Landgericht Darmstadt
Urt. v. 05.09.2018
Tenor:
Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger € 12,01 sowie vorgerichtliche Anwaltskosten in Höhe von € 155,30 jeweils nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 21.12.2017 sowie weitere Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz aus € 6.214,45 vom 21.12.2017 bis zum 27.12.2017 einschließlich zu zahlen.
Es wird festgestellt, dass die Klage in der Hauptsache in Höhe eines Teilbetrages von € 6.214,45 seit dem 28.12.2017 erledigt ist.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Von den Kosten des Rechtsstreits haben der Kläger 45% und die Beklagten als Gesamtschuldner 55% zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Den Beklagten wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des aufgrund dieses Urteils für den Kläger vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils beizutreibenden Betrages leisten.
Dem Kläger wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des aufgrund dieses Urteils für die Beklagten vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die Beklagten vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils beizutreibenden Betrages leisten.
Streitwert: € 13.334,71
Tatbestand
Die Parteien streiten um Ansprüche aus einem Verkehrsunfall, der sich am 07.09.2017 gegen 21:30 Uhr im Bereich des Kaiserleikreisels in Offenbach am Main ereignet hat.
Unfallbeteiligt sind der Pkw des Klägers Mercedes GLK (Kennzeichen: [...]), gefahren von dessen Sohn [...], die Beklagte zu 1) als Fahrerin und Halterin eines Pkw VW Golf (Kennzeichen: [...]), haftpflichtversichert bei der Beklagten zu 2).
Die Parteien sind sich einig, dass die Beklagten dem Grunde nach uneingeschränkt für die unfallbedingten Schäden des Klägers haften. Gestritten wird noch über die nach Teilrücknahmen und Teilerledigungserklärung bereits reduzierte Klageforderung.
Die Klageschrift vom 27.10.2017 ist am 30.10.2017 bei Gericht eingegangen (Bl.1 der Akte) und zugestellt worden an die Beklagte zu 1) am 21.12.2017 (Bl.21 der Akte) und an die Beklagte zu 2) am 22.12.2017 (Bl.23 der Akte).
Der Kläger hat danach beantragt, 1.) die Beklagten als Gesamtschuldner zur Zahlung von € 9.995,85 nebst Verzugszinsen ab 30.09.2017 und vorgerichtlicher Anwaltskosten in Höhe von € 490,99 nebst Zinsen ab Rechtshängigkeit an den Kläger zu verurteilen, 2.) die Ersatzpflicht der Beklagten für weitergehende materielle Schäden festzustellen und 3.) die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, den Kläger von Sachverständigenvergütung des Büros [...] durch Zahlung von € 1.150,97 an diesen nebst Zinsen ab 29.09.2017 freizustellen (Bl.1 f. der Akte).
Geltend gemacht hat der Kläger damit zunächst folgende Ansprüche (Bl.4 der Akte):
Daneben hat der Kläger gemäß Berechnung auf Seite 8 der Klageschrift unter Punkt 9. vorgerichtliche Anwaltskosten in Höhe von € 490,99 angesetzt (Einzelheiten Bl.8 der Akte).
Mit Schriftsatz vom 22.02.2018 hat der Kläger mit der Behauptung, unfallbedingt habe sich gemäß Privatgutachten vom 15.01.2018 (Anlage K 5 - Bl.30 der Akte) jetzt auch eine Beschädigung der Servopumpe herausgestellt, den Betrag zu Pos.1. auf netto € 9.461,92 angehoben (und teilweise die Klage auch zurückgenommen sowie teilweise für erledigt erklärt, dazu sogleich), was zunächst ergibt:
Die Beklagte zu 2) erbrachte auf die vorgenannten Schadenspositionen zu den nachfolgend angegebenen Zeitpunkten Zahlungen wie folgt:
Auf die mit € 490,99 geltend gemachten vorgerichtlichen Anwaltskosten zahlte die Beklagte zu 2) am 14.11.2017 € 334,75.
Wegen Einzelheiten zu den Zahlungen der Beklagten zu 2) wird ergänzend auf die Seiten 1 und 2 der Klageerwiderung nebst Anlagen B1 bis B4 Bezug genommen (Bl.61 f.; 66-69 der Akte).
Mit Schriftsatz 22.02.2018 hat der Kläger zugleich zunächst wegen vor Klagezustellung geleisteter Zahlungen zu den Pos.3. und 4 die Klage in Höhe von € 1.178,01 zurückgenommen und wegen der am 28.12.2017 auf die fiktiven Reparaturkosten gezahlten € 6.214,45 teilweise für erledigt erklärt, so dass sich nach seiner Berechnung noch eine Restforderung in Höhe von € 4.488,05 ergeben hat. Wegen Einzelheiten zur Anspruchsberechnung wird auf den Schriftsatz des Klägers vom 22.02.2018 Bezug genommen (Bl.28 f. der Akte).
Der Kläger hat nunmehr beantragt, die Beklagten als Gesamtschuldner zur Zahlung von € 4.488,05 nebst Zinsen aus € 9.995,85 vom 30.09.2017 bis 28.12.2017 und aus € 4.499,05 ab dem 28.12.2017 zu zahlen sowie vorgerichtliche Anwaltskosten in Höhe von € 155,30 nebst Zinsen ab Rechtshängigkeit (Bl.29 der Akte).
Der Schriftsatz des Klägers vom 22.02.2018 ist den Beklagten am 12.03.2018 zugestellt worden (Bl.75 der Akte). Mit Schriftsatz vom 06.04.2018 haben sie der Teilerledigungserklärung des Klägers vom 22.02.2018 widersprochen (Bl.80 der Akte).
Mit Schriftsatz vom 07.05.2018 hat der Kläger die Klage nunmehr auch hinsichtlich der Pos.2. (Gutachterkosten), Pos.5. (Standgebühren) und Pos.6. (pauschale Kosten) in Höhe von insgesamt weiteren € 1.223,57 und hinsichtlich Klageantrag Nr.2 (Feststellung) teilweise zurückgenommen, die Klageforderung auf € 3.264,88 zurückgeführt und den Klageantrag an die geänderte Prozesslage angepasst (Einzelheiten Bl.99 ff. der Akte).
Das Gericht hat den Beklagten mit Verfügung vom 08.03.2018 Hinweise gegeben (Einzelheiten Bl.76 der Akte), zugestellt am 16.04.2018 (Bl.81 der Akte), ebenso dem Kläger mit Verfügung vom 18.04.2018 (Einzelheiten Bl.87 f. der Akte), zugestellt am 26.04.2018 (Bl.91 der Akte). Auf Anfrage des Gerichts vom 26.06.2018 (Bl.115 der Akte) haben der Kläger mit Schriftsatz vom 28.06.2018 (Bl.120 der Akte) und die Beklagten mit Schriftsatz vom 29.06.2018 (Bl.121 der Akte) einer Entscheidung im schriftlichen Verfahren zugestimmt. Mit Beschluss vom 02.07.2018 ist gemäß §
128 II ZPO das schriftliche Verfahren angeordnet, abschließende Schriftsatzfrist auf den 15.08.2018 und Termin zur Verkündung einer Entscheidung auf den 05.09.2018 bestimmt worden (Bl.123 f. der Akte). Der Beschluss ist zugestellt worden der Klägerin am 06.07.2018 (Bl.126 der Akte) und den Beklagten am 04.07.2018 (Bl.129 der Akte).
Der Kläger beantragt zuletzt
die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an den Kläger € 3.264,48 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz
aus € 9.995,85 vom 30.09.2017 bis zum 28.12.2017 und
aus € 4.499,05 vom 28.12.2017 bis zum 02.01.2018 und
aus € 3.264,48 seit Rechtshängigkeit
zuzüglich vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten in Höhe von € 155,30 nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
Die Beklagten bitten,
die Klage abzuweisen.
Hinsichtlich der vom Kläger geltend gemachten fiktiven Reparaturkosten wenden die Beklagten ein, der Kläger müsse sich auf die vergleichsweise günstigeren Berechnungssätze einer markenunabhängigen Fachwerkstatt verweisen lassen.
Wegen der weiteren Einzelheiten zum Sach- und Streitstand wird ergänzend auf die Gerichtsakte und die nachfolgenden Entscheidungsgründe verwiesen.
Gründe
I. Die Klage ist zulässig.
Soweit die Klage mit Schriftsatz des Klägers vom 22.02.2018 hinsichtlich der fiktiv auf Gutachtenbasis berechneten Reparaturkosten in Höhe von € 6.214,45 teilweise für erledigt erklärt worden ist und die Beklagten dieser Erklärung ausdrücklich widersprochen haben, ist nach der herrschenden Klageänderungstheorie nunmehr ungeachtet einer explizit darauf gerichteten Antragstellung des Klägers gegebenenfalls im Wege der Umdeutung seines Klagevortrags analog §
140 BGB darüber zu entscheiden ob sich die Hauptsache tatsächlich erledigt hat. Ist das der Fall, bedarf dies entsprechender Feststellung gegen die Beklagte. Ist dies nicht der Fall, ist die Klage insoweit abzuweisen.(1)
Die in den Schriftsätzen des Klägers vom 22.02.2018 in Höhe von € 1.178,01 und vom 07.05.2018 in Höhe von weiteren € 1.223,57 sowie des ursprünglichen Feststellungsantrags Nr.2 erklärte Rücknahme der Klage ist gemäß §
269 I ZPO wirksam. Die Parteien hatten zum Zeitpunkt der Rücknahmeerklärungen noch nicht zur Hauptsache verhandelt. Einer Zustimmung der Beklagten bedurfte es deshalb nicht.
II. Soweit die Klage noch rechtshängig ist, hat sie im erkannten Umfang Erfolg. Darüber hinaus ist sie unbegründet.
1. Der Kläger hat gegen die Beklagten als Gesamtschuldner gemäß §§
7 I,
18 I 1 StVG in Verbindung mit §§
115 I 1 Nr.1,
4 VVG einen Anspruch auf Zahlung von € 12,01, die im Zusammenhang mit der Anmietung eines Ersatzfahrzeugs angefallen und von der Beklagten zu 2) noch nicht reguliert sind.
Die Beklagten haben klargestellt, dass sie gegen ihre vollständige Haftung dem Grunde nach keine Einwände erheben.
Nach unwidersprochen gebliebenem Vortrag des Klägers war sein Pkw unfallbedingt nicht fahrbereit, weshalb der Kläger ausweislich des vorgelegten Mietvertrages (Anlage K3) für den Zeitraum 07.09.-18.09.2017 ein Ersatzfahrzeug angemietet und hierfür insgesamt € 690,02 gezahlt hat (Bl.14 der Akte). Einwände hierzu haben die Beklagten weder in der Sache selbst noch hinsichtlich der Anspruchshöhe erhoben. Die Beklagte zu 2) hat diesen Betrag durch zwei Zahlungen in Höhe von € 582,80 gemäß Abrechnungsschreiben vom 30.10.2017 (Anlage B2 - Bl.67 der Akte) und weiteren € 95,21 gemäß Abrechnungsschreiben vom 14.11.2017 (Anlage B3 - Bl.68 der Akte) bis auf € 12,01 ausgeglichen.
Weshalb die Beklagten bei dieser Sachlage den ausweislich der klägerseits vorgelegten Mietwagenabrechnung noch offenen Restbetrag von € 12,01 nicht bezahlen, ist nicht nachzuvollziehen, weshalb dem Kläger auch dieser Betrag im Wege der richterlichen Schätzung gemäß §
287 I ZPO als Schadenskompensation zuzubilligen ist.
1.1 Verzugszinsen stehen dem Kläger darauf wie erkannt zu, allerdings gemäß §§
291,
288 I,
247 BGB erst ab Zustellung der Klageschrift an die Beklagte zu 1) am 21.12.2017, wofür auch die Beklagte zu 2) über §§
115 I 1 Nr.1,
4 VVG einzustehen hat. Soweit der Kläger Verzugszinsen bereits ab dem 30.09.2017 begehrt, weisen die Beklagten zutreffend darauf hin, dass für einen Verzugseintritt der Beklagten bereits zu diesem Zeitpunkt kein schlüssiger Vortrag gehalten ist.
1.2 Der Kläger hat ferner gemäß §§
7 I,
18 I StVG in Verbindung mit §
249 BGB einen Anspruch auf Zahlung weiterer € 155,30 auf vorgerichtliche Anwaltskosten.
Es ist unerheblich, ob die Beklagten zum Zeitpunkt der Mandatierung des Klägervertreters bereits in Verzug waren oder ob der Kläger die Einschaltung eines Rechtsanwalts für erforderlich halten durfte, nachdem die Beklagte zu 2) bereits vorgerichtlich Regulierungsbereitschaft signalisiert hat.
Es geht vorliegend um Schadensersatzansprüche des Klägers wegen Beschädigung einer Sache durch einen Verkehrsunfall. Die Einschaltung eines Rechtsanwalts stellt sich dabei für den Geschädigten als notwendiger Aufwand der Rechtsverfolgung dar und ist unmittelbar nach §
249 BGB abrechenbar. Bei Verkehrsunfallsachen, die in den Detailfragen den Erfahrungshorizont juristischer Laien regelmäßig überschreiten, ist selbst bei Regulierungsfreudigkeit des unfallgegnerischen Haftpflichtversicherers die Einschaltung eines Anwalts durch den Geschädigten schon deshalb nicht zu beanstanden, weil ihm nicht zugemutet werden darf, die Regulierung des Versicherers ungeprüft hinzunehmen.
Allerdings sind die vom Kläger angesetzten vorgerichtlichen Anwaltskosten auf das Prozessergebnis herunterzurechnen. Soweit freilich der Erfolg der Klage in den Hauptforderungen - hier noch € 12,01 und die festgestellte Erledigung in Höhe von € 6.214,45 - regelmäßig heranzuziehen ist, kann dies im Hinblick auf die vorgerichtliche Tätigkeit des Anwalts dann nicht gelten, wenn die Klageforderung sich aufgrund von bereits erfolgten Zahlungen des Unfallgegners reduziert. In diesem Fall ist abzustellen auf die Summe der vor- oder außergerichtlich anerkannten und gezahlten Beträge und den Klageerfolg.
Die Beklagte zu 2) hat an den Kläger insgesamt bereits € 8.616,03 gezahlt, worin der Wert der festgestellten Teilerledigung enthalten ist. Diesem Betrag sind hier noch weitere zuerkannte € 12,01 hinzuzusetzen. Das ergibt einen für die außergerichtlichen Anwaltskosten maßgebenden Streitwert in Höhe von € 8.628,04.
Darauf beruhend berechnen sich die vom Kläger an sich ansetzbaren Anwaltskosten abzüglich von der Beklagten zu 2) am 14.11.2017 gezahlter € 334,75 unter Beibehaltung seiner Abrechnungsgrundsätze auf Seite 8 der Klageschrift (Bl.8 der Akte) wie folgt:
1,3 Geschäftsgebühr nach Nr.2300 VV-RVG € 659,10
Auslagenpauschale nach Nr.7002 VV-RVG € 20,00
Zwischenbetrag netto: € 679,10
19% USt nach Nr.7008 VV-RVG € 125,23
Zwischenbetrag brutto: € 784,33
Abzgl. von Beklagter zu 2) gezahlte € -334,75
Restforderung Kläger: € 449,58
Soweit der Kläger dazu nur noch einen Betrag in Höhe von € 155,30 geltend macht, steht dies zu seiner Disposition und ist die Kammer daran gemäß §
308 I ZPO gebunden.
Der Betrag ist wie beantragt und erkannt gemäß §§
291,
288 I,
247 BGB ab Zustellung der Klage an die Beklagte zu 1) ab dem 21.12.2017 zu verzinsen.
2. In Höhe eines Betrages von € 6.214,45 ist bei entsprechender Auslegung des Klagevortrags die teilweise Erledigung der Hauptsache festzustellen und hat die Klage auch insoweit Erfolg.
Bleibt wie hier die Erledigungserklärung der klagenden Partei einseitig, ist Erledigung der Hauptsache festzustellen, wenn die Klage hinsichtlich des erledigten Anspruchs bis zu dem geltend gemachten erledigenden Ereignis zulässig und begründet war. Ist das nicht der Fall, ist die Klage insoweit abzuweisen.(2)
Erledigendes Ereignis ist hier die unstreitig bewirkte Zahlung der Beklagten zu 2) auf die geltend gemachten Reparaturkosten in Höhe von € 6.214,45, die nach unwidersprochen gebliebenem Vortrag des Klägers am 28.12.2017 bei ihm eingegangen ist.
Deshalb sind die aus §
91a ZPO herzuleitenden Grundsätze der Erledigung der Hauptsache auch anwendbar. Die Klage war am 28.12.2017 bereits an beide Beklagte zugestellt und damit rechtshängig. Es handelt sich daher nicht um ein erledigendes Ereignis zwischen Anhängigkeit und Rechtshängigkeit der Klage, das allein nach §
269 III 3 ZPO zu beurteilen ist.
Zum Zeitpunkt des erledigenden Ereignisses war die Klage hinsichtlich der geltend gemachten Reparaturkosten jedenfalls in der Höhe des Zahlbetrages auch zulässig und begründet.
Zwar hat der Kläger an sich, worauf nachfolgend unter Ziffer II.3.1 näher einzugehen ist, nach der geänderten Rechtsprechung des VII. BGH-Senats keinen Anspruch mehr auf fiktiven Schadensersatz. Zugunsten des Klägers greift hier aber die Anerkenntniswirkung der von der Zweitbeklagten geleisteten Zahlung, die auch die Erstbeklagte gegen sich gelten lassen muss, weil bei Verkehrsunfallsachen die Schadensregulierung vollständig in den Händen des Haftpflichtversicherers liegt. Denn mit der vorbehaltlosen Zahlung bezweckt die Beklagte zu 2) aus der Sicht eines objektiven Empfängerhorizontes gemäß §§
133,
157 BGB ersichtlich eine teilweise Erfüllung und insoweit das teilweise Erlöschen der auf fiktiver Grundlage ermittelten Klageforderung nach §
362 I BGB.
Die Kammer hat bereits an anderer Stelle ausgeführt, dass dem Kläger Verzugszinsen erst ab Zustellung der Klage an die Beklagte zu 1) am 21.12.2017 zustehen. Das gilt auch hier. Auf den erledigten Teil der Klage haben die Beklagten daher Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz vom 21.12.2017 bis zum 27.12.2017 einschließlich zu entrichten. Ist nämlich die Zahlung am 28.12.2017 bei Kläger eingegangen und der Anspruch insoweit erloschen, hat der Zinslauf am vorangegangenen Tag geendet.
3. Die weitergehende Klage ist unbegründet.
3.1 Der Kläger hat gegen die Beklagten keinen Anspruch auf Zahlung weiterer € 3.247,47 auf die vom Kläger auf Gutachtenbasis abgerechneten weiteren fiktiven Reparaturkosten, worauf er auch nach Hinweis des Gerichts vom 16.04.2018 (Bl.87 f. der Akte) beharrt und keine konkrete Schadensberechnung vorträgt.
Die Kammer hält an ihrer in dem Hinweis zum Ausdruck gebrachten Auffassung fest, dass die vom BGH mit Urteil vom 22.02.2018(3) für den sogenannten kleinen Schadensersatzanspruch im Bereich von Werkverträgen aufgegebene Abrechnungsmöglichkeit auf fiktiver Basis nicht auf das Werkvertragsrecht beschränkt ist, sondern Schadensersatzansprüche jedweder Art erfasst, gleich, ob es sich um gewährleistungsrechtlich begründete Schadensersatzansprüche Geht oder um solche aus der Beschädigung von Sachen oder Personen und gleich, auf welchem rechtlichen Grund sie beruhen.(4)
Dem Kläger und den insoweit wohl ebenfalls skeptischen Beklagten ist zuzugeben, dass der BGH selbst ausdrücklich erklärt hat, er sehe diese Aufgabe seiner Rechtsprechung den Besonderheiten des Werkvertragsrechts geschuldet und zugleich auf diesen Anwendungsbereich beschränkt.(5) Die Interpretation der fraglichen Entscheidung des BGH lässt indes keine plausible und dogmatisch begründbare Beschränkung der Aufgabe des fiktiven Schadensersatzes auf werkvertragliche Konstellationen erkennen. Soweit der VII. Zivilsenat das in seiner Entscheidung postuliert, dient dies offenkundig allein der Rechtfertigung des Umstandes, dass es zuvor keine Anfrage bei dem V. und VIII. Zivilsenat gegeben hat und eine im Widerspruchsfall an sich nach §
132 II GVG gebotene Vorlage dieser Rechtsfrage an den Großen Senat für Zivilsachen unterblieben ist.(6)
Das erkennende Gericht ist zu der rechtlichen Überzeugung gelangt, dass die in jeder Hinsicht zu begrüßende Aufgabe der fiktiven Schadensberechnung schon aus Gründen der Rechtsvereinheitlichung auf das gesamte Schadensersatzrecht zu übertragen ist.
Völlig zu Recht hat der VII. Zivilsenat zur Begründung seiner Kehrtwende darauf hingewiesen, dass eine Schadensbemessung nach fiktiven Mangelbeseitigungskosten das Leistungsdefizit im Werkvertragsrecht - vor allem im Baurecht - nicht mehr zutreffend abbildet und häufig zu einer nach allgemeinen (!) schadensrechtlichen Grundsätzen nicht mehr zu rechtfertigenden Überkompensation des Geschädigten führt,(7) mithin zu einer Bereicherung, die mit dem das gesamte Schadensersatzrecht prägenden Grundsatz der Restitution in Natura oder in Geld ohnedies nie wirklich in Einklang zu bringen war und es zunehmend weniger ist.
Das ist nun aber keine Problematik, die sich allein aus Besonderheiten des Werkvertragsrechts speist. So wird auch in der Literatur mit Recht darauf hingewiesen, dass zunächst einmal nicht begründbar ist, weshalb diese Grundsätze im Bereich der kaufrechtlichen Gewährleistung nicht gelten sollen, weshalb dann konsequenterweise auch dort die Möglichkeit des fiktiven Schadensersatzes beendet ist.(8) Auch der VII. Zivilsenat hat bereits diese mehr als naheliegende Schlussfolgerung nicht verkannt und ist ihr mit dem Hinweis entgegen getreten, dass sich die Problematik der Überkompensation des Geschädigten im Werkvertragsrecht jedenfalls deutlich größer stelle, als im Kaufrecht.(9) Das überzeugt aber nicht. Dass der VII. Zivilsenat dies nicht mit konkreten Tatsachen unterlegen kann, mag den Besonderheiten des BGH als Revisionsgericht geschuldet sein, die eigene Tatsachenfeststellungen an sich ausschließen.
Aus tatrichterlicher Sicht der Instanzgerichte und auch den Erfahrungen des erkennenden Gerichts ist allerdings die Aufgabe des fiktiven Schadensersatzes über das Werkvertragsrecht einschließlich Bau- und Architektenrecht hinaus überfällig, weil sich auch hier die Problematik der erheblichen Überkompensation des Geschädigten in gleicher Tragweite stellt. Sowohl die von vorgelegten Privatgutachten als auch die von gerichtlich bestellten Sachverständigen zu ermittelnden Mangelbeseitigungskosten geschätzten Summen liegen nahezu durchweg erheblich über denjenigen Beträgen, die ein Geschädigter im Falle der konkreten Schadensberechnung, so diese auf Nachfrage des Gerichts offen gelegt werden, tatsächlich aufwendet, wenn überhaupt eine Mangel- oder Schadensbeseitigung erfolgt. Auch hier muss deshalb der vom VII. Zivilsenat zu recht aufgestellte Grundsatz gelten, dass derjenige, der Mängel bzw. Schäden nicht beseitigen lässt und sich mit der eingetreten Situation abfinden will, eben auch keinen Vermögensschaden in Höhe von lediglich fiktiven Aufwendungen hat.(10)
Nach Auffassung der Kammer greift diese Erkenntnis auch bei den anderen BGH-Senaten zunehmend um sich, wenn auch eher mit dem schlussendlich freilich untauglichen Versuch punktueller Korrekturen und - noch - ohne die fiktive Schadensberechnung ganz aufzugeben. In diese Kategorie fällt nach hier vertretener Auffassung auch die vom VI. Zivilsenat mit Urteil vom 23.02.2010 (
VI ZR 91/09) auf die Grundsätze der Schadenminderungspflicht gestützte Rechtsprechung, wonach bei fiktiver Abrechnung von Fahrzeugschäden nach einem Unfall der Geschädigte unter bestimmten Voraussetzungen auf die Abrechnungssätze eines nicht markengebundenen Fachbetriebes verwiesen werden kann.
Der BGH argumentiert dort mit dem Grundsatz der Erforderlichkeit und führt die durch §
249 II 1 BGB gezogenen Grenzen an.(11) Die Zielsetzung ist klar. Der BGH bemüht sich um eine Begrenzung der in den Sachverständigengutachten enthaltenen Kalkulationsberechnungen, die EDV-gestützt durchweg auf Herstellerpreise und -empfehlungen abstellen, die in der Reparaturpraxis so nicht einmal von den markengebundenen Fachwerkstätten umgesetzt werden und überdies auch den Austausch von Teilen und Komponenten empfehlen, die gar nicht beschädigt sind, was in erster Linie den wirtschaftlichen Interessen der Hersteller dient und die von der Solidargemeinschaft der Haftpflichtversicherer und ihrer Versicherungsnehmer aufzubringenden Kosten nach oben treibt. Tatsächlich vermengt der BGH hier aber die äußerst großzügigen Grundsätze der fiktiven Schadensberechnung mit Elementen der konkreten Schadensberechnung, indem er einzelne Rechnungsposten einer fiktiven und damit per se rein hypothetischen Schadensberechnung durch das dogmatisch unscharfe Kriterium der "Erforderlichkeit" im Sinne von "Wirtschaftlichkeit" bemüht. Gänzlich impraktikabel und für die Instanzgerichte wie auch die rechtssuchenden Parteien über Gebühr belastend wird dieser Ansatz schließlich, wenn der BGH dazu, aus seiner Sicht konsequent, die Beweislast für die angebliche Gleichwertigkeit des günstigeren Referenzbetriebes dem Schädiger zuweist,(12) ohne freilich einmal wenigstens anzudeuten, welche Referenzkriterien denn maßgebend sein sollen. Hier wird - bei teilweise niedrigen Streitwerten und überschaubarem wirtschaftlichen Interesse der Parteien - eine weitere Front für Gutachterschlachten eröffnet, die auf vergleichende Qualitätsaudits zwischen markengebundenen und markenungebundenen Werkstätten hinauslaufen und deren Kosten zumeist in keinem wirtschaftlichen Verhältnis zum Streitwert stehen.
Diese Überlegungen waren es auch, welche die Kammer bislang dazu geführt haben, der Rechtsprechung des VI. Senats nicht zu folgen, worauf die Parteien zunächst hingewiesen worden sind (Bl.76 der Akte).
Mit der Entscheidung des VII. Zivilsenats hat sich diese Frage aber überholt, weil jetzt auch im Rahmen des §
249 I, II BGB kein Raum mehr für fiktive Schadensabrechnungen besteht und diese bislang auch hier anerkannte Schadensberechnung aufzugeben ist, auch wenn der VII. Senat dem offenbar (noch?) nicht nähertreten will.(13)
Völlig zu Recht wird dazu aber in der Literatur gerade im Hinblick auf die geänderte Rechtsprechung des VII. Senats von der Vorsitzenden Richterin am Landgericht Berlin Dr. Ulrike Picker in einer Anmerkung zum Urteil des VII. Senats gefordert, das schadensersatzrechtliche Regime nach er Kehrwende des Senats nunmehr einer grundlegenden dogmatischen Neujustierung zu unterziehen und die im Rahmen der fiktiven Schadensberechnung zunehmend ausgeuferten Wucherungen zurückzuschneiden mit der Maßgabe, dass nach dem das Schadensersatzrecht der §§
249 ff. BGB prägenden Grundsatz der Restitution die Ersatzfähigkeit fiktiver Mangelbeseitigungs- oder sonstiger Restitutionskosten generell auszuschließen.(14)
Nach Auffassung der Kammer gebieten schließlich auch rechtsfolgenorientierte Erwägungen diesen Schritt. Die Möglichkeit der rein fiktiven Schadensberechnungen ist nämlich, wie tatrichterliche Erfahrungen gerade in den erstinstanzlichen Verfahren zeigen, das Einfallstor für Versicherungsbetrügereien und gestellte, provozierte oder sonst manipulierte Verkehrsunfälle schlechthin, wobei das Gericht dies ausdrücklich nicht auf den hier zu entscheidenden Sachverhalt bezieht. Allgemein aber ist die Möglichkeit der fiktiven Schadensabrechnung die unverzichtbare Geschäftsgrundlage für Versicherungsbetrügereien im Zusammenhang mit Verkehrsunfällen. Es werden Fahrzeuge der Oberklasse mit hinreichend hohem Wiederbeschaffungswert eingesetzt, beschädigt und dann bei der betreffenden Versicherung zur Regulierung auf der Basis fiktiver Reparaturkosten vorgestellt. Diese Kosten liegen ein Vielfaches über den zumeist nur kosmetisch in Hinterhofwerkstatten durchgeführten tatsächlichen Kosten der Beseitigung der Unfallspuren. Es darf auf die mittlerweile unüberschaubare Liste der von den Instanzgerichten aufgestellten Indiztatsachen verwiesen werden. Gibt man freilich mit guten Gründen die Rechtsprechung über die Anerkennung der fiktiven Schadensabrechnung generell auf, ist diesen "Geschäftsmodellen" auf einen Schlag die Grundlage entzogen, weil dann nur noch tatsächlich angefallene Reparaturkosten geltend gemacht werden können, die in jeder Hinsicht überprüfbar sind. Im Zuge der damit einhergehenden Rechtsfortbildung wird man, wie dies der BGH auch bereits früher im Hinblick auf Ersatzvornahmekosten vor der entsprechenden gesetzlichen Regelung getan hat, sicher dem Gedanken nähertreten müssen, ob sich nicht aus den §§
249 II 1,
250 S.2,
281 BGB in Verbindung mit §
242 BGB ein allgemeiner Rechtsgedanke des Inhalts herleiten lässt, dass der nunmehr auf konkrete Schadensberechnung verwiesene Geschädigte im Fall der beabsichtigten Schadensbeseitigung auf Gutachtenbasis vom Schädiger einen angemessenen Kostenvorschuss verlangen kann, der nach Abschluss der Maßnahme abzurechnen ist mit der Maßgabe, dass entweder der Schädiger nachentrichten oder der Geschädigte unverbrauchten Vorschuss rückerstatten muss.(15)
Auf den weiteren Vortrag in diesem Zusammenhang kommt es nicht an. Es ist nach der hier vertretenen Auffassung unerheblich, ob die fiktiven Reparaturkosten der Höhe nach berechtigt sind oder sich der Kläger auf die Sätze einer markenunabhängigen Fachwertstatt verweisen lassen muss.
3.2 Der Kläger hat gegen die Beklagten auch keinen Anspruch auf Zahlung weiterer € 5,00 auf die in Höhe von € 25,00 von der Beklagten zu 2) bereits regulierten pauschalen Kosten. Die Kammer hält an ihrer ständigen Rechtsprechung fest, wonach pauschale Kosten ohne Einzelnachweis gemäß §
287 I ZPO nur in Höhe von € 25,00 geltend gemacht werden können. Einzelnachweise für Kosten in Höhe von € 30,00 sind nicht vorgelegt.
4. Die weiteren geltend gemachten Nebenansprüche teilen das rechtliche Schicksal der jeweils unbegründeten Hauptforderung.
Die Kostenmischentscheidung folgt aus §§
92 I,
269 III 1, 3,
100 IV ZPO. Die Kammer hat dabei die Klagerücknahme hinsichtlich der von der Beklagten zu 2) zwischen Anhängigkeit und Rechtshängigkeit der Klage gezahlten Beträge nach billigem Ermessen gemäß §
269 III 3 ZPO kostenrechtlich den Beklagten zugewiesen, weil sie insoweit Veranlassung zur Klage gegeben haben. Soweit die Klagerücknahme auf vor Einreichung der Klageschrift bereits gezahlte Beträge bezogen ist, bleibt es bei der Kostentragungspflicht des Klägers nach §
269 III 1 ZPO.
Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit findet seine Grundlage jeweils in §§
708 Nr.11,
711 ZPO.
Die Festsetzung des Streitwerts berechnet sich nach §§
39 I,
40,
43 I,
48 I GKG in Verbindung mit §
3 ZPO bezogen auf die einzelnen eingereichten und teilweise zurückgenommenen bzw. erledigten Klageanträge wie folgt:
Klageantrag Nr.1 (nach Erweiterung mit der Maßgabe, dass die streitige Frage der Erledigung weiter mit dem vollen Wert anzusetzen ist). € 10.729,54
Klageantrag Nr.2 (Feststellung; wie Klageschrift S.7 - Bl.7 der Akte) € 1.454,20
Klageantrag Nr.3 (Gutachterkosten) € 1.150,97
Streitwert: € 13.334,17