25.11.2015 · IWW-Abrufnummer 145860
Amtsgericht Landstuhl: Beschluss vom 26.10.2015 – 2 OWi 4286 Js 7129/15
Zur Einstellung des Bußgeldverfahrens wegen eines vorsätzlich begangenen erheblicher Verfahrensverstoßes bei der Beschaffung von Vergleichsbildern.
2 OWi 4286 Js 7129/15
Amtsgericht Landstuhl
Beschluss
In dem Bußgeldverfahren
gegen pp.
wegen Verkehrsordnungswidrigkeit
hat das Amtsgericht Landstuhl durch den Richter am Amtsgericht ppp. am 26.10.2015 beschlossen:
1. Das Verfahren gegen den Betroffenen ppp. wird gemäß § 47 Abs. 2 OWiG eingestellt.
2. Die Kosten des Verfahrens trägt die Staatskasse, ebenso die notwendigen Auslagen des Betroffenen.
Gründe:
I.
Das Verfahren war hier aus Gesichtspunkten des Opportunitätsgrundsatzes einzustellen. Denn vorliegend liegt ein erheblicher Verfahrensverstoß der Bußgeldbehörde gegen datenschutzrechtliche Vorschriften vor, der zwar den staatlichen Strafanspruch im konkreten Fall nicht an sich beseitigt, jedoch so erheblich im Sinne vorsätzlichen Vorgehens ist, dass vorliegend eine Sanktionierung mittels der Rechts- und Regelfolgen der BKatV nicht vereinbar wäre.
II.
Am 08.09.2014 um 11:11 Uhr wurde auf der BAB6, bei km 629,3, Gemarkung Ramstein, Fahrtrichtung Saarbrücken, das Fahrzeug der Halterin ppp. , Kz. ppp., von einer männlichen Person geführt, was aus dem Messbild unweigerlich zu entnehmen war. Der Fahrer hielt bei einer Geschwindigkeit von 141 km/h den erforderlichen Abstand von 70,5 m zum vorausfahrenden Fahrzeug nicht ein, sondern hielt mit 12,93m weniger als 2/10 des halben Tachowerts ein, wobei Toleranzen bereits berücksichtigt waren.
Anstelle nunmehr z.B. die Adresse der Halterin anzufahren und sich nach männlichen Fahrern zu erkundigen bzw. zunächst einmal lediglich die Anschriften der im Anwesen der Halterin lebenden männlichen Verwandten beim Einwohnermeldeamt zu erfragen, hat die Zentrale Bußgeldbehörde sofort Lichtbilder bei der Passbehörde angefordert. Zuerst vom Ehemann der Halterin, danach vom Sohn der Halterin, dem Betroffenen des jetzigen Verfahrens. Nachdem das vorhandene Passbild des Betroffenen diesen aber als sehr jungen Mann zeigte, wurde die örtlich zuständige Polizeiinspektion beauftragt, den Betroffenen anzuhören. Auch dort wurde, allerdings nach verstrichener Anhörungseinladung, das Passbild beigezogen, das diesmal ein neueres Datum trug und den Betroffenen jedenfalls als ähnlicher zum Fahrer erkennen ließ. Mit Schreiben vom 20.11.2014 wurde das Bild an die ZBS Speyer zurückgesandt. Von dort wurde am 28.11.2014 ein Anhörungsbogen an den Betroffenen übersandt.
Noch vor der Übersendung des Anhörungsbogens erging ein internes Rundschreiben in der ZBS, in welchem auf die Rügen des Landesdatenschutzbeauftragten aufmerksam gemacht wurde. Dieser rügte das oben beschriebene und bereits in mehreren Verfahren auffällig gewordene und seitens der jeweiligen Verteidiger beanstandete Vorgehen, sich ohne vorhergehende und ergebnislos gebliebene Ermittlungen die Passbilder der potentiellen Betroffenen zu verschaffen. Von einer Beanstandung nach dem LDSG sah der Landesdatenschutzbeauftragte nur ab, weil die ZBS zugesichert hatte, die Mitarbeiter intern noch einmal auf die Rechtslage und die einzuhaltenden Vorgaben hinzuweisen (vgl. As82¬ 84).
Obwohl dieses Vorgehen einen Verstoß gegen §§ 22 Abs. 2 und 3 PassG bzw. § 24 Abs. 2 und 3 PAuswG beinhaltet und obwohl es diverse veröffentlichte Rundschreiben des Ministeriums des Innern und für Sport gibt, die ebendiese Problematik betreffen, wurde nach der Belehrung der Mitarbeiter, die laut Auskunft der beigeladenen Vertreterin der ZBS im November 2014 und damit vor der Absendung des Anhörungsschreibens erfolgte, der Anhörungsbogen abgeschickt und noch dazu auf eine spätere Rüge des Verteidigers hin das Vorgehen mit der Berufung auf die Rechtsprechung des BayObLG (NJW 2004, 241) und des OLG Bamberg (DAR 2006, 336) legitimiert (AS69), und zwar mit dem Argument, dass weder ein Verfahrenshindernis noch ein Verwertungsverbot bestehe.
III.
Der weiteren Durchführung des Verfahrens stand hier ein vorsätzlich begangener erheblicher Verfahrensverstoß entgegen, der unter dem Gedanken des Opportunitätsgrundsatzes die Einstellung des Verfahrens gebietet.
Hier kann mit den Mitteln eines Beweisverwertungsverbots dem begangenen Verstoß nicht begegnet werden. Bei willkürlichen und vorsätzlichen Verstößen gegen gesetzliche Vorschriften, zu denen die oben genannten datenschutzrechtlichen Bestimmungen unweigerlich gehören, kann, ähnlich der bewussten oder willkürlichen Umgehung des Richtervorbehalts in § 81a StPO, ein Beweisverwertungsverbot bezüglich des betroffenen belastenden Beweismittels angedacht werden. Hier wäre davon aber allenfalls das beigezogene Passbild betroffen, das aber für die Beweisführung des Gerichts ohnehin keine Rolle spielt, sondern nur der anwesende Betroffene und das ihm zugewiesene Messbild.
Auch kann nicht hypothetisch der Eintritt der Verfolgungsverjährung angenommen werden. Denn es fand, insbesondere nach weiteren Ermittlungsmaßnahmen der örtlich zuständigen Polizeiinspektionen eine Unterbrechungshandlung in Form der Anhörung statt, sodass es nicht nur auf das rechtswidrig beigezogene Passbild ankam.
Ebenfalls kann hier nicht damit argumentiert werden, der Betroffene sei aufgrund eines eklatanten Verfassungsverstoßes gegen Art. 20, 103 GG freizusprechen, da die Behörde durch ihr Vorgehen ihren Strafanspruch verwirkt habe. Denn die Behörde hätte hier, indem sie einfach nach Übersendung der Daten durch die örtlich zuständige Polizeiinspektion aber auch nach Erhalt der neuen Belehrung durch die Behördenleitung, die notwendigen Ermittlungsschritte einfach noch einmal durchführen und damit legalisieren können. Kritisch wäre nur das Erreichen der Dreimonatsfrist zur Verfolgsverjährung geworden, was aber lediglich ein technisches bzw. organisatorisches Problem gewesen wäre, nicht aber eine rechtliche Hürde.
Nachdem aber für das Handeln der Behörde die Einstellung nach § 47 OWiG schon dann anerkannt ist, wenn Richtlinien nicht beachtet werden (vgl. Göhler/Seitz, § 47 OWiG, Rn. 9), muss erst recht die Einstellung des Verfahrens erfolgen, wenn wie hier ein Gesetzesverstoß vorliegt. Das bewusste Handeln entgegen der datenschutzrechtlichen Vorgaben bei gleichzeitiger Kenntnis der neuen Belehrung und unter Berufung auf die oben zitierte Rechtsprechung kann hier zu keinem anderen Ergebnis führen, als die Verfolgung der begangenen Ordnungswidrigkeit zu beenden.
IV.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 46 OWiG, 467 StPO. Dem Betroffenen können die Auslagen nicht auferlegt werden. Dies würde dem oben beschriebenen willkürlichen Verstoß nicht gerecht, zumal bei Fällen wie diesem sogar an eine notwendige Beiordnung eines Verteidigers zu denken wäre.