnehmen, auf Einwendungen hinsichtlich der Haftungsquote verzichten zu wollen. Eine ausdrückliche Erklärung, die Haftung dem Grunde nach ganz oder teilweise anzuerkennen, hat die XXX Versicherung AG nicht abgegeben. Soweit sie erklärt hat, die „XXX wünscht hier eine Regulierung mit einer Quote von 50 %“, lässt sich hieraus auch kein stillschweigendes Anerkenntnis entnehmen, zumal in dem Schreiben auch Bedenken gegen den Umfang der erstattungsfähigen Mietwagenkosten erhoben worden sind. Dabei ist zu berücksichtigen, dass sich aus der für den Geschädigten erkennbaren Interessenlage des Versicherers kein Beweggrund ergibt, einen vorbehaltlosen Einwendungsverzicht zu erklären, ohne hiervon einen Vorteil zu erlangen. Ein solcher kann beispielsweise darin bestehen, dass mit dem Einwendungsverzicht der Streit oder die Unsicherheit über die Höhe der Haftung endgültig ausgeräumt wird. Dies mag der Fall sein, wenn die volle Einstandspflicht des Schuldners für den Schaden bei der Regulierung eingeräumt wird (vgl. OLG Koblenz, Urteil vom 10.07.2006, Az. 12 U 449/05; OLG Frankfurt, OLGR 2009, 362) oder die Parteien auf der Basis einer zugrunde gelegten Teilhaftung einvernehmlich abrechnen. Widerspricht der Geschädigte indes - wie hier - der Einschätzung des Schädigers zur Höhe der Haftung, droht eine weitere (gerichtliche) Auseinandersetzung über den Umfang der Haftung. Der Streit um die Haftungshöhe ist durch ein Anerkenntnis daher gerade nicht (endgültig) entzogen; vielmehr hätte ein solches Teilanerkenntnis nur zur Folge, dass eine Mindesthaftung des Schädigers festgestellt wird. Hierfür ist auf Seiten des Schädigers indes regelmäßig kein Interesse erkennbar (vgl. LG Saarbrücken, a. a. O., Rn. 16). Dementsprechend hat der Beklagte in der Klageerwiderung auch den Standpunkt vertreten, dass der Kläger für seinen gesamten Schaden alleine hafte.
69
c)
70
Auch die Berufungserwiderung enthält kein Anerkenntnis einer Haftungsquote von 50 Prozent. Zwar hat der Beklagte dort die vom Landgericht festgestellte Haftungsverteilung von 50 zu 50 als im Ergebnis zutreffend bezeichnet. Gleichzeitig hat der Beklagte aber auch auf seinen gesamten erstinstanzlichen Vortrag Bezug genommen und ihn zum Gegenstand des Berufungsvorbringens gemacht. Damit hat der beklagte Verein zum Ausdruck gebracht, dass der erstinstanzliche Einwand einer Haftung des Klägers von mehr als 50 Prozent – zumindest hilfsweise - aufrecht erhalten bleibt.
71
2)
72
Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf Ersatz vorgerichtlicher Rechtsanwaltsgebühren, die den vom Landgericht zuerkannten Betrag in Höhe von 603,93 Euro übersteigen. Unbeschadet dessen, dass aufgrund der Mithaftung des Klägers in Höhe von 60 Prozent die Geschäftsgebühr zu einem Gegenstandswert von nur 6.403,99 Euro angefallen wäre, ist aus den zutreffenden Gründen der angefochtenen Entscheidung lediglich eine Geschäftsgebühr von 1,3 angemessen und daher ersatzfähig. Auf die „Toleranzrechtsprechung“ kann sich der Kläger nicht berufen, weil diese nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes (NJW 2012, 2813) nur Anwendung findet, wenn die tatbestandlichen Voraussetzungen für eine Überschreitung der Regelgebühr von 1,3 vorliegen. Angesichts des durchschnittlichen Umfangs und der durchschnittlichen Schwierigkeit der Angelegenheit ist dies vorliegend nicht der Fall.
73
III.
74
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
75
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit hat ihre Grundlage in §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.
76
Die Revision war nicht zuzulassen, da ein Zulassungsgrund gemäß § 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO nicht gegeben ist.
77
Der Wert des Streitgegenstandes für den Berufungsrechtszug beträgt 9.042,90 Euro.