14.11.2017 · IWW-Abrufnummer 197652
Verwaltungsgericht Neustadt: Beschluss vom 23.08.2017 – 1 L 871/17.NW
Die toxikologische Feststellung von geringen Mengen von Codein und Morphium im Blut rechtfertigt die Fahrerlaubnisentziehung, wenn eine krankheitsbedingte Einnahme eines in Deutschland verschreibungspflichtigen codeinhaltigen Hustensafts nicht substantiiert und plausibel zeitnah dargelegt worden ist.
Verwaltungsgericht Neustadt
Beschluss vom 23.08.2017
1 L 871/17.NW
Tenor
Der Antrag wird abgelehnt.
Die Kosten des Verfahrens trägt der Antragsteller.
Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 2.500 € festgesetzt.
Gründe
Der Antragsteller begehrt die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung seines Widerspruchs gegen die Entziehung seiner Fahrerlaubnis.
I.
Der am pp. 1997 geborene Antragsteller erhielt am 5. November 2015 die Fahrerlaubnis AM, L und B auf Probe.
Am 26. Februar 2016 teilte die Polizei dem Antragsgegner mit, dass über den Antragsteller Informationen über Tatsachen vorlägen, die auf seine nicht nur vorübergehende körperliche und geistige Beeinträchtigungen hinsichtlich der Befähigung zum Führen von Kraftfahrzeugen schließen lassen würden. Bei einer Verkehrskontrolle am 9. Januar 2016, um 1:30 Uhr, hatte der Antragsteller in seiner Befragung ausgeführt, er habe keinen Alkohol getrunken und mit Drogen habe er das letzte Mal vor 2 Jahren zu tun gehabt, seitdem nicht mehr. Nach einem freiwilligen Test zur Bestimmung der Fahrtüchtigkeit erklärte der Antragsteller sodann, dass er vor zwei Wochen Cannabis konsumiert habe. Diese Aussage verkürzte er erneut und räumte einen Cannabiskonsum in der Woche der Kontrolle ein. Das in diesem Zusammenhang vom Institut für Rechtsmedizin am 11. Februar 2016 erstellte toxikologische Gutachten ergab einen positiven Test auf Cannabis, und zwar mit dem Ergebnis THC Carbonsäure Spur (ca. 1 ng/ml). Ein aktueller Cannabiskonsum zum Blutentnahmezeitpunkt wurde ausgeschlossen.
Mit Schreiben vom 12. Juli 2017 teilte die Polizeiinspektion R… dem Antragsgegner mit: Es lägen Informationen über Tatsachen vor, die auf eine nicht nur vorübergehende körperliche oder geistige Beeinträchtigung hinsichtlich der Befähigung des Antragstellers zum Führen von Kraftfahrzeugen schließen ließen, denn am 11. März 2017 sei der Antragsteller im Rahmen einer Verkehrskontrolle angehalten worden, wobei sich deutliche Anzeichen für den Konsum von Betäubungsmittel gezeigt hätten. Da der Antragsteller den Drogenschnelltest verweigerte und einer freiwilligen Blutentnahme nicht zugestimmt habe, sei Letztere nach richterlicher Anordnung durchgeführt worden.
Im Gutachten vom 28. April 2017 kam das Institut für Rechtsmedizin (Prof. Dr. Dr. …) zu dem Ergebnis, dass Codein in der Größe von 0,005 mg/L = 5 ng/mL und Spuren von Morphin (ca. 0,6 ng/mL) nachgewiesen worden seien. Es wurde weiter ausgeführt: Die Ergebnisse der toxikologischen Untersuchung belegten eine Aufnahme von Codein und Morphium. Morphium sei das Hauptalkaloid des Schlafmohns, Codein sei gleichfalls ein Opiumalkaloid. Therapeutisch werde Codein als hustenstillendes Arzneimittel bei starkem akutem und chronischem Husten eingesetzt. Im Körper werde ein Teil des Codeins in Morphin verstoffwechselt. Das zusätzlich im Blut nachgewiesene Morphin dürfte in Anbetracht der gegenüber dem Codein deutlich verringerten Blutkonzentration als Stoffwechselprodukt des Codeins vorliegen. In der Blutprobe sei lediglich eine geringe Codeinkonzentration festgestellt worden. Morphin habe sich im Spurenbereich befunden. Eine nennenswerte Beeinflussung durch die zentral dämpfend wirkenden Opiate Codein und Morphin zum Blutentnahmezeitpunkt seien nicht anzunehmen.
Der Antragsgegner hörte den Antragsteller mit Schreiben vom 18. Mai 2017 unter Wiedergabe des Sachverhalts und des Ergebnisses des Gutachtens zur beabsichtigten Fahrerlaubnisentziehung an.
Unter dem 23. Juni 2017 teilte das Polizeipräsidium R… mit, dass das gegen den Antragsteller eingeleitete Ordnungswidrigkeitsverfahren gemäß § 46 Abs.1 OWiG i.V.m. § 170 Abs. 2 StPO eingestellt worden sei.
Am 7. Juli 2017 äußerte sich der Antragsteller durch seinen Prozessbevollmächtigten erstmals zur Sache und führte aus: Er habe am 11. März 2017 nicht unter Einfluss von Betäubungsmitteln am öffentlichen Verkehr teilgenommen. Kurze Zeit vor dem 11. März 2017 habe er an einer starken Bronchitis mit Verdacht auf Lungenentzündung gelitten. Da er zu diesem Zeitpunkt bei einem Bekannten in Frankreich gewesen sei, habe er in der dortigen Apotheke in dem freien Verkauf ein Heilungsmittel, das hauptsächlich aus Codein bestehe und Entzündung sowie starke Hustenanfälle lindere, erworben. Den Kaufbeleg habe er nicht aufbewahrt. In der Anlage übersende er eine Medikamentenbeschreibung sowie einen neuen Beleg einer Pharmazie in F.bach, mit dem nachgewiesen werden solle, dass dieses Mittel tatsächlich zum freien Verkauf in Frankreich an Patienten zur Verfügung stehe. Ausweislich des toxikologischen Befundes sei im Blut des Antragstellers Codein und Morphium festgestellt worden, zugleich sei aber festgehalten worden, dass das therapeutische Codein als hustenstillendes Arzneimittel bei starkem akutem und chronischem Reizhusten eingesetzt werde sowie dass im Körper ein Teil des Codeins zu Morphium verstoffwechselt werde. Ferner sei im Gutachten ausgeführt, dass der nachgewiesene Morphium-Anteil wegen der gegenüber dem Codein deutlich verringerten Konzentration als Stoffwechselprodukt des Codeins erscheine. Ferner sei zu berücksichtigen, dass das Ermittlungsverfahren gegen den Antragsteller wegen eines Vergehens nach § 29 BtMG gemäß § 170 Abs. 2 StPO eingestellt worden sei, auch wenn diesbezüglich keine Bindungswirkung bestehe.
Der Antragsteller legte den Beipackzettel des Präparats Euphon Syrup in Französisch und Englisch vor, in dem darauf hingewiesen wird, dass Codein sich in Morphin durch Enzyme in der Leber umwandle. Ferner wurde ein Beleg vom 5. Juli 2017, betreffend Euphon SP FL/300 ml zum Preis von 4,15 € vorgelegt.
Mit Verfügung vom 26. Juli 2017 entzog der Antragsgegner dem Antragsteller die Fahrerlaubnis der Klassen B, L, AM vom 5. November 2015 und untersagte zudem das Führen erlaubnisfreier Kraftfahrzeuge. Zugleich ordnete der Antragsgegner die sofortige Vollziehung der Verfügung an.
Zur Begründung führte er im Wesentlichen aus: Die Blutprobe habe den Nachweis ergeben, dass der Antragsteller Codein mit einem Wert von 5 ng/ml und zusätzlich Morphium mit einem Wert von 0,6 ng/ml im Blut gehabt habe. Wegen dieser Tatsache bestünden erhebliche Zweifel an der Geeignetheit zum Führen von Fahrzeugen. Ungeeignet zum Führen von erlaubnispflichtigen und erlaubnisfreien Kraftfahrzeugen sei, wer die notwendigen körperlichen und geistigen Anforderungen zum Führen von Kraftfahrzeugen nicht erfülle. Dies gelte insbesondere, wenn ein Mangel oder eine Erkrankung nach Anlage 4 oder 5 zur Fahrerlaubnisverordnung vorliege. In der Fahrerlaubnisverordnung sei in § 46 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. der Anlage 4 eine Bewertung der Auswirkungen bestimmter Verhaltensweisen und Erkrankungen auf die Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen und Fahrzeugen vorgenommen, in dem die auf wissenschaftlicher Grundlage gewonnenen und bereits im Gutachten „Krankheit und Kraftverkehr“ zusammengefassten Erkenntnisse integriert und damit normativ als für den Regelfall zutreffend gekennzeichnet worden seien. Speziell in Nr. 9 der Anlage 4 sei eine Beurteilung vorgenommen worden, welche den Einfluss des Konsums verschiedener BtM auf die Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen habe. Danach sei in Nr. 9.1 geregelt, dass beim Vorliegen eines einmaligen Konsums von Betäubungsmitteln außer Cannabis die Eignung zum Führen von Fahrzeugen auch ohne Bezug zum Straßenverkehr, ausgeschlossen sei. An diese normative Wertung sei der Antragsgegner als Fahrerlaubnisbehörde gebunden, solange keine Umstände im Einzelfall vorlägen, die ausnahmsweise eine andere Beurteilung rechtfertigen würden. Diese die Fahreignung ausschließenden Verhaltensweisen seien weder an eine Abhängigkeit von Betäubungsmitteln noch an ihren missbräuchlichen, regelmäßigen oder gelegentlichen Gebrauch noch an eine angeblich unwissentliche Einnahme geknüpft. Auf Grund der nachgewiesenen Einnahme sei der Antragsteller ungeeignet zum Führen von fahrerlaubnispflichtigen und fahrerlaubnisfreien Fahrzeugen. Wegen der besonderen Gefährlichkeit von BtM im Straßenverkehr, speziell im Fall des Konsums, sei die sofortige Vollziehung dieser Verfügung gemäß § 80 Abs. 2 Nr. 4 der VwGO geboten. Das Interesse der Öffentlichkeit daran, dass der Antragsteller, der Rauschmittel konsumiert und sich damit als ungeeignet zum Führen von Fahrzeugen erwiesen habe, nicht am Kraftverkehr weiterhin teilnehmen dürfe, überwiege das antragstellerische Interesse an der weiteren Nutzung der Fahrerlaubnis und dem Recht fahrerlaubnisfreie Fahrzeuge zu führen. Wegen des hohen Rangs der bedrohten Rechtsgüter wie Leben und körperliche Unversehrtheit anderer Verkehrsteilnehmer sei es nicht hinnehmbar, dass der Antragsteller als Führer von Kraftfahrzeugen weiterhin am Verkehr teilnehme.
In der weiteren Begründung zur Entziehung der Fahrerlaubnis führt der Antragsgegner sodann aus: Der Antragsteller habe nach zweimaliger Fristverlängerung mit Schreiben vom 7. Juli 2017 zwar mitgeteilt, dass er wegen einer starken Bronchitis und des Verdachts auf Lungenentzündung kurze Zeit vor der Fahrzeugkontrolle erkrankt gewesen sei und sich, während er sich bei einem Bekannten in Frankreich aufgehalten habe, in der dortigen Apotheke im freien Verkauf ein Heilungsmittel, das hauptsächlich Codein enthalte, besorgt habe, um die Entzündungen und starken Hustenanfälle zu mindern. Er könne aber keinen Kaufbeleg für das Medikament Euphon Syrup vorlegen. Zudem habe der Antragsteller im Verwaltungsverfahren vorgetragen, dass er auf Rückfrage bei einem Arzt von diesem empfohlen bekommen habe, ein codeinhaltiges Mittel gegen seine Erkrankung einzunehmen. Der Prozessbevollmächtigte des Antragstellers habe auf telefonische Nachfrage des Antragsgegners, welcher Arzt die starke Bronchitis mit Verdacht auf Lungenentzündung diagnostiziert habe, zunächst darum gebeten, die Frist bis zum 28. Juli 2017 zu verlängern, da sich der Arzt in Urlaub befinde. Auf schriftliche Anfrage, welcher Arzt der behandelnde Arzt gewesen sei, habe der Prozessbevollmächtigte dann aber mitgeteilt, dass der Antragsteller nicht bei einem offiziellen Termin eines Arztes gewesen sei, weshalb der Name nicht genannt werden könne. Auf Grund dieses Sachverhalts führte der Antragsgegner in der Verfügung vom 26.07.2017 aus: Diese Ausführungen seien reine Schutzbehauptungen, da der Antragsteller weder einen Kaufbeleg noch eine offizielle Diagnose eines Arztes über die starke Bronchitis mit Verdacht auf Lungenentzündung noch eine Nachbehandlung der genannten Krankheiten im Bundesgebiet habe nachweisen können. Zudem habe der Antragsteller bei der Verkehrskontrolle zu keiner Zeit erwähnt, dass er ein codeinhaltiges Medikament eingenommen habe.
Der Antragsteller hat unter dem 27. Juli 2017 Widerspruch eingelegt.
Mit seinem am 27. Juli 2017 bei Gericht eingegangenen Eilantrag beantragt er, die Aussetzung der sofortigen Vollziehung und die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung seines Widerspruchs.
Zur Begründung wiederholt er im Wesentlichen seinen Vortrag aus dem Verwaltungsverfahren und verweist insbesondere darauf, dass bereits das rechtsmedizinische Gutachten festgestellt habe, dass therapeutisches Codein als hustenstillendes Arzneimittel bei starkem akutem oder chronischem Reizhusten eingesetzt werde, wobei ein Teil des Codeins zu Morphium verstoffwechselt werde. Ferner sei dort ausgeführt, dass eine dämpfende Wirkung der Opiate wie Codein und Morphium zum Blutentnahmezeitpunkt nicht anzunehmen sei. Der Antragsteller habe auch im zur Entscheidung anstehenden Fall ausreichend substantiiert vorgetragen, dass er den codeinhaltigen Hustensaft als Medikament eingenommen habe.
Er habe nämlich an Hustenanfällen mit dem Verdacht auf Lungenentzündung gelitten und auf ärztliche Empfehlung hin einen solchen Saft eingenommen. Dieser könne in Frankreich im freien Verkauf erworben werden. Zudem weise er darauf hin, dass der Antragsgegner für die fehlende Fahreignung des Antragstellers beweispflichtig sei.
Der Antragsgegner tritt dem Antrag des Antragstellers unter Bezugnahme auf seine angefochtene Verfügung entgegen.
II.
Der Antrag, die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs gegen den Bescheid des Antragsgegners vom 26. Juli 2017 (AZ: 3/163-01) wieder herzustellen, hat keinen Erfolg.
Die vom Gericht im Verfahren gemäß § 80 Abs. 5 Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO – vorzunehmende Interessenabwägung fällt zu Lasten des Antragstellers aus. Die ihm gegenüber verfügte Fahrerlaubnisentziehung erweist sich bei der im Eilverfahren gebotenen summarischen Prüfung nach dem gegenwärtigen Sachstand als rechtmäßig, und es besteht ein überwiegendes öffentliches Interesse an ihrem sofortigen Vollzug.
Rechtsgrundlage für die Entziehung der Fahrerlaubnis ist § 3 Abs. 1 Straßenverkehrsgesetz – StVG –, §§ 11 Abs. 1 S. 1 und 2, Abs. 7; 46 Abs. 1 i. V. m. Anlage 4 Fahrerlaubnisverordnung – FeV –. Nach deren Ziffer 9.1 ist ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen, wer Betäubungsmittel (BtM) im Sinne des Betäubungsmittelgesetzes (außer Cannabis), also wie hier Codein ohne ärztliches Rezept, eingenommen hat. Für den Eignungsausschluss genügt im Regelfall bereits der Nachweis des einmaligen Konsums der sog. „harten Droge“, ohne dass es darauf ankommt, ob ein Kraftfahrzeug unter dem Einfluss des Betäubungsmittels geführt wurde (st. Rspr. der Kammer und des OVG RP, vgl. z.B. OVG RP, Beschluss vom 25. Januar 2012 – 10 B 11494/11.OVG – und Beschluss der Kammer vom 22. Juni 2016 – 1 L 405/16.NW –). Der abweichenden Auffassung in der Literatur schließt sich die Kammer wegen der eindeutigen Verordnungslage in Ziffer 9.1 der Anlage 4 zur FeV und im Hinblick auf die besondere Gefährlichkeit „harter“ Drogen nicht an (vgl. OVG RP, Beschluss vom 21. November 2000 – 7 B 11967/00 –, juris).
Nach § 11 Abs. 1 FeV müssen Bewerber um eine Fahrerlaubnis die hierfür notwendigen körperlichen und geistigen Anforderungen erfüllen. Die Anforderungen sind insbesondere nicht erfüllt, wenn eine Erkrankung oder ein Mangel nach Anlage 4 oder 5 vorliegt, wodurch die Eignung oder die bedingte Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen ausgeschlossen wird. Nach § 11 Abs. 2 FeV kann die Fahrerlaubnisbehörde, wenn Tatsachen bekannt werden, die Bedenken gegen die körperliche oder geistige Eignung des Fahrerlaubnisbewerbers begründen, zur Vorbereitung von Entscheidungen über die Erteilung oder Verlängerung der Fahrerlaubnis oder über die Anordnung von Beschränkungen oder Auflagen die Beibringung eines ärztlichen Gutachtens anordnen.
Nach § 11 Abs. 7 FeV unterbleibt die Anordnung zur Beibringung des Gutachtens, wenn die Nichteignung des Betroffenen zur Überzeugung der Fahrerlaubnisbehörde fest steht.
Ein solcher Fall der Nichteignung ist hier soweit summarisch feststellbar gegeben. Denn durch die Einnahme von Codein verliert ein Fahrerlaubnisinhaber grundsätzlich die Fahreignung (vergl. BayVGH, Beschluss von, 11.05.2011 -11 ZB 11.462-, juris). Nach Ziffer 9.1 der Anlage 4 zur FeV liegt bei Einnahme von Betäubungsmitteln im Sinne des i.S.d. Betäubungsmittelgesetzes -BtMG-. (ausgenommen Cannabis) keine Fahreignung vor.
Im derzeitigen Erkenntnisstand ist zumindest von einer einmaligen Einnahme von Codein durch den Antragsteller auszugehen. Diese ist nämlich durch das toxikologische Gutachten des Instituts für Rechtsmedizin Mainz vom 28. April 2017 nachgewiesen. Auf die Höhe der im Zeitpunkt der Blutentnahme (noch) vorhandenen Konzentration kommt es grundsätzlich in fahrerlaubnisrechtlicher Hinsicht schon deshalb nicht an, weil – wie ausgeführt – die Teilnahme am Straßenverkehr unter Drogeneinfluss hier unerheblich ist. Zwar weist das toxikologische Gutachten nachvollziehbar darauf hin, dass Codein als hustenstillendes Arzneimittel bei starkem, akutem und chronischem Husten eingesetzt werde und dass ein Teil des Codeins im Körper zu Morphium verstoffwechselt wird (so auch die Gebrauchshinweise zu Euphon), was bei der im Blut des Antragstellers nachgewiesenen Morphium-Konzentration der Fall gewesen sein dürfte. Gleichwohl war der Antragsgegner verpflichtet die Fahrerlaubnis zu entziehen. Auch wenn der Antragsteller ein KFZ nicht unter einer seine Verkehrstauglichkeit beeinträchtigten Wirkung von Opiaten gesteuert hat, so hat er gleichwohl Betäubungsmittel i.S.d. BtMG konsumiert.
Das weitere Vorbringen des Antragstellers im Eilverfahren, er habe auf ärztliches Anraten Codein eingenommen, wertet das Gericht nach der vorliegenden Erkenntnislage, wie auch der Antragsgegner, als Schutzbehauptung. Mithin ist hier nicht von einem Ausnahmefall auszugehen, wie ihn die Vorbemerkung Nr. 3 in der Anlage 4 vorsieht. Danach gelten die nachstehend vorgenommenen Bewertungen für den Regelfall.
Kompensationen durch besondere menschliche Veranlagung, durch Gewöhnung, durch besondere Einstellung oder durch besondere Verhaltenssteuerungen und -umstellungen sind möglich. Ergeben sich im Einzelfall in dieser Hinsicht Zweifel, kann eine medizinisch-psychologische Begutachtung angezeigt sein.
Das in der Bundesrepublik Deutschland verschreibungspflichtige codeinhaltige Medikament „Euphon Syrup“ war in Frankreich bis zum 12. Juli 2017 frei verkäuflich. Wegen des massenhaften Missbrauchs, insbesondere durch junge Menschen, wurde seine Rezeptpflicht auch in Frankreich eingeführt. Es enthält ausweislich des Begleitzettels 100 mg Codein in 100 mL Sirup. Seine Internet-Bestellung war z.B. durch „Medicament Conseil“ auf 1 Flasche pro Monat begrenzt.
Bereits am 6. Dezember 2006 veröffentlichte Spiegel ONLINE den Artikel „Billige Drogen“ Teenager werden high mit Hustensaft, in dem beschrieben wird, wie Jugendliche den Hustensaft, der mit Dextromethorphan verwandten Wirkstoff zu den Opiaten Codein und Morphium aufweise, zu Halluzinationszwecken missbrauchen. Im Internet sind bei der Suche nach Hustensaft mit Codein vielfache Hinweise zur berauschenden Wirkung und deren Umgang sowie zur in Deutschland illegalen Beschaffung zu finden.
Angesichts dieses bekannten Missbrauchs und im Hinblick auf den illegalen Konsum von nicht ärztlich verschriebenen Präparaten in Deutschland, kann das Vorbringen des Antragstellers zu seinem Konsum nicht als substantiiert und plausibel anerkannt werden, sondern stellt sich als Schutzbehauptung dar. Da der Antragsteller aber für das Vorliegen eines nach Ziffer 9.1 der Anlage 4 zur FeV von der Regel abweichenden Zustands die Beweislast trägt, müsste sein Vorbringen im Eilverfahren substantiiert und überzeugend sein.
Nicht nachvollziehbar ist die Behauptung des Antragstellers, kurz vor dem 11. März 2017, dem Tag der Verkehrskontrolle, eine starke Bronchitis mit Verdacht auf Lungenentzündung gehabt zu haben. Denn er hat bei den von der Polizei festgestellten Ausfallerscheinungen nicht darauf hingewiesen, dass deren mögliche Ursache in der Bronchitis mit Verdacht auf Lungenentzündung liegen könne. Auch hat er bei oder nach der Verkehrskontrolle nicht unverzüglich mitgeteilt, Medikamente eingenommen zu haben. Selbst auf das Anhörungsschreiben vom 18. Mai 2017 hat er erst am 7. Juli 2017 die vier Monate zurückliegende Auffälligkeit bei der Verkehrskontrolle mit dem Konsum des Euphonsirups zu erklären versucht. Auch hat der anwaltlich vertretene Antragsteller weder dargelegt, was kurze Zeit vor der Verkehrskontrolle heißt (Tage oder Wochen) noch wer der Bekannte sei, der die Erkrankung bestätigen könne. Auch hat er den Arzt nicht benannt, der ihm zur Einnahme Codein geraten haben soll, auch hat sich der Antragsteller trotz des Verdachts auf Lungenentzündung nicht in ärztliche Behandlung begeben. Dies alles ist weder substantiiert noch nachvollziehbar vom Antragsteller im Eilverfahren erklärt worden, obwohl der Antragsgegner auf diese Ungereimtheiten bereits hingewiesen hat. Auch liegt nicht auf der Hand, warum der Antragsteller bei einem nicht offiziellen Arzttermin gewesen sein soll und auch nicht, warum aus diesem Grund der Name des Arztes nicht genannt werden könne.
Dieser Vortrag und somit die Angaben des Antragstellers insgesamt sind nicht plausibel (vgl. zu den strengen Anforderungen an einen schlüssigen Vortrag bei geltend gemachter „unbewusster“ Drogeneinnahme OVG RP, Beschluss vom 25. Januar 2012 – 10 B 11430/11.OVG und Beschluss vom 18. Februar 2015 – 10 B 10017/15.OVG –). Der toxikologische Gutachter des Instituts für Rechtsmedizin Mainz hat zwar darauf hingewiesen dass die im Blut nachgewiesenen Substanzen aus einem codeinhaltigen Hustensaft herrühren können, damit ist aber weder dessen ungesetzliche Einnahme (Codein ist ein Opiat) noch dessen Missbrauch zu Rauschzwecken ausgeschlossen. Auch die niedrige Konzentration entlastet den Antragsteller nicht, da die Einnahmewirkung mit der Zeit nachlässt und ebenso die Konzentration im Blut. Auch ist nicht maßgeblich, wie vom Prozessbevollmächtigten selbst dargelegt, dass das Ordnungswidrigkeitsverfahren nach § 170 StPO eingestellt wurde.
Der Antragsgegner hat den Sofortvollzug gem. § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO in dem angefochtenen Bescheid ordnungsgemäß begründet, diesen Ausführungen schließt sich die Kammer in vollem Umfang an. Soweit der Antragsteller demgegenüber Nachteile aus der Entziehung seiner Fahrerlaubnis zu tragen hat, sind diese von ihm selbst zu verantworten und führen nicht zur Anerkennung eines überwiegenden privaten Interesses gegenüber dem öffentlichen Interesse daran, ihn mit sofortiger Wirkung vom motorisierten Straßenverkehr auszuschließen.
Sollte der Antragsteller im Eilverfahren sein Vorbringen weiter substantiieren und weitere Nachweise erbringen, kann er einen Antrag auf Abänderung des Beschlusses stellen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
Der Streitwert ist gemäß §§ 52 Abs. 1, 53 Abs. 3 GKG i. V. m. Ziffer 46 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013 (LKRZ 2014, 169) auf die Hälfte des Regelstreitwerts für die entzogene Fahrerlaubnisklasse B des Antragstellers festzusetzen.
Beschluss vom 23.08.2017
1 L 871/17.NW
Tenor
Der Antrag wird abgelehnt.
Die Kosten des Verfahrens trägt der Antragsteller.
Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 2.500 € festgesetzt.
Gründe
Der Antragsteller begehrt die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung seines Widerspruchs gegen die Entziehung seiner Fahrerlaubnis.
I.
Der am pp. 1997 geborene Antragsteller erhielt am 5. November 2015 die Fahrerlaubnis AM, L und B auf Probe.
Am 26. Februar 2016 teilte die Polizei dem Antragsgegner mit, dass über den Antragsteller Informationen über Tatsachen vorlägen, die auf seine nicht nur vorübergehende körperliche und geistige Beeinträchtigungen hinsichtlich der Befähigung zum Führen von Kraftfahrzeugen schließen lassen würden. Bei einer Verkehrskontrolle am 9. Januar 2016, um 1:30 Uhr, hatte der Antragsteller in seiner Befragung ausgeführt, er habe keinen Alkohol getrunken und mit Drogen habe er das letzte Mal vor 2 Jahren zu tun gehabt, seitdem nicht mehr. Nach einem freiwilligen Test zur Bestimmung der Fahrtüchtigkeit erklärte der Antragsteller sodann, dass er vor zwei Wochen Cannabis konsumiert habe. Diese Aussage verkürzte er erneut und räumte einen Cannabiskonsum in der Woche der Kontrolle ein. Das in diesem Zusammenhang vom Institut für Rechtsmedizin am 11. Februar 2016 erstellte toxikologische Gutachten ergab einen positiven Test auf Cannabis, und zwar mit dem Ergebnis THC Carbonsäure Spur (ca. 1 ng/ml). Ein aktueller Cannabiskonsum zum Blutentnahmezeitpunkt wurde ausgeschlossen.
Mit Schreiben vom 12. Juli 2017 teilte die Polizeiinspektion R… dem Antragsgegner mit: Es lägen Informationen über Tatsachen vor, die auf eine nicht nur vorübergehende körperliche oder geistige Beeinträchtigung hinsichtlich der Befähigung des Antragstellers zum Führen von Kraftfahrzeugen schließen ließen, denn am 11. März 2017 sei der Antragsteller im Rahmen einer Verkehrskontrolle angehalten worden, wobei sich deutliche Anzeichen für den Konsum von Betäubungsmittel gezeigt hätten. Da der Antragsteller den Drogenschnelltest verweigerte und einer freiwilligen Blutentnahme nicht zugestimmt habe, sei Letztere nach richterlicher Anordnung durchgeführt worden.
Im Gutachten vom 28. April 2017 kam das Institut für Rechtsmedizin (Prof. Dr. Dr. …) zu dem Ergebnis, dass Codein in der Größe von 0,005 mg/L = 5 ng/mL und Spuren von Morphin (ca. 0,6 ng/mL) nachgewiesen worden seien. Es wurde weiter ausgeführt: Die Ergebnisse der toxikologischen Untersuchung belegten eine Aufnahme von Codein und Morphium. Morphium sei das Hauptalkaloid des Schlafmohns, Codein sei gleichfalls ein Opiumalkaloid. Therapeutisch werde Codein als hustenstillendes Arzneimittel bei starkem akutem und chronischem Husten eingesetzt. Im Körper werde ein Teil des Codeins in Morphin verstoffwechselt. Das zusätzlich im Blut nachgewiesene Morphin dürfte in Anbetracht der gegenüber dem Codein deutlich verringerten Blutkonzentration als Stoffwechselprodukt des Codeins vorliegen. In der Blutprobe sei lediglich eine geringe Codeinkonzentration festgestellt worden. Morphin habe sich im Spurenbereich befunden. Eine nennenswerte Beeinflussung durch die zentral dämpfend wirkenden Opiate Codein und Morphin zum Blutentnahmezeitpunkt seien nicht anzunehmen.
Der Antragsgegner hörte den Antragsteller mit Schreiben vom 18. Mai 2017 unter Wiedergabe des Sachverhalts und des Ergebnisses des Gutachtens zur beabsichtigten Fahrerlaubnisentziehung an.
Unter dem 23. Juni 2017 teilte das Polizeipräsidium R… mit, dass das gegen den Antragsteller eingeleitete Ordnungswidrigkeitsverfahren gemäß § 46 Abs.1 OWiG i.V.m. § 170 Abs. 2 StPO eingestellt worden sei.
Am 7. Juli 2017 äußerte sich der Antragsteller durch seinen Prozessbevollmächtigten erstmals zur Sache und führte aus: Er habe am 11. März 2017 nicht unter Einfluss von Betäubungsmitteln am öffentlichen Verkehr teilgenommen. Kurze Zeit vor dem 11. März 2017 habe er an einer starken Bronchitis mit Verdacht auf Lungenentzündung gelitten. Da er zu diesem Zeitpunkt bei einem Bekannten in Frankreich gewesen sei, habe er in der dortigen Apotheke in dem freien Verkauf ein Heilungsmittel, das hauptsächlich aus Codein bestehe und Entzündung sowie starke Hustenanfälle lindere, erworben. Den Kaufbeleg habe er nicht aufbewahrt. In der Anlage übersende er eine Medikamentenbeschreibung sowie einen neuen Beleg einer Pharmazie in F.bach, mit dem nachgewiesen werden solle, dass dieses Mittel tatsächlich zum freien Verkauf in Frankreich an Patienten zur Verfügung stehe. Ausweislich des toxikologischen Befundes sei im Blut des Antragstellers Codein und Morphium festgestellt worden, zugleich sei aber festgehalten worden, dass das therapeutische Codein als hustenstillendes Arzneimittel bei starkem akutem und chronischem Reizhusten eingesetzt werde sowie dass im Körper ein Teil des Codeins zu Morphium verstoffwechselt werde. Ferner sei im Gutachten ausgeführt, dass der nachgewiesene Morphium-Anteil wegen der gegenüber dem Codein deutlich verringerten Konzentration als Stoffwechselprodukt des Codeins erscheine. Ferner sei zu berücksichtigen, dass das Ermittlungsverfahren gegen den Antragsteller wegen eines Vergehens nach § 29 BtMG gemäß § 170 Abs. 2 StPO eingestellt worden sei, auch wenn diesbezüglich keine Bindungswirkung bestehe.
Der Antragsteller legte den Beipackzettel des Präparats Euphon Syrup in Französisch und Englisch vor, in dem darauf hingewiesen wird, dass Codein sich in Morphin durch Enzyme in der Leber umwandle. Ferner wurde ein Beleg vom 5. Juli 2017, betreffend Euphon SP FL/300 ml zum Preis von 4,15 € vorgelegt.
Mit Verfügung vom 26. Juli 2017 entzog der Antragsgegner dem Antragsteller die Fahrerlaubnis der Klassen B, L, AM vom 5. November 2015 und untersagte zudem das Führen erlaubnisfreier Kraftfahrzeuge. Zugleich ordnete der Antragsgegner die sofortige Vollziehung der Verfügung an.
Zur Begründung führte er im Wesentlichen aus: Die Blutprobe habe den Nachweis ergeben, dass der Antragsteller Codein mit einem Wert von 5 ng/ml und zusätzlich Morphium mit einem Wert von 0,6 ng/ml im Blut gehabt habe. Wegen dieser Tatsache bestünden erhebliche Zweifel an der Geeignetheit zum Führen von Fahrzeugen. Ungeeignet zum Führen von erlaubnispflichtigen und erlaubnisfreien Kraftfahrzeugen sei, wer die notwendigen körperlichen und geistigen Anforderungen zum Führen von Kraftfahrzeugen nicht erfülle. Dies gelte insbesondere, wenn ein Mangel oder eine Erkrankung nach Anlage 4 oder 5 zur Fahrerlaubnisverordnung vorliege. In der Fahrerlaubnisverordnung sei in § 46 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. der Anlage 4 eine Bewertung der Auswirkungen bestimmter Verhaltensweisen und Erkrankungen auf die Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen und Fahrzeugen vorgenommen, in dem die auf wissenschaftlicher Grundlage gewonnenen und bereits im Gutachten „Krankheit und Kraftverkehr“ zusammengefassten Erkenntnisse integriert und damit normativ als für den Regelfall zutreffend gekennzeichnet worden seien. Speziell in Nr. 9 der Anlage 4 sei eine Beurteilung vorgenommen worden, welche den Einfluss des Konsums verschiedener BtM auf die Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen habe. Danach sei in Nr. 9.1 geregelt, dass beim Vorliegen eines einmaligen Konsums von Betäubungsmitteln außer Cannabis die Eignung zum Führen von Fahrzeugen auch ohne Bezug zum Straßenverkehr, ausgeschlossen sei. An diese normative Wertung sei der Antragsgegner als Fahrerlaubnisbehörde gebunden, solange keine Umstände im Einzelfall vorlägen, die ausnahmsweise eine andere Beurteilung rechtfertigen würden. Diese die Fahreignung ausschließenden Verhaltensweisen seien weder an eine Abhängigkeit von Betäubungsmitteln noch an ihren missbräuchlichen, regelmäßigen oder gelegentlichen Gebrauch noch an eine angeblich unwissentliche Einnahme geknüpft. Auf Grund der nachgewiesenen Einnahme sei der Antragsteller ungeeignet zum Führen von fahrerlaubnispflichtigen und fahrerlaubnisfreien Fahrzeugen. Wegen der besonderen Gefährlichkeit von BtM im Straßenverkehr, speziell im Fall des Konsums, sei die sofortige Vollziehung dieser Verfügung gemäß § 80 Abs. 2 Nr. 4 der VwGO geboten. Das Interesse der Öffentlichkeit daran, dass der Antragsteller, der Rauschmittel konsumiert und sich damit als ungeeignet zum Führen von Fahrzeugen erwiesen habe, nicht am Kraftverkehr weiterhin teilnehmen dürfe, überwiege das antragstellerische Interesse an der weiteren Nutzung der Fahrerlaubnis und dem Recht fahrerlaubnisfreie Fahrzeuge zu führen. Wegen des hohen Rangs der bedrohten Rechtsgüter wie Leben und körperliche Unversehrtheit anderer Verkehrsteilnehmer sei es nicht hinnehmbar, dass der Antragsteller als Führer von Kraftfahrzeugen weiterhin am Verkehr teilnehme.
In der weiteren Begründung zur Entziehung der Fahrerlaubnis führt der Antragsgegner sodann aus: Der Antragsteller habe nach zweimaliger Fristverlängerung mit Schreiben vom 7. Juli 2017 zwar mitgeteilt, dass er wegen einer starken Bronchitis und des Verdachts auf Lungenentzündung kurze Zeit vor der Fahrzeugkontrolle erkrankt gewesen sei und sich, während er sich bei einem Bekannten in Frankreich aufgehalten habe, in der dortigen Apotheke im freien Verkauf ein Heilungsmittel, das hauptsächlich Codein enthalte, besorgt habe, um die Entzündungen und starken Hustenanfälle zu mindern. Er könne aber keinen Kaufbeleg für das Medikament Euphon Syrup vorlegen. Zudem habe der Antragsteller im Verwaltungsverfahren vorgetragen, dass er auf Rückfrage bei einem Arzt von diesem empfohlen bekommen habe, ein codeinhaltiges Mittel gegen seine Erkrankung einzunehmen. Der Prozessbevollmächtigte des Antragstellers habe auf telefonische Nachfrage des Antragsgegners, welcher Arzt die starke Bronchitis mit Verdacht auf Lungenentzündung diagnostiziert habe, zunächst darum gebeten, die Frist bis zum 28. Juli 2017 zu verlängern, da sich der Arzt in Urlaub befinde. Auf schriftliche Anfrage, welcher Arzt der behandelnde Arzt gewesen sei, habe der Prozessbevollmächtigte dann aber mitgeteilt, dass der Antragsteller nicht bei einem offiziellen Termin eines Arztes gewesen sei, weshalb der Name nicht genannt werden könne. Auf Grund dieses Sachverhalts führte der Antragsgegner in der Verfügung vom 26.07.2017 aus: Diese Ausführungen seien reine Schutzbehauptungen, da der Antragsteller weder einen Kaufbeleg noch eine offizielle Diagnose eines Arztes über die starke Bronchitis mit Verdacht auf Lungenentzündung noch eine Nachbehandlung der genannten Krankheiten im Bundesgebiet habe nachweisen können. Zudem habe der Antragsteller bei der Verkehrskontrolle zu keiner Zeit erwähnt, dass er ein codeinhaltiges Medikament eingenommen habe.
Der Antragsteller hat unter dem 27. Juli 2017 Widerspruch eingelegt.
Mit seinem am 27. Juli 2017 bei Gericht eingegangenen Eilantrag beantragt er, die Aussetzung der sofortigen Vollziehung und die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung seines Widerspruchs.
Zur Begründung wiederholt er im Wesentlichen seinen Vortrag aus dem Verwaltungsverfahren und verweist insbesondere darauf, dass bereits das rechtsmedizinische Gutachten festgestellt habe, dass therapeutisches Codein als hustenstillendes Arzneimittel bei starkem akutem oder chronischem Reizhusten eingesetzt werde, wobei ein Teil des Codeins zu Morphium verstoffwechselt werde. Ferner sei dort ausgeführt, dass eine dämpfende Wirkung der Opiate wie Codein und Morphium zum Blutentnahmezeitpunkt nicht anzunehmen sei. Der Antragsteller habe auch im zur Entscheidung anstehenden Fall ausreichend substantiiert vorgetragen, dass er den codeinhaltigen Hustensaft als Medikament eingenommen habe.
Er habe nämlich an Hustenanfällen mit dem Verdacht auf Lungenentzündung gelitten und auf ärztliche Empfehlung hin einen solchen Saft eingenommen. Dieser könne in Frankreich im freien Verkauf erworben werden. Zudem weise er darauf hin, dass der Antragsgegner für die fehlende Fahreignung des Antragstellers beweispflichtig sei.
Der Antragsgegner tritt dem Antrag des Antragstellers unter Bezugnahme auf seine angefochtene Verfügung entgegen.
II.
Der Antrag, die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs gegen den Bescheid des Antragsgegners vom 26. Juli 2017 (AZ: 3/163-01) wieder herzustellen, hat keinen Erfolg.
Die vom Gericht im Verfahren gemäß § 80 Abs. 5 Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO – vorzunehmende Interessenabwägung fällt zu Lasten des Antragstellers aus. Die ihm gegenüber verfügte Fahrerlaubnisentziehung erweist sich bei der im Eilverfahren gebotenen summarischen Prüfung nach dem gegenwärtigen Sachstand als rechtmäßig, und es besteht ein überwiegendes öffentliches Interesse an ihrem sofortigen Vollzug.
Rechtsgrundlage für die Entziehung der Fahrerlaubnis ist § 3 Abs. 1 Straßenverkehrsgesetz – StVG –, §§ 11 Abs. 1 S. 1 und 2, Abs. 7; 46 Abs. 1 i. V. m. Anlage 4 Fahrerlaubnisverordnung – FeV –. Nach deren Ziffer 9.1 ist ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen, wer Betäubungsmittel (BtM) im Sinne des Betäubungsmittelgesetzes (außer Cannabis), also wie hier Codein ohne ärztliches Rezept, eingenommen hat. Für den Eignungsausschluss genügt im Regelfall bereits der Nachweis des einmaligen Konsums der sog. „harten Droge“, ohne dass es darauf ankommt, ob ein Kraftfahrzeug unter dem Einfluss des Betäubungsmittels geführt wurde (st. Rspr. der Kammer und des OVG RP, vgl. z.B. OVG RP, Beschluss vom 25. Januar 2012 – 10 B 11494/11.OVG – und Beschluss der Kammer vom 22. Juni 2016 – 1 L 405/16.NW –). Der abweichenden Auffassung in der Literatur schließt sich die Kammer wegen der eindeutigen Verordnungslage in Ziffer 9.1 der Anlage 4 zur FeV und im Hinblick auf die besondere Gefährlichkeit „harter“ Drogen nicht an (vgl. OVG RP, Beschluss vom 21. November 2000 – 7 B 11967/00 –, juris).
Nach § 11 Abs. 1 FeV müssen Bewerber um eine Fahrerlaubnis die hierfür notwendigen körperlichen und geistigen Anforderungen erfüllen. Die Anforderungen sind insbesondere nicht erfüllt, wenn eine Erkrankung oder ein Mangel nach Anlage 4 oder 5 vorliegt, wodurch die Eignung oder die bedingte Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen ausgeschlossen wird. Nach § 11 Abs. 2 FeV kann die Fahrerlaubnisbehörde, wenn Tatsachen bekannt werden, die Bedenken gegen die körperliche oder geistige Eignung des Fahrerlaubnisbewerbers begründen, zur Vorbereitung von Entscheidungen über die Erteilung oder Verlängerung der Fahrerlaubnis oder über die Anordnung von Beschränkungen oder Auflagen die Beibringung eines ärztlichen Gutachtens anordnen.
Nach § 11 Abs. 7 FeV unterbleibt die Anordnung zur Beibringung des Gutachtens, wenn die Nichteignung des Betroffenen zur Überzeugung der Fahrerlaubnisbehörde fest steht.
Ein solcher Fall der Nichteignung ist hier soweit summarisch feststellbar gegeben. Denn durch die Einnahme von Codein verliert ein Fahrerlaubnisinhaber grundsätzlich die Fahreignung (vergl. BayVGH, Beschluss von, 11.05.2011 -11 ZB 11.462-, juris). Nach Ziffer 9.1 der Anlage 4 zur FeV liegt bei Einnahme von Betäubungsmitteln im Sinne des i.S.d. Betäubungsmittelgesetzes -BtMG-. (ausgenommen Cannabis) keine Fahreignung vor.
Im derzeitigen Erkenntnisstand ist zumindest von einer einmaligen Einnahme von Codein durch den Antragsteller auszugehen. Diese ist nämlich durch das toxikologische Gutachten des Instituts für Rechtsmedizin Mainz vom 28. April 2017 nachgewiesen. Auf die Höhe der im Zeitpunkt der Blutentnahme (noch) vorhandenen Konzentration kommt es grundsätzlich in fahrerlaubnisrechtlicher Hinsicht schon deshalb nicht an, weil – wie ausgeführt – die Teilnahme am Straßenverkehr unter Drogeneinfluss hier unerheblich ist. Zwar weist das toxikologische Gutachten nachvollziehbar darauf hin, dass Codein als hustenstillendes Arzneimittel bei starkem, akutem und chronischem Husten eingesetzt werde und dass ein Teil des Codeins im Körper zu Morphium verstoffwechselt wird (so auch die Gebrauchshinweise zu Euphon), was bei der im Blut des Antragstellers nachgewiesenen Morphium-Konzentration der Fall gewesen sein dürfte. Gleichwohl war der Antragsgegner verpflichtet die Fahrerlaubnis zu entziehen. Auch wenn der Antragsteller ein KFZ nicht unter einer seine Verkehrstauglichkeit beeinträchtigten Wirkung von Opiaten gesteuert hat, so hat er gleichwohl Betäubungsmittel i.S.d. BtMG konsumiert.
Das weitere Vorbringen des Antragstellers im Eilverfahren, er habe auf ärztliches Anraten Codein eingenommen, wertet das Gericht nach der vorliegenden Erkenntnislage, wie auch der Antragsgegner, als Schutzbehauptung. Mithin ist hier nicht von einem Ausnahmefall auszugehen, wie ihn die Vorbemerkung Nr. 3 in der Anlage 4 vorsieht. Danach gelten die nachstehend vorgenommenen Bewertungen für den Regelfall.
Kompensationen durch besondere menschliche Veranlagung, durch Gewöhnung, durch besondere Einstellung oder durch besondere Verhaltenssteuerungen und -umstellungen sind möglich. Ergeben sich im Einzelfall in dieser Hinsicht Zweifel, kann eine medizinisch-psychologische Begutachtung angezeigt sein.
Das in der Bundesrepublik Deutschland verschreibungspflichtige codeinhaltige Medikament „Euphon Syrup“ war in Frankreich bis zum 12. Juli 2017 frei verkäuflich. Wegen des massenhaften Missbrauchs, insbesondere durch junge Menschen, wurde seine Rezeptpflicht auch in Frankreich eingeführt. Es enthält ausweislich des Begleitzettels 100 mg Codein in 100 mL Sirup. Seine Internet-Bestellung war z.B. durch „Medicament Conseil“ auf 1 Flasche pro Monat begrenzt.
Bereits am 6. Dezember 2006 veröffentlichte Spiegel ONLINE den Artikel „Billige Drogen“ Teenager werden high mit Hustensaft, in dem beschrieben wird, wie Jugendliche den Hustensaft, der mit Dextromethorphan verwandten Wirkstoff zu den Opiaten Codein und Morphium aufweise, zu Halluzinationszwecken missbrauchen. Im Internet sind bei der Suche nach Hustensaft mit Codein vielfache Hinweise zur berauschenden Wirkung und deren Umgang sowie zur in Deutschland illegalen Beschaffung zu finden.
Angesichts dieses bekannten Missbrauchs und im Hinblick auf den illegalen Konsum von nicht ärztlich verschriebenen Präparaten in Deutschland, kann das Vorbringen des Antragstellers zu seinem Konsum nicht als substantiiert und plausibel anerkannt werden, sondern stellt sich als Schutzbehauptung dar. Da der Antragsteller aber für das Vorliegen eines nach Ziffer 9.1 der Anlage 4 zur FeV von der Regel abweichenden Zustands die Beweislast trägt, müsste sein Vorbringen im Eilverfahren substantiiert und überzeugend sein.
Nicht nachvollziehbar ist die Behauptung des Antragstellers, kurz vor dem 11. März 2017, dem Tag der Verkehrskontrolle, eine starke Bronchitis mit Verdacht auf Lungenentzündung gehabt zu haben. Denn er hat bei den von der Polizei festgestellten Ausfallerscheinungen nicht darauf hingewiesen, dass deren mögliche Ursache in der Bronchitis mit Verdacht auf Lungenentzündung liegen könne. Auch hat er bei oder nach der Verkehrskontrolle nicht unverzüglich mitgeteilt, Medikamente eingenommen zu haben. Selbst auf das Anhörungsschreiben vom 18. Mai 2017 hat er erst am 7. Juli 2017 die vier Monate zurückliegende Auffälligkeit bei der Verkehrskontrolle mit dem Konsum des Euphonsirups zu erklären versucht. Auch hat der anwaltlich vertretene Antragsteller weder dargelegt, was kurze Zeit vor der Verkehrskontrolle heißt (Tage oder Wochen) noch wer der Bekannte sei, der die Erkrankung bestätigen könne. Auch hat er den Arzt nicht benannt, der ihm zur Einnahme Codein geraten haben soll, auch hat sich der Antragsteller trotz des Verdachts auf Lungenentzündung nicht in ärztliche Behandlung begeben. Dies alles ist weder substantiiert noch nachvollziehbar vom Antragsteller im Eilverfahren erklärt worden, obwohl der Antragsgegner auf diese Ungereimtheiten bereits hingewiesen hat. Auch liegt nicht auf der Hand, warum der Antragsteller bei einem nicht offiziellen Arzttermin gewesen sein soll und auch nicht, warum aus diesem Grund der Name des Arztes nicht genannt werden könne.
Dieser Vortrag und somit die Angaben des Antragstellers insgesamt sind nicht plausibel (vgl. zu den strengen Anforderungen an einen schlüssigen Vortrag bei geltend gemachter „unbewusster“ Drogeneinnahme OVG RP, Beschluss vom 25. Januar 2012 – 10 B 11430/11.OVG und Beschluss vom 18. Februar 2015 – 10 B 10017/15.OVG –). Der toxikologische Gutachter des Instituts für Rechtsmedizin Mainz hat zwar darauf hingewiesen dass die im Blut nachgewiesenen Substanzen aus einem codeinhaltigen Hustensaft herrühren können, damit ist aber weder dessen ungesetzliche Einnahme (Codein ist ein Opiat) noch dessen Missbrauch zu Rauschzwecken ausgeschlossen. Auch die niedrige Konzentration entlastet den Antragsteller nicht, da die Einnahmewirkung mit der Zeit nachlässt und ebenso die Konzentration im Blut. Auch ist nicht maßgeblich, wie vom Prozessbevollmächtigten selbst dargelegt, dass das Ordnungswidrigkeitsverfahren nach § 170 StPO eingestellt wurde.
Der Antragsgegner hat den Sofortvollzug gem. § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO in dem angefochtenen Bescheid ordnungsgemäß begründet, diesen Ausführungen schließt sich die Kammer in vollem Umfang an. Soweit der Antragsteller demgegenüber Nachteile aus der Entziehung seiner Fahrerlaubnis zu tragen hat, sind diese von ihm selbst zu verantworten und führen nicht zur Anerkennung eines überwiegenden privaten Interesses gegenüber dem öffentlichen Interesse daran, ihn mit sofortiger Wirkung vom motorisierten Straßenverkehr auszuschließen.
Sollte der Antragsteller im Eilverfahren sein Vorbringen weiter substantiieren und weitere Nachweise erbringen, kann er einen Antrag auf Abänderung des Beschlusses stellen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
Der Streitwert ist gemäß §§ 52 Abs. 1, 53 Abs. 3 GKG i. V. m. Ziffer 46 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013 (LKRZ 2014, 169) auf die Hälfte des Regelstreitwerts für die entzogene Fahrerlaubnisklasse B des Antragstellers festzusetzen.