17.01.2013 · IWW-Abrufnummer 130157
Oberlandesgericht Düsseldorf: Urteil vom 02.10.2012 – I-24 U 15/12
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Oberlandesgericht Düsseldorf
I-24 U 15/12
Tenor:
Die Berufung der Klägerin gegen das am 16. Januar 2012 verkündete Urteil der 2. Zivilkammer des Landgerichts Wuppertal – Einzelrichter – wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Klägerin.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Klägerin wird nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung von 110 % des zu vollstreckenden Betrages abzuwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in dieser Höhe leistet.
Die Revision wird zugelassen.
Gegenstandswert für das Berufungsverfahren: 6.479,00 EUR
G r ü n d e
A
Der Beklagte bestellte bei der Klägerin am 2. Oktober 2010 ein Fahrzeug M. zum Kaufpreis von 51.402,05 EUR; am gleichen Tag unterzeichnete er einen von der Klägerin vermittelten Leasingvertrag mit der B. GmbH über ein entsprechendes Fahrzeug.
Als Leasingzeit waren 48 Monate und als Kilometer-Endstand 60.000 km vereinbart. Nach Ablauf der Leasingzeit sollten beim Fahrzeug für Mehrkilometer 0,15 % vom Kaufpreis pro 1.000 km berechnet und für Minderkilometer 0,1 % vom Kaufpreis pro 1.000 km vergütet werden, soweit die Abweichung der Laufleistung mehr als 2.500 km betragen würde. Nach Ziffer XVI. 2. der Leasingbedingungen war das Fahrzeug nach der Leasingzeit in einem dem Alter und der vertragsgemäßen Fahrleistung entsprechenden Erhaltungszustand, frei von Sch äden sowie verkehrs- und betriebssicher zurückzugeben. Soweit das Fahrzeug nicht diesem Zustand entsprechen und hierdurch im Wert gemindert sein sollte, war der Beklagte nach Ziffer XVI. 3. zum Ausgleich des Minderwerts verpflichtet. In Ziffer 1. der Anlage zum Leasingvertrag räumte die B. GmbH dem Beklagten zum Zeitpunkt des Vertragsendes eine Kaufoption für das Fahrzeug ein. Wegen der weiteren Einzelheiten des Leasingvertrags wird auf die in den Akten befindliche Kopie (Bl. 35 ff. GA) verwiesen.
Mit Schreiben vom 12. Oktober 2010 erklärte der Beklagte den Widerruf des Leasingvertrages. Nachdem sich die Klägerin auf den Standpunkt stellte, ein Widerrufsrecht stehe dem Beklagten nicht zu, und die Abnahme des Fahrzeugs verlangte, erklärte der Beklagte zusätzlich die Anfechtung des Vertrages wegen Irrtums.
Die Klägerin hat auf Grundlage ihrer Verkaufsbedingungen 15 % des vereinbarten Kaufpreises, das sind 6.479,00 EUR, nebst Zinsen als Schadensersatz aufgrund der unterbliebenen Abnahme des Fahrzeuges verlangt und sich auf den Standpunkt gestellt, ein Widerrufsrecht habe dem Beklagten nicht zugestanden, weil ein solches mit der gesetzlichen Neuregelung des § 506 BGB entfallen sei.
Der Beklagte ist dem entgegen getreten und hat die Auffassung vertreten, ein Widerrufsrecht folge nach wie vor aus § 506 Abs. 2 Nr. 3 BGB i.V.m. § 495 BGB. Zudem sei ihm ein Widerrufsrecht vertraglich eingeräumt worden, weil er – was unstreitig ist – in dem Leasingantrag mit seiner Unterschrift ausdrücklich bestätigt hat, "eine Durchschrift dieser Urkunde einschließlich der nachstehenden Widerrufsbelehrung" erhalten zu haben. Tatsächlich war dem Antrag eine solche, was ebenfalls unstreitig ist, nicht beigefügt.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, der Klägerin stehe kein Schadensersatzanspruch zu, denn der Beklagte sei wirksam mit Schreiben vom 12. Oktober 2010 von dem Leasingvertrag, der Grundlage für die Bestellung des Fahrzeuges bei der Klägerin gewesen sei, nach §§ 506 Abs. 2 Nr. 3 i.V.m. 495 Abs. 1 und 355 BGB zurückgetreten. Dem Beklagten habe ein entsprechendes Widerrufsrecht nach § 506 Abs. 2 Nr. 3 n.F. BGB zugestanden. Entscheidend sei, dass der Leasingnehmer bei dem im Kfz-Geschäft weit verbreiteten Leasingvertrag auf Basis einer Kilometerabrechnung zwar nicht für einen bestimmten Wert des Leasingfahrzeugs i.S.v. § 506 Abs. 2 Nr. 3 BGB einzustehen habe, wohl aber für einen der Sollbeschaffenheit der Leasingsache entsprechenden Gegenwert. Damit sei auch diese Vertragsart für den Leasinggeber kalkulatorisch auf Vollamortisation ausgerichtet und es verbleibe ihm lediglich das Risiko eines allgemeinen Marktwertverlustes des Leasingfahrzeuges nach Ablauf der Leasingzeit. Dies rechtfertige es, die zum 11. Juni 2010 in Kraft getretene Vorschrift des § 506 Abs. 2 Nr. 3 BGB auf den vorliegenden Vertragstyp entsprechend anzuwenden.
Gegen dieses Urteil wendet sich die Klägerin mit der Berufung, mit der sie ihr erstinstanzliches Begehren weiter verfolgt.
Die Klägerin beantragt,
unter Abänderung des angefochtenen Urteils den Beklagten zu verurteilen, 6.479,00 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 11. Februar 2011 an sie zu zahlen.
Der Beklagte bittet um Zurückweisung der Berufung und verteidigt das angefochtene Urteil. Beide Parteien streiten nach wie vor um die Frage, ob dem Beklagten ein Widerrufsrecht zustand, und wiederholen und vertiefen dazu ihr erstinstanzliches Vorbringen
Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
B
Die zulässige Berufung der Klägerin ist nicht begründet.
Der Klägerin steht der geltend gemachte Schadensersatzanspruch nicht zu, weil der Beklagte den Leasingvertrag wirksam widerrufen hat und damit auch der Kaufvertrag unwirksam geworden ist.
I.
1.
Die Klägerin ist grundsätzlich berechtigt, aus dem am 2. Oktober 2010 geschlossenen Kaufvertrag Ansprüche gegen den Beklagten herzuleiten. Zwar hat der Beklagte, vermittelt durch die Klägerin, zeitgleich mit dem Kaufvertrag einen Leasingvertrag über das Fahrzeug mit der B. GmbH geschlossen, die bei ungestörtem Verlauf in den Kaufvertrag eingetreten wäre. Wäre der Leasingvertrag, wie es die Klägerin meint, zunächst wirksam zustande gekommen, wäre der Beklagte aber gleichwohl noch der Klägerin aus dem Kaufvertrag verpflichtet. Denn gem äß Ziffer I Nr. 3 der AGB zum Leasingvertrag tritt der Leasinggeber erst mit Übergabe des Leasinggegenstandes an den Leasingnehmer in den mit der Verkäuferin – der Klägerin – bestehenden Kaufvertrag ein; das Gleiche gilt, wenn der Leasinggeber Schadensersatz wegen Nichterfüllung gemäß Ziffer VII Nr. 2 verlangt. Eine Übergabe des Fahrzeugs an den Beklagten hat hier aber nicht stattgefunden, weil dieser die Abnahme verweigert hat. Damit lägen zwar die unter VII. Nr. 2 der AGB genannten Voraussetzungen für die Geltendmachung von Schadensersatz durch den Leasinggeber vor. Zu einem Eintritt des Leasinggebers in den Kaufvertrag kommt es indes erst, wenn dieser tatsächlich nach Ziffer I Nr. 3 der AGB Schadensersatz wegen Nichterfüllung verlangt; hierzu ist im Streitfall nichts dargetan.
2.
Zwischen den Parteien steht außer Streit, dass ein wirksamer Widerruf des Leasingvertrages durch den Beklagten zur Folge hat, dass auch der Kaufvertrag hinfällig geworden ist. Dem Vorbringen beider Parteien lässt sich entnehmen, dass diese ihre Vereinbarungen übereinstimmend dahin verstehen, dass auch der Kaufvertrag mit der Frage der Wirksamkeit des Widerrufs des Leasingvertrages stehen und fallen sollte. Auch die Klägerin geht davon aus, dass ihr kein Schadensersatzanspruch aus dem Kaufvertrag zusteht, wenn der Beklagte den Leasingvertrag wirksam widerrufen haben sollte.
II.
Der Senat geht mit dem Landgericht davon aus, dass der Beklagte den Leasingvertrag mit Schreiben vom 12. Oktober 2010 wirksam widerrufen hat und die Klägerin damit auch keine Rechte aus dem Kaufvertrag zwischen den Parteien herleiten kann.
1.
Ob dem Beklagten schon deshalb ein Widerrufsrecht zusteht, weil er in dem Leasingvertrag gesondert unterzeichnet hat, eine Durchschrift der "nebenstehenden Widerrufsbelehrung" erhalten zu haben, kann offen bleiben. Als vertragliche Einräumung eines Widerrufsrechts dürfte die Klausel zwar für sich gesehen nicht geeignet sein. Auf den Zusatz könnte sich der Beklagte aber möglicherweise nach Treu und Glauben berufen.
2.
Dem Beklagten stand jedenfalls ein Widerrufsrecht entsprechend § 506 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3, Abs. 1 BGB i.V.m. §§ 495 Abs. 1, 355 Abs. 1 BGB zu.
a)
Unmittelbar ist § 506 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 BGB auf den hier geschlossenen Kilometerabrechnungsvertrag seinem Wortlaut nach nicht anwendbar (vgl. etwa Schattenkirchner, NJW 2012, 197; Omlor, NJW 2010, 2694, 2697). Denn der Leasingnehmer hat nicht "für einen bestimmten Wert des Gegenstandes einzustehen", sondern lediglich eine etwaige Wertminderung auszugleichen, die sich daraus ergibt, dass sich das Fahrzeug nach Ablauf der Leasingdauer nicht in einem dem Alter und der Fahrleistung entsprechenden Erhaltungszustand befindet (Ziffer XVI der AGB des Leasingvertrages). Leasingverträge mit Kilometerabrechnung lassen sich auch nicht mit der Begründung unter § 506 Abs. 1 BGB subsumieren, es handele sich in § 506 Abs. 2 BGB um keine abschließende Aufzählung, vielmehr stelle § 506 Abs. 1 BGB für Finanzierungsleasingverträge als sonstige entgeltliche Finanzierungshilfe einen Auffangtatbestand dar. Eine derartige Auslegung widerspricht der aus der Gesetzesbegründung hervorgehenden Intention des Gesetzgebers, die als Finanzierungshilfe geltenden Verträge in § 506 Abs. 2 Satz 1 BGB in Umsetzung der Verbraucherkreditrichtlinie 2008/48/EG vollständig zu umschreiben (hierzu ausführlich Skusa, NJW 2011, 2993, 2995 f.).
b)
§ 506 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 BGB ist aber auf Leasingverträge mit Kilometerabrechnung entsprechend anzuwenden.
Denn es nicht davon auszugehen, dass der Gesetzgeber Verträge der vorliegenden Art bewusst dem Schutzbereich des Verbraucherkreditrechts entzogen hat, so dass eine planwidrige Lücke vorliegt, die eine analoge Anwendung des § 506 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 BGB auf Leasingverträge mit Kilometerabrechnung jedenfalls in solchen Fällen ermöglicht, in denen der Verbraucher - wie hier - bei R ückgabe des Fahrzeugs zum Ersatz eines etwaigen Minderwerts verpflichtet ist.
(1)
Bis zum Inkrafttreten der Neufassung des § 506 BGB stand dem Leasingnehmer in Fällen wie dem vorliegenden ein Widerrufsrecht zunächst nach dem Verbraucherkreditgesetz vom 25. Oktober 1989, sodann gemäß § 499 Abs. 2 BGB i.V.m. §§ 500, 495 Abs. 1 BGB und § 355 Abs. 1 BGB zu. Der Bundesgerichtshof hatte dazu in seinen Entscheidungen vom 24. April 1996 (NJW 1996, 2033 ff.) und vom 11. März 1998 (NJW 1998, 1637 ff.) festgestellt, dass Kraftfahrzeugleasingverträge mit Kilometerabrechnung Finanzierungsleasingverträge i.S.v. § 3 Abs. 2 Nr.1 VerbrKrG a.F. bzw. § 499 Abs. 2 BGB und damit Kreditverträge in Form einer sonstigen Finanzierungshilfe i.S.v. § 1 Abs. 2 VerbrKrG a.F. (§ 499 Abs. 1 BGB) sind. Dies sollte nicht nur dann gelten, wenn der Vertrag den Leasingnehmer bei Rückgabe des Fahrzeugs zum Ausgleich eines etwaigen Fahrzeugminderwerts verpflichtete, sondern auch dann, wenn er (zusätzlich) einen Ausgleich für Mehr- oder Minderkilometer vorsah (vgl. auch OLG Hamm, OLGR 1996, 169; Senat, OLGR Düsseldorf 2009, 265; OLG Brandenburg, Urteil vom 23. April 2008, 3 U 115/08, nach Juris). Zur Begründung hat der Bundesgerichtshof maßgeblich darauf abgestellt, dass auch Kfz-Leasingverträgen mit Kilometerabrechnung ohne bezifferte Restwertzahlung eine Finanzierungsfunktion zukomme, weil der Leasinggeber typischerweise eine Vollamortisation erlange. Der Leasingnehmer werde vom Restwertrisiko nicht vollständig entlastet, sondern trage das Risiko einer Verschlechterung der Leasingsache durch Mängel, Schäden oder übermäßige Abnutzung. Dem Leasinggeber verbleibe lediglich das – gering zu veranschlagende – Risiko der Marktgängigkeit des Fahrzeugs bei Vertragsablauf und der richtigen internen Kalkulation des Restwerts. Erziele der Leasinggeber bei Kilometerabrechnungsverträgen durch die Veräußerung des Fahrzeugs einen Gewinn, müsse er zudem daran den Leasingnehmer anders als bei Teilamortisationsverträgen nicht beteiligen. Eine "Amortisationslücke" für den Leasinggeber sei daher bei Kilometerabrechnungsverträgen der – auch hier – vorliegenden Art nicht zu erwarten (BGH, a.a.O.; ebenso etwa Martinek/Stoffels/Wimmer-Leonhardt, Handbuch des Leasingrechts, 2. Auflage, § 56 Rn. 29).
(2)
Die Änderung der gesetzlichen Regelungen, zu denen die vorstehend skizzierte Rechtsprechung ergangen ist, erfolgte in Umsetzung der Verbraucherkreditrichtlinie 2008/48/EG (im Folgenden: VerbrKrRL), mit der die Rechtsvorschriften der Mitgliedsstaaten auf dem Gebiet der Vergabe von Krediten insbesondere an Verbraucher harmonisiert werden sollten. Erstrebt war innerhalb der Reichweite der Richtlinie eine vollständige Harmonisierung; soweit es keine harmonisierenden Vorschriften gab, sollte es den Mitgliedsstaaten freigestellt sein, innerstaatliche Rechtsvorschriften beizubehalten oder einzuführen (vgl. Ziffer 1 und 9 der Gründe zur Richtlinie). Gemäß Art. 2 (2) lit. d der VerbrKrRL gilt diese nicht für Leasingverträge, bei denen keine Verpflichtung des Verbrauchers zum Erwerb des Leasinggegenstandes vorgesehen ist, wobei eine solche Verpflichtung gegeben sein soll, wenn der Leasinggeber hierüber einseitig entscheiden kann. Die hier in Rede stehenden Kilometerabrechnungsverträge ohne Erwerbsverpflichtung unterlagen mithin nicht dem europarechtlichen Harmonisierungsgebot (vgl. Skusa, NJW 2011, 2993, 2995; Omlor, NJW 2010, 2694, 2695; Reinking, DAR 2010, 252, 254).
Der deutsche Gesetzgeber hat in Umsetzung der Richtlinie die Vorschrift des § 506 BGB (bis dahin § 499 BGB) neu gefasst. Der Begriff der "Finanzierungsleasingverträge", wie er sich in § 499 Abs. 2 BGB a.F. fand, ist nunmehr entfallen. Stattdessen wird in Absatz 2 der Vorschrift definiert, wann ein Verbrauchervertrag über die entgeltliche Nutzung eines Gegenstandes als entgeltliche Finanzierungshilfe im Sinne von § 506 Abs. 1 BGB (der im wesentlichen § 499 Abs. 1 BGB entspricht) gilt. Sinn der Vorschrift sollte es sein, die Finanzierungshilfen von bloßen Gebrauchsüberlassungsverträgen, insbesondere Mietverträgen abzugrenzen (vgl. BT-Drucks. 848/08, S. 145).
In § 506 Abs. 2 Satz 1 Nrn. 1 und 2 BGB knüpft der Gesetzgeber unmittelbar an die Richtlinie und das dort für maßgeblich gehaltene Kriterium der Erwerbsverpflichtung an. § 506 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 BGB geht dagegen – zulässig – über die Richtlinie hinaus. Zur Einführung dieser Vorschrift heißt es in der Begründung:
"Nummer 3 findet keine Entsprechung in der Richtlinie und soll solche Finanzierungsleasingverträge erfassen, bei denen zwar keine Erwerbsverpflichtung besteht, aber der Verbraucher für einen bestimmten Wert des Gegenstandes einzustehen hat. Ein bestimmter Wert ist ein solcher, der im Vertrag als feste Zahl vereinbart ist. Eine solche Restwertgarantie verschafft dem Unternehmer eine Vollamortisation des Vertragsgegenstands, die der Verbraucher finanziert. Es ist nicht ersichtlich, warum Verträge mit einer Restwertgarantie anders behandelt werden sollten als Verträge mit Erwerbsverpflichtung. Ein Vertrag mit einer Klausel über eine Restwertgarantie unterscheidet sich jedenfalls so deutlich vom Leitbild des Mietvertrags, dass seine Besserstellung gegenüber anderen entgeltlichen Finanzierungshilfen nicht gerechtfertigt ist. Vielmehr ist nicht auszuschließen, dass in Finanzierungsleasingverträgen künftig auf ein Andienungsrecht mit der Folge verzichtet wird, dass die verbraucherschützenden Vorschriften der §§ 491 ff. keine Anwendung fänden. Vor diesem Hintergrund ist es sachgerecht, die verbraucherschützenden Vorschriften auf solche Nutzungsverträge anzuwenden, bei deren Ende der Verbraucher einen im Vertrag festgesetzten Restwert garantiert." (BT-Drucksache 848/08, S. 146; 16/11643, S. 92).
Dieser Begründung lässt sich zwar entnehmen, dass der Gesetzgeber bewusst nur solche Leasingverträge erfassen wollte, in denen ein konkret bezifferter Restwert genannt ist, für den der Verbraucher einzustehen hat. Dass zugleich beabsichtigt war, die in der Praxis gerade mit Verbrauchern weithin üblichen KfZ-Leasingverträge mit Kilometerabrechnung nicht mehr dem Schutzbereich des Verbraucherkreditrechts zu unterstellen, ist indes nicht ersichtlich. Entgegen Strauß (SVR 2011, 206, 208) lässt sich dem Gesetzgebungsverfahren kein Hinweis darauf entnehmen, dass sich der Gesetzgeber mit der Problematik der Kilometerabrechnungsverträge auseinandergesetzt hätte. Richtig ist zwar, dass § 506 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 BGB in einem ersten Referentenentwurf nicht vorgesehen war und erst anschließend – mit der oben zitierten Begründung – eingefügt worden ist. Ein bewusster Verzicht auf die Einbeziehung der an keiner Stelle explizit erwähnten Kilometerabrechnungsverträge geht hieraus indes gerade nicht hervor. Die Gesetzesbegründung enthält insbesondere, wie es zu erwarten gewesen wäre, wenn eine so weitreichende Rechtsänderung gewollt gewesen wäre (vgl. auch Skusa, NJW 2011, 2993, 2995), keinerlei Auseinandersetzung mit der bisherigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, die wie oben dargestellt auch derartige Verträge als entgeltliche Finanzierungshilfe betrachtete. Maßgebliche Begründung hierfür war, dass der Leasinggeber auch in diesen Fällen regelmäßig eine von dem Verbraucher finanzierte Vollamortisation erlangt. Lediglich in den (seltenen) Fällen, in denen der Leasinggeber bei seiner Kalkulation die Marktsituation falsch einschätzt, ist dies nicht der Fall. Eben diese Vollamortisation ist aber auch der Gesichtspunkt, der den deutschen Gesetzgeber über die EU-Richtlinie hinaus zur Einführung des § 506 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 BGB bewogen hat.
Vor diesem Hintergrund ist nicht davon auszugehen, dass die Herausnahme der Leasingverträge mit Kilometerabrechnung aus dem Schutzbereich der in § 506 Abs. 1 BGB Vorschriften beabsichtigt war und diese Verträge entgegen der bisherigen Praxis nicht mehr als entgeltliche Finanzierungshilfe bewertet werden sollten. Hierfür spricht auch, dass der Gesetzgeber davon ausgegangen ist, dass Finanzierungsleasingverträge "in aller Regel unter § 506 Abs. 2 BGB" fallen und wie entgeltliche Finanzierungshilfen zu behandeln sind (vgl. BT-Drucks. 16/11643, S. 93). Es bestehen auch keine Anhaltspunkte dafür, dass mit der Umsetzung und den Neuregelungen im Zuge der europäischen Verbraucherkreditrichtlinie eine Einschränkung des bisherigen Standards des Verbraucherschutzes gewollt war (im Sinne der hier vertretenen Lösung auch AG Bielefeld, DAR 2012, 468 ff.; zustimmend Leschau, DAR 2012, 470 f.; ebenso i.E. Reinking, DAR 2010, 252, 254; a.A. Nitsch, NZV 2011, 14, 15; Strauß, SVR 2011, 206, 207 f.; zweifelnd Peters, WM 2011, 865, 867; Schattenkirchner, NJW 2012, 197 f.).
(3)
Die weitere Einbeziehung der Leasingverträge mit Kilometerabrechnung in das verbraucherschützende Regelwerk ist auch in der Sache gerechtfertigt. Der Leasinggeber erhält in diesen Fällen, anders als der Vermieter, durch entsprechende Kalkulation des Leasingraten und die anschließende Verwertung des Fahrzeugs jedenfalls in aller Regel ohne erneutes Verleasen eine Vollamortisation (vgl. ausführlich Graf von Westfalen, Der Leasingvertrag, Kap. M Rn. 33 ff., 48 f.; Martinek/Stoffels/Wimmer-Leonhardt, Handbuch des Leasingrechts, 2. Auflage, § 56 Rn. 29; auch etwa Skusa, NJW 2011, 2993, 2997 f.). Die Verträge stellen sich nicht in erster Linie als Gebrauchsüberlassungs-, sondern als Finanzierungsverträge dar. Dann ist der Leasingnehmer im Falle des Kilometerabrechnungsvertrages aber auch in gleicher Weise schutzwürdig wie bei Vertragsgestaltungen mit kalkuliertem und beziffertem Restwert.
III.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
Die Revision gegen das Urteil wird zugelassen. Die Rechtssache hat grundsätzliche Bedeutung (§ 543 Abs. 2 Nr. 1 ZPO), da es im Interesse der Allgemeinheit an einer einheitlichen Handhabung des Rechts liegt zu klären, ob § 506 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 BGB in der seit Juni 2010 geltenden Fassung auf Leasingverträge mit Kilometerabrechnung entsprechend anzuwenden ist.